Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2A.699/2005 /vje 
 
Urteil vom 8.Dezember 2005 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, 
Gerichtsschreiber Hugi Yar. 
 
Parteien 
X.________, z.Zt. Ausschaffungsgefängnis Bässlergut, Freiburgerstrasse 48, 4057 Basel, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat 
Dieter Roth, 
 
gegen 
 
Amt für Migration Basel-Landschaft, 
Postfach 251, 4402 Frenkendorf, 
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Einzelrichter 
für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, 
Postfach, 4410 Liestal. 
 
Gegenstand 
Ausschaffungshaft (Art. 13b ANAG), 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, vom 25. Oktober 2005. 
 
Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 X.________ (geb. 1953) stammt aus der Türkei. Am 7. März 1991 wurde ihm in der Schweiz Asyl gewährt. Am 20. August 2002 verurteilte ihn das Kantonsgericht Basel-Landschaft unter anderem wegen mehrfacher versuchter vorsätzlicher Tötung, einfacher Körperverletzung mit einer Waffe und mehrfacher Gefährdung des Lebens zu einer Zuchthausstrafe von 5 ½ Jahren, worauf die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion des Kantons Basel-Landschaft ihn am 22. September 2003 aus der Schweiz auswies. Das Kantonsgericht wies am 9. März 2005 eine hiergegen gerichtete Beschwerde ab und hielt das Amt für Migration an, in einer Vollstreckungsverfügung noch über allfällige Vollzugshindernisse zu entscheiden (Rückschiebe- und Folterverbot, Art. 3 EMRK). Hiergegen gelangte X.________ erfolglos an das Bundesgericht (Urteil 2A. 313/2005 vom 25. August 2005). 
1.2 Nach Abschluss des Strafvollzugs nahm das Amt für Migration des Kantons Basel-Landschaft X.________ am 22. Oktober 2005 in Ausschaffungshaft, welche der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht am Kantonsgericht Basel-Landschaft am 25. Oktober 2005 prüfte und bis zum 20. Januar 2006 bestätigte. X.________ hat hiergegen am 1. Dezember 2005 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Er beantragt, das Urteil des Haftrichters aufzuheben und ihn umgehend aus der Haft zu entlassen. 
2. 
Die zuständige Behörde kann einen Ausländer in Ausschaffungshaft nehmen bzw. in dieser belassen, wenn die Voraussetzungen von Art. 13b ANAG (SR 142.20) erfüllt sind. Danach ist erforderlich, dass ein erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt, dessen Vollzug (z.B. wegen fehlender Papiere) noch nicht möglich, jedoch absehbar ist (BGE 130 II 56 E. 1 S. 58). Zudem muss einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe bestehen, der Vollzug der Wegweisung mit dem nötigen Nachdruck verfolgt werden (Art. 13b Abs. 3 ANAG; Beschleunigungsgebot; BGE 124 II 49 ff.) und die Haft als Ganzes verhältnismässig erscheinen (BGE 130 II 56 E. 1 S. 58; 126 II 439 E. 4; 125 II 377 E. 4 S. 383). 
 
3. 
Entgegen den Einwendungen des Beschwerdeführers sind diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt: 
3.1 Der Beschwerdeführer ist rechtskräftig aus der Schweiz ausgewiesen worden (Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG). Zwar ist im Rahmen eines Vollstreckungsentscheids noch zu prüfen, ob dem Vollzug dieser Massnahme flüchtlingsrechtliche Hindernisse, insbesondere das Non- Refoulement-Prinzip oder Art. 3 EMRK, entgegenstehen; es kann jedoch bereits der Ausweisungsentscheid als solcher mit einer Ausschaffungshaft sichergestellt werden. Art. 13b ANAG setzt lediglich einen erstinstanzlichen Entscheid über die Entfernungsmassnahme voraus. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Ausschaffungshaft zur Sicherung einer strafrechtlichen Landesverweisung zulässig, selbst wenn noch keine Vollstreckungsverfügung ergangen ist (BGE 128 II 103 E. 1.3 S. 105 f. mit Hinweis; Urteile 2A.636/2005 vom 15. November 2005, E. 1.2, und 2A.1/1998 vom 23. Januar 1998, E. 2c). Dasselbe muss im vorliegenden Zusammenhang gelten, wo wegen des - strafvollzugsbedingten - zeitlichen Auseinanderfallens der Ausweisung und von deren Vollzug erst noch eine separate Vollstreckungsverfügung zu ergehen hat (vgl. zur strafrechtlichen Landesverweisung: BGE 116 IV 105 E. 4f S. 114; 118 IV 221 ff.; 121 IV 345 ff.; 123 IV 107 ff.). Ob der Ausweisung tatsächlich Vollzugshindernisse entgegenstehen, ist nicht im Haftverfahren zu prüfen. Dessen Gegenstand beschränkt sich grundsätzlich auf die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der administrativen Festhaltung als solcher; es dient nicht dazu, den Wegweisungsentscheid oder andere den Ausländer zur Ausreise verpflichtende Anordnungen zu überprüfen (BGE 128 II 193 E. 2.2 S. 197 ff.; Urteil 2A.636/2005 vom 15. November 2005, E. 1.1). 
3.2 Die Ausschaffungshaft soll den Vollzug der geplanten Entfernungsmassnahme sicherstellen und muss ernsthaft geeignet sein, diesen Zweck zu erreichen; das ist nicht (mehr) der Fall, wenn die Weg- oder Ausweisung trotz der behördlichen Bemühungen nicht in absehbarer Zeit, d.h. grundsätzlich innert der gesetzlich zulässigen Haftdauer, vollzogen werden kann (BGE 130 II 56 E. 4.1.3 S. 61; 127 II 168 E. 2c S. 172; 122 II 148 E. 3). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist dies vorliegend nicht ausgeschlossen, auch wenn noch kein Vollstreckungsentscheid vorliegt: Nach Art. 64 Abs. 1 lit. d AsylG (SR 142.31) erlischt das Asyl in der Schweiz, wenn die Ausweisung oder gerichtliche Landesverweisung vollzogen worden ist; dabei geht das Erlöschen des Asyls dessen Widerruf vor (Art. 43 Abs. 1 AsylV 1 [SR 142.311]). Die Regelung bezweckt, die formell-rechtliche Situation der tatsächlichen anzupassen und das Asyl ex lege zu beenden, wenn sich der betroffene Ausländer wegen der Ausweisung bzw. der strafrechtlichen Landesverweisung, in deren Rahmen die flüchtlingsrechtlichen Vollzugshindernisse spätestens im Vollstreckungsverfahren geprüft werden müssen, gar nicht mehr in der Schweiz befindet (so das den Beschwerdeführer betreffende Urteil 2A.313/2005 vom 25. August 2005, E. 3.3.3.). Das Bundesamt für Migration hat am 24. November 2005 das Asyl des Beschwerdeführers widerrufen; nach der Praxis der Schweizerischen Asylrekurskommission ist es jedoch an der kantonalen Behörde, zu beurteilen, ob trotz des materiellen Flüchtlingsstatus die Ausweisung oder Landesverweisung vollzogen werden kann oder nicht (EMARK 1996 Nr. 35, 2003 Nr. 11; 2004 Nr. 10). Der Beschwerdeführer beruft sich deshalb vergeblich auf das gegen den Widerruf seines Asyls hängige Beschwerdeverfahren. Das Amt für Migration des Kantons Basel-Landschaft hat seinerseits am 18. Oktober 2005 das Bundesamt für Migration ersucht, ihm einen Amtsbericht über die Vollziehbarkeit der Ausweisung des Beschwerdeführers in die Türkei zuzustellen. Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Vollstreckungsentscheid nicht in absehbarer Zeit gerechnet werden kann, bestehen momentan nicht; im Übrigen gilt das Beschleunigungsgebot gemäss Art. 13b Abs. 3 ANAG (vgl. Urteile 2A.636/2005 vom 15. November 2005, E. 4.3.2, und 2A.1/1998 vom 23. Januar 1998, E. 2c). Sollte es zu Verzögerungen kommen, so dass mit der Vollstreckung der Ausweisung nicht mehr innert vernünftiger Frist gerechnet werden könnte, oder sich die Ausweisung wegen des Non-Refoulement-Prinzips, des Folterverbots oder Art. 3 EMRK tatsächlich als nicht vollziehbar erweisen (vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG), hätten die kantonalen Behörden dem im weiteren Verfahren von Amtes wegen (vgl. BGE 124 II 1 E. 3a S. 5 f.) oder spätestens im Rahmen eines Haftentlassungsgesuchs Rechnung zu tragen. 
3.3 
3.3.1 Der Beschwerdeführer bestreitet grundsätzlich nicht, dass er den Haftgrund von Art. 13a lit. e in Verbindung mit Art. 13b Abs. 1 lit. b ANAG erfüllt. Danach kann zur Sicherung des Vollzugs seiner Wegweisung in Ausschaffungshaft genommen werden, wer Personen ernsthaft bedroht oder an Leib und Leben erheblich gefährdet und deshalb strafrechtlich verfolgt wird oder verurteilt worden ist. Bei Personen, die sich so verhalten, besteht typischerweise die Gefahr, dass sie sich den Behörden für die Durchführung des Verfahrens nicht zur Verfügung halten werden (vgl. BBl 1994 I 322 f.; Urteil 2A.480/2003 vom 26. August 2004, E. 3.5). Daneben dient der entsprechende Haftgrund dem Schutz vor weiteren Straftaten, weshalb das Risiko gefährdender Handlungen fortbestehen muss (Urteil 2A.636/2005 vom 15. November 2005, E. 3.1). Bei gravierenden Gewaltdelikten darf ein solches nur verneint werden, wenn aufgrund der konkreten Umstände keine ernsthaften Zweifel daran bestehen können, dass der Ausländer künftig tatsächlich Leib und Leben von Dritten achten wird (Urteil 2A.480/2003 vom 26. August 2004, E. 4.3). 
3.3.2 Der Beschwerdeführer gab am 22. April 2000 mehrere Schüsse auf seine Familienmitglieder ab, wobei er seine Frau und zwei seiner Söhne verletzte. Er wurde in diesem Zusammenhang wegen mehrfacher versuchter vorsätzlicher Tötung zu einer Zuchthausstrafe von 5 ½ Jahren verurteilt. Der gerichtliche Gutachter kam am 24. April 2001 zum Schluss, dass angesichts der bescheidenen Problemverarbeitungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers weitere aggressive Handlungen von diesem der Familie gegenüber nicht ausgeschlossen werden können. Die angeordnete ambulante psychiatrische Behandlung erlaubte in der Folge nicht, den familiären und kulturellen Konflikt, welcher der Tat zu Grunde lag, aufzuarbeiten, weshalb dem Beschwerdeführer die bedingte vorzeitige Entlassung aus dem Strafvollzug bis zum Vollzug der Ausweisung verweigert wurde (vgl. das Urteil 6A.25/2005 vom 3. Juli 2005, E. 3.2). Es ist somit - zumindest im vorliegenden Zusammenhang - davon auszugehen, dass eine weitere Bedrohung der Familienmitglieder nicht ausgeschlossen werden kann; die Angehörigen des Beschwerdeführers haben sich am 21. Oktober 2005 denn auch in diesem Sinn geäussert. 
3.4 Was der Beschwerdeführer gegen seine Haft weiter einwendet, überzeugt nicht: 
3.4.1 Zwar sind nach Art. 13b Abs. 3 ANAG die für den Vollzug der Weg- oder Ausweisung nötigen Vorkehrungen umgehend zu treffen und sind diese bei klarer fremdenpolizeilicher Ausgangslage unter Umständen auch bereits während des Strafvollzugs einzuleiten, doch beurteilt sich die Frage, ab wann solche (vorgezogenen) Abklärungen als geboten erscheinen, jeweils nach den Umständen des Einzelfalls (Urteil 2A.93/2003 vom 21. März 2003, E. 3). Gestützt auf diese lässt sich den Behörden vorliegend nicht vorwerfen, sie hätten das Beschleunigungsgebot verletzt: Im Hinblick auf den Status des Beschwerdeführers als anerkannter Flüchtling war die fremdenpolizeiliche Ausgangslage nicht klar, weshalb er gegen seine Ausweisung denn auch an das Bundesgericht gelangte. Zwar wäre es allenfalls wünschbar gewesen, wenn die Vollzugsmöglichkeiten etwas früher hätten geprüft werden können, doch stand dem die Tatsache entgegen, dass die Vollziehbarkeit aufgrund der Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vollzugs und nicht derjenigen der Anordnung zu beurteilen war. Nach dem Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft setzte sich das Amt für Migration am 15. Juni 2005 mit dem Bundesamt für Migration in Verbindung; am 17. Juni 2005 kamen die beiden Ämter überein, dass das Bundesamt nach Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens einen Asylwiderruf prüfen und dem Kanton einen Bericht zur Frage zukommen lassen würde, ob der Vollzug der Weg- bzw. Ausweisung zulässig erscheint. Dies war mit Blick darauf, dass sich die entsprechenden Abklärungen bei einer Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erübrigt hätten, vertretbar. Das begründete bundesgerichtliche Urteil ging den Parteien am 15. September 2005 zu, in der Folge nahm das Amt für Migration das Verfahren wieder auf, da der Beschwerdeführer nach wie vor nicht bereit war, die Schweiz freiwillig zu verlassen. Anhaltspunkte dafür, dass die Behörden das Vollstreckungsverfahren nicht weiterhin mit dem nötigen Nachdruck verfolgen würden, bestehen nicht. Unter diesen Umständen kann dahin gestellt bleiben, ob eine Verletzung des Beschleunigungsgebots beim Haftgrund von Art. 13a lit. e ANAG im Hinblick auf die fortbestehende Gefährlichkeit überhaupt zu einer unmittelbaren Haftentlassung führen könnte (vgl. BGE 122 II 154 E. 3; 121 II 110 E. 2). 
3.4.2 Soweit der Beschwerdeführer kritisiert, es handle sich bei seiner Ausschaffungshaft um eine verkappte Sicherheitshaft, was unzulässig sei, übersieht er, dass der Haftgrund von Art. 13a lit. e ANAG gerade auch dazu dient, weitere Straftaten durch Ausländer zu verhindern, welche die Schweiz demnächst verlassen müssen, so dass ihre Wiedereingliederung in die hiesige Gesellschaft nicht zur Diskussion steht (Urteil 2A.480/2003 vom 26. August 2004, E. 4.2). Inwiefern eine Ein- oder Ausgrenzung - wie der Beschwerdeführer vorschlägt - geeignet wäre, dieses Ziel zu erreichen, ist nicht ersichtlich, weshalb die Ausschaffungshaft auch insofern nicht unverhältnismässig erscheint. So-weit er geltend macht, er wolle allenfalls die Einreise in ein sicheres Drittland vorbereiten, kann er dies während der Ausschaffungshaft tun. 
4. 
4.1 Die Beschwerde erweist sich gestützt auf die publizierte und über Internet zugängliche Rechtsprechung als offensichtlich unbegründet und kann ohne Weiterungen im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG erledigt werden. 
 
4.2 Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG); es rechtfertigt sich indessen, praxisgemäss von der Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen (Art. 153a OG; Urteil 2A.86/2001 vom 6. März 2001, E. 3). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist nicht zu entsprechen, da die vorliegende Eingabe aufgrund der Ausführungen im angefochtenen Entscheid als aussichtslos zu gelten hatte (Art. 152 OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (vgl. Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
3. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Migration Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 8. Dezember 2005 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: