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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 44/02 
 
Urteil vom 9. Februar 2004 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber Grunder 
 
Parteien 
K.________, 1958, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin, 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 12. Dezember 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1958 geborene K.________, Malervorarbeiter, stürzte am 6. Juni 1996 von einem Baugerüst 3 Meter in die Tiefe und zog sich multiple Kontusionen an Becken, Schulter und Oberarm rechts, an Brust- und Lendenwirbelsäule zu. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), bei welcher er obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert war, erbrachte die gesetzlichen Leistungen, welche sie mit Verfügung vom 17. Juni 1998 ab 1. Juni 1998 einstellte. Die Einsprache lehnte sie ab (Entscheid vom 11. Dezember 1998). Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 10. August 1999, welcher unangefochten blieb, ab. 
B. 
Mit Schreiben vom 3. Januar und 10. Februar 2001 ersuchte K.________ die SUVA um Neubeurteilung ihres Einspracheentscheides und legte verschiedene in der Zwischenzeit erstellte ärztliche Berichte auf (des Spitals X.________, Orthopädische Klinik, vom 22. Juni und 1. Dezember 1999; der Orthopädischen Klinik Y.________, vom 25. Oktober und 27. Dezember 2000 sowie vom 22. März und 29. Juni 2001). Die SUVA übermittelte die beiden Eingaben an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau, welches sie als Revisionsgesuch entgegennahm und mit Entscheid vom 12. Dezember 2001 abwies. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt K.________, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei das Revisionsgesuch gutzuheissen. Gleichzeitig legt er weitere Berichte der Klinik Y.________ (vom 27. Juni und 22. August 2000 sowie 8. Februar, 10. April und 28. Dezember [mit Sprechstundeneinträgen und zwei Operationsberichten] 2001 und vom 10. Januar 2002) auf. 
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die als Mitbeteiligte beigeladenen SWICA Krankenversicherung AG und ASSURA sowie das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit) verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Da es sich bei der angefochtenen Verfügung, dem kantonalen das Revisionsgesuch abweisenden Entscheid, nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
1.2 Im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG ist die Möglichkeit, im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht neue tatsächliche Behauptungen aufzustellen oder neue Beweismittel geltend zu machen, weitgehend eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung sind nur jene neuen Beweismittel zulässig, welche die Vorinstanz von Amtes wegen hätte erheben müssen und deren Nichterheben eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 121 II 99 Erw. 1c, 120 V 485 Erw. 1b, je mit Hinweisen). Daher ist der Beschwerdeführer mit jenen Beweismitteln nicht zu hören, welche er erst mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde neu einreichte (Berichte der Orthopädischen Klinik Y.________ vom 8. Februar, 10. April, 28. Dezember 2001 und 10. Januar 2002). 
2. 
2.1 Nach Art. 108 Abs. 1 Ingress UVG (hier anwendbare, bis zum 31. Dezember 2002 [In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, ATSG, am 1. Januar 2003] gültig gewesene Bestimmung; BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b) richtet sich das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren in Unfallversicherungssachen nach kantonalem Recht. Lit. i der erwähnten Bestimmung enthält im Sinne einer Minimalanforderung die bundesrechtliche Vorschrift, dass gegenüber rechtskräftigen kantonalen Entscheiden u.a. die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel gewährleistet sein muss. Diesen Revisionsgründen unterliegen rechtskräftige kantonale Entscheide auf dem Gebiete der Unfallversicherung von Bundesrechts wegen (vgl. - zum analogen Art. 85 Abs. 2 lit. h AHVG - BGE 111 V 51). 
2.2 Als "neu" gelten Tatsachen, welche sich bis zum Zeitpunkt, da im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual zulässig waren, verwirklicht haben, jedoch der um Revision ersuchenden Person trotz hinreichender Sorgfalt nicht bekannt waren. Die neuen Tatsachen müssen ferner erheblich sein, d.h. sie müssen geeignet sein, die tatbeständliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer andern Entscheidung zu führen. Beweismittel haben entweder dem Beweis der die Revision begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen zu dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil der gesuchstellenden Person unbewiesen geblieben sind. Sollen bereits vorgebrachte Tatsachen mit den neuen Mitteln bewiesen werden, so hat die Person auch darzutun, dass sie die Beweismittel im früheren Verfahren nicht beibringen konnte. Entscheidend ist ein Beweismittel, wenn angenommen werden muss, es hätte zu einem andern Urteil geführt, falls das Gericht im Hauptverfahren hievon Kenntnis gehabt hätte. Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht bloss der Sachverhaltswürdigung, sondern der Sachverhaltsermittlung dient. Es genügt daher beispielsweise nicht, dass ein neues Gutachten den Sachverhalt anders bewertet; vielmehr bedarf es neuer Elemente tatsächlicher Natur, welche die Entscheidungsgrundlagen als objektiv mangelhaft erscheinen lassen. Für die Revision eines Entscheides genügt es nicht, dass die Gutachterin oder der Gutachter aus den im Zeitpunkt des Haupturteils bekannten Tatsachen nachträglich andere Schlussfolgerungen zieht als das Gericht. Auch ist ein Revisionsgrund nicht schon gegeben, wenn das Gericht bereits im Hauptverfahren bekannte Tatsachen möglicherweise unrichtig gewürdigt hat. Notwendig ist vielmehr, dass die unrichtige Würdigung erfolgte, weil für den Entscheid wesentliche Tatsachen nicht bekannt waren oder unbewiesen blieben (BGE 127 V 358 Erw. 5b, 110 V 141 Erw. 2, 293 Erw. 2a, 108 V 171 Erw. 1; vgl. auch BGE 118 II 205). 
3. 
Zu prüfen ist einzig, ob das kantonale Gericht zu Recht das Vorliegen eines Revisionsgrundes gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. i UVG (neue Tatsachen und Beweismittel) verneint hat. Dass das kantonale Gericht im Zusammenhang mit der Darlegung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen, welche dem kantonalen Recht angehören (BGE 111 V 51 [betreffend Kosten], 110 V 393 [betreffend Frist]), von der Anwendbarkeit der Zivilprozessordnung des Kantons Aargau (ZPO) ausgegangen ist und dabei § 344 lit. a ZPO erwähnt hat, welcher den Anforderungen von Art. 108 Abs. 1 lit. i UVG entspricht, ändert nichts. 
3.1 Die tatsächliche Grundlage des kantonalen Hauptentscheids vom 10. August 1999 bildeten die Verhältnisse, wie sie sich bis zum Erlass des Einspracheentscheids der SUVA vom 11. Dezember 1998 entwickelt hatten (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). Dem Revisionsgesuch des Beschwerdeführers könnte daher von vornherein nur dann Erfolg beschieden sein, wenn die im kantonalen Verfahren eingereichten Beweismittel medizinische Befunde enthielten, von denen angenommen werden müsste, sie seien spätestens am 11. Dezember 1998 s einer tatsächlich unrichtigen Beurteilungsgrundlage. Die Vorinstanz hat einen Revisionsgrund zu Recht verneint.acheentscheid vom 11. Dezember 1998 nachgereicht worden war. Entsprechend findet sich zu ihm im ersten kantonalen Entscheid vom 10. August 1999 keine Bezugnahme. In der Folge berief sich die Anstalt wiederholt auf die gerichtlich bestätigte Leistungsablehnung (Schreiben vom 17. Dezember 1999 und 6. September 2000); erst am 16. November 2000 stellte sie eine Neuprüfung ihrer Leistungspflicht in Aussicht, falls arthroskopisch Unfallfolgen verifiziert werden sollten. Am 19. Dezember 2000 wurde in Klinik Y.________ u.a. eine Schulterarthroskopie rechts vorgenommen, wobei sich u.a. eine SLAP-Läsion Grad II ergab. Dieser und der nachfolgend aktenmässig dokumentierte Verlauf von Diagnosestellung und Therapie dürfte eine gründliche Neuprüfung als angezeigt erscheinen lassen, unter Umständen durch Beizug eines Administrativgutachtens. Das Revisionsgesuch vom 3. und 10. Februar 2001 ist daher an die SUVA zur Behandlung als Neuanmeldegesuch zu überwei 
3.2 Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, es lägen Beurteilungen ausgewiesener medizinischer Spezialisten vor, wonach sein Gesundheitsschaden unfallbedingt sei. Die Vorinstanz hätte auf das Revisionsgesuch eintreten und die Sache an die SUVA zur weiteren Sachverhaltsabklärung zurückweisen müssen. 
3.3 Die tatsächliche Grundlage des kantonalen Hauptentscheids vom 10. August 1999 bildeten die Verhältnisse, wie sie sich bis zum Erlass des Einspracheentscheids der SUVA vom 11. Dezember 1998 entwickelt hatten (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). Dem Revisionsgesuch des Beschwerdeführers könnte daher von vornherein nur dann Erfolg beschieden sein, wenn die im kantonalen Verfahren eingereichten Beweismittel medizinische Befunde enthielten, von denen angenommen werden müsste, sie seien spätestens am 11. Dezember 1998 schon vorhanden gewesen. 
Gemäss Bericht des Spitals X.________ vom 22. Juni 1999 zeigte der aktuelle klinische Befund Schmerzen an der langen Bizepssehne und Hinweise für eine SLAP-Läsion (Superiorer Labrumschaden von anterior bis posterior; Beckers Abkürzungslexikon medizinischer Begriffe, Verlag Arzt und Information, Köln 2002). Das Magnetresonanztomogramm vom 28. Juni 1999 zeigte eine Teilruptur der langen Bizepssehne im ventralen Bereich nahe am Ansatz; eine SLAP-Läsion konnte nicht eindeutig zur Darstellung gebracht werden. Anlässlich der Arthroskopie in der Klinik Y.________ war der Befund unauffällig gewesen, weshalb unklar blieb, seit wann die Läsion bestand (Bericht des Spitals X.________ vom 1. Dezember 1999). Eine SLAP-Läsion wurde erst anlässlich der Schulterarthroskopie vom 19. Dezember 2000 objektiv nachgewiesen (Bericht der Orthopädischen Klinik Y.________ vom 27. Dezember 2000), eine wahrscheinlich schmerzbedingte Inaktivitätsatrophie des Nervus infraspinatus erst am 16. Oktober 2000 (Bericht PD Dr. med. M.________, Klinik Z.________). 
Bei dieser Aktenlage kann aus den beigebrachten Beweismitteln nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Schluss gezogen werden, der Beschwerdeführer habe schon bei Erlass des Einspracheentscheides (Dezember 1998) eine SLAP-Läsion oder anderweitige organische Befunde aufgewiesen, die als Unfallfolgen zu beurteilen gewesen wären. Das erste Urteil des kantonalen Gerichts vom 10. August 1999, welches fassbare, dem Unfall vom 6. Juni 1996 zurechenbare organische Befunde ausschloss, beruht daher nicht erwiesenermassen auf einer tatsächlich unrichtigen Beurteilungsgrundlage. Die Vorinstanz hat einen Revisionsgrund zu Recht verneint. 
4. 
Diese revisionsrechtliche Beurteilung präjudiziert die Frage des Neuanmelderechts des Beschwerdeführers aufgrund seit dem Einspracheentscheid vom 11. Dezember 1998 allenfalls eingetretener erheblicher Tatsachenänderungen nicht (vgl. Art. 11 UVV). Es fällt nämlich auf, dass der Bericht des Spitals X.________ vom 22. Juni 1999, welcher die Verdachtsdiagnose einer SLAP-Läsion enthielt, von der SUVA nicht in das damals noch hängige Beschwerdeverfahren betreffend den Einspracheentscheid vom 11. Dezember 1998 nachgereicht worden war. Entsprechend findet sich zu ihm im ersten kantonalen Entscheid vom 10. August 1999 keine Bezugnahme. In der Folge berief sich die Anstalt wiederholt auf die gerichtlich bestätigte Leistungsablehnung (Schreiben vom 17. Dezember 1999 und 6. September 2000); erst am 16. November 2000 stellte sie eine Neuprüfung ihrer Leistungspflicht in Aussicht, falls arthroskopisch Unfallfolgen verifiziert werden sollten. Am 19. Dezember 2000 wurde in Klinik Y.________ u.a. eine Schulterarthroskopie rechts vorgenommen, wobei sich u.a. eine SLAP-Läsion Grad II ergab. Dieser und der nachfolgend aktenmässig dokumentierte Verlauf von Diagnosestellung und Therapie dürfte eine gründliche Neuprüfung als angezeigt erscheinen lassen, unter Umständen durch Beizug eines Administrativgutachtens. Das Revisionsgesuch vom 3. und 10. Februar 2001 ist daher an die SUVA zur Behandlung als Neuanmeldegesuch zu überweisen. 
5. 
Es geht nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, weshalb das Verfahren kostenpflichtig ist (Art. 134 OG e contrario). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
3. 
Die Sache wird an die SUVA überwiesen, damit sie im Sinne der Erw. 4 verfahren kann. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, dem Bundesamt für Gesundheit (BAG), der SWICA Krankenversicherung AG und der ASSURA zugestellt. 
Luzern, 9. Februar 2004 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: 
i.V.