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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_133/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 16. Mai 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg, 
Riburgerstrasse 4, 4310 Rheinfelden, 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau. 
 
Gegenstand 
Beschlagnahmebefehl, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 9. März 2017 des Obergerichts des Kantons Aargau Beschwerdekammer in Strafsachen. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ überstellte am 4. Februar 2017, um ca. 09:30 Uhr, seinen Lieferwagen Ford Transit von seinem Privatparkplatz in Rheinfelden zu einem rund 10 m entfernten Parkplatz eines Restaurants, obwohl ihm das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau den Führerausweis am 1. Juli 2016 auf unbestimmte Zeit entzogen hatte. 
Am 7. Februar 2017 beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg sämtliche auf A.________ bzw. seine Einzelfirma zugelassenen Motorfahrzeuge (Ford Transit, Subaru Outback, Ford Tourneo) zur Kostensicherung sowie zur Einziehung. 
Am 9. März 2017 wies das Obergericht die Beschwerde von A.________ gegen diese Beschlagnahmeverfügung ab. 
 
B.   
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben und es anzuweisen, die drei Fahrzeuge freizugeben. Es seien keine Kosten zu erheben und ihm eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen. 
 
C.   
Die Oberstaatsanwaltschaft und das Obergericht verzichten auf Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist der Entscheid der Beschwerdekammer, mit welchem sie die Beschwerde gegen die Beschlagnahme von drei Fahrzeugen abwies. Es handelt sich um den Entscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Strafsache, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1 BGG). Er schliesst das Verfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab, ist mithin ein Zwischenentscheid. Als solcher ist er nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (BGE 133 IV 139 E. 4) bewirken könnte. Dies ist bei der Beschlagnahme der Fall, da der Beschwerdeführer an der freien Ausübung seiner Nutzungsrechte an den Fahrzeugen gehindert wird (BGE 128 I 129 E. 1; Urteile 1B_711/2012 vom 14. März 2013 E. 1.1 und 6B_218/2007 vom 23. August 2007 E. 2.4). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.   
Die Beschwerdekammer ist im angefochtenen Entscheid zum Schluss gekommen, die Beschlagnahme der drei Fahrzeuge sei im Hinblick auf deren allfällige Einziehung nach Art. 69 Abs. 1 StGB gemäss Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO zulässig. Ob die Beschlagnahme auch zur Sicherstellung von Verfahrenskosten, Geldstrafen, Bussen und Entschädigungen nach Art. 263 Abs. 1 lit. b StPO zulässig wäre, hat das Obergericht in Bezug auf zwei Fahrzeuge verneint, weil sie wegen ihres geringen Werts als Kostensicherung von vornherein untauglich seien. In Bezug auf den Ford Transit liess es die Frage offen. 
 
2.1. Als Zwangsmassnahme im Sinn von Art. 196 StPO kann eine Beschlagnahme angeordnet werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist, ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, sie verhältnismässig ist und durch die Bedeutung der Straftat gerechtfertigt wird (Art. 197 Abs. 1 StPO). Eine Beschlagnahme ist u.a. im Hinblick auf eine allfällige Einziehung durch den Strafrichter zulässig (Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO). Die Einziehungsbeschlagnahme setzt voraus, dass ein begründeter, konkreter Tatverdacht besteht, die Verhältnismässigkeit gewahrt wird und die Einziehung durch den Strafrichter nicht bereits aus materiellrechtlichen Gründen als offensichtlich unzulässig erscheint. Entsprechend ihrer Natur als provisorische (konservative) prozessuale Massnahme prüft das Bundesgericht bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Beschlagnahme - anders als der für die (definitive) Einziehung zuständige Sachrichter - nicht alle Tat- und Rechtsfragen abschliessend; es hebt eine Beschlagnahme nur auf, wenn ihre Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind (BGE 139 IV 250 E. 2.1; 124 IV 313 E. 4 S. 316; vgl. auch BGE 128 I 129 E. 3.1.3 S. 133 f.; 126 I 97 E. 3d/aa S. 107; Urteile 1B_711/2012 vom 14. März 2013 E. 3.1; 1B_397/2012 vom 10. Oktober 2012 E. 5.1; 1B_252/2008 vom 16. April 2009 E. 4.3).  
 
2.2. Nach Art. 90a Abs. 1 SVG kann der Strafrichter "die Einziehung eines Motorfahrzeugs anordnen, wenn:  
a. eine grobe Verkehrsregelverletzung in skrupelloser Weise begangen wurde; und 
b. der Täter durch die Einziehung von weiteren groben Verkehrsregelverletzungen abgehalten werden kann". 
Mit Art. 90a SVG wollte der Gesetzgeber die an sich nach Art. 69 StGB schon bisher mögliche und in verschiedenen Kantonen auch praktizierte Einziehung von Fahrzeugen auf Bundesebene einheitlich regeln (BGE 139 IV 250 E. 2.3.2 f.). In der Botschaft wird dazu ausgeführt, die Einziehung stelle einen Eingriff in die von Art. 26 BV geschützte Eigentumsgarantie dar und sei nur in Ausnahmefällen verhältnismässig und gerechtfertigt. Ihre Zulässigkeit hänge stark vom Einzelfall ab. Nicht jede grobe Verkehrsregelverletzung solle automatisch zur Einziehung des Tatfahrzeugs führen. Von der Möglichkeit der Einziehung dürfe nur Gebrauch gemacht werden, wenn die Verkehrsregelverletzung in skrupelloser Weise begangen worden sei und sie geeignet sei, den Täter von weiteren groben Verkehrsregelverletzungen abzuhalten; das urteilende Gericht sei verpflichtet, darüber eine Prognose abzugeben (BBl 2010 S. 8484 f.). 
Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid allein die allgemeine Einziehungsbestimmung von Art. 69 StGB zur Anwendung gebracht und die hier anwendbare, eigens für Motorfahrzeuge geschaffene Spezialbestimmung von Art. 90a Abs. 1 SVG zu Unrecht ausser Acht gelassen. 
 
2.3. Der Beschwerdeführer hat eingestandenermassen sein Auto umparkiert, weil das Beladen des Fahrzeugs aus räumlichen Gründen - es sei mit der Rückseite gegen eine Wand parkiert gewesen - am ursprünglichen Standort nicht möglich gewesen sei. Er habe das Fahrzeug für den nächsten Arbeitseinsatz beladen wollen, damit gleich nach dem Eintreffen des für die Fahrt zum Arbeitsort vorgesehenen Chauffeurs hätte losgefahren werden können. Da der Führerausweis dem Beschwerdeführer entzogen worden war und er sich dementsprechend nicht ans Steuer hätte setzen dürfen, ist das Umparkieren zwar jedenfalls objektiv als Vergehen strafbar (Art. 95 Abs. 1 lit. b SVG i.V.m. Art. 10 Abs. 3 StGB). Allerdings wiegt der Tatvorwurf nicht sehr schwer. Es bestehen keine Hinweise dafür, dass er mit dem Verstellen des Fahrzeugs um rund 10 m die Verkehrssicherheit massgeblich gefährdet haben könnte, und das ist bei der tiefen Geschwindigkeit, mit der solche Manöver ausgeführt werden, auch nicht zu erwarten. Selbst wenn der Beschwerdeführer mehrfach einschlägig vorbestraft ist und der Tatvorwurf schon deshalb keine Bagatelle darstellt, liegt darin klarerweise auch keine grobe, in skrupelloser Weise begangene Verkehrsregelverletzung im Sinn von Art. 90a Abs. 1 lit. a SVG. Eine Einziehung der Fahrzeuge nach dieser Bestimmung erscheint damit jedenfalls beim jetzigen Stand der Untersuchung höchst fraglich. Ihre Beschlagnahme verletzt daher Bundesrecht, die Rüge ist begründet.  
 
2.4. Eine allfällige Deckungsbeschlagnahme des Ford Transit für Verfahrenskosten etc. würde konkrete Anhaltspunkte dafür voraussetzen, dass sich der Beschwerdeführer seiner möglichen Zahlungspflicht entziehen könnte (Urteil 1B_109/2014 vom 3. November 2014 E. 4.3). Solche wurden von der Vorinstanz nicht festgestellt und sind auch nicht ersichtlich. Eine Deckungsbeschlagnahme des Ford Transit - in Bezug auf die beiden weiteren Fahrzeuge wurde sie bereits vom Obergericht ausgeschlossen - steht daher nicht zur Debatte.  
 
3.   
Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat der Kanton Aargau dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des Obergerichts aufgehoben. Die beschlagnahmten drei Fahrzeuge sind umgehend freizugeben. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 800.-- zu bezahlen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau Beschwerdekammer in Strafsachen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. Mai 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi