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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_4/2019  
 
 
Urteil vom 10. Mai 2019  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Bank A._________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwälte Damian Keel 
und Lukas Metzler, 
 
gegen  
 
1. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Frank Nabholz, 
2. C.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Hans Hofstetter, 
3. D.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc Wolfer, 
4. E.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Matthias Forster, 
5. F.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Henzen, 
6. G.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Bivetti, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Kantonales Untersuchungsamt, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Parteistellung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 7. November 2018 (AK.2018.275-AK). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
B.________, C.________, D.________, E.________, F.________ und G.________ waren Kadermitarbeiter der Bank H.________ AG. Diese erstattete gegen die sechs genannten Personen Strafanzeige, weil sie sie verdächtigte, ungesicherte Bankgarantien im Umfang von 11 Mio. Fr. ausgegeben zu haben. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen eröffnete ein Strafverfahren, in dem sich die Bank H.________ AG als Privatklägerin konstituierte. Mit Schreiben vom 9. Februar 2018 erklärte die Bank H.________ AG in Bezug auf F.________ ihr Desinteresse. 
Am 28. März 2018 fusionierte die Bank H.________ AG mit der Bank A._________ AG und wurde aus dem Handelsregister gelöscht. Mit Verfügung vom 23. Juli 2018 verweigerte die Staatsanwaltschaft der Bank A._________ AG die Anerkennung als Verfahrenspartei. Eine von dieser dagegen erhobene Beschwerde wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 7. November 2018 ab, soweit sie darauf eintrat. 
 
B.   
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 3. Januar 2019 beantragt die Bank A._________ AG, der Entscheid der Anklagekammer sei aufzuheben und ihr selbst sei die Parteistellung im Strafverfahren zu gewähren bzw. eventualiter zu erlauben, Zivilansprüche geltend zu machen. Subeventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Staatsanwaltschaft und die Anklagekammer haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdegegner 1, 2, 3 und 6 schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdegegner 4 beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Der Beschwerdegegner 5 beantragt in erster Linie, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, und eventualiter, sie sei abzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen. Der angefochtene Entscheid ist kantonal letztinstanzlich (Art. 80 BGG). Er schliesst für die Beschwerdeführerin das Verfahren ab und stellt insofern einen Endentscheid dar (Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt (BGE 139 IV 310 E. 1 S. 312). Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind grundsätzlich erfüllt.  
 
1.2. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde allerdings insoweit, als sie eine mögliche Zivilklage gegen den Beschwerdegegner 5 umfasst. Die Anklagekammer legte dar, dass bereits die Bank H.________ AG ihr Desinteresse am Strafverfahren gegen ihn erklärt habe, weshalb auf die Beschwerde in diesem Umfang nicht einzutreten sei. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern der angefochtene Entscheid in diesem Punkt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie sei nach Art. 121 Abs. 2 StPO zur Zivilklage berechtigt. Sie sei vor der Fusion vollständige und alleinige Eigentümerin der Bank H.________ AG gewesen. BGE 140 IV 162, auf den sich die Anklagekammer berufe, werde dieser besonderen Konstellation nicht gerecht. Bei einer hundertprozentigen Muttergesellschaft liege eine "Angehörigen-Funktion" vor, weshalb sich auch eine analoge Anwendung von Art. 121 Abs. 1 StPO rechtfertigen würde. Weiter sei zu bedenken, dass die Absorptionsfusion auch umgekehrt hätte vorgenommen werden können. Dann hätte die Bank H.________ AG weiter existiert und ihre Parteistellung behalten. Schliesslich sei sie auch direkt Geschädigte, wie sie im Verfahren vor der Anklagekammer anhand der I.________ Ltd. aufgezeigt habe. Bei der Ausstellung der Garantieerklärung an diese sei die Garantiesumme in keiner Weise abgesichert worden. Damit sei zwar der Schaden im strafrechtlichen Sinn bei der Bank H.________ AG eingetreten, die Garantie könne aber nur im Zeitraum zwischen dem 11. März 2019 und dem 15. April 2019 in Anspruch genommen werden. Ein zivilrechtlich klagbarer Anspruch entstehe damit nicht vor dem 11. März 2019 und somit bei ihr selbst, nicht bei der Bank H.________ AG. Die Anklagekammer sei auf diese Vorbringen zum direkten Schaden nicht eingegangen und habe dadurch das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt.  
 
2.2. Art. 121 Abs. 2 StPO sieht vor, dass wer von Gesetzes wegen in die Ansprüche der geschädigten Person eingetreten ist, nur zur Zivilklage berechtigt ist und nur jene Verfahrensrechte hat, die sich unmittelbar auf die Durchsetzung der Zivilklage beziehen. Das Bundesgericht hat in BGE 140 IV 162 ausführlich dargelegt, dass der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Zivilansprüchen festgelegt hat, die auf rechtsgeschäftlichem Erwerb beruhen, und solchen, die unmittelbar aufgrund privat- oder öffentlichrechtlicher Regressnormen (per Legalzession) auf die rechtsnachfolgende juristische oder natürliche Person übergegangen sind. Zum rechtsgeschäftlichen Erwerb gehört auch die Fusion (a.a.O., E. 4.9.5 S. 171 mit Hinweisen). Das Bundesgericht verneinte gestützt darauf die Parteistellung der damaligen Beschwerdeführerin. Diese war im Gegensatz zu ihrer Rechtsvorgängerin im Zeitpunkt der Tathandlungen noch nicht Trägerin der verletzten Rechtsgüter bzw. der betroffenen Vermögensrechte und damit nicht unmittelbar geschädigt. Ihr Vermögensinteresse leitete sich erst mittelbar daraus ab, dass sie nachträglich Vermögensansprüche der übertragenden Gesellschaft erworben hatte (a.a.O., E. 4.5 S. 166; bestätigt in 6B_671/2014 vom 22. Dezember 2017 E. 1.3 f. mit Hinweisen).  
Im vorliegenden Fall ist die Ausgangslage dieselbe. Die Beschwerdeführerin erwarb potenzielle zivilrechtliche Ansprüche einzig aufgrund der Fusion mit der Bank H.________ AG und damit rechtsgeschäftlich. Dass sie vor der Fusion deren Alleinaktionärin war, vermag daran nichts zu ändern und stellt auch die dargelegte bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht in Frage. Das Bundesgericht hat zudem auch dargelegt, dass sich Art. 121 Abs. 1 StPO nur auf natürliche Personen bezieht, was sich bereits aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung ergibt, wonach darauf abgestellt wird, dass die geschädigte Person "stirbt" (a.a.O., E. 4.7.1 mit Hinweis). 
Ein anderes Ergebnis resultiert auch nicht in Bezug auf den geltend gemachten Zivilanspruch betreffend die Garantieerklärung an die I.________ Ltd. Auch insofern ergibt sich die potenzielle Verpflichtung und damit der potenzielle Anspruch aus der Fusion und damit aus rechtsgeschäftlichem Erwerb. Dass die Anklagekammer auf diese erst in einer nachträglichen Eingabe vorgetragene Rüge nicht speziell eingegangen ist, stellt im Übrigen auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Nach der Rechtsprechung ist eine Beschwerdeergänzung nach Ablauf der Beschwerdefrist, auf dem Weg der Replik, nur insoweit statthaft, als die Ausführungen in der Vernehmlassung eines anderen Verfahrensbeteiligten dazu Anlass geben (BGE 143 II 283 E. 1.2.3 S. 286 mit Hinweis). 
 
3.   
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegner haben Anspruch auf eine angemessene Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegnern eine Parteientschädigung von je Fr. 1'000.-- auszurichten. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Kantonales Untersuchungsamt, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. Mai 2019 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold