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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 154/03 
 
Urteil vom 16. Februar 2004 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger; Gerichtsschreiberin Polla 
 
Parteien 
S.________, 1955, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt, Hochstrasse 37, 4053 Basel, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel 
 
(Entscheid vom 29. April 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1955 geborene S.________ war seit 1. April 2000 bei der X.________ AG als Informatiker tätig. Am 17. September 2002 löste die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos mit der Begründung auf, S.________ habe in den letzten Tagen die Arbeitszeiterfassung bewusst mehrmals manipuliert. Der Versicherte meldete sich daraufhin am 2. Oktober 2002 bei der Arbeitslosenversicherung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung an. Mit Verfügung vom 10. Oktober 2002 stellte ihn die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit für die Dauer von 52 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein. 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsge-richt Basel-Stadt mit Entscheid vom 29. April 2003 ab. 
C. 
S.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Rechtsbegehren, es sei unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und der Kassenverfügung von einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung abzusehen. 
Während die Arbeitslosenkasse sinngemäss Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt, verzichtet das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Versicherte Personen, die durch eigenes Verschulden arbeitslos werden, sind in der Anspruchsberechtigung einzustellen (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG). Selbstverschuldete Arbeitslosigkeit liegt namentlich dann vor, wenn der Versicherte durch sein Verhalten, insbesondere wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat (Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV). Ein Selbstverschulden im Sinne der Arbeitslosigkeit liegt demnach dann vor, wenn und soweit der Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht objektiven Faktoren zuzuschreiben ist, sondern in einem nach den persönlichen Umständen und Verhältnissen vermeidbaren Verhalten des Versicherten liegt, für das die Arbeitslosenversicherung die Haftung nicht übernimmt (ARV 1998 Nr. 9 S. 44 Erw. 2b mit Hinweisen; Gerhards, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, N 8 zu Art. 30). Die Dauer der Einstellung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens (Art. 30 Abs. 3 AVIG) und beträgt 1 bis 15 Tage bei leichtem, 16 bis 30 Tage bei mittelschwerem und 31 bis 60 Tage bei schwerem Verschulden (Art. 45 Abs. 2 AVIV). 
1.2 Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung setzt keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund gemäss Art. 337 bzw. Art. 346 Abs. 2 OR voraus. Es genügt, dass das allgemeine Verhalten der versicherten Person Anlass zur Kündigung bzw. Entlassung gegeben hat; Beanstandungen in beruflicher Hinsicht müssen nicht vorgelegen haben (BGE 112 V 245 Erw. 1 mit Hinweisen). Eine Einstellung kann jedoch nur verfügt werden, wenn das dem Versicherten zur Last gelegte Verhalten in beweismässiger Hinsicht klar feststeht (BGE 112 V 245 Erw. 1; ARV 1999 Nr. 8 S. 39, je mit Hinweisen; Gerhards, a.a.O., N 11 zu Art. 30). Das vorwerfbare Verhalten muss zudem nach Art. 20 lit. b des Übereinkommens Nr. 168 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1988 (SR 0.822.726.8; für die Schweiz in Kraft seit dem 17. Oktober 1991) vorsätzlich erfolgt sein (vgl. BGE 124 V 236 Erw. 3a und b; Urteile B. vom 11. Januar 2001 Erw. 1, C 282/00, und M. vom 17. Oktober 2000 Erw. 1, C 53/00). 
1.3 Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 10. Oktober 2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des ATSG (Art. 27 bis 62) finden hingegen auf bei dessen In-Kraft-Treten noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren Anwendung; vorbehalten bleibt die Übergangsbestimmung des Art. 82 Abs. 2 ATSG (BGE 117 V 93 Erw. 6b, 112 V 360 Erw. 4a; RKUV 1998 Nr. KV 37 S. 316 Erw. 3b; Kieser, ATSG-Kommentar, Art. 82 Rz 8). 
2. 
2.1 Zunächst gilt es zu prüfen, ob der Anspruch des Versicherten auf rechtliches Gehör gewahrt wurde (Art. 29 Abs. 2 BV). Dies beurteilt sich nach der Rechtslage bei Verfügungserlass (Erw. 1.2 hievor). Für die Beantwortung dieser Frage nicht anwendbar ist daher die Neuregelung in Art. 42 Satz 2 ATSG, nach der die Parteien nicht angehört werden müssen vor Verfügungen, die durch Einsprache anfechtbar sind. 
2.2 Der Gehörsanspruch umfasst die Rechte der Parteien auf Teilnahme am Verfahren und auf Einflussnahme auf den Prozess der Entscheidfindung. Bevor die Behörde einen Entscheid trifft, der in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift, hat sie ihn davon in Kenntnis zu setzen und ihm Gelegenheit zu geben, sich vorgängig zu äussern (BGE 126 V 131 Erw. 2b). Rechtsprechungsgemäss ist daher vor Erlass einer Einstellungsverfügung das rechtliche Gehör zu gewähren, wobei dies für alle Einstellungstatbestände Geltung hat. 
2.3 Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Es kommt mit anderen Worten nicht darauf an, ob die Anhörung im konkreten Fall für den Ausgang der materiellen Streitentscheidung von Bedeutung ist, d.h. die Behörde zu einer Änderung ihres Entscheides veranlasst wird oder nicht (BGE 127 V 437 Erw. 3d/aa, 126 V 132 Erw. 2b mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung kann eine - nicht besonders schwerwiegende - Verletzung des rechtlichen Gehörs als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Die Heilung eines - allfälligen - Mangels soll aber die Ausnahme bleiben (BGE 127 V 437 Erw. 3d/aa, 126 I 72, 126 V 132 Erw. 2b, je mit Hinweisen). 
2.4 Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung für die Dauer von 52 Tagen erging - gemäss Aktenlage - ohne vorgängige Anhörung des Versicherten und stellt somit eine schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Wie die Vorinstanz zu Recht festhielt, geht aus den Akten hervor, dass der Versicherte mit der Verwaltung mehrere Gespräche bezüglich der fristlosen Kündigung führte und auch an den verwaltungsinternen Rechtsdienst verwiesen wurde. Es ist davon auszugehen, dass er über die drohende Sanktion orientiert war und entlastende Gründe hätte vorbringen können, zumal ihm seitens des Rechtsdienstes offenbar auch nahegelegt wurde, auf arbeitsgerichtlichem Weg gegen die ehemalige Arbeitgeberin vorzugehen, sofern keine gütliche Einigung erzielt werden könne. Zudem ist der Sachverhalt hinreichend abgeklärt und der Versicherte konnte im zweistufigen Beschwerdeverfahren zu den relevanten Fragen Stellung nehmen. Des Weiteren bemängelt der Beschwerdeführer diesen Punkt selbst nicht und zeigte nie durch einen Antrag auf Rückweisung der Sache an die Verwaltung, dass ihm an einem formell richtigen Verfahren mehr liegt als an einer beförderlichen Verfahrenserledigung. Damit ist dem Gehörsanspruch - im Sinne einer Ausnahme - anderweitig hinreichend Genüge getan worden, sodass unter diesen Umständen von einer Rückweisung an die Verwaltung abzusehen ist. 
2.5 Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung für die Dauer von 52 Tagen erging - gemäss Aktenlage - ohne vorgängige Anhörung des Versicherten und stellt somit eine schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Wie die Vorinstanz zu Recht festhielt, geht aus den Akten hervor, dass der Versicherte mit der Verwaltung mehrere Gespräche bezüglich der fristlosen Kündigung führte und auch an den verwaltungsinternen Rechtsdienst verwiesen wurde. Es ist davon auszugehen, dass er über die drohende Sanktion orientiert war und entlastende Gründe hätte vorbringen können, zumal ihm seitens des Rechtsdienstes offenbar auch nahegelegt wurde, auf arbeitsgerichtlichem Weg gegen die ehemalige Arbeitgeberin vorzugehen, sofern keine gütliche Einigung erzielt werden könne. Zudem ist der Sachverhalt hinreichend abgeklärt und der Versicherte konnte im zweistufigen Beschwerdeverfahren zu den relevanten Fragen Stellung nehmen. Des Weiteren bemängelt der Beschwerdeführer diesen Punkt selbst nicht und zeigte nie durch einen Antrag auf Rückweisung der Sache an die Verwaltung, dass ihm an einem formell richtigen Verfahren mehr liegt als an einer beförderlichen Verfahrenserledigung. Damit ist dem Gehörsanspruch - im Sinne einer Ausnahme - anderweitig hinreichend Genüge getan worden, sodass unter diesen Umständen von einer Rückweisung an die Verwaltung abzusehen ist. 
3. 
Zu prüfen ist weiter, ob die Entstellung in der Anspruchsberechtigung zu Recht erfolgte. 
3.1 Das vom Versicherten vor dem Bezirksgericht Y.________ bezüglich der fristlosen Kündigung gegen die Arbeitgeberin angestrebte Verfahren wurde am 19. März 2003 als erledigt abgeschrieben, nachdem der Beschwerdeführer trotz gesetzter Nachfrist keine Klagebegründung einreichte, obwohl die Arbeitslosenkasse in der ergangenen Verfügung darauf hinwies, bei Klagegutheissung auf die Einstellung in der Anspruchsberechtigung zurückzukommen. Der Beschwerdeführer bestreitet denn auch nicht, wie im Kündigungsschreiben vom 17. September 2002 aufgeführt, mehrmals bewusst die Arbeitszeiterfassung zu seinen Gunsten manipuliert zu haben. Gegenüber der Arbeitgeberin und in seiner vorinstanzlichen Beschwerde führt er aus, dass Spannungen am Arbeitsplatz und die daraus resultierende Frustration ihn zu diesem Handeln veranlasst hätten und er mehrmals die Mittagszeit "verlängert habe". Selbst wenn das Verhältnis zu Vorgesetzten und Arbeitskollegen gespannt gewesen sein sollte, rechtfertigt dies das dem Versicherten zur Last gelegte Verhalten nicht, worin klar eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung zu erblicken ist. Ungeachtet dessen, ob er auf die Betriebsordnung, welche gemäss Kündigungsschreiben bei Manipulationen der Zeiterfassung die fristlose Kündigung vorsieht, aufmerksam gemacht worden ist oder nicht, musste ihm klar sein, dass sein Vorgehen eine Verletzung des ihm arbeitgeberseitig entgegengebrachten Vertrauens darstellt, was die Kündigung zur Folge haben kann. Es ist daher zumindest von einem eventualvorsätzlichen Verhalten des Versicherten auszugehen, sodass die Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit gerechtfertigt ist (Erw. 1 hievor). 
3.2 Hinsichtlich der verfügten Einstellungsdauer lässt sich nicht beanstanden, wenn Vorinstanz und Verwaltung bei einer bewussten, mehrmaligen Manipulation des Zeiterfassungssystems von einem schweren Verschulden ausgehen. Was indessen die Festsetzung der Einstellung für die Dauer von 52 Tagen betrifft, kann dem kantonalen Gericht im Rahmen der Angemessenheitskontrolle (Art. 132 OG; BGE 123 V 152 Erw. 2 mit Hinweisen) nicht gefolgt werden. Wie der handschriftlichen Notiz auf der Arbeitgeberbescheinigung vom 8. Oktober 2002 zu entnehmen ist, setzte die Arbeitslosenkasse die Einstellungsdauer anhand der Höhe des der Arbeitslosenversicherung durch die fristlose Kündigung entstandenen finanziellen Schadens fest, indem sie die Sanktionsdauer mit der hier bei einer ordentlichen Kündigung zu beachtenden Frist von zwei Monaten gleichsetzte. Dies steht jedoch dem klaren Wortlaut von Art. 30 Abs. 3 AVIG entgegen, wonach die Dauer der Einstellung einzig nach Massgabe des Verschuldens zu bemessen ist. Angesichts des unbestrittenen Sachverhalts und in Berücksichtigung der Vorbringen des Beschwerdeführers wie auch der Tatsache, dass eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung erstmalig erfolgte, rechtfertigt sich eine Einstellung für die Dauer von 31 Tagen, somit im untersten Bereich des schweren Verschuldens. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt vom 29. April 2003 und die Verfügung der Öffentlichen Arbeitslosenkasse Basel-Stadt vom 10. Oktober 2002 dahingehend abgeändert, dass die Dauer der Einstellung der Anspruchsberechtigung auf 31 Tage herabgesetzt wird. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, dem Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Basel-Stadt und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 16. Februar 2004 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: 
i.V.