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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
C 94/06 
 
Urteil vom 23. November 2006 
I. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari, Ursprung, Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Parteien 
Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen, Davidstrasse 21, 9000 St. Gallen, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
S.________, 1978, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Heinz T. Stadelmann, St. Jakob Strasse 37, 
9000 St. Gallen 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
(Entscheid vom 24. Februar 2006) 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
S.________ (geb. 1978) meldete sich ab 1. September 2002 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an. Die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen eröffnete ab diesem Tag eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug bei einem versicherten Verdienst von Fr. 4550.-. Im September 2003 stellte S.________ ein Gesuch um besondere Taggelder zur Förderung der selbstständigen Erwerbstätigkeit. Mit Verfügung vom 14. November 2003 hiess das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) dieses gut und sprach S.________ rückwirkend ab 25. August 2003 70 Taggelder zu. In der Folge eröffnete der Genannte ein Geschäft zum Verkauf von Tee und Naturprodukten, die X.________ GmbH. Ab 1. Dezember 2003 beantragte er erneut Arbeitslosenentschädigung und gab an, eine Anstellung mit einem Pensum von 60 % zu suchen, da er mit der Tätigkeit in seiner Firma zu wenig verdiene. Mit Verfügung vom 30. Januar 2004 lehnte das RAV dieses Begehren ab, da S.________ nach wie vor als arbeitgeberähnliche Person in der erwähnten GmbH im Handelsregister eingetragen sei. Daran hielt das RAV mit Einspracheentscheid vom 23. März 2004 fest. Dieser Entscheid blieb unangefochten. 
Am 24. Mai 2004 stellte S.________ abermals ein Gesuch um Arbeitslosenentschädigung. Dieses lehnte die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen mit Verfügung vom 19. Juli 2004 ab, weil der Versicherte weiterhin eine arbeitgeberähnliche Stellung in der X.________ GmbH einnehme. Auch diese Verfügung blieb unangefochten. 
Am 27. September 2004 beantragte S.________ wiederum Arbeitslosenentschädigung. Dabei wies er darauf hin, dass er seinen Stammanteil an der erwähnten Firma abgetreten habe und als Geschäftsführer abgewählt worden sei. Hierauf eröffnete die Arbeitslosenkasse mit Taggeldabrechnung vom 15. Dezember 2004 eine neue Rahmenfrist für den Leistungsbezug ab 28. September 2004 und setzte den versicherten Verdienst auf Fr. 1949.- fest. Auf Verlangen von S.________ erliess sie am 19. April 2005 eine Verfügung, worin sie den versicherten Verdienst auf Fr. 1951.- festsetzte und es ablehnte, die erste, am 1. September 2002 eröffnete Rahmenfrist für den Leistungsbezug mit dem höheren versicherten Verdienst von Fr. 4550.- auf vier Jahre zu verlängern. Bei der Tätigkeit in der X.________ GmbH habe es sich um eine beitragswirksame Arbeit gehandelt, weshalb die gewünschte Verlängerung der Rahmenfrist nicht in Frage komme. Daran hielt die Kasse mit Einspracheentscheid vom 26. Mai 2005 fest. 
 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 24. Februar 2006 gut. Es verlängerte die am 1. September 2002 eröffnete erste Rahmenfrist für den Leistungsbezug mit dem versicherten Verdienst von Fr. 4550.- bis 31. August 2006 und erwog im Wesentlichen, dass nicht nur selbstständig Erwerbstätige, sondern auch arbeitgeberähnliche Personen in den Genuss der verlängerten Rahmenfrist kommen könnten. Soweit Art. 95e Abs. 2 AVIV den Kreis der verlängerungsberechtigten Personen auf solche beschränke, die keine beitragswirksame Tätigkeit ausgeübt hätten, sei die Verordnungsbestimmung gesetzwidrig. 
 
C. 
Die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. 
S.________ schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
 
D. 
In der Folge holte das Eidgenössische Versicherungsgericht eine Vernehmlassung des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco) ein. Dieses äusserte sich mit dem Begehren auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. S.________ liess sich dazu vernehmen und erneut um Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ersuchen. Zudem beantragt er die unentgeltliche Verbeiständung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Vorschriften zur Ausrichtung von besonderen Taggeldern an Versicherte, die eine dauernde selbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen (Art. 71a Abs. 1 AVIG), zur Rahmenfrist von vier Jahren für den allfälligen Bezug weiterer Taggelder (Art. 71d Abs. 2 AVIG), zur Verlängerung der Rahmenfrist für den Leistungsbezug um zwei Jahre, wenn die selbstständige Erwerbstätigkeit nicht beitragswirksam war (Art. 95e Abs. 2 AVIV in der seit 1. Juli 2003 geltenden Fassung), und die zu dieser Problematik ergangene Rechtsprechung (BGE 126 V 212) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
2. 
Streitig und zu prüfen ist die Höhe des versicherten Verdienstes für die ab 28. September 2004 ausgerichteten Taggelder. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob die am 1. September 2002 eröffnete Rahmenfrist für den Leistungsbezug mit einem versicherten Verdienst von Fr. 4550.- auf vier Jahre zu verlängern oder ob am 28. September 2004 gestützt auf die in der Firma X.________ GmbH erzielten, niedrigeren Einkünfte eine neue Rahmenfrist für den Leistungsbezug zu eröffnen ist, bei welcher der versicherte Verdienst lediglich Fr. 1951.- betragen würde. 
 
2.1 Unbestrittenermassen hat der Beschwerdegegner zum Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit entsprechende Taggelder im Sinne von Art. 71a Abs. 1 AVIG bezogen. Mit dieser Unterstützung eröffnete er die X.________ GmbH. Grundsätzlich war seine Arbeitslosigkeit mit der Aufnahme der Tätigkeit in dieser Firma beendet, und es bestand kein Anspruch mehr auf weitere Leistungen der Arbeitslosenversicherung (BGE 126 V 215 Erw. 3a; ARV 2001 Nr. 9 S. 90 Erw. 1d in fine [Urteil H. vom 30. März 2000, C 427/99]). Dies gilt selbst dann, wenn sich mit der selbstständigen Erwerbstätigkeit anfänglich noch keine oder nur bescheidene Einkünfte erzielen lassen (BGE 126 V 215 Erw. 3a). 
 
2.2 Indessen kann es vorkommen, dass ein Versicherter mit dem Projekt der selbstständigen Erwerbstätigkeit scheitert und sie deshalb vollständig aufgeben will. In einem solchen Fall soll die versicherte Person durch das mit der Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit freiwillig auf sich genommene Risiko nicht benachteiligt werden. Deshalb bestimmt Art. 71d Abs. 2 AVIG, dass für den allfälligen Bezug weiterer Taggelder eine Rahmenfrist von vier Jahren gilt. Diese wird berechnet ab dem Stichtag der Eröffnung der ursprünglichen Rahmenfrist für den Leistungsbezug. Somit wird in solchen Fällen die laufende zweijährige Rahmenfrist um zwei Jahre erstreckt (BGE 126 V 215 Erw. 3a in fine; ARV 2001 a.a.O.). Diese Erstreckung erfolgt nach Art. 95e Abs. 2 AVIV (in der seit 1. Juli 2003 geltenden Fassung) allerdings nur dann, wenn die selbstständige Erwerbstätigkeit nicht beitragswirksam war. Dies heisst mit anderen Worten: wer sich mit einer Einzelfirma selbstständig macht und damit scheitert, kann die Verlängerung der alten Rahmenfrist beantragen, da die Tätigkeit in der Einzelfirma nicht beitragswirksam ist. Wer hingegen eine Kapitalgesellschaft (z.B. eine AG oder GmbH) gründet und dort in arbeitgeberähnlicher Stellung, beispielsweise als Geschäftsführer, tätig wird, tritt eine beitragswirksame Arbeit an. Eine arbeitgeberähnliche Person bezieht AHV-rechtlich betrachtet Lohn bzw. zahlt sich selber einen solchen aus und entrichtet darauf AlV-Beiträge. Daher kommt eine Person, die ihre Arbeitslosigkeit mittels Selbstständigkeit beenden will, nach dem Wortlaut von Art. 95e Abs. 2 AVIV dann nicht in den Genuss der verlängerten Rahmenfrist, wenn sie die Selbstständigkeit mittels Gründung einer Kapitalgesellschaft verwirklicht, mit dieser Tätigkeit scheitert und sie vollständig aufgibt. 
 
2.3 Dies trifft auf den Beschwerdegegner zu: Er erhielt besondere Taggelder zur Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit. Damit gründete er eine GmbH, in welcher er Gesellschafter war und sich selbst als Geschäftsführer anstellte. In dieser Funktion war er arbeitgeberähnliche Person und bezog AHV-rechtlich Lohn, von welchem er die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge abrechnete, übte also eine beitragswirksame Tätigkeit aus. In der Folge scheiterte er mit seinem Projekt und wollte erneut Arbeitslosentaggelder zum versicherten Verdienst der alten Rahmenfrist beziehen. Gestützt auf Art. 95e Abs. 2 AVIV ist ihm die Erstreckung dieser Rahmenfrist verwehrt worden. 
 
2.4 Zu prüfen ist die Gesetzmässigkeit von Art. 95e Abs. 2 AVIV. Es geht mit anderen Worten um die Frage, ob nur "echte" Selbstständigerwerbende von der Verlängerung der Rahmenfrist profitieren können, ober ob auch arbeitgeberähnliche Personen, ungeachtet der Tatsache, dass sie eine beitragswirksame Beschäftigung ausübten, in diesen Genuss kommen sollen. 
2.4.1 Nach der Rechtsprechung kann das Eidgenössische Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei unselbstständigen Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, geht es in erster Linie darum zu beurteilen, ob sie sich im Rahmen der Delegationsnorm halten. Besteht ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Vorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind (vgl. Art. 191 BV). Es kann sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen (BGE 131 V 14 Erw. 3.4.1, 131 II 566 Erw. 3.2, 740 Erw. 4.1). Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen das Willkürverbot oder das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 9 und Art. 8 Abs. 1 BV), wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen (BGE 131 II 166 Erw. 2.3, 275 Erw. 4, 131 V 266 Erw. 5.1, 130 V 473 Erw. 6.1, 130 I 32 Erw. 2.2.1, 129 II 164 Erw. 2.3, 129 V 271 Erw. 4.1.1, 329 Erw. 4.1, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 130 V 45 Erw. 4.3). 
2.4.2 Gesetzliche Grundlage für den umstrittenen Art. 95e Abs. 2 AVIV sind die Vorschriften über die besonderen Taggelder zur Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit gemäss Art. 71 ff. AVIG. Aus der Botschaft zu diesen Bestimmungen (BBl 1994 I S. 363) lässt sich zur hier streitigen Problematik nichts gewinnen. In BGE 126 V 213 f. Erw. 2b hat das Eidgenössische Versicherungsgericht jedoch festgehalten, dass für die Beurteilung der Frage, ob eine versicherte Person eine dauernde selbstständige Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 71a Abs. 1 AVIG aufnehmen will, nicht allein das AHV-beitragsrechtliche Statut massgebend sein kann. Sonst würde es letztlich von der - aus welchen Gründen auch immer - gewählten Rechtsform der Firma abhängen, ob diese Person als selbstständigerwerbende qualifiziert wird und damit in den Genuss der Leistungen zur Förderung der selbstständigen Erwerbstätigkeit kommen kann. Als unterstützungswürdig im Sinne der Art. 71a ff. AVIG sind auch Bestrebungen einer versicherten Person zu betrachten, die ihr in einer von ihr mitzugründenden Firma, bei der sie wesentlich mitbeteiligt ist, die Stellung einer arbeitgeberähnlichen Person verschaffen. Eine solche Betrachtungsweise drängt sich umso mehr auf, als ansonsten in häufig vorkommenden Fällen, in welchen eine arbeitslose Person Allein- oder Hauptaktionär der von ihr im Hinblick auf die Verselbstständigung gegründeten und beherrschten Firma ist, diese nicht in den Genuss von besonderen Taggeldern käme, obwohl von einer Gesetzesumgehung nicht die Rede sein kann, wenn sie sich z.B. aus Gründen der Haftungsbeschränkung in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft konstituiert hat. Die Gleichbehandlung von Arbeitgeber und arbeitgeberähnlicher Person ist dem Arbeitslosenversicherungsrecht im Übrigen nicht fremd, haben doch - wie die Arbeitgeber selbst - auch Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten, nach Art. 31 Abs. 3 lit. c, Art. 42 Abs. 3 und Art. 51 Abs. 2 AVIG keinen Anspruch auf Kurzarbeits-, Schlechtwetter- sowie Insolvenzentschädigung, und in bestimmten Fallkonstellationen auch keinen solchen auf Arbeitslosenentschädigung (BGE 123 V 237 ff. Erw. 7b/bb). Somit steht fest, dass die besonderen Taggelder zur Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit sowohl Arbeitgebern als auch arbeitgeberähnlichen Personen zu Gute kommen können (vgl. ferner Agnes Leu, Die arbeitsmarktlichen Massnahmen im Rahmen der Arbeitslosenversicherung in der Schweiz, Diss. Zürich 2005, S. 157). 
2.4.3 Dürfen neben Arbeitgebern auch arbeitgeberähnliche Personen Taggelder nach Art. 71 ff. AVIG beziehen, erscheint es widersprüchlich, wenn anschliessend nur noch Arbeitgeber, nicht aber arbeitgeberähnliche Personen im Falle eines Scheiterns mit der selbstständigen Erwerbstätigkeit in den Genuss der verlängerten Rahmenfrist kommen könnten. Die Unterstützung sowohl der Arbeitgeber als auch der arbeitgeberähnlichen Personen mit besonderen Taggeldern bezweckt, diesen zur definitiven Beendigung der Arbeitslosigkeit zu verhelfen. Beide nehmen dasselbe Risiko auf sich, bei ihrem Vorhaben zu scheitern. Ebenso nehmen beide in Kauf, dass anfänglich keine oder nur bescheidene Einnahmen resultieren. 
Das Ziel der Beendigung der Arbeitslosigkeit lässt sich auf verschiedene Weise erreichen. So kann eine Einzelfirma gegründet werden, in welcher die versicherte Person selbstständig erwerbstätig wird. Es kommt aber auch die Möglichkeit in Frage, eine Kapitalgesellschaft zu gründen, in welcher die versicherte Person in arbeitgeberähnlicher Stellung tätig wird. Die Entscheidung, ob eine Einzelfirma oder eine Kapitalgesellschaft gewählt wird, hängt von verschiedenen Gesichtspunkten ab, etwa von haftpflichtrechtlichen, betriebsökonomischen oder steuerlichen Aspekten. Dies sind alles dem Arbeitslosenversicherungsrecht sachfremde Kriterien. AHV-rechtlich betrachtet, hat die Wahl jedoch entscheidende Auswirkungen: bei einer Kapitalgesellschaft wird die versicherte Person in arbeitgeberähnlicher Stellung tätig und nimmt somit eine beitragswirksame Arbeit auf, in einer Einzelfirma hingegen wird sie selbstständig und entrichtet daher keine AlV-Beiträge. 
 
2.5 Indem Art. 95e Abs. 2 AVIV die Verlängerung der Rahmenfrist für den Leistungsbezug auf vier Jahre nur bei nicht beitragswirksamer Erwerbstätigkeit zulässt, werden arbeitgeberähnliche Personen, die eine Kapitalgesellschaft gegründet haben, gegenüber den in einer Einzelfirma selbstständig Erwerbstätigen benachteiligt. Die Selbstständigerwerbenden können, obwohl sie keinerlei Beiträge an die Arbeitslosenversicherung mehr entrichten, im Falle des Scheiterns von der Verlängerung der Rahmenfrist profitieren und den Maximalanspruch an Taggeldern zum letzten, in der Regel höheren versicherten Verdienst beziehen. Demgegenüber soll arbeitgeberähnlichen Personen, obwohl sie über ihre Kapitalgesellschaft weiterhin Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abliefern, keine Verlängerung der Rahmenfrist eingeräumt werden. Auf diese Weise werden Personen, welche Beiträge an die Arbeitslosenversicherung zahlen, schlechter gestellt als Personen, die gar nichts (mehr) abliefern. Ein derartiges Ergebnis widerspricht dem Sinn der gesetzlichen Grundlage, welche sowohl selbstständigerwerbende als auch arbeitgeberähnliche Personen gleichermassen fördern und für das auf sich genommene Risiko des Scheiterns absichern wollte. 
 
2.6 Es ist zwar denkbar, dass arbeitgeberähnliche Personen dadurch, dass sie eine neue Rahmenfrist eröffnen können, im Unterschied zu Selbstständigerwerbenden insgesamt über eine längere Zeitspanne Arbeitslosenentschädigung beziehen können. Dies kann vor allem dann der Fall sein, wenn die Höchstzahl an Taggeldern in der alten Rahmenfrist schon fast erschöpft wurde. Denn auch bei einer vierjährigen Rahmenfrist darf nach Art. 71d Abs. 2 Satz 2 AVIG die Höchstzahl der Taggelder nach Art. 27 AVIG nicht überschritten werden. War diese Höchstzahl vor Aufnahme der selbstständigen bzw. arbeitgeberähnlichen Tätigkeit schon beinahe erreicht, können mit der Verlängerung nur noch wenige zusätzliche Taggelder nachbezogen werden. Indessen ist zu beachten, dass der versicherte Verdienst in der neuen Rahmenfrist in den meisten Fällen deutlich unter demjenigen der ursprünglichen Rahmenfrist zu liegen kommt. Wer eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnimmt, kann anfänglich nicht mit hohen Einnahmen rechnen, und wer mit dieser Tätigkeit innerhalb relativ kurzer Zeit scheitert, dürfte in der Regel nur wenige Einkünfte verdient haben, so dass der neue versicherte Verdienst entsprechend klein ausfällt. Der vorliegende Fall zeigt dies exemplarisch auf, kam doch der neue versicherte Verdienst weit unter der Hälfte des ursprünglichen zu liegen. Die Eröffnung einer neuen Rahmenfrist dürfte daher für arbeitgeberähnliche Personen auch finanziell in der Mehrheit der Fälle eine schlechtere Lösung darstellen als die Verlängerung der alten Rahmenfrist. 
 
2.7 Soweit Art. 95e Abs. 2 AVIV den arbeitgeberähnlichen Personen die Gunst der verlängerten Rahmenfrist für den Leistungsbezug verwehrt, ist er nach dem Gesagten gesetzwidrig. Damit ist der vorinstanzliche Entscheid zu bestätigen. Der Beschwerdegegner hat Anspruch auf eine Verlängerung der ursprünglichen Rahmenfrist für den Beitragsbezug und auf die entsprechende Anzahl Taggelder mit einem versicherten Verdienst von Fr. 4550.-. 
 
3. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Da der Beschwerdegegner obsiegt und zu Lasten der Arbeitslosenkasse Anspruch auf eine Parteientschädigung hat (Art. 159 Abs. 1 OG), wird sein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Entschädigung von Fr. 800.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, dem Amt für Arbeit, St. Gallen, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 23. November 2006 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Die Präsidentin der I. Kammer: Der Gerichtsschreiber: