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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2A.190/2004 /leb 
 
Urteil vom 20. Juli 2004 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, 
Gerichtsschreiberin Diarra. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Herrn Xajë Berisha, 
 
gegen 
 
Staatsrat des Kantons Wallis, Regierungsgebäude, 1950 Sitten, 
Kantonsgericht Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, Justizgebäude, 1950 Sitten. 
 
Gegenstand 
Familiennachzug, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, vom 20. Februar 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der aus der heutigen Union Serbien/Montenegro stammende Y.________ (geb. 1982) reiste erstmals am 25. Dezember 1998 in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch. Das Bundesamt für Flüchtlinge lehnte das Gesuch am 10. Januar 2000 ab und verfügte die Wegweisung des Betroffenen. Die dagegen eingereichte Beschwerde wurde am 17. März 2000 abgewiesen. Nachdem Y.________ von den Behörden des Kantons Freiburg wegen Untertauchensgefahr vorübergehend in Ausschaffungshaft genommen worden war, verliess er schliesslich die Schweiz am 29. Juli 2000 und kehrte in den Kosovo zurück. Anfangs 2001 reiste er jedoch erneut illegal in die Schweiz ein und arbeitete hier ohne Bewilligung. Am 16. Juli 2001 wurde er deswegen vom Bundesamt für Ausländer mit einer Einreisesperre bis zum 27. Juli 2004 belegt und am 12. Dezember 2001 vom Untersuchungsrichter des Kantons Freiburg mit einer Busse von Fr. 1'000.-- bestraft. Y.________ verliess die Schweiz im August 2001. 
B. 
Am 12. Juli 2002 stellte die aus der heutigen Union Serbien/ Montenegro stammende, in der Schweiz niedergelassene X.________ (geb. 1981), wohnhaft in Z.________/VS, das Gesuch, ihrem Ehemann Y.________, den sie am 8. Januar 2002 in Prizren geheiratet hatte, eine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz zu erteilen. Gemäss ihren Aussagen hatte sie ihren Ehemann anfangs Oktober an einem Fest bei ihrer Tante in Gjakové, zu dem Y.________ ebenfalls eingeladen war, kennen gelernt. Am 3. Januar 2002 hätten sie beschlossen, zu heiraten, worauf die Heirat am 8. Januar 2002 stattfand. 
C. 
Am 26. September 2002 wies die Dienststelle für Zivilstandswesen und Fremdenkontrolle des Kantons Wallis das Gesuch ab. Zur Begründung führte sie an, Y.________ habe gegen die schweizerischen Vorschriften verstossen, indem er sich illegal in der Schweiz aufgehalten habe. Zudem sei aufgrund der konkreten Umstände davon auszugehen, dass die Ehe mit dem Ziel abgeschlossen worden sei, Y.________ eine Bewilligung für die Rückkehr in die Schweiz zu verschaffen. 
 
D. 
Dagegen beschwerte sich X.________ erfolglos beim Staatsrat des Kantons Wallis. Das gleichzeitig beim Bundesamt für Ausländerfragen (heute: Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung) gestellte Gesuch um Aufhebung der Einreisesperre liess dieses pendent bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens betreffend Nachzug des Ehegatten. Auf Beschwerde hin bestätigte das Kantonsgericht des Kantons Wallis mit Urteil vom 20. Februar 2004 den Entscheid des Staatsrats. 
E. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 26. März 2004 beantragt X.________, das Urteil des Kantonsgerichts vom 20. Februar 2004 aufzuheben, das Familiennachzugsgesuch gutzuheissen, eventualiter die Sache an die Vorinstanz zur Abklärung des Sachverhalts und zur Neubeurteilung zurückzuweisen oder die Aufenthaltsbewilligung verknüpft mit Bedingungen zu erteilen. 
 
Das Kantonsgericht und der Staatsrat des Kantons Wallis sowie das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung beantragen je, die Beschwerde abzuweisen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheiden die zuständigen Behörden, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Es besteht damit grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, es sei denn, der Ausländer könne sich auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrages berufen (BGE 128 II 145 E. 1.1.1 S. 148, mit Hinweisen). 
1.2 Gemäss Art. 17 Abs. 2 ANAG hat der Ehegatte des Ausländers, der im Besitz der Niederlassungsbewilligung ist, Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, solange die Ehegatten zusammen wohnen (Satz 1). Als niedergelassene Ausländerin besitzt die Beschwerdeführerin auf Grund von Art. 17 ANAG grundsätzlich Anspruch auf Nachzug ihres Ehegatten. Die Frage, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen zur Bejahung des Anspruches erfüllt sind oder ob vorbehaltene Hinderungsgründe dem entgegenstehen, bildet Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 124 II 289 E. 2a S. 291). Auf die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist mithin einzutreten. 
2. 
2.1 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann vorliegend die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 104 lit. a und b OG), nicht jedoch die Unangemessenheit des angefochtenen Entscheids (vgl. Art. 104 lit. c OG) gerügt werden. Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, ist das Bundesgericht an deren Sachverhaltsfeststellung gebunden, sofern dies nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgt ist (Art. 105 Abs. 2 OG
3. 
3.1 Nach Art. 7 Abs. 2 ANAG, der insoweit analog auch für die Ansprüche aus Art. 17 ANAG gilt (BGE 121 II 5), besteht kein Anspruch des ausländischen Ehegatten auf eine Aufenthaltsbewilligung, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen (Scheinehe bzw. sogenannte Ausländerrechtsehe). 
3.2 Dass Ehegatten mit der Heirat nicht eine eheliche Lebensgemeinschaft begründen, sondern die ausländerrechtlichen Vorschriften umgehen wollen, entzieht sich in der Regel dem direkten Beweis und kann diesfalls nur durch Indizien nachgewiesen werden. Solche Indizien sind etwa darin zu erblicken, dass der Ausländer ohne Heirat keine Aufenthaltsbewilligung erhalten hätte. Freilich genügt es nicht, dass die Ehe abgeschlossen wurde, um dem ausländischen Ehegatten den Aufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen; erforderlich ist vielmehr, dass die eheliche Gemeinschaft nicht wirklich gewollt war; auf die Motive der Heirat kommt es mit anderen Worten nicht an, sofern der Wille vorhanden ist, eine Lebensgemeinschaft zu begründen (BGE 128 II 145 E. 2.1 S. 151, mit Hinweis). Für das Vorliegen einer Ausländerrechtsehe können sodann die Umstände des Kennenlernens und die Dauer der Bekanntschaft sprechen. Auch ein grosser Altersunterschied zwischen den Ehegatten kann darauf hindeuten, dass keine echte Ehe gewollt ist. 
3.3 Nachdem der Ehemann der Beschwerdeführerin zunächst als Asylbewerber erfolglos um Aufnahme in der Schweiz ersucht hatte und später nach illegaler Wiedereinreise mit einer Einreisesperre belegt worden war, sprechen - wie die Vorinstanz zutreffend angenommen hat - in der Tat gewichtige Gründe für die Annahme, dass es dem Betroffenen vorab darum ging, sich durch die Ehe mit einer niederlassungsberechtigten Landsmännin in der Schweiz ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen. Um dem Ehemann die Aufenthaltsbewilligung verweigern zu können, muss aber zudem auch dargetan sein, dass den Ehegatten oder jedenfalls einem der beiden der Wille zur Führung einer Lebensgemeinschaft fehlt. Auf das bisherige Verhalten der Ehegatten kann vorliegend insofern nicht abgestellt werden, als fremdenpolizeiliche Hindernisse ein Zusammenleben in der Schweiz zur Zeit verhindern. Die Mutmassung der kantonalen Behörden, die Führung einer Ehegemeinschaft sei nicht beabsichtigt, müsste sich daher auf anderweitige stichhaltige Gründe stützen können. Für eine Scheinehe sprechende objektive Umstände (kulturelle Verschiedenheit, fehlende sprachliche Verständigungsmöglichkeit, grosser Altersunterschied usw.) sind vorliegend nicht gegeben. Beide Ehepartner sind etwa gleich alt, sprechen dieselbe Sprache und stammen aus dem gleichen Kulturkreis. Der Umstand allein, dass der Eheabschluss durch fremdenpolizeiliche Motive veranlasst worden sein dürfte, vermag - wie erwähnt (E. 3.2) - das Bestehen eines Ehewillens noch nicht schlüssig zu widerlegen. Diesbezügliche Zweifel ergeben sich zwar aus den Umständen, unter denen sich die Partner kennen gelernt haben, sowie aus der kurzen Dauer der Bekanntschaft. Zudem finden sich in den Akten keine Hinweise, die auf eine Liebesbeziehung zwischen den beiden schliessen liessen. Indessen kann gestützt darauf die gemeinsame Absicht zur Führung einer Lebensgemeinschaft noch nicht verneint werden. Ob die festgestellten Tatsachen den Schluss auf eine Ausländerrechtsehe erlauben, ist eine Rechtsfrage, die als solche der freien Prüfung des Bundesgerichtes unterliegt und auch vom Kantonsgericht, welches den Verwaltungsbehörden in diesem Punkt zu Unrecht einen eigenen Spielraum einräumen wollte, mit voller Kognition hätte geprüft werden müssen. Aufgrund der jetzigen Aktenlage kann nicht (bzw. noch nicht) von einer Scheinehe gesprochen werden, die schon für sich allein die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung für den Ehemann der Beschwerdeführerin zu rechtfertigen vermöchte. Eine andere Würdigung dieser Frage aufgrund der künftigen Entwicklung der Verhältnisse bleibt selbstverständlich vorbehalten. 
4. 
4.1 Der Anspruch gemäss Art. 17 Abs. 2 ANAG auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung erlischt zudem, wenn der Anspruchsberechtigte gegen die öffentliche Ordnung verstossen hat (Satz 4). Zu prüfen bleibt, ob dem Ehegatten der Beschwerdeführerin die Aufenthaltsbewilligung aus diesem Grund verweigert werden durfte. 
 
Der Anspruch des ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers erlischt gemäss Art. 7 ANAG, wenn ein Ausweisungsgrund vorliegt. Gemäss Art. 17 Abs. 2 letzter Satz ANAG hingegen erlischt der Anspruch des ausländischen Ehegatten eines Ausländers bereits, wenn der Anspruchsberechtigte "gegen die öffentliche Ordnung verstossen hat". Das Bundesgericht hat in seiner Praxis zu Art. 7 ANAG - d.h. bei mit Schweizer Bürgern verheirateten Ausländern - die Grenze, von der an in der Regel keine fremdenpolizeilichen Bewilligungen erteilt werden, auf zwei Jahre Freiheitsstrafe festgesetzt. Geht es dagegen - wie hier - um die Möglichkeit des Zusammenlebens mit einem niedergelassenen ausländischen Ehepartner, so kann bereits ein geringerer Verstoss gegen die öffentliche Ordnung zur Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung führen, wobei jedoch in jedem Falle eine Prüfung der Verhältnismässigkeit vorzunehmen ist. 
4.2 Dass der Beschwerdeführer seinerzeit nach Abschluss des Asylverfahrens wegen Untertauchensgefahr vorübergehend in Ausschaffungshaft (Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG) genommen werden musste, ist im vorliegenden Zusammenhang kaum von Bedeutung, da es sich dabei um eine reine Administrativmassnahme handelte. Stärker ins Gewicht fällt die illegale Wiedereinreise, derentwegen der Beschwerdeführer mit einer dreijährigen Einreisesperre und einer Busse von Fr. 1'000.-- belegt worden war. Zu berücksichtigen ist, dass die Ehefrau bei der Eingehung der Ehe von der bestehenden Einreisesperre Kenntnis hatte und insoweit nicht ohne weiteres davon ausgehen durfte, ihre Ehe (sofort) in der Schweiz führen zu können. In Betracht fällt auch der Umstand, dass die Ehefrau ihrerseits aus dem Kosovo stammt, erst seit 1999 in der Schweiz weilt und mit Familienangehörigen im Heimatland weiterhin Kontakt pflegt. Der Beschwerdeführerin wäre somit grundsätzlich zumutbar, die Ehe im Heimatland des Ehemannes zu leben. Der durch die Einreisesperre und die Busse von Fr. 1'000.-- sanktionierte Gesetzesverstoss, welcher dem Ehemann einzig zur Last gelegt werden kann, ist zwar keine Bagatelle; er besitzt unter den gegebenen Umständen aber noch nicht genügend Gewicht, um dem Ehemann den Aufenthalt zur Führung der Ehe bei seiner hier niederlassungsberechtigten Ehefrau verweigern zu können. 
4.3 Die vorhandenen Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Ehewillens vermögen an dieser Abwägung nichts zu ändern. Den Behörden bleibt selbstverständlich vorbehalten, die Voraussetzungen des Anspruches auf eine Aufenthaltsbewilligung nach Art. 17 ANAG später unter Berücksichtigung allfälliger Veränderungen des Sachverhaltes erneut zu prüfen. 
5. 
Nach dem Gesagten darf die Aufenthaltsbewilligung für den Ehemann, der mit der Beschwerdeführerin unbestrittenermassen zusammen wohnen will, schon aufgrund von Art. 17 ANAG nicht verweigert werden, ohne dass noch geprüft werden müsste, wieweit durch die Verweigerung des Nachzugs auch Art. 8 EMRK verletzt wäre. 
6. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich somit als begründet und das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Die Sache ist zu neuem Entscheid betreffend Nachzug des Ehemannes an die Dienststelle für Zivilstandswesen und Fremdenkontrolle des Kantons Wallis zurückzuweisen (Art. 114 Abs. 2 OG). 
 
Für das vorliegende Verfahren werden keine Kosten erhoben. Der Kanton Wallis wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). Sache des Kantonsgerichts wird es sein, über die Kosten der kantonalen Rechtsmittelverfahren neu zu entscheiden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis vom 20. Februar 2004 aufgehoben. Die Sache wird zu neuem Entscheid betreffend Nachzug des Ehegatten an die Dienststelle für Zivilstandswesen und Fremdenkontrolle des Kantons Wallis zurückgewiesen. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Der Kanton Wallis hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Zur Regelung der Kosten der kantonalen Rechtsmittelverfahren wird die Sache an das Kantonsgericht des Kantons Wallis zurückgewiesen 
5. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Staatsrat, dem Kantonsgericht, Öffentlichrechtliche Abteilung, und der Dienststelle für Zivilstandswesen und Fremdenkontrolle des Kantons Wallis sowie dem Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 20. Juli 2004 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: