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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
8C_264/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 5. November 2014  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiber Grunder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,  
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Neuanmeldung; Revision; Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit; Invalidität; Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 20. Februar 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1968 geborene A.________ meldete sich am 3. Dezember 2004 wegen der Folgen eines Unfalles vom 16. März 2004 (Riss der rechten Schultergelenkskapsel, komplexes regionales Schmerzsyndrom I) zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Luzern zog die Akten der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) bei und holte das Gutachten des Dr. med. B.________, Facharzt FMH Psychiatrie und Psychotherapie, vom 5. Dezember 2007 ein. Mit Verfügung vom 8. Januar 2010 verneinte sie einen Anspruch auf Invalidenrente mangels leistungsbegründenden Invaliditätsgrades. 
Am 25. Oktober 2011 meldete sich der Versicherte erneut zum Leistungsbezug an. Er brachte u.a. den Bericht der psychiatrischen Tagesklinik C.________ vom 16. November 2011 ins Verwaltungsverfahren ein, worauf die IV-Stelle eine Begutachtung bei Dr. med. D.________, Spezialarzt FMH Psychiatrie und Psychotherapie, veranlasste (Expertise vom 6. Mai 2012). Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren hielt sie mit Verfügung vom 25. Juni 2012 fest, der Einkommensvergleich ergebe einen unter der Erheblichkeitsschwelle von 40 % liegenden Invaliditätsgrad, weshalb kein Anspruch auf eine Invalidenrente bestehe. 
 
B.   
Hiegegen liess A.________ Beschwerde einreichen und im Hauptpunkt beantragen, er sei gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 55 % zu berenten. Im Laufe des Verfahrens am Kantonsgericht Luzern liess er unter Auflage des vom Bezirksgericht Willisau in Auftrag gegebenen Gutachtens der medizinischen Gutachterstelle E.________ vom 3. Dezember 2012 in Abänderung des Beschwerdebegehrens beantragen, ihm sei eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. Mit Entscheid vom 20. Februar 2014 sprach das kantonale Gericht dem Versicherten ab 1. August 2012 eine ganze Invalidenrente zu. 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde und beantragt, der kantonale Entscheid sei aufzuheben; eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
Mit Verfügung vom 22. Mai 2014 erteilt die Instruktionsrichterin des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Trotzdem prüft es - vorbehältlich offensichtlicher Fehler - nur die in seinem Verfahren geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 BGG). Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher Tatsachen sowie die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen an den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Die aufgrund Letzterer gerichtlich festgestellte Gesundheitslage bzw. Arbeitsfähigkeit und die konkrete Beweiswürdigung sind Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397; nicht publ. E. 4.1 des Urteils BGE 135 V 254, veröffentlicht in SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164 [9C_204/2009]). 
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz hat die Grundlagen über die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG), die Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132), die Invalidität bei psychischen Gesundheitsschäden (BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50; 130 V 352 E. 2.2.1 S. 353) und den Beweiswert von Arztberichten richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
2.2. Zu ergänzen ist Folgendes: Den von den Versicherungsträgern im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten, den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechenden Gutachten externer Spezialärzte darf das Gericht vollen Beweiswert zuerkennen, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 137 V 210 E. 2.2.2 S. 232; 135 V 465 E. 4.4 S. 470). Ein Parteigutachten besitzt nicht den gleichen Rang wie ein vom Gericht oder vom Versicherungsträger nach dem vorgegebenen Verfahrensrecht eingeholtes Gutachten. Es verpflichtet indessen das Gericht, den von der Rechtsprechung aufgestellten Richtlinien für die Beweiswürdigung folgend, zu prüfen, ob es in rechtserheblichen Fragen die Auffassung und Schlussfolgerungen des vom Gericht oder vom Versicherungsträger förmlich bestellten Gutachters derart zu erschüttern vermag, dass davon abzuweichen ist (vgl. BGE 125 V 351).  
 
3.   
Prozessthema bildet die Frage, ob sich der Invaliditätsgrad seit der letzten rechtskräftigen Rentenablehnung (Verfügung der IV-Stelle Luzern vom 8. Januar 2010) bis zur verfügungsweisen Neuprüfung vom 25. Juni 2012 in revisionsrechtlich erheblicher Weise verändert hat (Art. 87 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 IVV; Art 17 Abs. 1 ATSG). Dabei ist zu beachten, dass Anlass zur Rentenrevision jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen gibt, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen. Allerdings stellt eine bloss unterschiedliche Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts keine revisionsbegründende Tatsachenänderung dar (BGE 112 V 371 E. 2b S. 372). Praxisgemäss ist die Invalidenrente aber auch dann revidierbar, wenn sich die erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich gebliebenen Gesundheitszustands erheblich verändert haben (BGE 133 V 545 E. 6.1 S. 546; 130 V 343 E. 3.5 S. 349 f. mit Hinweisen). Diese Grundsätze gelten sinngemäss auch im Neuanmeldeverfahren nach Art. 87 Abs. 4 IVV (BGE 117 V 198). 
 
4.  
 
4.1.  
 
4.1.1. Das kantonale Gericht hat zutreffend erkannt, dass der Ablehnungsverfügung vom 8. Januar 2010 das Gutachten des Dr. med. B.________ vom 5. Dezember 2007 zugrunde lag. Danach litt der Versicherte seit dem Unfall vom 16. März 2004 an therapieresistenten Schmerzen im Bereich des rechten Armes, des rechten Knies und des rechten Sprunggelenks, deren Ausmass durch somatische Befunde nicht hinreichend objektiviert werden konnten. Angesichts der Schwierigkeiten, mit den körperlichen Beschwerden und den damit zusammenhängenden Einschränkungen in Bezug auf eine Arbeitstätigkeit umzugehen, war entgegen dem konsiliarischen Befund der Rehaklinik F.________ eine psychiatrisch relevante anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) zu diagnostizieren, die sich allerdings im Alltags- und Berufsleben bei zumutbarer adäquater Behandlung nicht beeinträchtigend auswirken sollte.  
 
4.1.2. Im Hinblick auf die nach der Neuanmeldung vom 25. Oktober 2011 erlassene Ablehnungsverfügung vom 25. Juni 2012 hat das kantonale Gericht erwogen, dass sich der Gesundheitszustand gemäss den in allen wesentlichen Teilen übereinstimmenden psychiatrischen Beurteilungen der Tagesklinik C.________ vom 16. November 2011, des Dr. med. D.________ vom 6. Mai 2012 sowie der medizinischen Gutachterstelle E.________ vom 3. Dezember 2012 zumindest ab August 2011 (Eintritt in die Tagesklinik C.________) in revisionsrechtlich erheblicher Weise verschlechtert hatte und der Versicherte auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht mehr, im geschützten Rahmen allenfalls noch teilweise einsetzbar war. Nach den weiteren Erwägungen der Vorinstanz hatten die begutachtenden und Auskunft gebenden Fachpersonen differenziert dargelegt, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht allein aufgrund der chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41), sondern auch wegen der persönlichen Eigenschaften, der körperlichen Begleiterkrankungen, der langjährigen Beschwerden, der mangelnden Therapieerfolge sowie der zusätzlich bestehenden psychischen Begleiterkrankungen anzunehmen war, die diagnostisch als mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F32.1), Panikstörung (ICD-10 F.41.0) bzw. Agoraphobie mit Panikstörung (ICD-10 F.40.01) sowie (Verdacht auf eine) kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und paranoiden Anteilen (ICD-10 F60.1 bzw. F61) erfasst wurden. Wohl war Dr. med. D.________ bezüglich der mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10 F32.1) von einer Besserung ausgegangen, er hatte aber an der von der Tagesklinik C.________ eingeschätzten Arbeitsfähigkeit festgehalten.  
 
4.2. Die IV-Stelle macht zum einen geltend, die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung sei teilweise offensichtlich unrichtig und unvollständig, zum anderen habe das kantonale Gericht die Rechtsfrage, ob eine psychische Komorbidität von hinreichender Erheblichkeit die willentliche Schmerzüberwindung ausnahmsweise als unzumutbar erscheinen lasse, nicht begründet.  
 
4.3.  
 
4.3.1. Das Bundesgericht hat sich in BGE 139 V 547 mit dem Begriff des pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildes ohne organische Grundlage (im Folgenden: unklares Beschwerdebild) einlässlich auseinandergesetzt und hat die Praxis bestätigt (grundlegend: BGE 130 V 352), wonach die allein darauf gestützte medizinische Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit in der Regel nicht zum Nachweis einer rentenbegründenden Invalidität genügt. Diese setzt zusammengefasst (E. 9.4 S. 568 in Verbindung mit E. 7.1.1 ff. und 7.2 S. 560 ff.) eine gesundheitlich bedingte, erhebliche und evidente, dauerhafte sowie objektivierbare Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes voraus. Den unklaren Beschwerdebildern ist eigen, dass mittels klinischer Untersuchungen weder Pathologie noch Ätiologie nachweis- oder erklärbar sind. Sie vermögen daher aus rechtlicher Sicht für sich allein den Nachweis einer gesundheitlichen Einschränkung mangels Objektivierbarkeit nicht zu erbringen. Insofern unterscheiden sich die Diagnosen unklarer Beschwerdebilder von den "klassischen", beispielsweise affektiven Störungen sachlich entscheidend, und es rechtfertigt sich, sie namentlich mit Blick auf die Beweislast gesondert zu beurteilen. Die gestützt auf diese Erkenntnisse und Überlegungen ergangene Rechtsprechung ist vom Gesetzgeber unter anderem im Zuge der 5. IV-Revision (Art. 7 Abs. 2 ATSG, in Kraft gesetzt am 1. Januar 2008) in das Bundesrecht übernommen worden. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt allerdings nach wie vor eine fachgerechte und umfassende Begutachtung der betroffenen Versicherten voraus.  
 
4.3.2. Weiter können gemäss BGE 139 V 547 die psychiatrisch festgestellten einzelnen Störungsbilder Gemeinsamkeiten haben und sie können sich überschneiden (E. 9.2 Ingress S. 566 f. mit Hinweis auf BGE 137 V 210), weshalb die versicherte Person in der Regel fachmedizinisch nach dem verfahrensrechtlich vorgeschriebenen Prozedere zu begutachten ist. Selbst wenn rechtlich betrachtet ein unklares Beschwerdebild vorliegt, muss fachärztlich geprüft werden, ob nicht ein anderes Störungsbild gegeben ist, das anhand klinischer und/oder anderweitiger Untersuchungen zuverlässig nachgewiesen werden kann (E. 9.4 S. 568 in Verbindung mit E. 9.2.1 S. 567).  
 
4.3.3. Allerdings kann, wie die IV-Stelle insoweit zu Recht geltend macht, ein unklares Beschwerdebild auch vorliegen, wenn eine depressive Erkrankung und/oder eine Agoraphobie mit Panikstörung bloss als Begleiterscheinung eines psychogenen Schmerzgeschehens und nicht als ein selbstständiges, davon losgelöstes Leiden anzusehen ist (SVR 2012 IV Nr. 22 S. 95, 8C_302/2011 E. 2.4; Urteile 9C_521/2012 vom 17. Januar 2013 E. 3.1.2 und 4.1 sowie 9C_246/ 2012 vom 16. Juli 2012 E. 3.5.2 f.). Das Bundesgericht ist beim Zusammentreffen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung ohne hinreichendes organisches Korrelat mit einer leicht- bis mittelgradigen depressiven Episode auch schon davon ausgegangen, dass letzte in erster aufgeht (vgl. neben dem von der IV-Stelle zitierten Urteil z.B. auch 9C_414/2012 vom 10. August 2012 E. 3.2.2 mit Hinweis). Jedoch führen auch derartige Konstellationen nicht ohne Weiteres dazu, dass von der im medizinischen Gutachten festgestellten Arbeitsunfähigkeit abzuweichen ist (vgl. z.B. Urteil 9C_1041/2010 vom 30. März 2011 E. 5).  
 
4.4. Im Hinblick auf die Beurteilung, ob eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung - oder ein vergleichbarer ätiologisch-pathogenetisch unklarer syndromaler Zustand (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 399) - mit invalidisierender Wirkung vorliegt, gilt kognitionsrechtlich Folgendes: Zu den vom Bundesgericht nur eingeschränkt überprüfbaren  Tatsachenfeststellungen zählt zunächst, ob eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vorliegt, und bejahendenfalls, ob eine psychische Komorbidität oder weitere Umstände gegeben sind, welche die Schmerzbewältigung behindern. Als  Rechtsfrage frei überprüfbar ist, ob eine festgestellte psychische Komorbidität hinreichend erheblich ist und ob einzelne oder mehrere der festgestellten weiteren Kriterien in genügender Intensität und Konstanz vorliegen, um gesamthaft den Schluss auf eine nicht mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbare Schmerzstörung und somit auf eine invalidisierende Gesundheitsschädigung zu gestatten (BGE 137 V 64 E. 1.2 S. 66).  
 
4.5.  
 
4.5.1.  
 
4.5.1.1. Die Tagesklinik C.________ hielt im Bericht vom 16. November 2011 fest, dass den psychischen Faktoren eine wichtige Rolle für Schweregrad, Exazerbation und Aufrechterhaltung der Schmerzen beizumessen war, sie jedoch nicht ursächlich für deren Beginn waren. Der Schmerz wurde nicht absichtlich hervorgerufen oder vorgetäuscht und erzeugte hohes Leiden. Es handelte sich um eine Schmerzstörung, wie sie im Zusammenhang mit einer affektiven Angst oder Somatisierungsstörung beschrieben wird und die durch Wärme getriggert wurde, weshalb sich der Patient häufig in den Keller zurückzog. Durch Führen eines Schmerz- und Gefühlsprotokolls konnte ein Zusammenhang starker Emotionen mit Zunahme der Schmerzen erstellt werden. Der Versicherte bedurfte nach wie vor intensiver psychiatrisch/psychotherapeutischer Behandlung im ambulanten Setting, gegebenenfalls später erneut im tagesklinischen Rahmen. Er neigte dazu, sich bei reduziertem Schmerzempfinden zu überfordern, was jeweils in einer Schmerzexazerbation endete. Aufgrund der psychopathologischen Beurteilung und der anamnestischen Angaben war eine depressive Episode mittelgradiger Ausprägung zu diagnostizieren. Dabei waren wichtige Kriterien die gedrückte Stimmung, der Interessenverlust, die Freudlosigkeit, die Verminderung des Antriebs aber auch Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, vermindertes Selbstwertgefühl, Gefühle der Wertlosigkeit, negative, pessimistische Zukunftsperspektiven als auch Suizidgedanken. Zudem hatten die auch in der Tagesklinik beobachtbaren Existenz- und Zukunftsängste, die sich in deutlichen Depersonalisations- und Dissoziationsphänomenen äusserten, ein Ausmass angenommen, das die Annahme einer psychiatrisch relevanten Panikstörung rechtfertigte.  
 
4.5.1.2. Dr. med. D.________ (Gutachten vom 6. Mai 2012) bestätigte im Wesentlichen die psychiatrisch relevanten Befunde der Tagesklinik C.________. Er hielt fest, dass die kombinierte Persönlichkeitsstörung gemäss ICD-10 F60.1 den Versicherten dazu disponierte, den Unfall vom 16. März 2004 und dessen Folgen nicht angemessen verarbeiten zu können, weshalb er längerfristig mit einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) reagierte. Der Versicherte imponierte als leistungsorientierte Persönlichkeit, was trotz der Hinweise auf eine relevante Persönlichkeitsstörung auch als Ressource zu verstehen war. Dementsprechend erzielte er in der Tagesklinik C.________ therapeutisch betrachtet günstige Ergebnisse. Aktuell konnte die Panikstörung nicht mehr festgestellt werden und das Ausmass der Depression war - bei deutlich gebessertem Zustand - unter adäquater Behandlung weiter remissionsfähig.  
 
4.5.1.3. Der psychiatrische Sachverständige der medizinischen Gutachterstelle E.________ (Teilgutachten vom 6. September 2012) hielt unter dem Titel "Diagnosekriterien nach ICD-10" fest, seit acht Jahren bestehe ein kontinuierlich anhaltender Schmerz des rechten Unterarmes sowie der rechten Hand und teilweise auch des rechten Beines, der nicht ausreichend durch ein körperliches Korrelat erklärt werden konnte, der aber anhaltend den Hauptfokus der Aufmerksamkeit des Exploranden bildete. Der Schmerz trat auf, nachdem Röhren auf ihn gefallen waren und ihn umrissen, die depressive sowie die Angstsymptomatik entwickelten sich erst im späteren Verlauf, sodass die Diagnosekriterien nach ICD-10 für eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren erfüllt waren. Die aktenanamnestisch beschriebene situationsabhängige Bewegungseinschränkung des rechten Armes liess auch an eine dissoziative Bewegungsstörung denken. Da aber nach ICD-10 Schmerzstörungen erstrangig unter F45 zu erfassen waren, sollte die Schmerzsymptomatik - auch wenn sie über eine reine Schmerzsymptomatik hinausging - trotzdem als somatoforme Schmerzstörung kodiert werden. Daneben hatte sich eine depressive Symptomatik entwickelt, mit authentisch geschilderter depressiver Stimmung, Interessen- und Freudverlust an Aktivitäten, Verlust des Selbstwertgefühls, Schuldgefühlen und massiven Schlafstörungen, die in den letzten Jahren nicht dauernd remittent war, weshalb auch künftig von einer anhaltend mittelschweren depressiven Episode auszugehen war. Sodann bestand seit mindestens einem Jahr eine Agoraphobie mit rezidivierenden Panikattacken; der Versicherte mied Menschenmengen und vermochte alleine keine längeren Strecken ausser Haus mehr zurückzulegen. Schliesslich ergab sich der starke Verdacht auf eine Störung der Persönlichkeit und des Verhaltens; die inneren Erfahrungs- und Verhaltensmuster des Exploranden wichen deutlich von den kulturell erwarteten und akzeptierten Vorgaben ab, was sich auf den Umgang mit anderen Menschen auswirkte. Neben diesen allgemeinen Merkmalen einer Persönlichkeitsstörung waren auch Hinweise für eine kombinierte Persönlichkeitsstörung im Sinne einer massiven Selbstwertproblematik zu erkennen, zumal der Versicherte übertrieben empfindlich auf Rückschläge und Zurücksetzungen zu reagieren schien. Insgesamt bestanden befundmässig keine Diskrepanzen zum Bericht der Tagesklinik C.________ sowie dem Gutachten des Dr. med. D.________; entgegen dessen Auffassung wirkten sich allerdings die anhaltende somatoforme Schmerz- sowie die kombinierte Persönlichkeitsstörung relevant auf die Arbeitsfähigkeit aus.  
 
4.5.2. Wie das kantonale Gericht richtig festgehalten hat, leidet der Versicherte an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Bei diesem Beschwerdebild besteht die Vermutung, es sei mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar, das heisst mit der Ausübung einer leidensangepassten Tätigkeit vereinbar; sie kann denn auch nur unter spezifischen Voraussetzungen Rentenleistungen auslösen (BGE 131 V 49; 130 V 352 E. 2.2.2 S. 353). Hinsichtlich der einzelnen Kriterien, deren Anwendung einer Rechtsfrage entspricht, ist Folgendes festzuhalten:  
 
4.5.2.1. Aus den in E. 4.5.1 hievor zitierten medizinischen Akten ergibt sich unstrittig, dass anamnestisch und klinisch auffällige Persönlichkeitsmerkmale festzustellen waren, die nicht auf Aggravation oder gar Simulation von Symptomen beruhten. Anamnestisch lag eine seit Jugend bestehende Persönlichkeitsstörung vor, die sich im Erwachsenenalter zu einer (verdachtsweise) kombinierten Persönlichkeitsstörung ausweitete. Zudem war eine Agoraphobie mit Panikstörung zu diagnostizieren, die zu Depersonalisations- und Dissoziationsphänomenen führte (vgl. E. 4.5.1.3 in fine und 4.5.1.1 in fine hievor). In Zusammenhang mit diesen Befunden diagnostizierten die Ärzte, wie die Vorinstanz zumindest implizit richtig festgestellt hat, eine anhaltende depressive Episode, die als ein von der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung verselbstständigtes Leiden anzusehen war. Daher ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer an einem relevanten, zur anhaltenden somatoformen Schmerzstörung hinzu getretenen (komorbiden) Gesundheitsschaden litt. Zu dessen Schwere, Intensität, Ausprägung und Dauer (vgl. BGE 131 V 49; 130 V 352 E. 2.2.2 S. 354) ist aufgrund der psychiatrischen Auskünfte davon auszugehen, dass der Versicherte jedenfalls vorläufig nur einer Arbeit nachzugehen in der Lage war, die er im geschützten Rahmen werde erfüllen können.  
 
4.5.2.2. Die medizinischen Akten weisen einen mehrjährigen, chronifizierten Krankheitsverlauf mit zunächst unveränderter, später aber progredienter Symptomatik ohne länger dauernde Rückbildung aus. Es trifft zwar zu, wie die IV-Stelle vorbringt, dass Dr. med. D.________ hinsichtlich der depressiven Störung von einer Remission ausgegangen war, indessen hat die Vorinstanz verbindlich festgestellt, dass er an der von der Tagesklinik C.________ angegebenen Arbeitsfähigkeit festhielt. Zudem ging auch der psychiatrische Gutachter der medizinischen Gutachterstelle E.________ davon aus, dass zumindest seit der von ihm durchgeführten Exploration keine nennenswerte Arbeitsfähigkeit ausserhalb eines geschützten Rahmens bestand.  
 
4.5.2.3. Was das Kriterium des sozialen Rückzugs anbelangt, wurden bereits im Bericht der Tagesklinik C.________ deutlich feststellbare Depersonalisations- und Dissoziationsphänomene festgestellt (E. 4.5.1.1 hievor). Der psychiatrische Gutachter der medizinischen Gutachterstelle E.________ hielt in diesem Zusammenhang fest, der Explorand sei seit Jahren impotent, die Kollegen des Sportvereins hätten sich von ihm abgewendet, auch der Kontakt zu seinen Schwestern sei abgebrochen. Diese Umstände weisen auf ein erheblich gestörtes Sozialleben hin. Daran ändert nichts, dass der Versicherte gemäss den weiteren Auskünften des psychiatrischen Sachverständigen der medizinischen Gutachterstelle E.________ auch fortan mit der Ehefrau und deren Tochter zusammenlebte und die Eltern sowie vor allem sein Chef in der Behindertenwerkstatt Bezugspersonen waren, auf deren Anteilnahme und Wertschätzung er Wert legte. Entscheidend ist, dass der Beschwerdeführer nicht mehr in der Lage war, aus eigener Kraft soziale Kontakte zu pflegen oder aufrecht zu erhalten.  
 
4.5.2.4. Ein verfestigter, therapeutisch nicht mehr beeinflussbarer innerseelischer Verlauf einer an sich missglückten, psychisch aber entlastenden Konfliktbewältigung (primärer Krankheitsgewinn) ist insoweit anzunehmen, als der Versicherte laut psychiatrischem Teilgutachten der medizinischen Gutachterstelle E.________ einem möglichen schwierigen beruflichen Umfeld, in dem unter Zeitdruck gearbeitet werden muss, ausgewichen war. Dieser Zusammenhang war ihm nicht bewusst. Allerdings stand der Versicherte einer psychotherapeutischen Behandlung mittlerweile insoweit offen gegenüber, dass er für sich selber eine Zukunftsperspektive und eine berufliche Entwicklungsmöglichkeit im Rahmen eines geschützten Arbeitsplatzes sah.  
 
4.5.2.5. Das Kriterium, ob eine konsequent durchgeführte ambulante oder stationäre Behandlung (auch mit unterschiedlichem therapeutischem Ansatz) trotz kooperativer Haltung der versicherten Person gescheitert sei, ist angesichts der von mehreren Gutachtern und Therapeuten wiederholt geäusserten Auffassung, das psychopathologische Beschwerdebild lasse sich nur schwer beeinflussen, ohne Weiteres zu bejahen. Es ist unter anderem nicht zu übersehen, dass aufgrund aller stationär durchgeführten Rehabilitationsaufenthalte keine wesentliche und dauerhafte Verbesserung des Gesundheitszustands erzielt werden konnte.  
 
4.5.2.6. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer an chronischen Bewegungseinschränkungen des rechten dominanten Armes litt, die ihm die Wiederaufnahme einer Arbeitstätigkeit in den vor Eintreten des Gesundheitsschadens ausgeübten Berufen erheblich erschwerten oder gar unmöglich machten.  
 
4.5.3. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer ausweislich der Akten an psychiatrisch ausgewiesenen Gesundheitsbeeinträchtigungen litt, die sich nicht allein in einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung erschöpften. Vielmehr ist mit dem kantonalen Gericht davon auszugehen, dass die anhaltende Schmerzsymptomatik den Beschwerdeführer daran hinderte, eine Arbeitstätigkeit ausserhalb eines geschützten Rahmens aufzunehmen. Unter diesen Umständen ist der vorinstanzliche Entscheid nicht zu beanstanden.  
 
5.  
 
5.1. Die Gerichtskosten sind der unterliegenden IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).  
 
5.2. Sie hat den Beschwerdegegner dem Aufwand gemäss zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1400.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 5. November 2014 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Leuzinger 
 
Der Gerichtsschreiber: Grunder