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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.2/2007 /bnm 
 
Urteil vom 10. Oktober 2007 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Meyer, Marazzi, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X.________ (Ehemann), 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt und Notar Dr. Bruno Aschwanden, 
 
gegen 
 
Y.________ (Ehefrau), 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Remo Baumann, 
Obergericht des Kantons Uri, Zivilrechtliche Abteilung, Postfach 449, 6460 Altdorf UR. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV etc. (Vollstreckung eines Scheidungsurteils), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri, Zivilrechtliche Abteilung, vom 9. Oktober 2006. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a Mit Urteil vom 3. September 2001 wurde die Ehe zwischen X.________ (Beschwerdeführer) und Y.________ (Beschwerdegegnerin) geschieden. Die Nebenfolgen wurden mittels Konvention geregelt, welche vom Gericht genehmigt und zum Bestandteil des Urteils erhoben wurde. Darin verpflichtete sich der Beschwerdeführer unter anderem, der Beschwerdegegnerin aus Güterrecht Fr. 85'000.-- zu bezahlen, und zwar durch Abtretung des CS-Vorsorgekontos Säule 3 (Privilegia-Konto Nr. ..., mit einem Saldo per 31. Dezember 1999 von Fr. 79'393.85) und für den Überschuss aus der Life-Star-Police Nr. ... Im genannten Betrag war auch der Anspruch der Beschwerdegegnerin auf die Hälfte der Austrittsleistung nach Art. 122 ZGB enthalten. 
A.b Da der Beschwerdeführer dieser Pflicht nicht nachkam, reichte die Beschwerdegegnerin ein Vollstreckungsbegehren ein, auf welches das Landgerichtspräsidium Uri mit Entscheid vom 20. April 2006 nicht eintrat. 
 
B. 
Gegen den abschlägigen erstinstanzlichen Entscheid rekurrierte die Beschwerdegegnerin mit Eingabe vom 16. Mai 2006 beim Obergericht des Kantons Uri mit dem Antrag, in Gutheissung ihres Begehrens sei das Scheidungsurteil vom 3. September 2001 dahingehend zu vollstrecken, dass die Einrichtung der beruflichen Vorsorge des Beschwerdeführers anzuweisen sei, den Betrag von Fr. 79'393.85 auf ihr Vorsorgekonto bei der Ausgleichskasse Z.________ zu überweisen. Das Obergericht verpflichtete den Beschwerdeführer mit Entscheid vom 9. Oktober 2006, seine Forderung gegenüber der Einrichtung der beruflichen Vorsorge (2. Säule) im Betrage von Fr. 79'393.85 abzutreten und auf das Vorsorgekonto der Beschwerdegegnerin bei der Ausgleichskasse Z.________ überweisen zu lassen. 
 
C. 
Der Beschwerdeführer gelangt mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 2. Januar 2007 wegen Verletzung von Art. 9 und 29 Abs. 2 BV an das Bundesgericht mit den Antrag, das obergerichtliche Urteil aufzuheben. 
 
D. 
Der Beschwerdeführer hat das mit der Beschwerde gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege am 18. Januar 2007 zurückgezogen. 
 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das neue Bundesgerichtsgesetz in Kraft getreten (BGG; SR 173.110). Weil aber das angefochtene Urteil vor diesem Zeitpunkt ergangen ist, bleibt auf das vorliegende Verfahren noch das Bundesrechtspflegegesetz von 1943 (OG) anwendbar (Art. 132 Abs. 1 BGG). 
 
1.2 Das Bundesgericht prüft die Rechtsmittelvoraussetzungen frei und von Amtes wegen, ohne an die Auffassungen der Parteien gebunden zu sein (BGE 132 III 291 E. 1 S. 292; 130 III 76 E. 3.2.2 S. 81 f.; 129 II 453 E. 2 S. 456, mit Hinweisen). 
 
1.3 Es ergibt sich mittelbar aus dem angefochtenen und aus dem erstinstanzlichen Entscheid, dass die Streitfrage die Identität zwischen Scheidungsurteil und Vollstreckungsbegehren betrifft, mithin eine Frage des kantonalen Prozessrechts, vorliegend Art. 94 ZPO/UR. Im Streit liegt somit keine Frage des Bundesrechts, wie es der Fall wäre, wenn es um die Rechtskraftswirkung eines Urteils auf einen neuen, auf Bundesrecht beruhenden Anspruch ginge (BGE 125 III 241 E. 1 S. 242; 121 III 474 E. 2). Die Berufung steht damit nicht zur Verfügung (Art. 43 Abs. 1 OG e contrario), und auch eine Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 OG fällt ausser Betracht. Das durch eine persönlich betroffene Partei (Art. 88 OG) rechtzeitig (Art. 89 Abs. 1 OG) gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid (Art. 86 Abs. 1 OG) eingereichte Rechtsmittel, mit dem eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG) geltend gemacht wird, erweist sich damit als grundsätzlich zulässig. 
 
2. 
2.1 Im Bereich der Verfassungsbeschwerde gilt der Grundsatz der richterlichen Rechtsanwendung nicht (BGE 125 I 71 E. 1c S. 76). Das Bundesgericht prüft nur gestützt auf (im Sinne von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen, ob ein kantonaler Entscheid verfassungswidrig ist (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f. mit Hinweisen). Auf appellatorische Kritik, wie sie allenfalls im Rahmen eines Berufungsverfahrens zulässig ist, wird nicht eingetreten (BGE 128 I 295 E. 7a S. 312; 117 Ia 10 E. 4b S. 11 f.). 
 
2.2 Wird der kantonalen Instanz Willkür vorgeworfen, ist aufzuzeigen, inwiefern deren Entscheid offensichtlich unhaltbar sein soll, d.h. mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehe, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletze oder sonst wie in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufe (dazu BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 262; 129 I 8 E. 2.1 S. 9 und 49 E. 4 S. 58, mit Hinweisen). Das Bundesgericht greift im Übrigen nur ein, wenn nicht bloss die Begründung des Entscheids, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 129 I 49 E. 4 S. 58; 128 I 81 E. 2 S. 86, und 177 E. 2.1 S. 182, mit Hinweisen). Erst recht mit Zurückhaltung überprüft das Bundesgericht im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde kantonale Entscheidungen, die auf richterlichem Ermessen beruhen (BGE 125 II 86 E. 6 S. 98). 
 
3. 
3.1 Zunächst wirft der Beschwerdeführer dem Obergericht vor, den Entscheid unzureichend begründet und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV verletzt zu haben. Seiner Meinung nach müsste aus dem angefochtenen Entscheid "hervorgehen, warum der güterrechtliche Anspruch der Beschwerdegegnerin B) trotz Rekurses [gemeint ist wohl: Konkurses] des Beschwerdeführers nicht untergegangen ist". 
 
3.2 Diese Rüge erhebt der Beschwerdeführer wider besseres Wissen. Das Obergericht des Kantons Uri hat nämlich in Erwägung 4a und 4b die Frage geprüft und beantwortet: Es hat ausdrücklich gesagt, die im Scheidungsurteil vorgesehene Abtretung von Ansprüchen auf Altersleistungen des Vorsorgenehmers an den Ehegatten sei zulässig, und derartige Ansprüche fielen nicht in die Konkursmasse des Vorsorgenehmers, weshalb eine entsprechende Forderungsanmeldung gar nicht erforderlich gewesen sei. Mehr brauchte das Obergericht zur Untermauerung seines Standpunktes nicht zu sagen, und mehr brauchte der Beschwerdeführer für die gehörige Begründung seines Rechtsmittels nicht. Insbesondere genügt das erneute blosse Vortragen seines Argumentes, der Tilgungsanspruch sei nur akzessorischer Natur, nicht für die Annahme einer Gehörsverletzung: Weil der Richter sich nicht mit allen Argumenten der Parteien auseinandersetzen muss, sondern nur mit den für die Entscheidfindung relevanten (BGE 133 III 439 E. 3.3 mit weiteren Hinweisen), hätte der Beschwerdeführer vielmehr aufzeigen müssen, warum sein Einwand für den angefochtenen Entscheid wesentlich war. 
 
Ob die Folgerung des Obergerichtes zutreffend ist, braucht insofern nicht geprüft zu werden, als der Beschwerdeführer sie eigentlich gar nicht, geschweige denn den Begründungsanforderungen gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG entsprechend, in Frage stellt. Und noch weniger kann der allgemein gehaltene Vorwurf des Beschwerdeführers greifen, die Vorinstanz habe daraus willkürlich auch noch beliebige rechtliche Schlussfolgerungen gezogen, wird doch aus seinen Ausführungen gar nicht klar, welche Schlussfolgerungen des Obergerichtes damit gemeint sind und warum sie willkürlich sein sollten. 
Auf diese Rügen kann somit nicht eingetreten werden. 
 
4. 
4.1 Sodann wirft der Beschwerdeführer dem Obergericht im Wesentlichen vor, das mangelhafte, aber in Rechtskraft erwachsene Scheidungsurteil nach Belieben interpretiert bzw. korrigiert zu haben: In Tat und Wahrheit hätte nämlich das einschlägige Scheidungsurteil bzw. die demselben zugrunde liegende Scheidungskonvention lediglich eine Abtretung des fraglichen Betrages an die Beschwerdegegnerin, nicht aber die Übertragung desselben Betrages auf ein Vorsorgekonto angeordnet. 
 
4.2 Das Obergericht hat die Identität des im Scheidungsurteil festgehaltenen Anspruchs der Beschwerdegegnerin mit dem mittels des fraglichen Vollstreckungsbegehrens geltend gemachten bejaht. Es hat zu diesem Zweck auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Rechtskraftwirkung eines Urteils auf die Erhebung eines identischen Anspruchs zurückgegriffen (dazu vorne, E. 1.3) und sie auf den vorliegenden Sachverhalt angewandt. Das Obergericht hat sodann festgehalten, dass sich am grundsätzlichen Anspruch der Beschwerdegegnerin bzw. an der grundsätzlichen Verpflichtung des Beschwerdeführers aus dem Scheidungsurteil nichts Wesentliches geändert hätte, denn ob die Tilgung der Schuld des Beschwerdeführers durch Mittel der Zweiten oder der Dritten Säule erfolgte, sei irrelevant. 
 
Es darf auch hier bezweifelt werden, ob die Einwendungen des Beschwerdeführers rechtsgenüglich begründet sind: Man vermisst nämlich jeglichen Hinweis auf irgendeine Rechtsnorm, die willkürlich angewandt worden wäre. Und wenn man schon dem Beschwerdeführer in seinem Interesse die Absicht unterstellen wollte, mit seinen Ausführungen die obergerichtliche Auslegung von Art. 94 ZPO/UR zu kritisieren, müsste festgehalten werden, dass er die obergerichtlichen Erwägungen zur Anspruchsidentität gar nicht in Frage gestellt, sondern sich damit begnügt hat, apodiktisch zu behaupten, die Vorgehensweise der letzten kantonalen Instanz habe einer eigentlichen Korrektur des Scheidungsurteils entsprochen. Damit ist aber keine Willkür in der Rechtsanwendung dargetan. 
 
Dieser Aspekt ist allerdings von zweitrangiger Bedeutung. Denn auf die Rüge kann sowieso mangels rechtlich geschützten Interesses nicht eingetreten werden. Ein solches Interesse ist Voraussetzung für jede Klageeinleitung, die Einreichung eines Rechtsmittels (BGE 126 III 198 E. 2b S. 201) oder für die Behandlung erhobener Rügen (116 Ia 149 E. 2a S. 150; 114 Ia 88 E. 1b S. 90): Insbesondere kann auf eine Rüge nur eingetreten werden, wenn das zu ergehende Urteil dem Beschwerdeführer den mit ihr angestrebten Vorteil auch tatsächlich verschaffen kann; der Richter muss keine Rüge behandeln, welche auch bei Gutheissung die Rechtslage nicht im Sinne des Rechtsmittelklägers zu ändern vermöchte (BGE 116 II 721 E. 6 S. 729). Es versteht sich übrigens von selbst, dass es dem Rechtsmittelkläger obliegt, darzulegen, wie die Gutheissung der von ihm erhobenen Rüge die Rechtslage in seinem Sinne zu ändern vermöchte. 
 
Dies hat der Beschwerdeführer vorliegend nicht einmal im Ansatz getan. Es ist nicht einzusehen, welchen Unterschied es für ihn bedeutet, auf das eine oder das andere Konto überweisen zu müssen. Es sei denn, er hege die Absicht, die Überweisung gemäss Scheidungsurteil so auslegen zu lassen, dass sie rechtswidrig wird, weil sie nicht zwingend auf ein Vorsorgekonto der Beschwerdegegnerin erfolgen muss. Aber eine solche Auslegung wäre nicht nur krass rechtsmissbräuchlich, sondern auch materiell keineswegs zwingend: Der Umstand, dass das Scheidungsurteil kein bestimmtes Konto bezeichnet, auf welches die fragliche Überweisung erfolgen sollte, lässt eine präzisierende Lektüre des Scheidungsurteils, wie sie das Obergericht vorgenommen hat, keineswegs als willkürlich erscheinen; jedenfalls hat der Beschwerdeführer seine dahingehende Ansicht nicht begründet. Problematisch wäre es allenfalls gewesen, wenn im Scheidungsurteil ein Konto für die Überweisung vorgesehen gewesen wäre, welches gar nicht unter das BVG fällt; aus der unterbliebenen Präzisierung darf aber nicht gefolgert werden, dass die Überweisung zwingend auf ein solches Konto erfolgen musste. 
 
Auf die Rüge der willkürlichen Auslegung des Scheidungsurteils kann nicht eingetreten werden. 
 
5. 
Nach dem Gesagten kann auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden. Dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens entsprechend trägt der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Der Beschwerdegegnerin, welcher vor Bundesgericht keine entschädigungspflichtigen Aufwendungen erwachsen sind, ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). 
 
6. 
Der Beschwerdeführer hat das mit der staatsrechtlichen Beschwerde gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege am 18. Januar 2007 zurückgezogen. Von diesem Rückzug ist Vormerk zu nehmen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten 
 
2. 
Vom Rückzug des Gesuchs des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird Vormerk genommen. 
 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Uri, Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 10. Oktober 2007 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: