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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_406/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 6. Juni 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (üble Nachrede etc.); Willkür etc., 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Anklagekammer, vom 2. Februar 2017. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Am 4. August 2016 kam es zwischen dem Beschwerdeführer und der Mitarbeiterin eines Restaurants zu einer verbalen Auseinandersetzung. Der Beschwerdeführer erstattete gleichentags Strafanzeige wegen "übler Nachrede, Beschimpfungen, Verleumdungen und Ehrverletzung etc." Das Untersuchungsamt St. Gallen nahm die Strafsache am 16. September 2016 nicht an die Hand. Zur Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, dass ein Anwendungsfall von Art. 177 Abs. 2 StGB (Provokation) vorliege, weshalb im Sinne von Art. 8 StPO auf eine Strafverfolgung zu verzichten sei. Auf das "Ersuchen um Wiedererwägung" trat das Untersuchungsamt am 10. Oktober 2016 nicht ein. Es teilte dem Beschwerdeführer mit, er müsse Beschwerde bei der Anklagekammer erheben, was der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 11. Oktober 2016 auch tat. Am 26. Oktober 2016 zog er seine Beschwerde zurück. Die Anklagekammer des Kantons St. Gallen schrieb das Beschwerdeverfahren mit Entscheid vom 2. November 2016 als erledigt ab. Am 31. Oktober 2016 erhob der Beschwerdeführer erneut Beschwerde. Mit Entscheid vom 2. Februar 2017 wies die Anklagekammer das Gesuch um Wiederherstellung ab und trat auf die Beschwerde (aus mehreren Gründen) nicht ein. Sie erwog zudem, die Beschwerde wäre abzuweisen, selbst wenn darauf eingetreten werden könnte. 
Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er stellt überdies ein Gesuch um aufschiebende Wirkung, das der Präsident der Strafrechtlichen Abteilung am 1. Mai 2017 abgewiesen hat. 
 
2.   
Die Vorinstanz trat in einer Hauptbegründung auf die Beschwerde nicht ein, weil das Beschwerdeverfahren infolge Beschwerderückzugs bereits am 2. November 2016 rechtskräftig erledigt worden war. Darauf könne in einem neuerlichen Beschwerdeverfahren nicht zurückgekommen werden. Auf die Beschwerde sei bereits aus diesem Grund nicht einzutreten. Selbst wenn der Beschwerdeführer - wie er geltend mache - die Abholeinladung nicht erhalten habe, so sei ihm die Nichtanhandnahmeverfügung gemäss seinen eigenen Angaben mit normaler Post am 1. Oktober 2016 zugestellt worden und die Rechtsmittelfrist gälte am 11. Oktober 2016 als abgelaufen. Auf die Beschwerde vom 31. Oktober 2016 sei daher auch zufolge Verspätung nicht einzutreten. 
Mit diesen Erwägungen, die zum Nichteintreten der Anklagekammer auf die Beschwerde führten, befasst sich der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vor Bundesgericht mit keinem Wort. Diese genügt insoweit den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG nicht. 
Enthält ein Entscheid wie im vorliegenden Fall mehrere Begründungen, die je für sich den Ausgang der Sache besiegeln, müssen für die Gutheissung einer Beschwerde alle Begründungen das Recht verletzen (BGE 139 III 536 E. 2.2; 133 IV 119 E. 6). Nachdem es gestützt auf die Hauptbegründung beim angefochtenen Entscheid bleibt, muss sich das Bundesgericht mit der Abweisung des Wiederherstellungsgesuchs (wonach mit der angeblich nicht zugestellten Abholeinladung von vornherein kein unverschuldetes Hindernis vorliege) und der Eventualbegründung der Anklagekammer (wonach die Beschwerde abzuweisen wäre, soweit darauf einzutreten wäre) nicht befassen. 
Auf die Beschwerde ist folglich insofern nicht einzutreten. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob der Beschwerdeführer in der Sache unter dem Gesichtswinkel von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG zur Beschwerde überhaupt legitimiert wäre. 
 
3.   
Der Beschwerdeführer beanstandet den Kostenentscheid der Anklagekammer als willkürlich und rechtsmissbräuchlich. Die Kosten hätten ihm nicht auferlegt werden dürfen und die dem Rechtsbeistand der Gegenpartei zugesprochene Entschädigung von pauschal Fr. 1'500.-- sei übersetzt. 
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Verlegung der Kosten richtet sich nach dem Grundsatz, wonach Kosten zu tragen hat, wer sie verursacht. Wird das ausschliesslich vom Privatkläger erhobene Rechtsmittel abgewiesen, hat er die durch die adäquate Wahrnehmung der Verfahrensrechte entstandenen Verteidigungskosten der beschuldigten Person zu tragen (BGE 139 IV 45 E. 1; 138 IV 248 E. 5.1 und 5.3; Urteil 6B_841/2013 vom 19. Mai 2014 E. 3.3.1; je mit Hinweisen). 
Ob der Beizug eines Wahlverteidigers und der von diesem betriebene Aufwand eine angemessene Ausübung der Verfahrensrechte im Sinne von Art. 432 Abs. 2 StPO darstellen, prüft das Bundesgericht frei. Es auferlegt sich indessen eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der vorinstanzlichen Einschätzung, insbesondere hinsichtlich der Frage, welcher Aufwand des Verteidigers im konkreten Fall noch als angemessen zu bezeichnen ist (BGE 138 IV 197 E. 2.3.3-2.3.6). 
Der Beschwerdeführer hat mit seiner Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung das Rechtsmittelverfahren eingeleitet und die Durchführung eines Strafverfahrens beantragt. Er trägt damit das Kostenrisiko. Die Anklagekammer stützt die Kostenauflage auf Art. 428 Abs. 1 StPO, weil der Beschwerdeführer im Rechtsmittelverfahren vor ihr vollständig unterlag. Was daran gegen das Recht im Sinne von Art. 95 BGG verstossen könnte, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Nicht zu beanstanden ist, dass die - juristisch unkundige - Gegenpartei mit Übergang des Verfahrens von den Strafverfolgungsbehörden ans Gericht einen Rechtsbeistand beizog. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe der dem Rechtsbeistand der Gegenpartei zugesprochenen Entschädigung wendet, zeigt er weder eine willkürliche Anwendung der anwenbaren kantonalen Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten vom 22. April 1994 (HonO/SG) noch eine Ermessensverletzung durch die Anklagekammer auf. Solches ist auch nicht ersichtlich (vgl. Art. 21 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 26 Abs. 1 lit. a HonO/SG). Entgegen der insoweit unbegründeten Auffassung des Beschwerdeführers besteht im Übrigen kein Anspruch darauf, zu der vom Gericht beabsichtigten Entschädigungsregelung vorgängig Stellung zu nehmen. Inwiefern der beanstandete Kostenentscheid rechtsmissbräuchlich, willkürlich und gehörsverletzend sein könnte, ist damit gestützt auf die Ausführungen in der Beschwerde nicht ersichtlich (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
4.   
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. Juni 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill