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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
8C_743/2010 {T 0/2} 
 
Urteil vom 24. März 2011 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
GENERALI Allgemeine Versicherungen AG, Avenue Perdtemps 23, 1260 Nyon, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
T.________, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Erdös, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (unfallähnliche Körperschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 5. August 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
T.________, geboren 1967, war seit 9. Januar 2004 bei der C._________ AG als Hilfskoch angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Generali Allgemeine Versicherungen AG (nachfolgend: Generali) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Mit Verfügung vom 14. Mai 2008, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 27. November 2008, lehnte die Generali Leistungen in Zusammenhang mit geklagten Schulterbeschwerden ab. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich trat mit Entscheid vom 31. März 2009 auf die dagegen erhobene Beschwerde nicht ein. Mit Urteil vom 1. März 2010 (8C_556/2009) hob das Bundesgericht diesen Entscheid aus formellen Gründen auf und wies die Sache an die Vorinstanz zurück. 
 
B. 
Am 5. August 2010 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde gut und wies die Sache unter Aufhebung des Einspracheentscheids an die Generali zu weiterer Abklärung im Sinne der Erwägungen und erneuter Verfügung zurück. 
 
C. 
Die Generali führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Der Versicherte lässt auf Abweisung der Beschwerde, eventualiter auf Rückweisung an die Vorinstanz schliessen; zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Endentscheide, das heisst gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG), und gegen Teilentscheide, die nur einen Teil der gestellten Begehren behandeln, wenn diese unabhängig von den anderen beurteilt werden können, oder die das Verfahren nur für einen Teil der Streitgenossen und Streitgenossinnen abschliessen (Art. 91 BGG). Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist hingegen die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, sind Zwischenentscheide, die nur unter den genannten Voraussetzungen beim Bundesgericht angefochten werden können (BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481). Anders verhält es sich nur dann, wenn der unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt und die Rückweisung nur noch der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient (BGE 135 V 141 E. 1.1 S. 143; 134 II 124 E. 1.3 S. 127). 
Der kantonale Entscheid vom 5. August 2010 ist ein Zwischenentscheid, da er die Sache unter Aufhebung des Einspracheentscheids zum Vorgehen im Sinne der Erwägungen und erneutem Verfügungserlass an die Generali zurückweist. Allerdings ist diese Rückweisung mit der für den obligatorischen Unfallversicherer verbindlichen Feststellung, es liege mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit eine unfallähnliche Körperschädigung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 UVV vor, verbunden. Diesbezüglich belässt der vorinstanzliche Entscheid der Generali keinen Entscheidungsspielraum. Somit ist auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2. 
Es ist unbestritten, dass der Versicherte unter einer in der Aufzählung von Art. 9 Abs. 2 lit. a-h UVV enthaltenen Verletzung leidet. Die Generali macht jedoch geltend, es sei nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt, wann und unter welchen Umständen sich der Versicherte diese Verletzung zugezogen habe, weshalb sie nicht leistungspflichtig sei. 
 
3. 
3.1 Mit Ausnahme der Ungewöhnlichkeit müssen auch bei den unfallähnlichen Körperschädigungen die übrigen Tatbestandsmerkmale des Unfallbegriffs erfüllt sein. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Voraussetzung eines äusseren Ereignisses zu, d.h. eines ausserhalb des Körpers liegenden, objektiv feststellbaren, sinnfälligen, eben unfallähnlichen Vorfalles. Wo ein solches Ereignis mit Einwirkung auf den Körper nicht stattgefunden hat, und sei es auch nur als Auslöser eines in Art. 9 Abs. 2 lit. a-h UVV aufgezählten Gesundheitsschadens, liegt eine eindeutig krankheits- oder degenerativ bedingte Gesundheitsschädigung vor. Diese schon BGE 123 V 43 zugrunde liegende Betrachtungsweise verträgt sich sehr wohl mit der Konzeption der obligatorischen Unfallversicherung und ihrer Abgrenzung zur Krankenversicherung; denn ein so verstandenes, nahe bei der unfallmässigen Einwirkung liegendes äusseres Ereignis rechtfertigt die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers (BGE 129 V 466 E. 2.2 S. 467 mit Hinweis). Dem Erfordernis des äusseren schädigenden Faktors genügen all jene Fälle nicht, in denen der äussere Faktor mit dem (erstmaligen) Auftreten der für eine der in Art. 9 Abs. 2 lit. a-h UVV enthaltenen Gesundheitsschäden typischen Schmerzen gleichgesetzt wird. Das Auftreten von Schmerzen als solches ist kein äusserer (schädigender) Faktor im Sinne der Rechtsprechung. Mit anderen Worten kann von einem erforderlichen äusseren schädigenden Faktor dort nicht gesprochen werden, wo die versicherte Person nur das (erstmalige) Auftreten von Schmerzen in zeitlicher Hinsicht anzugeben vermag (BGE 129 V 466 E. 4.2.1 S. 469). Bei Fällen, in denen sich ein Versicherter nach Wochen und Monaten noch genau daran erinnern will, dass ein bestimmtes banales Ereignis zum erstmaligen Auftreten der Beschwerden geführt hat, scheitert die Annahme der unfallähnlichen Körperschädigung am Nachweis der Kausalität, verlangt doch die Rechtsprechung, dass die für die Beeinträchtigung gemäss Art. 9 Abs. 2 UVV typischen Schmerzen unmittelbar im Anschluss an den als äusseren Faktor angeschuldigten Lebenssachverhalt auftreten (BGE 129 V 466 E. 4.3 S. 471 mit Hinweis). 
 
3.2 Ob zwischen dem schädigenden Ereignis und einer gesundheitlichen Störung ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, ist eine Tatfrage, worüber die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden hat. Die blosse Möglichkeit eines Zusammenhangs genügt für die Begründung eines Leistungsanspruchs nicht (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen). 
 
4. 
Die Vorinstanz begründet die Aufhebung und Rückweisung an den Unfallversicherer damit, dass 
"zwar offenbar die genauen Umstände und der Zeitpunkt der Sehnenrupturen nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden können, die bisher vorliegenden medizinischen Akten aber keinerlei Hinweise auf eine bei Versicherungsbeginn (9. Januar 2004) vorbestandene und bis ins Jahr 2007 asymptomatisch gebliebene Körperschädigung enthalten, weshalb davon auszugehen ist, dass die den Anspruch begründende Körperschädigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit während der Zeit eingetreten ist, in welcher die Beschwerdegegnerin Versicherungsdeckung gewährt hat, ...". 
Diese Begründung entspricht letztlich der unzulässigen Beweisregel "post hoc, ergo propter hoc" (BGE 119 V 335 E. 2b/bb S. 341; SVR 2008 UV Nr. 11 E. 4.2.3 S. 34 [U 290/06]). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz genügt es für die Leistungspflicht eines Unfallversicherers nicht, dass sich aus den medizinischen Akten kein vorbestehendes Leiden ergibt (BGE 129 V 466 E. 2.2 S. 467 und E. 3 S. 468). Die Generali macht auch zu Recht geltend, dass die angeblich leistungsbegründende Verletzung nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einem bestimmten Ereignis zugeordnet werden kann. So ist unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Aussagen (vgl. die Berichte des Zentrums Y._________ vom 5. Februar 2008, der Klinik X.________ vom 25. März 2008 und des Dr. med. O.________, praktischer Arzt, vom 8. Mai 2008 sowie das Gutachten des Instituts Z.________ vom 26. Oktober 2007) weder klar, wann der Versicherte sich die Verletzung zugezogen hat (März oder Mai 2007), noch sind die genaueren Umstände des geltend gemachten Sturzes erstellt. Insbesondere aber datiert sowohl die Unfallmeldung (April 2008) wie auch die erstmalige Erwähnung des Vorfalles in einem ärztlichen Bericht (Februar 2008) knapp ein Jahr, nachdem der Sturz sich ereignet haben soll. Bei dieser Sachlage scheitert die Annahme einer unfallähnlichen Körperschädigung auch am Nachweis der Kausalität, da die Rechtsprechung verlangt, dass die für eine Beeinträchtigung gemäss Art. 9 Abs. 2 UVV typischen Beschwerden unmittelbar im Anschluss an den als äusseren Faktor geltend gemachten Lebenssachverhalt auftreten (BGE 129 V 466 E. 4.3 S. 472 mit Hinweis). 
 
5. 
5.1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nichts aussichtslos erscheint (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
Die aus den allgemeinen Steuermitteln des Staates finanzierte Rechtswohltat der unentgeltlichen Rechtspflege hat zum Ziel, den weniger begüterten Einkommensschichten die Führung eines Prozesses zu ermöglichen; sie dient nicht dazu, durchschnittlich oder gar überdurchschnittlich gut Situierten die Erhaltung eines gehobenen Lebensstandards auch während der Prozessdauer zu ermöglichen (Verfügung 8C_250/2010 vom 26. April 2010 und Verfügung 8C_419/2010 vom 9. Juli 2010, je mit Hinweisen). 
Bedürftig im Sinne von Art. 64 BGG ist eine Person, wenn sie ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie nötigen Lebensunterhaltes nicht in der Lage ist, die Prozesskosten zu bestreiten (BGE 128 I 225 E. 2.5.1 S. 232). Massgebend sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (BGE 108 V 265 E. 4 S. 269; vgl. Art. 64 Abs. 4 BGG). Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit ist das Einkommen beider Ehegatten zu berücksichtigen (BGE 115 Ia 193 E. 3a S. 195; 108 Ia 9 E. 3 S. 10). 
 
5.2 Aufgrund seiner prozessualen Stellung als Beschwerdegegner spielen die Prozessaussichten keine Rolle. Zu prüfen bleibt die Bedürftigkeit. Der Beschwerdegegner war bis Ende Februar 2011 als Hilfskoch angestellt und verdiente monatlich Fr. 4'133.40; ob er ab 1. März 2011 Arbeitslosenentschädigung beziehen kann, steht im jetzigen Zeitpunkt nicht fest. Seine Ehegattin erzielt ein monatliches Einkommen von Fr. 3'652.-. Alle drei Kinder leben noch zu Hause; zwei davon sind in Ausbildung und beziehen einen Lehrlingslohn von Fr. 667.- resp. Fr. 834.-. Bezüglich der geltend gemachten Ausgaben ist festzuhalten, dass nicht sowohl die Kosten der Mietwohnung als auch die Auslagen für die im Oktober 2010 erworbene Eigentumswohnung berücksichtigt werden können; bei letzterer können nur die Hypothekarzinsen zuzüglich der ausgewiesenen Nebenkosten, nicht aber der Amortisationsbeitrag miteinbezogen werden. Angesichts der eingereichten Unterlagen übersteigen die ausgewiesenen Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen, sofern der Beschwerdegegner keine Arbeitslosenentschädigung beziehen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung der finanziellen Verhältnisse auch vorhandenes Vermögen mitzuberücksichtigen (BGE 124 I 1 E. 2a S. 2 und 97 E. 3a S. 98, je mit Hinweisen). Im Oktober 2010, mithin in Kenntnis dieses Verfahrens, erwarben der Beschwerdegegner und seine Ehegattin eine Eigentumswohnung zum Preis von Fr. 520'000.-; dafür haben sie eine Hypothek von Fr. 390'000.- aufgenommen. Das vom Bruder des Beschwerdegegners aufgenommene Darlehen kann als private Schuld im Rahmen der Beurteilung der unentgeltlichen Rechtspflege nicht berücksichtigt werden (vgl. Urteil U 219/99 vom 17. März 2000 E. 3b mit Hinweis). Ein amtlich ermittelter Verkehrswert lässt sich den Unterlagen nicht entnehmen, dürfte aber angesichts des erst im Herbst 2010 erfolgten Erwerbs mit dem Kaufpreis übereinstimmen. Angesichts dieser Vermögensverhältnisse, welche einen allenfalls zu gewährenden Freibetrag für ein Ehepaar (vgl. Urteil 5A_612/2010 vom 26. Oktober 2010 E. 2.4, wonach Art. 29 Abs. 3 BV keinen Anspruch auf Gewährung eines "Notgroschens" gebietet) bei weitem übersteigen, ist keine Bedürftigkeit ausgewiesen (vgl. zur grundsätzlichen Zumutbarkeit von [zusätzlicher] Belastung oder Veräusserung von Grundeigentum etwa Urteil 4D_41/2009 vom 14. Mai 2009 E. 3 mit Hinweisen). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist somit abzuweisen. 
 
6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Beschwerdegegner hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 5. August 2010 aufgehoben. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 24. März 2011 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Riedi Hunold