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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
8C_412/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 6. Oktober 2016  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Hübscher, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), 
 Pensionskasse SBB, 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Verrechnung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 4. Mai 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ war Lokomotivführer bei der SBB AG und damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch unfallversichert. Am 18. Februar 2007 erlitt er bei einem Verkehrsunfall ein Polytrauma. Mit drei Verfügungen vom 16. September 2015 sprach ihm die IV-Stelle Aargau ab 1. Februar 2008 bis 31. Oktober 2009, ab 1. Juni 2011 bis 31. Dezember 2012 und ab 1. März 2013 bis 30. Juni 2015 eine ganze Invalidenrente zu. Die ihm nachzuzahlenden Renten verrechnete sie wie folgt: Im Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis 31. Oktober 2009 mit dem eigenen Anspruch aufgrund ausbezahlter Tagegelder von Fr. 12'585.60 und mit demjenigen der SBB AG von Fr. 60'467.55; im Zeitraum vom 1. Juni 2011 bis 31. Dezember 2012 mit dem eigenen Anspruch aufgrund ausbezahlter Taggelder von Fr. 12'806.40 und mit demjenigen der SUVA von Fr. 16'425.60; im Zeitraum vom 1. März 2013 bis 30. Juni 2015 mit dem eigenen Anspruch von Fr. 58'140.70 und mit demjenigen der SUVA von Fr. 59'903.30. 
 
B.   
Die hiegegen erhobenen, gegen die Verrechnungen gerichteten Beschwerden wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 4. Mai 2016 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die Sache zur erneuten Vornahme der Nachzahlungsabrechnungen und zum Erlass neuer Verfügungen an die IV-Stelle zurückzuweisen. 
 
Die IV-Stelle und die SUVA schliessen auf Beschwerdeabweisung. Die Pensionskasse SBB und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen der Verrechnung (Art. 50 Abs. 2 IVG i.V.m. Art. 20 Abs. 2 AHVG) richtig dargelegt. Gleiches gilt für die dazu ergangene Rechtsprechung, wonach eine zeitliche Kongruenz der gegenseitigen Forderungen in dem Sinne, dass diese den gleichen Zeitraum beschlagen müssten, nicht verlangt wird (vgl. BGE 125 V 317 E. 4a S. 320, 115 V 341, 111 V 1; Urteile I 141/05 vom 20. September 2006 E. 5.2 und I 728/01 vom 9. Mai 2003 E. 6.2.1; siehe auch Art. 120 Abs. 2 OR). Beizupflichten ist der Vorinstanz auch darin, dass beim Zusammentreffen von Taggeldern der Unfallversicherung mit Rentenleistungen der Invalidenversicherung eine Abrechnung über die gesamte Bezugsperiode, beginnend ab der Entstehung des Anspruchs auf Taggelder der Unfallversicherung, zu erfolgen hat (sog. Globalrechnung; vgl. BGE 132 V 27 E. 3.1 S. 29; Urteile 8C_361/2013 vom 21. Januar 2014 E. 4.1 [SZS 2014 S. 376] und 8C_512/2012 vom 7. Juni 2013 E. 2.3 [SZS 2013 S. 407]). 
 
3.   
Die Vorinstanz erwog, unbestritten sei, dass die SUVA die von ihr entrichteten Renten und Taggelder mit Leistungen der IV-Stelle verrechnen dürfe. Der Versicherte mache gegen die Drittauszahlungen an die SUVA jedoch geltend, die Abrechnung der IV-Stelle sei diesbezüglich nicht periodengerecht erfolgt. Er lege indessen nicht dar, weshalb von der Rechtsprechung, wonach keine zeitliche Kongruenz zwischen Leistung und Forderung des Versicherers erforderlich sei, abzuweichen sei. Vielmehr zeigten IV-Stelle und SUVA auf, weshalb gerade bei der Verrechnung von Überentschädigungen, die in der Unfallversicherung nach der Globalrechnung zu ermitteln seien, die zeitliche Kongruenz zwischen Leistung und Forderung des Versicherers nicht ausschlaggebend sein könne. 
 
4.   
Die SUVA legte in der vorinstanzlichen Vernehmlassung dar, sie habe ab Beginn der Taggeldleistungen am 21. Februar 2007 bis zum Abschluss der Taggeldperiode für die UV-Leistungen bzw. der IV-Rentenleistungen per 31. Juli 2009 nach Art. 69 ATSG eine Überentschädigung des Versicherten von Fr. 25'530.90 ermittelt. Der während den beruflichen Massnahmen ab 1. August 2009 bis 31. Mai 2011 und ab 1. Oktober 2012 bis 28. Februar 2013 entstandene Doppelanspruch des Versicherten auf Taggeld und Rente werde durch die zuständige Ausgleichskasse verrechnet. Für die Komplementärrentenberechnung der SUVA und ihre Verrechnung während der Rentenperiode seien demnach nur die Zeiträume vom 1. Juni 2011 bis 30. September 2012 und vom 1. März 2013 bis 30. Juni 2015 massgebend; aus der (periodengerechten) Komplementärrentenberechnung nach Art. 20 Abs. 2 UVG habe eine Verrechnungsforderung von Fr. 50'798.- resultiert. Am 26. Juni 2015 habe sie eine Verrechnung von Fr. 76'328.90 (Fr. 25'530.90 + Fr. 50'798.-) geltend gemacht. Den von der IV-Stelle bereits verrechneten Betrag von Fr. 25'530.90 habe sie dem Versicherten am 30. November 2015 zurückvergütet. 
 
Diese Berechnungen der SUVA hat der Beschwerdeführer in der vorinstanzlichen Replik als richtig anerkannt, weshalb sich dazu Weiterungen erübrigen. 
 
5.  
 
5.1. Der Versicherte wendet ein, in der Verfügung vom 16. September 2015 für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 31. Oktober 2009 habe die IV-Stelle neben ihrer Verrechnungsforderung von Fr. 12'585.60 nur die Rückforderung der SBB AG von Fr. 60'467.55 berücksichtigt. Damit werde er ungerechtfertigt benachteiligt. Wenn nämlich die von der SUVA bis 31. Juli 2009 ermittelte Überentschädigung von Fr. 25'530.90 (vgl. E. 4 hievor) erst in den beiden, einen späteren Zeitraum betreffenden, Verfügungen der IV-Stelle vom 16. September 2015 abgerechnet werde, würden ihm da höhere IV-Rentenbetreffnisse vorenthalten, als dies die Komplementärrentenberechnung der SUVA für die späteren Zeiträume rechtfertige. Gleichzeitig würden für die SBB AG mehr aufgelaufene Rentenbetreffnisse frei, als dies die Überentschädigungsberechnung der SUVA gebiete. Wegen des Vorrangs der Verrechnungsansprüche von Sozialversicherungsträgern gegenüber denjenigen bevorschussender Dritter hätte die IV-Stelle in der Verfügung für die Zeit vom 1. Februar 2008 bis 31. Oktober 2009 vorab die SUVA-Rückforderung von Fr. 25'530.90 und danach diejenige der SBB AG berücksichtigen müssen. Somit hätten die in diesem Zeitraum aufgelaufenen IV-Renten von Fr. 84'798.- im Umfang von Fr. 12'585.60 an die IV-Stelle, in Höhe von Fr. 25'530.90 an die SUVA und nur im Restbetrag von Fr. 46'681.50 an die SBB AG, die nur zeitlich kongruent rückfordern könne (Art. 85bis Abs. 3 IVV), ausbezahlt werden müssen. Mit der gesetzwidrigen Abrechnung der IV-Stelle seien der SBB AG Fr. 13'786.05 zu viel bzw. ihm zu wenig bezahlt worden.  
 
5.2. Zu diesen vom Versicherten im Wesentlichen bereits in der vorinstanzlichen Replik vorgebrachten Einwänden rechtlicher Art äusserte sich das kantonale Gericht nicht spezifisch. Auf eine Rückweisung an die Vorinstanz ist jedoch zu verzichten, da dies zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse des Versicherten an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren sind (BGE 133 I 201 E. 2.2 S. 204; Urteil 8C_740/2014 vom 11. Februar 2015 E. 3.6).  
 
5.3. Da die SBB AG als Arbeitgeberin und damit als bevorschussende Dritte ihre Forderung nur in der Periode vom 1. Februar 2008 bis 31. Oktober 2009 zur Verrechnung bringen konnte (Art. 85bis Abs. 3 IVV; Rz. 10003 der Wegleitung über die Renten in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [RWL], gültig ab 1. Januar 2003), im Übrigen aber die gegenseitigen Forderungen nicht den gleichen Zeitraum beschlagen müssen (vgl. E. 2 hievor), ist es nicht zu beanstanden, dass die IV-Stelle die Forderung der SUVA von Fr. 25'530.90 nicht in dieser Periode, sondern in den nachfolgenden Perioden verrechnete. Andernfalls bliebe der Versicherte im Verhältnis zur SBB AG überentschädigt.  
 
Soweit der Versicherte den Vorrang der Verrechnungsansprüche von Sozialversicherungsträgern gegenüber denjenigen bevorschussender Dritter anruft (vgl. Art. 85bis Abs. 1 IVV i.V.m. Art. 20 AHVG; Rz. 10060 und 10071 RWL), ist dem entgegenzuhalten, dass die SUVA für die Taggeldperiode gar keine Überentschädigung mehr geltend macht und dem Beschwerdeführer den entsprechenden, von der IV-Stelle verrechneten Betrag von Fr. 25'530.90 unbestrittenermassen zurückvergütet hat (vgl. E. 4 hievor). Auch in diesem Lichte ist es im Ergebnis nicht zu bemängeln, dass die IV-Stelle bei der Verrechnung für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis 31. Oktober 2009 die Forderung der SBB AG im gesamten Umfang von Fr. 60'467.55 berücksichtigte. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern dem Versicherten dadurch ein rechtswidriger Nachteil erwachsen sein soll. 
 
6.   
Zu Recht rügt der Beschwerdeführer, die Vorinstanz sei fälschlicherweise davon ausgegangen, der in der Verfügung vom 16. September 2015 betreffend die Periode vom 1. Februar 2008 bis 31. Oktober 2009 verrechnete Betrag von Fr. 12'585.60 sei an die SUVA gegangen. Denn diese Summe wurde mit IV-Taggeldern verrechnet (vgl. Sachverhalt lit. A hievor). Indessen legt der Versicherte nicht dar und ist nicht ersichtlich, inwiefern dies für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens relevant ist. 
 
7.   
Der unterliegende Versicherte trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1200.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA), der Pensionskasse SBB, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. Oktober 2016 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar