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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_460/2019  
 
 
Urteil vom 29. August 2019  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Schär. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG in Liquidation, 
vertreten durch 
Rechtsanwalt Stefan Koller, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, Leitender Oberstaatsanwalt, 
An der Aa 4, 6300 Zug, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (ungetreue Geschäftsbesorgung, Vermögensdelikte), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, 
vom 13. März 2019 (BS 2018 74). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 15. Oktober 2018 reichte der Liquidator der A.________ AG bei der Staatsanwaltschaft Zug Strafanzeige ein und schilderte darin zusammengefasst den folgenden Sachverhalt: Am 19. Dezember 2014 habe ein Verwaltungsrat der A.________ AG namens dieser Gesellschaft einen Darlehensvertrag mit B.________ unterzeichnet. B.________ habe sich darin verpflichtet, der A.________ AG ein Darlehen über 1 Mio. Franken zur Verfügung zu stellen. Die A.________ AG habe sich ihrerseits verpflichtet, das Darlehen am 31. Dezember 2019 zurückzuzahlen und jährliche Zinszahlungen von 6 % auf ein noch zu eröffnendes Treuhandkonto zu leisten. 
Der Darlehensbetrag sei anschliessend von B.________ auf das im Darlehensvertrag genannte Konto der C.________ AG bei der Bank D.________ in Basel überwiesen worden. Der Betrag sei dann aber nicht für Aktivitäten der Gesellschaft eingesetzt worden, sondern für Kommissionszahlungen an eine ausländische Gesellschaft in der Höhe von Fr. 75'000.-- und für den Kauf von 5'000 Aktien der E.________ AG (mittlerweile ebenfalls in Liquidation) zum Betrag von Fr. 925'000.-- gemäss Kaufvertrag mit der F.________ Ltd. Zinszahlungen habe die A.________ AG nie geleistet. 
Die erworbenen 5'000 Aktien der E.________ AG habe die A.________ AG nicht zum eigenen Nutzen verwenden können, da sie sich gemäss Darlehensvertrag verpflichtet habe, diese an B.________ auszuhändigen, falls das Darlehen nicht zurückbezahlt werde. Gemäss der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung hätten die damaligen Organe der A.________ AG die durch das Darlehen von B.________ nach Abzug der Kommission erhaltenen Mittel von Fr. 925'000.-- einzig für den Kauf der vermutlich wertlosen Aktien der E.________ AG verwendet, und dies ausschliesslich zum finanziellen Vorteil der F.________ Ltd. bzw. der an dieser wirtschaftlich berechtigten Personen. 
 
B.   
Die Staatsanwaltschaft verfügte am 31. Oktober 2018 die Nichtanhandnahme des Verfahrens. 
Die A.________ AG in Liquidation erhob Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung. Das Obergericht des Kantons Zug trat am 13. März 2019 nicht auf die Beschwerde ein. 
 
C.   
Die A.________ AG in Liquidation führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, der Beschluss des Obergerichts vom 13. März 2019 sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zum Entscheid in der Sache zurückzuweisen. 
Das Obergericht verzichtete unter Verweis auf den angefochtenen Beschluss auf eine Vernehmlassung und beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerdeführerin ist durch den vorinstanzlichen Nichteintretensbeschluss formell beschwert und zur Beschwerde an das Bundesgericht ohne weiteres befugt, soweit sie geltend macht, es sei ihr zu Unrecht die Parteistellung bzw. die Legitimation zur Anfechtung der Nichtanhandnahmeverfügung abgesprochen worden. Die Beschwerde erweist sich somit als zulässig. 
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe den Vermögensschaden zu Unrecht verneint und verletze damit Bundesrecht. Die Vorinstanz gehe davon aus, der in der Strafanzeige beschriebene Vorgang sei für die Beschwerdeführerin erfolgsneutral verlaufen, weshalb ihr auch kein Schaden entstanden sei. Damit verkenne die Vorinstanz die aus einem Darlehensverhältnis entstehenden Rechte und Pflichten und den bundesrechtlichen Begriff des Vermögensschadens bei der ungetreuen Geschäftsbesorgung. Nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung stelle insbesondere bei Aktiengesellschaften wie der Beschwerdeführerin jede Verminderung der Aktiven wie auch jede Erhöhung der Passiven, ohne dass die Gesellschaft eine adäquate Gegenleistung erhalte, eine Vermögensschädigung dar. Für eine Schädigung nach Art. 158 StGB reiche eine vorübergehende Schädigung aus. Die Vorinstanz gehe fälschlicherweise davon aus, der Darlehensgeber erfülle seine Pflicht nur bzw. erhalte seinen Rückzahlungsanspruch nur dann, wenn er dem Darlehensnehmer die Darlehenssumme direkt auszahle. Die Darlehenssumme könne auch - wie hier geschehen - mittelbar übertragen werden, so durch Erwirken einer Gutschrift bei einem Dritten durch Zahlung an einen Dritten. Die Beschwerdeführerin habe durch die Darlehensüberweisung eine aktivierbare Forderung gegenüber der Person erhalten, auf welche das fragliche Subkonto bei der C.________ AG lautete. Die Überweisung der Darlehenssumme habe somit Auswirkungen auf die Bilanz der Beschwerdeführerin gehabt und zwar unabhängig davon, ob der Vorgang rechtswidrig nicht verbucht worden sei. Hinzu komme, dass mit der Darlehenszahlung die Zinspflicht zu laufen begonnen habe, womit sich die Passiven der Beschwerdeführerin erhöht hätten. Sodann sei die Vorinstanz zur Stützung ihrer These eines rein treuhänderischen Durchleitungsgeschäfts fälschlicherweise davon ausgegangen, die Beschwerdeführerin sei nie Eigentümerin der Aktien geworden. Zusammengefasst bestehe der Schaden der Beschwerdeführerin vorliegend in einer Verwendung der indirekt erhaltenen Darlehenssumme. Die Aktiven der Gesellschaft seien verringert worden, ohne dass eine (adäquate) Gegenleistung erfolgt sei.  
 
2.2. Gemäss Art. 382 Abs. 1 StPO kann jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheids hat, ein Rechtsmittel ergreifen. Partei ist namentlich die Privatklägerschaft (Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO). Als solche gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren im Straf- oder Zivilpunkt zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). In seinen Rechten unmittelbar verletzt ist, wer Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsgutes ist (BGE 143 IV 77 E. 2.2 S. 78; 141 IV 454 E. 2.3.1 S. 457).  
 
2.3. Die Staatsanwaltschaft führte in ihrer Nichtanhandnahmeverfügung aus, ein hinreichender Tatverdacht auf die Begehung von Straftaten bestehe nicht. Es sei offenkundig, dass das "Darlehen B.________", der Eingang der Aktien der E.________ AG ins Anlagevermögen der Beschwerdeführerin und die zumindest fakturierte Provisionszahlung bei der Beschwerdeführerin nie verbucht worden seien. Sodann sei es naheliegend, dass die Beschwerdeführerin die Darlehenssumme nie auf ihre Konten ausbezahlt erhalten habe, zumal in der Buchhaltung der Beschwerdeführerin keine Cash-Guthaben oder Schulden bei der C.________ AG erwähnt seien. Ferner soll B.________ die Aktien bereits gegen Mitte 2015 erhalten haben, und es seien keine Darlehensrückforderungsansprüche von B.________ gegen die Beschwerdeführerin aktenkundig. Dies alles indiziere ein treuhänderisches Durchleitungsgeschäft und decke sich mit den detaillierten Angaben des damaligen Verwaltungsrats der Beschwerdeführerin. Folglich sei die Rolle der Beschwerdeführerin bei der "B.________-Tranksaktion" rein treuhänderisch gewesen und diese sei durch die Transaktion nicht geschädigt worden. Betreffend B.________ liege weder eine Strafanzeige vor, noch sei aufgrund der vorgelegten Dokumente ersichtlich, dass zu seinem Nachteil eine Straftat begangen worden sei. Es gebe somit keine ausreichenden Hinweise auf eine Straftat, weshalb das Verfahren nicht an die Hand zu nehmen sei.  
Die Vorinstanz verneint die Geschädigtenstellung der Beschwerdeführerin und damit die Legitimation zur Ergreifung eines Rechtsmittels gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft. Dazu führt sie aus, die im Raum stehenden Vermögensdelikte schützten den Inhaber des geschädigten Vermögens. Träger des geschützten Rechtsguts sei vorliegend B.________, welcher gestützt auf den Darlehensvertrag mit der Beschwerdeführerin vom 19. Dezember 2014 den Darlehensbetrag von 1 Mio. Franken auf ein Konto bei der C.________ AG bei der Bank D.________ in Basel einbezahlt habe. Der Darlehensbetrag sei unbestrittenermassen nicht an die Beschwerdeführerin gelangt. Sie habe über keine Bankkontoguthaben oder dergleichen bei der C.________ AG oder bei der Bank D.________ verfügt. Auch seien in den Jahresrechnungen der Beschwerdeführerin weder das Darlehen von B.________ noch der Erwerb der Aktien der E.________ AG verbucht worden. Die Beschwerdeführerin habe im Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags entgegen der Vereinbarung sodann nicht über die betreffenden Aktien der E.________ AG verfügt, welche sie B.________ als Sicherheit hätte liefern sollen. Es treffe zwar zu, dass die Parteien des Darlehensvertrags vom 19. Dezember 2014 mit den entsprechenden Rechten und Pflichten B.________ und die Beschwerdeführerin seien. Wie die Staatsanwaltschaft indessen zu Recht festhalte, gestalte sich der Ablauf gemäss Darlehensvertrag für die Beschwerdeführerin neutral, da sie keine Darlehenssumme erhalten habe, im Gegenzug aber auch keine Aktien der E.________ AG an B.________ geliefert habe. Direkt geschädigt wäre somit, folge man den Ausführungen der Beschwerdeführerin, B.________, welcher für den Darlehensbetrag von 1 Mio. Franken scheinbar wertlose Inhaberaktien der E.________ AG erhalten habe, nachdem bei der Auflösung dieser Gesellschaft offenbar kein Liquidationserlös zu erwarten sei. Die Beschwerdeführerin selber wäre höchstens insofern geschädigt, als sie gegenüber B.________ aus dem Darlehensvertrag ersatzpflichtig wäre. Dabei würde es sich aber nur um eine indirekte Schädigung handeln. Die Beschwerdeführerin sei somit von der Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft nicht unmittelbar betroffen, weshalb sie auch kein rechtlich geschütztes Interesse an deren Aufhebung habe. Sie sei daher nicht zur Beschwerde legitimiert, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten sei. 
 
2.4. Die Vorinstanz schliesst aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin keine Bankkontoguthaben oder dergleichen bei der C.________ AG oder bei der Bank D.________ hatte und das "Darlehen B.________" in den Büchern nicht verbucht wurde, das Geschäft sei aus Sicht der Beschwerdeführerin "neutral" gewesen. Tatsache ist aber, dass sowohl der Darlehensvertrag als auch der Aktienkaufvertrag im Namen der Beschwerdeführerin abgeschlossen wurden, was zunächst gegen ein rein treuhänderisches Verhältnis spricht. Gegen diese These spricht auch, dass die Zinsforderung abgetreten und entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen gegenüber der A.________ AG vom Zessionar geltend gemacht wird. Jedenfalls ergibt sich dies aus den Vorakten (Beschwerdebeilage 9). Schliesslich ist die Beschwerdeführerin auch Partei des Aktienkaufvertrags, weshalb die vorinstanzliche Erwägung, wonach die Beschwerdeführerin nicht Eigentümerin der Aktien war oder ist, nicht gänzlich nachvollziehbar ist bzw. zu kurz greift. Die genannten Umstände sprechen eher dafür, dass die Vorgänge bilanzwirksam waren und allenfalls zu Unrecht nicht verbucht wurden. Nach dem Gesagten wäre zu klären, ob bezüglich des Darlehens eine Rückzahlungs- sowie eine Zinszahlungspflicht besteht. Ist dies der Fall, kann nicht ausgeschlossen werden, dass seitens der Beschwerdeführerin tatsächlich ein (unmittelbarer) Schaden entstanden ist (zum Begriff des Vermögensschadens BGE 142 IV 346 E. 3.2 S. 350; 129 IV 124 E. 3.1 S. 125 f.; je mit Hinweisen). Die Vorinstanz scheint dies zu übersehen. Schliesslich ist entgegen der Annahme der Vorinstanz nicht ausgeschlossen, dass durch die beschriebenen Vorgänge innerhalb des Konzerns mehrere Personen, d.h. nicht nur B.________, geschädigt wurden. Jedenfalls durfte die Vorinstanz nach dem Gesagten mit der von ihr angeführten Begründung die Geschädigtenstellung der Beschwerdeführerin und damit deren Beschwerdelegitimation nicht ohne weiteres ausschliessen.  
 
3.   
Die Beschwerde erweist sich als begründet und ist gutzuheissen. Der vorinstanzliche Beschluss ist aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Zug hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug vom 13. März 2019 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Der Kanton Zug hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. August 2019 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Schär