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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_380/2012 
 
Urteil vom 3. Dezember 2012 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Pascal Baumgardt, 
 
gegen 
 
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen, Abteilung Administrativmassnahmen, 
 
Präsident der Abteilung IV der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen. 
 
Gegenstand 
unentgeltliche Rechtspflege, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 13. Juni 2012 
des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ geriet am 16. Juni 2011 in Wetzikon am Steuer eines Lieferwagens in eine Polizeikontrolle. Die Analyse seines Bluts ergab Messwerte von 15 Mikrogramm/Liter für den Hauptwirkstoff von Cannabis, Tetrahydrocannabinol (THC), und 7,5 bzw. 220 Mikrogramm/Liter für dessen Stoffwechselprodukte 11-Hydroxy-THC (OH-THC) und THC-Carbonsäure (THC-COOH). 
Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen eröffnete ein Administrativverfahren gegen X.________ und entzog ihm am 10. Januar 2012 gestützt auf ein verkehrsmedizinisches Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Kantonsspitals St. Gallen vom 29. November 2011 den Führerausweis auf unbestimmte Zeit. Es auferlegte ihm eine Sperrfrist von einem Jahr und knüpfte eine allfällige Wiedererteilung des Ausweises an folgende Bedingungen: "Kontrollierte und fachlich betreute Drogenabstinenz von 6 Monaten. Zusätzliche Haaranalyse auf Alkohol. Verkehrsmedizinische/verkehrspsychologische Kontrolluntersuchung." Einem allfälligen Rekurs entzog es die aufschiebende Wirkung. 
Am 29. Januar 2012 rekurrierte X.________ gegen diese Verfügung mit dem Antrag, anstelle eines Sicherungs- einen Warnungsentzug zu verhängen. Gleichzeitig stellte er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
Am 17. Februar 2012 wies der Präsident der IV. Abteilung der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab. 
Am 13. Juni 2012 wies der Präsident des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen die Beschwerde von X.________ gegen diesen Präsidialbeschluss der Verwaltungsrekurskommission kostenfällig ab. 
 
B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________, diesen Präsidialentscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und ihm für alle drei Instanzen unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. 
 
C. 
Der Präsident der IV. Abteilung der Verwaltungsrekurskommission verzichtet auf Stellungnahme. Der Präsident des Verwaltungsgerichts beantragt unter Verweis auf seinen Entscheid, die Beschwerde abzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung in einem Administrativverfahren; dagegen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Er schliesst das Verfahren nicht ab; es handelt sich mithin um einen Zwischenentscheid, gegen den die Beschwerde u.a. dann zulässig ist, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könnte (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Das ist bei der Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung regelmässig der Fall, da dem Betroffenen, der mangels verfügbarer Mittel nicht in der Lage ist, den Kostenvorschuss zu leisten und den erforderlichen Rechtsbeistand zu bezahlen, der Prozessverlust droht. Der Beschwerdeführer, dem der definitive Entzug des Führerausweises droht und dem die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wurde, ist zur Beschwerde befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2. 
Das Verwaltungsgericht hat erwogen, unentgeltliche Rechtspflege sei nach Art. 99 Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965 (VRP) i.V.m. Art. 117 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (vom 19. Dezember 2008, SR 272, ZPO) zu gewähren, wenn der Gesuchsteller bedürftig und das angestrebte Verfahren nicht aussichtslos sei. Es schützte die Ablehnung des Gesuchs durch die Vorinstanz mit der Begründung, der Beschwerdeführer sei nicht bedürftig und die Beschwerde aussichtslos. Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht eine Verletzung von Art. 117 ZPO, Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK geltend. 
 
2.1 Nach Art. 117 ZPO, auf den das einschlägige kantonale Verfahrensrecht verweist, hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Sofern es zur Wahrung der Rechte notwendig ist, besteht darüber hinaus ein Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO). Diese Bestimmungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts im Licht der verfassungs- und konventionsrechtlichen Minimalgarantien auszulegen. Aussichtslos sind danach Begehren, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung der Prozessaussichten, wobei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgebend sind (BGE 138 III 217 E. 2.2; 133 III 614 E. 5, je mit Hinweisen). 
 
2.2 Ein Führerausweis darf (u.a.) nicht erteilt werden oder ist zu entziehen, wenn der Lenker an einer die Fahreignung ausschliessenden Sucht leidet oder nach seinem bisherigen Verhalten nicht Gewähr bietet, dass er als Motorfahrzeugführer die Vorschriften beachten und auf die Mitmenschen Rücksicht nehmen würde (Art. 14 Abs. 2 lit. c und d, Art. 16d Abs. 1 lit. b und c SVG). 
2.2.1 Der automobilistische Leumund des Beschwerdeführers ist stark getrübt. Zwischen 1996 und 2002 musste ihm der Ausweis wegen Geschwindigkeitsübertretungen und eines anderen Fahrfehlers viermal entzogen werden. 2005 wurde er wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verwarnt. 2008 wurde ihm der Ausweis für drei Monate entzogen, weil er - wie beim hier zur Diskussion stehenden Vorfall vom 16. Juni 2011 - unter Drogeneinfluss gefahren war. Für die Beurteilung der Fahreignung des Beschwerdeführers relevant sind im Wesentlichen die beiden letzten gegen ihn verhängten Massnahmen, die zusammen mit dem hier zu beurteilenden Vorfall zeigen, dass der Beschwerdeführer keine Gewähr bietet, den Konsum von Alkohol und illegalen Drogen vom Lenken von Automobilen stets ausreichend zuverlässig zu trennen. Zu diesem Schluss kommt auch das verkehrsmedizinische Gutachten, das dem Beschwerdeführer die Fahreignung wegen eines "verkehrsrelevanten Drogenmissbrauchs mit Suchtgefährdung" abspricht. Diese plausible Beurteilung wird durch die eigenen Aussagen Studdes Beschwerdeführers bestätigt, wonach er nach einer "Sistierung" des Konsums von Cannabis aggressiv geworden sei und er es in Zukunft nur noch zum Einschlafen konsumieren wolle. Es liegt nahe, dass derjenige, der nach der Aufgabe des Drogenkonsums unter Entzugserscheinungen leidet und beabsichtigt, in Zukunft Cannabis (nur) noch zur Förderung des Einschlafens zu konsumieren, ein verkehrsrelevantes Drogenproblem hat. In Bezug auf Alkohol stellten die Gutachter laborchemisch Hinweise auf einen "vermehrten Alkoholkonsum" fest; weil der Beschwerdeführer eine Haarprobe verweigerte, konnten sie dazu keine weiteren Abklärungen vornehmen. Auch wenn damit keineswegs feststeht, dass der Beschwerdeführer ein verkehrsrelevantes Alkoholproblem hat, so erwecken jedenfalls seine Weigerung, ein Haargutachten erstellen zu lassen, und seine Ankündigung, weiterhin Drogen zu konsumieren, ernsthafte Bedenken, ob bei einem zu erwartenden Mischkonsum von Drogen und Alkohol seine Fahrfähigkeit gewährleistet wäre. 
2.2.2 Der Beschwerdeführer hat nach der zutreffenden Auffassung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts zum zweiten Mal innert 5 Jahren eine schwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsregeln im Sinn von Art. 16c Abs. 1 lit. c SVG begangen, womit ihm der Führerausweis zwingend für mindestens 12 Monate entzogen werden muss (Art. 16c Abs. 2 lit. c SVG). Aufgrund dieser beiden Vorfälle, bei denen der THC-Gehalt in seinem Blut die Nachweisgrenze gemäss Art. 34 der Verordnung des ASTRA zur Strassenverkehrskontrollverordnung (SR 741.013.1; VSKV-ASTRA ) von 1,5 Mikrogramm/Liter um ein Mehrfaches überstieg, sowie der verkehrsmedizinischen Begutachtung und der von ihm dabei selber gemachten Aussagen, bestehen offenkundig berechtigte Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer Gewähr bietet, sich in Zukunft unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol nicht mehr ans Steuer zu setzen. Die Rechtsmittel gegen den vom Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt verfügten Sicherungsentzug haben damit kaum Aussicht auf Erfolg, namentlich auch weil die Bedingungen und Auflagen für die Wiedererlangung des Ausweises - Einhaltung einer Sperrfrist von einem Jahr, kontrollierte Drogenabstinenz von 6 Monaten, Haaranalyse zum Ausschluss einer verkehrsrelevanten Alkoholabhängigkeit, Bestehen einer verkehrsmedizinischen/ -psychologischen Kontrolluntersuchung - eher im Rahmen des Vertretbaren liegen und keineswegs überzogen erscheinen. 
2.2.3 Die Erfolgsaussichten des vom Beschwerdeführer gegen den Sicherungsentzug angehobenen Rekursverfahrens sind somit gering, die Verlustgefahr übersteigt sie bei weitem. Die Abweisung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts verletzt klarerweise kein Bundesrecht. Die Beschwerde ist unbegründet. Damit kann offen bleiben, ob der Beschwerdeführer aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse überhaupt als bedürftig im Sinn der angeführten Bestimmungen gelten kann. 
 
3. 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen, Abteilung Administrativmassnahmen, dem Präsident der Abteilung IV der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 3. Dezember 2012 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi