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[AZA 7] 
C 92/01 Gi 
 
II. Kammer 
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Rüedi und Meyer; 
Gerichtsschreiber Renggli 
 
Urteil vom 8. November 2001 
 
in Sachen 
V.________, 1935, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau, Rain 53, 5000 Aarau, Beschwerdegegner, 
 
und 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
A.- Mit Verfügung vom 3. November 1998 forderte die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft SYNA, Regionalsekretariat Brugg (nachfolgend: Arbeitslosenkasse) von V.________ unrechtmässig an ihn ausgerichtete Arbeitslosenentschädigungen von Fr. 11'286. 20 zurück. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 25. Januar 2000 abgewiesen. 
V.________ stellte daraufhin beim Industrie-, Gewerbe- und Arbeitsamt des Kantons Aargau (KIGA) ein Erlassgesuch, welches mit Verfügung vom 23. Mai 2000 abgelehnt wurde, da weder die Voraussetzung des guten Glaubens noch jene der grossen Härte erfüllt seien. 
 
B.- Dagegen reichte V.________ beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau Beschwerde ein und machte geltend, er habe keinen Anlass gehabt, an der Rechtmässigkeit der Leistungen zu zweifeln. Die angerufene Instanz wies die Beschwerde mit Entscheid vom 27. Februar 2001 ab. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert V.________ das Erlassgesuch. Er führt sinngemäss an, er habe sich auf Grund seiner Unkenntnis der rechtlichen Regelungen an die Arbeitslosenkasse gewandt, worauf verschiedene sachkompetente Personen seinen Anspruch bestätigt hätten, auf welche Auskünfte er sich verlassen habe. Er habe das Versehen nicht erkennen können. 
Das (inzwischen in Amt für Wirtschaft und Arbeit [AWA] umbenannte) KIGA und das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Nachdem die Vorinstanz das seinerzeit erhobene Rechtsmittel gegen die von der Arbeitslosenkasse erlassene Rückerstattungsverfügung vom 3. November 1998 mit Entscheid vom 25. Januar 2000 abgewiesen und der Beschwerdeführer dagegen nicht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben, sondern ein Erlassgesuch gestellt hat, ist die Rückforderung als solche in Rechtskraft erwachsen. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet deshalb einzig der Erlass der Rückerstattungsschuld. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt seien. 
 
b) Da es sich bei der angefochtenen Verfügung somit nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
2.- Das kantonale Gericht hat die Erlassvoraussetzungen des guten Glaubens und des Vorliegens einer grossen Härte (Art. 95 Abs. 2 AVIG) sowie die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 126 V 50 Erw. 1b, 112 V 103 Erw. 2c; ARV 1998 Nr. 14 S. 73 Erw. 4a, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3.- a) Nach der Rechtsprechung sind auf Art. 95 Abs. 2 AVIG die für die Erlassvoraussetzungen von Art. 47 Abs. 1 AHVG geltenden Regeln analog anwendbar (BGE 126 V 50 Erw. 
1b). Danach liegt guter Glaube nicht schon bei Unkenntnis des Rechtsmangels vor. Vielmehr darf sich der Leistungsempfänger nicht nur keiner böswilligen Absicht, sondern auch keiner groben Nachlässigkeit schuldig gemacht haben. Daraus erhellt, dass der gute Glaube von Vornherein entfällt, wenn die zu Unrecht erfolgte Leistungsausrichtung auf eine arglistige oder grobfahrlässige Melde- und Auskunftspflichtverletzung zurückzuführen ist. Anderseits kann sich der Rückerstattungspflichtige auf den guten Glauben berufen, wenn sein fehlerhaftes Verhalten nur eine leichte Fahrlässigkeit darstellt (BGE 112 V 103 Erw. 2c, 110 V 180 Erw. 
3c; ARV 1998 Nr. 14 S. 73 Erw. 4a, 1992 Nr. 7 S. 103 Erw. 
2b). 
 
b) Praxisgemäss ist zu unterscheiden zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf den guten Glauben berufen kann und ob er bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen sollen. Die Frage nach dem Unrechtsbewusstsein gehört zum inneren Tatbestand und ist daher Tatfrage, die nach Massgabe von Art. 105 Abs. 2 OG von der Vorinstanz verbindlich beurteilt wird. Demgegenüber gilt die Frage nach der gebotenen Aufmerksamkeit als frei überprüfbare Rechtsfrage, soweit es darum geht, festzustellen, ob sich jemand angesichts der jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse auf den guten Glauben berufen kann (BGE 122 V 223 Erw. 3, 102 V 246; ARV 1998 Nr. 41 S. 237 Erw. 3; AHI 1994 S. 123 Erw. 
2c; ZAK 1983 S. 508 Erw. 3a und 3b). 
 
c) Unbestritten ist, das sich der Versicherte keiner Verletzung von Melde- und Auskunftspflichten oder anderer Verpflichtungen eines Bezügers von Arbeitslosenentschädigungen schuldig gemacht hat. Die Vorinstanz verneint aber den guten Glauben bei der Entgegennahme der Zahlungen, weil der Beschwerdeführer hätte bemerken müssen, dass man mit einem Einkommen aus reduzierter Arbeitstätigkeit (80 %) zusammen mit der Arbeitslosenentschädigung nicht, wie das der Fall war, auf nahezu 95 % des letzten Lohnes bei Vollzeitarbeit kommen könne. Dies vermag nicht zu überzeugen. Die Ausrichtung der Arbeitslosenentschädigung war unrechtmässig, weil der Beschwerdeführer nach der Reduktion seines Anstellungsgrades von 100 % auf 80 % weiterhin ein Einkommen erzielte, welches höher war als die ihm im Falle von Ganzarbeitslosigkeit zustehende Entschädigung, in welchem Falle es an einem anrechenbaren Verdienstausfall fehlt (ARV 1995 Nr. 14 S. 73 Erw. 3 und 4). Auf diese Rechtslage wurde die Arbeitslosenkasse durch einen Anhang zum durch das (damalige) Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit erstellten Revisionsbericht vom 2. Oktober 1998 aufmerksam. Hätte der Beschwerdeführer auf Grund seines Verdienstausfalles Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung gehabt, so hätte sich diese auf rund 14 % des früheren Lohnes (entsprechend 70 % des Ausfalles von 20 %) belaufen und mit dem weiterhin erzielten Verdienst rund 94 % des früheren Gehaltes bei Vollzeiterwerb ergeben. Somit lag der effektiv ausbezahlte Betrag im Rahmen dessen, was gemäss Kenntnis des Arbeitslosenversicherungsrechts, die einer nicht juristisch ausgebildeten Person (höchstens) zugemutet werden kann, zu erwarten war. Wenn die Vorinstanz davon ausgeht, allein die Tatsache, dass der Lohn für die 80 %ige Tätigkeit zusammen mit den Arbeitslosenentschädigungen gegen 95 % des früheren Verdienstes ergab, hätte den Beschwerdeführer zur Einsicht führen müssen, dass ein Versehen vorliege, verlangt sie nicht weniger, als dass jedermann die Regelung kenne, auf die selbst die Arbeitslosenkasse von aussen aufmerksam gemacht werden musste. Das aber ist nicht erwartbar. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch bei Anwendung des ihm nach Fähigkeit und Bildungsgrad zumutbaren Mindestmasses an Sorgfalt den Irrtum nicht bemerken konnte und bei der Entgegennahme der Zahlungen gutgläubig war. 
 
d) Ist damit die Voraussetzung der Gutgläubigkeit erfüllt, so ist noch das Vorliegen einer grossen Härte zu prüfen. Gemäss den verbindlichen (Erw. 1b) Feststellungen der Vorinstanz ist die in Zusammenhang mit dieser Frage durch das seco auf Grund der Steuererklärung des Beschwerdeführers erstellte Berechnung (Beiblatt zur Verfügung des KIGA vom 23. Mai 2000) korrekt. Demnach überschreiten die nach der Rechtsprechung (BGE 126 V 50 Erw. 1b mit Hinweisen) anrechenbaren Einnahmen die zu berücksichtigenden Ausgaben um Fr. 10'346. 85. Damit ist die Erlassvoraussetzung der grossen Härte nur teilweise erfüllt, indem die Rückerstattungsforderung durch das die massgebliche Einkommensgrenze überschreitende anrechenbare Einkommen nicht vollständig gedeckt ist. Rechtsprechungsgemäss (BGE 116 V 14 f. 
Erw. 3c und d und 296 Erw. 5a) ist die Rückforderung in dem Umfang, in dem sie das anrechenbare Einkommen übersteigt, zu erlassen. Im vorliegenden Fall vermindert sich die Rückerstattungsschuld von Fr. 11'286. 20 um Fr. 939. 35 auf Fr. 10'346. 85. 
 
4.- Die Frage des Erlasses einer Rückerstattungsschuld betrifft nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen (Erw. 1). Das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht ist daher kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem Ausgang des Prozesses werden die Gerichtskosten verhältnismässig verlegt (Art. 156 Abs. 3 OG), wobei das AWA von der Kostenpflicht befreit ist (Art. 156 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde 
werden der Entscheid des Versicherungsgerichts 
des Kantons Aargau vom 27. Februar 2001 und 
die Verfügung vom 23. Mai 2000 aufgehoben und es wird 
festgestellt, dass die Rückerstattungsforderung der 
Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft SYNA, Regionalsekretariat 
Brugg, von Fr. 11'286. 20 in einem Betrag von 
Fr 939. 35 teilweise zu erlassen ist. 
 
II.Von den Gerichtskosten von Fr. 1100.- werden Fr. 1000.- dem Beschwerdeführer auferlegt. Sie sind durch den geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 1100.- 
 
 
gedeckt; der Differenzbetrag von Fr. 100.- wird zurückerstattet. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft SYNA, Regionalsekretariat Brugg, und dem 
 
 
Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 8. November 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: