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[AZA 7] 
I 485/01 Vr 
 
III. Kammer 
 
Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; 
Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Urteil vom 15. Mai 2002 
 
in Sachen 
K.________, 1984, Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Eltern, und diese vertreten durch Rechtsanwalt Daniel R. 
Bläuer, Seefeldstrasse 45, 8008 Zürich, 
 
gegen 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
Mit Verfügung vom 10. August 2000 gewährte die IV-Stelle des Kantons Zürich der 1984 geborenen K.________ Sonderschulbeiträge für den Besuch der Schulstiftung X.________ für das Schuljahr 2000/01. 
Mit Verfügung vom 19. September 2000 hob die IV-Stelle diese Leistungszusprechung wiedererwägungsweise auf, da K.________ nicht das erwähnte Institut, sondern das nicht zugelassene Internat Y.________ besuche. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 8. Juni 2001 ab. 
Die Eltern von K.________ lassen Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, die IV-Stelle sei zu verpflichten, die Kosten für den Besuch des Internats Y.________ für das Jahr 2000/2001 "als berufliche Eingliederungsmassnahme zu übernehmen"; eventuell sei die IV-Stelle zu verpflichten, "die gesetzlichen Leistungen für die Sonderschule für das Jahr 2000/2001 auszurichten". 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Die Zusprechung von Sonderschulbeiträgen scheiterte an der fehlenden Zulassung des Internats Y.________ als Sonderschule. Das kantonale Verwaltungsgericht hat diesbezüglich richtig ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung (AHI 2000 S. 77) nur Anspruch auf Sonderschulunterrichts-Beiträge (Art. 19 IVG, Art. 8 ff. IVV) besteht, wenn das besuchte Institut formell, sei es generell durch das BSV (Art. 10 Abs. 1 SZV), sei es im Einzelfall durch die zuständige kantonale Amtsstelle (Art. 10 Abs. 2 SZV), als invalidenversicherungsrechtliche Sonderschule zugelassen worden ist (Art. 26bis IVG, Art. 1 ff. SZV). 
 
2.- Aus dem Schreiben des BSV vom 2. April 2001 ergibt sich, dass das Internat Y.________ im hier streitigen Schuljahr 2000/01 die Bedingungen für eine generelle Zulassung nicht erfüllt hat. Dass die zuständige kantonale Behörde das Institut im Einzelfall zugelassen hätte, wird nicht geltend gemacht. Daher kann die Invalidenversicherung keine Sonderschulbeiträge für den Besuch des Internats Y.________ leisten. In den Akten fehlen jegliche Hinweise auf die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobene Behauptung, die IV-Stelle habe anlässlich einer mündlichen Besprechung mit den Eltern der Versicherten Zusagen abgegeben, welche einen Gutglaubenstatbestand begründet hätten. 
Die entsprechende Einrede kann deshalb nicht gehört werden. 
Insoweit ist die Verfügung vom 19. September 2000 zu Recht ergangen, da die Voraussetzungen für die Wiedererwägung (offensichtliche Unrichtigkeit der leistungszusprechenden Verfügung vom 10. August 2000, erhebliche Bedeutung der Berichtigung; BGE 125 V 369 Erw. 2) gegeben sind. 
 
3.- Die Beschwerdeführerin lässt geltend machen, der Besuch des Internats Y.________ falle nicht unter den Begriff der Sonderschulung, da sie die ordentliche Schulzeit schon beendet habe. Vielmehr handle es sich um eine Vorbereitung auf den Einstieg in ein normales Gymnasium. Dies stelle eine erstmalige berufliche Ausbildung dar und sei demnach von der Invalidenversicherung als berufliche Eingliederungsmassnahme zu übernehmen. 
 
a) In den Verfügungen vom 10. August und 19. September 2000 ging es ausschliesslich um Sonderschulbeiträge, nicht aber um berufliche Massnahmen. Daher fragt sich, ob auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde insoweit eingetreten werden kann, als die Versicherte solche Vorkehren verlangt. 
Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidgenössische Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 97, 98 lit. b-h und 98a OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung. 
Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 125 V 414 Erw. 1a mit Hinweisen). 
Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts kann das verwaltungsgerichtliche Verfahren aus prozessökonomischen Gründen auf eine ausserhalb des Anfechtungsgegenstandes, d.h. ausserhalb des durch die Verfügung bestimmten Rechtsverhältnisses liegende spruchreife Frage ausgedehnt werden, wenn diese mit dem bisherigen Streitgegenstand derart eng zusammenhängt, dass von einer Tatbestandsgesamtheit gesprochen werden kann, und wenn sich die Verwaltung zu dieser Streitfrage mindestens in Form einer Prozesserklärung geäussert hat (BGE 122 V 36 Erw. 2a mit Hinweisen). 
 
b) Der Prüfung, ob vorliegend Sonderschulbeiträge oder berufliche Massnahmen zuzusprechen sind, liegt der selbe Schulbesuch zu Grunde. Daher hängt die Frage, ob der Aufenthalt im Internat Y.________ als berufliche Massnahme zu betrachten ist, eng mit dem bisherigen Streitgegenstand zusammen. Sodann hat sich die IV-Stelle in ihrer Vernehmlassung eingehend zu dieser Problematik geäussert. Wie sich aus dem Folgenden ergibt, ist die Frage spruchreif. Daher sind die Bedingungen für eine Ausdehnung des Verfahrens erfüllt, weshalb der streitige Schulbesuch auch unter dem Titel beruflicher Massnahmen geprüft werden kann. 
 
c) Nach Art. 16 Abs. 1 IVG haben Versicherte, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfang zusätzliche Kosten entstehen, Anspruch auf Ersatz dieser Kosten, sofern die Ausbildung den Fähigkeiten des Versicherten entspricht. Unter erstmaliger beruflicher Ausbildung in diesem Sinne ist die gezielte und planmässige Förderung in beruflicher Hinsicht zu verstehen, mit andern Worten der Erwerb oder die Vermittlung spezifisch beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten (vgl. AHI 1997 S. 80 Erw. 1b; Urteil B. vom 19. März 2002, I 529/01). Als derartige Ausbildung gelten Massnahmen erst, wenn sie nach getroffener Berufswahl zur Vorbereitung auf die eigentliche Berufsausbildung notwendig werden (ZAK 1981 S. 488 Erw. 2). 
Die schulischen Vorkehrungen müssen abgeschlossen, die Berufswahl getroffen und die vorgesehenen Massnahmen als integrierende Bestandteile des Berufszieles formuliert worden sein (Rz 3003 des Kreisschreibens des BSV über die Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art [KSBE]). Vorbereitende Massnahmen fallen dann unter Art. 16 IVG, wenn sie nach getroffener Berufswahl als gezielte Vorbereitung auf die eigentliche Berufsausbildung notwendig werden. Nicht zur erstmaligen beruflichen Ausbildung gehören Zwischenjahre, die der Förderung der Berufswahlreife, der Berufsfindung, dem Ausfüllen schulischer Lücken und der Förderung des Arbeitsverhaltens dienen (Rz 3003 KSBE). 
 
d) Nach Angaben der Beschwerdeführerin diente der Aufenthalt im Internat Y.________ der Schliessung schulischer Lücken im Hinblick auf die bevorstehende Integration in eine Mittelschule. Dies sollte ihr den Einstieg in ein normales Gymnasium erleichtern. Sie beabsichtige nach der obligatorischen Schulzeit eine Mittelschule oder eine Fachschule mit kreativ-gestalterischer Ausrichtung zu besuchen, habe somit ihren Berufswunsch konkret geäussert. 
Laut Bericht des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes des Kantons Zürich vom 5. Juni 2000 sei ein Zwischenjahr notwendig, in welchem schulische Lücken geschlossen und die Voraussetzungen geschaffen werden sollten, damit die Versicherte eine ihrem intellektuellen Niveau entsprechende Ausbildung beginnen könne. Im Auszug aus dem Protokoll der Sozialbehörde vom 9. Mai 2000 ist ebenfalls von einer Aufarbeitung schulischer Defizite und Lücken die Rede. Ein wichtiges Ziel der Plazierung im Internat Y.________ sei, der Versicherten den Schulabschluss auf Sekundarstufe zu ermöglichen. 
e) Gestützt auf diese Angaben ist erstellt, dass der Aufenthalt im Internat Y.________ als Zwischenjahr zum Auffüllen schulischer Lücken gedient hat. Eine konkrete Berufswahl war noch nicht getroffen. Der Wunsch, eine kreativ-gestalterische Fachschule zu besuchen, ist zu wenig konkret, als dass von erfolgter Berufswahl gesprochen werden könnte. Somit war das im Internat Y.________ verbrachte Jahr weder integrierender Bestandteil eines bestimmten Berufsziels noch gezielte Vorbereitung auf eine bereits ins Auge gefasste Berufsausbildung. Primäres Ziel war ein Sekundarschulabschluss; hingegen war beim Eintritt ins Internat Y.________ noch offen, ob die Versicherte hernach eine Mittel- oder eine Fachschule besuchen würde. 
Bei solchen Gegebenheiten lässt sich der Schulbesuch im Internat Y.________ nach Rechtsprechung und Praxis nicht unter Art. 16 IVG subsumieren. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
 
 
zugestellt. 
Luzern, 15. Mai 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: