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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_830/2011 
 
Urteil vom 12. April 2012 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Pfiffner Rauber, 
Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke. 
 
Verfahrensbeteiligte 
H.________, 
vertreten durch Fürsprecher Frank Fuhrer, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Leistungen, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 27. September 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1959 geborene H.________ bezieht seit 1. September 1995 eine Rente der Invalidenversicherung, seit 1. August 1997 eine Viertelsrente bei einem Invaliditätsgrad von 45 % (letztmals Verfügung der IV-Stelle Bern vom 26. Februar 2009). Im Juni 2005 meldete er sich zum Bezug von Ergänzungsleistungen an. Mit Verfügung vom 12. April 2006 und Einspracheentscheid vom 13. Juli 2006 verneinte die Ausgleichskasse des Kantons Bern unter Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens einen Anspruch ab 1. Februar 2006; die hiegegen erhobene Beschwerde wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 19. März 2007 insoweit gutgeheissen, als eine Aufrechnung von hypothetischem Einkommen nur für die Zeit von Juli 2005 bis und mit April 2006 anerkannt wurde. Im Rahmen einer Neuberechnung der Ergänzungsleitungen berücksichtigte die Ausgleichskasse des Kantons Bern erneut ein hypothetisches Erwerbseinkommen und lehnte mit Verfügung vom 1. Oktober 2007 einen Anspruch ab 1. August 2006 ab, was sie mit Einspracheentscheid vom 17. Juli 2009 bestätigte. 
 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 27. September 2011 ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt H.________ beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien ihm ab 1. August 2006 Ergänzungsleistungen auszurichten. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
2. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Dabei steht einzig in Frage, ob bei deren Berechnung ein hypothetisches Erwerbseinkommen des Beschwerdeführers zu berücksichtigen ist. 
 
2.1 Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistung (Art. 9 Abs. 1 ELG) und über die Anrechenbarkeit von Einnahmen und Vermögenswerten, auf die verzichtet worden ist (Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG), zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. 
Richtig ist insbesondere, dass Invaliden als Erwerbseinkommen grundsätzlich der Betrag angerechnet wird, den sie im massgebenden Zeitabschnitt tatsächlich verdient haben (Art. 14a Abs. 1 ELV [SR 831.301] in Verbindung mit Art. 9 Abs. 5 lit. c ELG). Teilinvaliden unter 60 Jahren mit einem Invaliditätsgrad von 40 bis unter 50 Prozent ist als Erwerbseinkommen jedoch mindestens der um einen Drittel erhöhte Höchstbetrag für den Lebensbedarf von Alleinstehenden nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 1 ELG anzurechnen (Art. 14a Abs. 2 lit. a ELV). Damit wird bei Nichterreichen dieses Grenzbetrages die Vermutung eines freiwilligen Verzichts auf Erwerbseinkünfte (vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG) statuiert. Diese kann widerlegt werden, wenn invaliditätsfremde Gründe wie Alter, mangelhafte Ausbildung und Sprachkenntnisse, persönliche Umstände oder Arbeitsmarktsituation die Verwertung der Resterwerbsfähigkeit erschweren oder verunmöglichen. Massgebend für die Berechnung der Ergänzungsleistungen ist daher das hypothetische Einkommen, das der Versicherte tatsächlich realisieren könnte (BGE 131 II 656 E. 5.2 S. 661 f.; 117 V 202 E. 2a/b S. 204 f.; 117 V 153 E. 2b/c S. 155 f). Mit Bezug auf die invaliditätsbedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit haben sich EL-Organe und Sozialversicherungsgerichte grundsätzlich an die Invaliditätsbemessung durch die Invalidenversicherung zu halten (BGE 117 V 202 E. 2b S. 205; Urteil 8C_172/2007 vom 6. Februar 2008 E. 7.1). 
 
2.2 Die Festsetzung des hypothetischen Einkommens, soweit sie auf der Würdigung konkreter Umstände beruht, stellt eine Tatfrage dar, welche lediglich unter eingeschränktem Blickwinkel überprüfbar ist. Rechtsfrage ist dagegen, nach welchen Gesichtspunkten die Entscheidung über die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit erfolgt. 
 
2.3 Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist dem Versicherten gemäss den bei der EL-Beurteilung zu beachtenden Feststellungen der IV-Stelle (BGE 117 V 202 E. 2b S. 205; vgl. E. 2.2 hievor) seine angestammte Tätigkeit als Hilfsdachdecker im massgebenden Verfügungszeitpunkt vom 26. Februar 2009 zu 50 %, und eine Verweisungstätigkeit zu 100 % zumutbar, was einen Invaliditätsgrad von 45 % ergab; daran hat auch der Auffahrunfall vom 30. November 2006 nichts geändert, wie sich aus dem Gutachten des Dr. med. L.________ vom 11. September 2008 ergibt. Damit ist dem Beschwerdeführer aus medizinischen Gründen die Erzielung eines Einkommens als Teilinvalider ohne weiteres zumutbar. Weiter hat die Vorinstanz festgestellt, dass weder Alter (der Versicherte war im Verfügungszeitpunkt 50-jährig) noch mangelnde Sprachkenntnisse (er spricht schlecht Deutsch) gegen eine Teilerwerbstätigkeit sprechen und daran auch sein fehlender Schweizer Berufsabschluss und die erfolglosen, weil letztlich ungenügenden Arbeitsbemühungen nichts ändern. 
 
2.4 Wenn das kantonale Gericht unter diesen Umständen mit der Ausgleichskasse davon ausgegangen ist, dem Beschwerdeführer sei ein hypothetisches Einkommen aufzurechnen und deshalb einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen verneint hat, ist dies im Lichte der gesetzlichen Sachverhaltskognition (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG, vgl. E. 1 hievor) nicht zu beanstanden. In der Beschwerde an das Bundesgericht wird auch nichts vorgebracht, was die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz als offensichtlich unrichtig oder die von ihr daraus gezogenen Schlussfolgerungen als bundesrechtswidrig erscheinen liesse. 
Vielmehr erschöpfen sich die Vorbringen des Beschwerdeführers in weiten Teilen in einer wörtlichen Wiederholung der Ausführungen in der vorinstanzlichen Beschwerde, ohne dass eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen im angefochtenen Entscheid stattfände, namentlich was den wichtigen Aspekt der vorliegend eindeutig ungenügenden Arbeitsbemühungen anbelangt. Diesbezüglich genügt die Beschwerde den Begründungsanforderungen gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG (BGE 134 II 244 E. 2.3 S. 246 f.) nicht, weshalb auf die entsprechenden Vorbringen nicht näher einzugehen ist. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der appellatorischen (und damit ohnehin unzulässigen) Kritik betreffend die medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit bis zum zweiten Unfall vom 30. November 2006. Soweit der Beschwerdeführer erneut geltend macht, nach diesem zweiten Unfall sei eine massgebende Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten und es sei zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auf das Arztzeugnis des behandelnden Arztes Dr. med. K.________ vom 24. Oktober 2007 abzustellen, hat bereits die Vorinstanz zutreffend ausgeführt, weshalb gestützt auf das beweiskräftige Gutachten des Dr. med. L.________ vom 11. September 2008 eine Verschlechterung nicht ausgewiesen ist. Der Einwand, dieses Gutachten sei erst für die Zeit nach der Begutachtung massgebend, ist nicht nachvollziehbar; der diesbezügliche Verweis auf das Urteil 9C_810/2010 des Bundesgerichts vom 16. September 2011 ist unbehelflich. 
Schliesslich sind auch die Rügen zur Unverwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit unbegründet. Zwar ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass neben dem aktuellen Behinderungs- und Gesundheitszustand das Alter, die Ausbildung und der konkrete Arbeitsmarkt grundsätzlich zu berücksichtigen sind, wenn die Anrechenbarkeit eines hypothetischen Einkommens in Frage steht (vgl. E. 2.1 hievor). Aufgrund der gesetzlich statuierten Vermutung von Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV kann aber eine (in grundsätzlicher oder masslicher Hinsicht) fehlende Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit nur angenommen werden, wenn sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) feststeht. Dies ist, wie die Vorinstanz einlässlich dargelegt hat, weder bezüglich des Alters des Versicherten noch bezüglich seiner mangelnden Ausbildung der Fall. Inwieweit die diesbezüglichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sein sollen, vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun. 
 
3. 
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 12. April 2012 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Meyer 
 
Die Gerichtsschreiberin: Helfenstein Franke