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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_25/2020, 1B_26/2020, 1B_27/2020  
 
 
Urteil vom 27. Mai 2020  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1B_25/2020 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Sven Kuhse, 
 
1B_26/2020, 1B_27/2020 
B.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwälte Andreas Rüd und Dimitri Santoro, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft See/Oberland, 
Büro B-2, Weiherallee 15, Postfach, 8610 Uster. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Antrag auf Entsiegelung und Durchsuchung, 
 
Beschwerden gegen die Entscheide des 
Bezirksgerichts Meilen, Zwangsmassnahmengericht, 
vom 28. November 2019 
(GH190049, GH190045, GH190047). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland des Kantons Zürich eröffnete am 18. September 2019 gegen C.________, B.________ und A.________ eine Strafuntersuchung wegen Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte (Art. 179quater StGB) sowie gegen D.________ wegen Anstiftung dazu. Im Fall von C.________ erstreckt sich die Eröffnungsverfügung darüber hinaus auf die Tatbestände der Drohung (Art. 180 Abs. 1 StGB) und Nötigung (Art. 181 StGB). D.________ ist in der Zwischenzeit verstorben. 
Am 18. September 2019 stellte die Kantonspolizei Zürich auf dem Polizeiposten Rathaus in Zürich das Mobiltelefon von B.________ sicher und am 24. September 2019 führte sie auf Anordnung der Staatsanwaltschaft am Wohn- und am Arbeitsort von D.________ eine Hausdurchsuchung durch. Betreffend das Mobiltelefon erliess die Staatsanwaltschaft am 24. September 2019 einen Durchsuchungsbefehl, und die anlässlich der Hausdurchsuchung sichergestellten Dokumente und Gegenstände beschlagnahmte sie mit Verfügung vom 1. Oktober 2019. A.________ und B.________ stellten in der Folge Siegelungsgesuche, die im Fall von B.________ auch dessen Mobiltelefon umfassten. In der Folge beantragte die Staatsanwaltschaft dem Zwangsmassnahmengericht am Bezirksgericht Meilen die Entsiegelung. 
Mit drei separaten Urteilen (recte: Verfügungen) vom 28. November 2019 hiess das Zwangsmassnahmengericht die Entsiegelungsgesuche gut. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 14. Januar 2020 beantragt A.________, die ihn betreffende Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts sei aufzuheben und das Entsiegelungsgesuch abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur Triage bzw. Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Verfahren 1B_25/2020). Mit zwei ebenfalls vom 14. Januar 2020 datierenden Beschwerden in Strafsachen beantragt B.________, die ihn betreffenden Verfügungen des Zwangsmassnahmengerichts seien aufzuheben und die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventualiter sei das Entsiegelungsgesuch abzuweisen (Verfahren 1B_26/2020 und 1B_27/2020). 
Die Staatsanwaltschaft hat sich in allen drei Verfahren vernehmen lassen, während das Zwangsmassnahmengericht auf eine Stellungnahme verzichtet hat. Die Beschwerdeführer halten in ihrer Replik dazu an ihren Anträgen fest. 
Mit Präsidialverfügung vom 4. Februar 2020 hat das Bundesgericht den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Eingaben der Beschwerdeführer richten sich gegen drei verschiedene Entscheide, stehen jedoch in einem engen sachlichen und prozessualen Zusammenhang. Sowohl die Erwägungen der angefochtenen Entscheide als auch die Begründungen der Beschwerden decken sich weitgehend. Es rechtfertigt sich deshalb, die Verfahren in sinngemässer Anwendung von Art. 24 BZP (in Verbindung mit Art. 71 BGG) zusammenzufassen und durch ein einziges Urteil zu erledigen (Urteil 2A.48/2006 vom 3. November 2006 E. 1 mit Hinweis; nicht publ. in BGE 133 I 58). 
 
2.  
Angefochten sind drei kantonal letztinstanzliche Verfügungen über die Entsiegelung von Daten, die in Anwendung von Art. 246 ff. StPO in einem Strafverfahren sichergestellt wurden. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht nach Art. 78 ff. BGG offen. Es handelt sich um Zwischenentscheide, die einen nicht mehr korrigierbaren Eingriff in rechtlich geschützte Geheimhaltungsinteressen der Beschwerdeführer mit sich bringen können. Damit droht diesen ein nicht wieder gutzumachender Nachteil (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 143 IV 462 E. 1 S. 465; Urteil 1B_394/2017 vom 17. Januar 2018 E. 1, nicht publ. in: BGE 144 IV 74; je mit Hinweisen) und ist ihre Beschwerdelegitimation zu bejahen (Art. 81 Abs. 1 BGG). Sie sind darüber hinaus auch deshalb zur Beschwerde berechtigt, weil sie vorbringen, im kantonalen Verfahren in ihren Parteirechten verletzt worden zu sein (sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 5 mit Hinweisen). 
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführer rügen in zweierlei Hinsicht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Sie machen geltend, im vorinstanzlichen Verfahren keine Gelegenheit erhalten zu haben, sich zu den jeweiligen Vernehmlassungen der Staatsanwaltschaft zu äussern. Zudem kritisieren sie, die angefochtenen Verfügungen seien unzureichend begründet.  
 
3.2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst insbesondere das Recht, von jedem Aktenstück und jeder dem Gericht eingereichten Stellungnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu äussern zu können (sog. Replikrecht). Es steht in erster Linie der Partei und nicht dem Richter zu, darüber zu befinden, ob neu beigebrachte Unterlagen es rechtfertigen, dass dazu Stellung genommen wird. Die Wahrnehmung des Replikrechts setzt voraus, dass jede dem Gericht eingereichte Stellungnahme oder Vernehmlassung den Beteiligten zugestellt wird, so dass sie selbst entscheiden können, ob sie sich dazu äussern wollen oder nicht. Dies gilt unabhängig davon, ob in diesen Eingaben neue und erhebliche Gesichtspunkte enthalten sind oder nicht (zum Ganzen: BGE 138 I 484 E. 2.1 S. 485 f.; 137 I 195 E. 2.3.1 S. 197; 133 I 100 E. 4.3 ff. S. 102 ff.; Urteil 5A_827/2017 vom 15. August 2018 E. 4.2; je mit Hinweisen).  
Aus den Ausführungen zum Verfahrensablauf in den angefochtenen Verfügungen sowie den Akten geht hervor, dass das Zwangsmassnahmengericht in keinem der drei Verfahren den Beschwerdeführern die Möglichkeit gewährte, sich zu den Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft zu äussern. Damit verletzte es deren Recht auf Replik. 
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 144 IV 302 E. 3.1 S. 304 mit Hinweisen). Eine Heilung im vorliegenden Verfahren ist nicht möglich: Das Bundesgericht entscheidet hier als einzige Beschwerdeinstanz (Art. 248 Abs. 3 Ingress und Art. 380 StPO) und mit beschränkter Kognition in Tatfragen (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 137 I 195 E. 2.3.2 S. 197 f. mit Hinweisen; Urteil 1B_53/2018 vom 15. Februar 2018 E. 3.5). Der Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts ist demnach aufzuheben und die Angelegenheit zu neuem Entscheid unter Wahrung des rechtlichen Gehörs zurückzuweisen. 
 
3.3. Betreffend die Pflicht, den angefochtenen Entscheid hinreichend zu begründen, rügen die Beschwerdeführer im Wesentlichen, das Zwangsmassnahmengericht verweise auf die übrigen Akten, ohne darzulegen, was es daraus konkret ableite. Weiter machen sie geltend, aus der Aussage des Geschädigten vom 17. September 2019 und der Strafanzeige vom 19. September 2019 gehe hervor, dass der Geschädigte von einem einzigen Fahrzeug mit einem einzigen Lenker verfolgt worden sei. Weshalb das Zwangsmassnahmengericht trotz diesem Umstand annehme, es bestehe auch gegen sie selbst ein Tatverdacht in Bezug auf Nötigung oder Drohung, sei nicht nachvollziehbar. An einer Begründung fehle es zudem in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte (Art. 179quater StGB). Eine Observation sei nicht per se widerrechtlich.  
Da der angefochtene Entscheid bereits wegen der Verletzung des Replikrechts aufzuheben ist, kann offenbleiben, wie es sich mit diesen Vorbringen der Beschwerdeführer verhält. Sie werden im weiteren Verlauf des Verfahrens Gelegenheit erhalten, ihre Kritik erneut vorzutragen, und das Zwangsmassnahmengericht wird unter Berücksichtigung ihrer Argumente einen neuen Entscheid zu fällen haben. 
 
4.  
Die Beschwerden sind somit gutzuheissen und die angefochtenen Entscheide aufzuheben. Die Sache ist zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und anschliessenden neuen Beurteilung an das Zwangsmassnahmengericht zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist es nicht angezeigt auf die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführer einzugehen. 
Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführern eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeschriften über weite Strecken gleich lauten. Es erscheint gerechtfertigt, sowohl dem Beschwerdeführer 1 (für das Verfahren 1B_25/2020) als auch dem Beschwerdeführer 2 (für die Verfahren 1B_26/2020 und 1B_27/2020) Fr. 2'000.-- zuzusprechen. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Verfahren 1B_25/2020, 1B_26/2020 und 1B_27/2020 werden vereinigt. 
 
2.  
Die Beschwerden werden gutgeheissen und die Entscheide des Bezirksgerichts Meilen, Zwangsmassnahmengericht, vom 28. November 2019 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Beurteilung an das Zwangsmassnahmengericht zurückgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Der Kanton Zürich hat die Beschwerdeführer mit je Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Staatsanwaltschaft See/Oberland und dem Bezirksgericht Meilen, Zwangsmassnahmengericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Mai 2020 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold