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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_608/2019  
 
 
Urteil vom 23. September 2019  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Traub. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Fürsprecher Marc Siegenthaler, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichtgewähren des Vortritts mit einem Motorfahrzeug gegenüber einem Fussgänger auf einem Trottoir; willkürliche Beweiswürdigung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 20. Februar 2019 (2M 18 32). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
X.________ fuhr am 1. Mai 2017 um 21 Uhr mit ihrem Personenwagen vom Zentrum der Stadt Luzern herkommend auf der Baselstrasse in Richtung Reussbühl. Sie beabsichtigte, über die vorgesehene Abbiegespur nach links in die fast rechtwinklig von der Baselstrasse abzweigende Zufahrt des Parkhauses am Gütsch zu fahren. Beim Abbiegen fuhr sie den Fussgänger A.________ an. 
Die Staatsanwaltschaft Abteilung 1 Luzern erliess einen Strafbefehl, gegen den X.________ Einsprache erhob. Das Bezirksgericht Luzern bestätigte den Schuldspruch wegen Nichtgewährens des Vortritts gegenüber einem Fussgänger auf dem Trottoir und belegte X.________ mit einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen (Probezeit zwei Jahre) und einer Busse von Fr. 500.-- (Urteil vom 14. August 2018). 
 
B.   
X.________ legte Berufung ein und beantragte einen Freispruch. Die Staatsanwaltschaft erhob Anschlussberufung, mit der sie eine Erhöhung von Geldstrafe und Busse verlangte. Das Kantonsgericht Luzern bestätigte den Schuldspruch, beliess es bei einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen und setzte die Busse auf Fr. 300.-- fest (Urteil vom 20. Februar 2019). 
 
C.   
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Sie erneuert den Antrag auf Freispruch. Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie verlangt, es sei ein Augenschein vor Ort durchzuführen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerdeführerin beantragt, der rechtserhebliche Sachverhalt betreffend die Verhältnisse an der Unfallstelle sei durch einen bundesgerichtlichen Augenschein zu überprüfen. Die Bindung des Bundesgerichts an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) lässt von vornherein nur dann Raum für einen Augenschein, wenn die dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Tatsachen offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117), oder in Verletzung von Bundesrecht festgestellt worden sind (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder wenn die Rechtsanwendung als solche (Art. 106 Abs. 1 BGG) einen direkten Einblick in die örtlichen Begebenheiten voraussetzt (vgl. etwa das teilweise amtlich zu publizierende Urteil 1C_435/2018 vom 15. Mai 2019 E. 6.4.3). Letzteres fällt hier ausser Betracht; der zu fällende Entscheid erfordert nicht, dass sich das Gericht vorab einen persönlichen Eindruck verschafft hat. Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen sind zudem willkürfrei (unten E. 3), weshalb der Beweisantrag auch unter diesem Titel gegenstandslos ist. Im Übrigen wäre die Sache bei willkürlicher oder sonstwie Bundesrecht verletzender Feststellung der massgebenden Tatsachen ohnehin regelmässig an die Vorinstanz zurückzuweisen, welche die allenfalls erforderlichen Beweise abzunehmen hätte. Vorbehalten wären einzig Fälle, in denen das Bundesgericht den Sachverhalt ausnahmsweise selbst ergänzen kann (vgl. BGE 143 V 177 E. 4.3 S. 188; 136 V 362 E. 4.1 S. 366; in BGE 144 IV 345 nicht publ. E. 1.3.2 des Urteils 6B_804/2017 vom 23. Mai 2018). 
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung der Unschuldsvermutung (Art. 10 Abs. 3 StPO) sowie von Strassenverkehrsrecht geltend. Zu Unrecht habe die Vorinstanz eine "Trottoirsituation" bejaht. Es fehle an den Merkmalen einer Trottoirüberfahrt, d.h. an einer beidseitigen Niveaudifferenz und auch an einer ausreichenden, optisch wahrnehmbaren Kennzeichnung. Selbst wenn objektiv eine Trottoirüberfahrt gegeben wäre, hätte die Vorinstanz zu Unrecht geschlossen, dass eine solche erkennbar gewesen sei. So oder anders sei sie gegenüber dem Fussgänger vortrittsberechtigt gewesen.  
 
2.2. Wege, die sich für den Verkehr mit Motorfahrzeugen oder Fahrrädern nicht eignen oder offensichtlich nicht dafür bestimmt sind, wie Fuss- und Wanderwege, dürfen mit solchen Fahrzeugen nicht befahren werden (Art. 43 Abs. 1 SVG). Das Trottoir ist den Fussgängern, der Radweg den Radfahrern vorbehalten. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen (Abs. 2). Muss mit einem Fahrzeug das Trottoir benützt werden, so ist der Führer gegenüber den Fussgängern und Benützern von fahrzeugähnlichen Geräten zu besonderer Vorsicht verpflichtet; er hat ihnen den Vortritt zu lassen (Art. 41 Abs. 2 VRV; NINA RINDLISBACHER, in: Basler Kommentar zum SVG, 2014, N 47 f. zu Art. 43 SVG). Entsprechend vortrittsbelastet sind Fahrzeuge, die aus der einmündenden Strasse über ein Trottoir in die Hauptfahrbahn fahren, und solche, die von der Hauptfahrbahn über das Trottoir abbiegen. Was unter Trottoir zu verstehen ist, wird in der Strassenverkehrsgesetzgebung nicht in allgemeingültiger Form umschrieben (vgl. Art. 43 SVG, Art. 41 VRV). Bei der Bestimmung dieses Begriffs sind auch die jeweiligen örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (BGE 103 IV 265 E. 2).  
Vorliegend ist fraglich, ob sich der Unfall auf einem (entlang der Hauptfahrbahn) durchgehenden Trottoir resp. auf einer Trottoirüberfahrt, d.h. auf einem durchgezogenen Gehweg ereignet hat, der es dem Fussverkehr erlaubt, eine einmündende Strasse vortrittsberechtigt zu queren (vgl. Norm 640 240 des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute VSS "Querungen für den Fussgänger und leichten Zweiradverkehr; Grundlagen", 2003). Die Frage ist nicht nur für die Vortrittsregelung, sondern auch mit Blick darauf bedeutsam, welchen Umständen die Aufmerksamkeit der abbiegenden Fahrzeugführerin in erster Linie zu gelten hatte. 
Eine Trottoirüberfahrt (nichtsignalisierte Aufpflästerung) muss aufgrund ihrer äusseren Erscheinungsform für die Verkehrsteilnehmer unmittelbar und eindeutig als Trottoir erkennbar sein (BGE 123 IV 218 E. 3b S. 222). Dies ist insbesondere wegen der mit einer Trottoirüberfahrt verbundenen Modifikationen des Vortritts geboten (BUNDESAMT FÜR STRASSEN [ASTRA], Erläuterungen zur E-StBV, Beilage 2B zur Anhörung vom 5. Januar 2011). Bei unklaren Verhältnissen gilt die normale Vortrittsregelung (BGE 123 IV 218 E. 3a S. 221; Urteil 4A_527/2007 vom 25. Februar 2008 E. 5.2.3). Zur Erkennbarkeit der Trottoireigenschaft trägt u.a. bei, wenn zwischen Trottoir und Trottoirüberfahrt eine bauliche und gestalterische Kontinuität besteht, die Trottoirüberfahrt hingegen baulich und optisch deutlich von der Fahrbahn abgegrenzt ist (ASTRA, Trottoirüberfahrten und punktuelle Querungen ohne Vortritt für den Langsamverkehr, Forschungsauftrag VSS 2008/203, 2013, S. 75). In der Regel soll der Trottoirrand der Hauptfahrbahn mit durchgehenden Randsteinen versehen und auf der anderen Seite der Überfahrt (in der Verlängerung der Trottoirhinterkante) das Ende des Fahrbahnbereichs der einmündenden Strasse baulich markant (evtl. mittels Niveaudifferenz) gekennzeichnet sein (PATRICK EBERLING, Strassenraumgestaltung, bfu-Fachdokumentation 2.048, 2013, S. 98). 
Die Vorgaben an eine Trottoirüberfahrt sind hier insofern nicht erfüllt, als die Verlängerung der durch die Gebäudeflucht entlang der Baselstrasse gebildeten Trottoirhinterkante im Bereich der Einmündung der Zufahrtsstrasse baulich nicht gekennzeichnet, d.h. weder optisch noch durch einen Niveauunterschied abgegrenzt ist. Der einmündende, das Trottoir querende Verkehrsweg ist keine (Erschliessungs-) Strasse, sondern bloss eine Parkhauszufahrt. Haupt- und Nebenfahrbahn bilden damit keine eigentliche Verzweigung. Im technischen Sinn um eine Trottoirüberfahrt handelt es sich vor allem dann, wenn die einmündende Strasse ebenfalls über Trottoirs verfügt, die ohne Niveaudifferenz an die angrenzenden Trottoirs angebunden sind und dadurch eine optische Lücke im Verlauf des Trottoirs zur Hauptfahrbahn schaffen (vgl. ASTRA, Trottoirüberfahrten, S. 27). Dies trifft etwa bei Zufahrten zu Grundstücken oder zu einem Parkhaus meist nicht zu, so auch hier. Hinzu kommt, dass bauliche Massnahmen auf der von der Hauptfahrbahn abgewandten Seite des Fussgängerbereichs vor allem für Fahrzeugführer signalwirksam sind, die auf der einmündenden Strasse in Richtung der Trottoirüberfahrt fahren, und kaum für solche, die, wie die Beschwerdeführerin, von der Hauptfahrbahn in die Nebenfahrbahn abbiegen. 
Somit kann die Beschwerdeführerin aus dem Umstand, dass die Fahrbahn der Zufahrt erst an der Hauptfahrbahn durch eine abgesenkte Randsteinkante baulich abgegrenzt ist, keine Vortrittsberechtigung für sich ableiten. Aus der Perspektive der in die Nebenfahrbahn abbiegenden Fahrzeuglenkerin ist massgeblich, wie sich die Situation im konkreten baulichen Kontext darstellt (vgl. BGE 123 IV 218 E. 3b S. 222). Das parallel zur Baselstrasse verlaufende Trottoir erscheint nicht nur vor und nach der Einmündung der Zufahrtsstrasse zum Parkhaus als solches. Die Randsteinkante ist im Bereich der einmündenden Zufahrtsstrasse abgesenkt, erscheint aber gut sichtbar als durchgehendes, farblich klar abgehobenes Band. So ist aus Sicht des abbiegenden Fahrzeuglenkers deutlich zu erkennen, dass es sich um einen den Fussgängern vorbehaltenen Bereich handelt. Die "Trottoirsituation" ist gegeben. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin rügt, die vorinstanzlichen Feststellungen zur Beleuchtung des Unfallorts, zur Erkennbarkeit des Geschädigten und zum Unfallhergang seien tatsachenwidrig. Auch wendet sie sich gegen die Annahme der Vorinstanz, Stockungen in der Videosequenz einer Überwachungskamera, welche den Unfallhergang zeigt, hätten keinen Einfluss auf die Beweislage mit Bezug auf die Fragen, woher der Fussgänger kam, wo er unmittelbar vor der Kollision stand, wie er vom Auto erfasst wurde, wie er gekleidet war und wie die Lichtverhältnisse zum Unfallzeitpunkt waren. Aufgrund des nicht flüssig abspielenden Videos, so die Beschwerdeführerin, könne der genaue Unfallhergang nicht festgestellt werden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Fussgänger, wie schon bei der polizeilichen Einvernahme zu Protokoll gegeben, plötzlich vor ihr Auto gesprungen sei. Das ergebe sich auch aus der Standbildserie. Denn anders sei nicht erklärlich, wie der Fussgänger, der noch rund eine halbe Sekunde vor der Kollision in der Mitte der Zufahrtsstrasse zu sehen sei, sich zum Zeitpunkt der Kollision (von der Beschwerdeführerin aus gesehen) plötzlich viel weiter rechts befinden konnte. Die Fotos der Kollision zeigten, dass diese auf der rechten Hälfte der (Zufahrts-) Strasse stattgefunden habe, die Fotos des beschädigten Wagens, dass der Geschädigte mit der rechten Vorderseite des Autos getroffen worden sei. Anhand der Videosequenz sei der Unfallhergang unter verschiedenen Aspekten nicht hinreichend erstellbar. 
Ein nach vorinstanzlicher Feststellung geringfügiges "Ruckeln" des Videos hat keinen Einfluss auf seine Aussagekraft hinsichtlich der entscheidenden Frage, wo sich der Fussgänger in den letzten Sekunden vor der Kollision befand und an welcher Stelle sich der Unfall ereignet hat. Bereits die auszugsweise in den Akten liegenden Bilder des Videos sind mit der These der Beschwerdeführerin, der Fussgänger sei plötzlich vor ihr Auto gesprungen, nicht vereinbar. Um "21h 01min 57.061sek" ist zu sehen, wie er auf der Fahrbahn der Parkingzufahrt auf die Baselstrasse zugeht. Um "21h 01min 58.946sek" ist er im Begriff, immer noch in die gleiche Richtung gehend, den Fussgängerbereich parallel zur Baselstrasse zu betreten. Um "21h 02min 01.809sek" steht er, nunmehr seitlich abgewandt, nahe an der Randsteinlinie; das Fahrzeug der Beschwerdeführerin ist noch nicht zu sehen. Der Fussgänger bewegte sich bis dahin geradeaus. Das Standbild "21h 02min 02.386sek" lässt ihn unmittelbar nach der Kollision auf der Kühlerhaube des Fahrzeugs liegend erkennen; bei "21h 02min 03.876sek" liegt er vor dem stillstehenden Auto. Bei der Kollision befindet sich der Fussgänger von der Baselstrasse her gesehen zwar rechts der zuvor eingeschlagenen Fortbewegungsachse. Diese Verschiebung erscheint indes - unter Berücksichtigung der Fahrlinie des abbiegenden Fahrzeugs - als natürliche Folge der Kollision. Wenn die Vorinstanz die Version der Beschwerdeführerin, der Fussgänger sei unvermittelt von rechts vor ihr Auto gesprungen, mit Blick auf die Bilderfolge (sowie die weiteren Beweise, namentlich Zeugenaussagen) für eindeutig widerlegt hält, so liegt darin jedenfalls keine offensichtlich unrichtige Feststellung. Ebenso konnte die Vorinstanz willkürfrei davon ausgehen, der Fussgänger habe sich schon im Trottoirbereich vor der Einfahrt aufgehalten, als die Beschwerdeführerin von der Baselstrasse her einbog (vgl. angefochtenes Urteil S. 7 E. 3.3.). 
Was sodann die Beleuchtung des Trottoirübergangs und damit die Erkennbarkeit der Gesamtsituation und insbesondere des Fussgängers betrifft, hat die Vorinstanz entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin wiederum keine offensichtlich unrichtigen Annahmen getroffen: Der Schluss, die Fotodokumentation der Polizei und die Videosequenz zeigten, dass die Unfallstelle ausreichend beleuchtet gewesen sei, erscheint nicht aktenwidrig. Insbesondere verhält es sich nicht so, dass die Standbilder aus der Videoaufzeichnung nur deswegen hell erscheinen, weil die Lichter des Autos der Beschwerdeführerin die nächtliche Szene erleuchten. Wenn die Scheinwerfer des heranfahrenden Autos auf dem nassen Asphalt und an einer Hauswand im Video sichtbar reflektieren, bedeutet das nicht, dass die Ausleuchtung des Trottoirbereichs ansonsten mangelhaft war. Ob es hinter der Gebäudeflucht in der Zufahrtsstrasse dunkel war, ist unerheblich. Die Beschwerdeführerin macht in diesem Zusammenhang noch geltend, der Fussgänger sei für sie auch deswegen nicht rechtzeitig erkennbar gewesen, weil die Sicht in die Seitenstrasse zum Parkhaus durch die umliegenden Häuser stark eingeschränkt sei. Dazu ist wiederum festzuhalten, dass sich der Fussgänger ausweislich der Bilder der Überwachungskamera schon vor der Kollision auf der Fläche des die Zufahrtsstrasse querenden Trottoirs zur Baselstrasse aufgehalten haben musste. Die Sicht der Beschwerdeführerin auf diese Stelle konnte nur vor dem Abbiegen durch auf der Baselstrasse entgegenkommende Autos verdeckt gewesen sein. 
Die vorinstanzlichen Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen und zum Unfallhergang sind insgesamt willkürfrei. Die Vorinstanz war auch nicht veranlasst,  in dubio von einem anderen Sachverhalt auszugehen.  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die vorinstanzliche Schlussfolgerung, sie habe eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer geschaffen, indem sie die Regel grob verletzt habe, wonach sich jedermann im Verkehr so verhalten muss, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet (Art. 26 Abs. 1 SVG). Ihr Verhalten falle nicht unter diesen Tatbestand. Sie beruft sich auf den aus Art. 26 Abs. 1 SVG abgeleiteten Vertrauensgrundsatz. Danach darf jeder Strassenbenützer, der sich selbst verkehrsregelkonform verhält, darauf vertrauen, dass sich die anderen Verkehrsteilnehmer ebenfalls ordnungsgemäss verhalten - ihn also nicht behindern oder gefährden -, sofern nicht besondere Umstände dagegen sprechen (BGE 143 IV 138 E. 2.1 S. 140).   
Die Argumentation der Beschwerdeführerin, der Geschädigte habe "die Strasse ausserhalb eines Fussgängerstreifens und auch nicht auf dem Trottoir" überquert, ist gegenstandslos. Die vorinstanzliche Feststellung, der Fussgänger sei angefahren worden, als er sich auf einem Trottoir befand, ist rechtsbeständig (oben E. 2 und 3). Insoweit gibt es kein Fehlverhalten des Fussgängers, das für die Beschwerdeführerin allenfalls unvorhersehbar hätte sein können. Es bleibt zu prüfen, wie es sich mit dem Vorbringen verhält, die Beschwerdeführerin habe sich pflichtgemäss aufmerksam verhalten. Sie macht (mit Hinweis auf BGE 122 IV 225) geltend, sie habe ihre Aufmerksamkeit in erster Linie dem vortrittsberechtigten Gegenverkehr widmen und nicht mit dem plötzlichen Auftauchen eines Fussgängers rechnen müssen. Die Vorinstanz erwägt, die Beschwerdeführerin hätte auf der Einspurstrecke solange warten müssen, bis sie sich der freien Fahrt über das Trottoir sicher sein konnte. Dann hätte sie auch den ohne Weiteres erkennbaren Fussgänger auf dem Trottoir sehen müssen. Die diesbezügliche Rüge einer unrichtigen Anwendung von Bundesrecht ist wiederum gegenstandslos, da sie auf der von der Vorinstanz zu Recht verworfenen Prämisse beruht, der Fussgänger sei wegen der Sichtverhältnisse, der schlechten Beleuchtung und seiner dunklen Kleidung nur schwer sichtbar gewesen. 
 
4.2. Für den Fall, dass entgegen ihrer Ansicht von einem Vortrittsrecht des Geschädigten auszugehen sei, bringt die Beschwerdeführerin vor, der Fussgänger habe nach eigener Aussage das Fahrzeug kommen sehen. Er hätte daher sein Vortrittsrecht nicht ausüben dürfen, indem er einfach stehen blieb, sondern die Einfahrt frei machen müssen. Er habe blind auf sein vermeintliches Vortrittsrecht vertraut, obwohl er bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte sehen können, dass er daran gehindert werde. Die Vorinstanz hat festgehalten, der - nach Zeugenaussagen durch einen Kollegen auf der gegenüberliegenden Seite der Baselstrasse abgelenkte (vgl. angefochtenes Urteil E. 3.2.1) - Geschädigte habe davon ausgehen dürfen, das abbiegende Auto werde anhalten, weshalb es ihm nicht zum Nachteil gereiche, dass er einen Moment lang auf dem Trottoir stehen blieb und sich nicht bewegte. Da sich der Geschädigte in einem Fussgängerbereich befunden hat und ihn hier keine besondere Aufmerksamkeitspflicht traf, relativieren die Vorbringen der Beschwerdeführerin den sie treffenden Vorwurf der groben Verkehrsregelverletzung nicht.  
 
4.3. Schliesslich verwahrt sich die Beschwerdeführerin gegen den Vorhalt eines rücksichtslosen Verhaltens (angefochtenes Urteil E. 5.3).  
Dazu ist festzuhalten, dass die Vorinstanzen mit dem Vorwurf eines "rücksichtslosen" Verhaltens keine bewusste Fahrlässigkeit unterstellt haben. Vorgeworfen wird (nur) das Nichtbedenken resp. Nichtbefolgen einer elementaren Vorsichtspflicht. Subjektiv erfordert der Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG ein rücksichtsloses oder sonstwie schwerwiegend verkehrswidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden. Bei fahrlässigem Handeln (vgl. Art. 100 Ziff. 1 SVG) ist mindestens grobe Fahrlässigkeit verlangt. Diese ist jedenfalls zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner verkehrswidrigen Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kann aber auch vorliegen, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig nicht in Betracht gezogen, also unbewusst fahrlässig gehandelt hat. In solchen Fällen ist grobe Fahrlässigkeit zu bejahen, wenn das Nichtbedenken der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht (BGE 118 IV 285 E. 4 S. 290). In diesem Sinn rücksichtslos ist nicht nur das bedenkenlose Verhalten gegenüber fremden Rechtsgütern, sondern auch ein blosses (momentanes) Nichtbedenken der Gefährdung fremder Interessen (BGE 131 IV 133 E. 3.2 S. 136 mit Hinweisen; vgl. auch GERHARD FIOLKA, in: Basler Kommentar zum SVG, N 95 zu Art. 90 SVG). Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin genügt den konkreten Umständen nach die Nichtbeachtung der im Strassenverkehr zentralen Verhaltensregeln von Art. 26 Abs. 1 SVG und 41 Abs. 2 VRV (vgl. YVAN JEANNERET, Les dispositions pénales de la Loi sur la circulation routière [LCR], 2007, N 41 f. zu Art. 90 SVG) und die damit offenkundig eingetretene grosse Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, um den Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG zu verwirklichen. 
 
5.   
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. September 2019 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Traub