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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_120/2022  
 
 
Urteil vom 4. August 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Abrecht, 
Gerichtsschreiber Cupa. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Petra Oehmke, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 7. Januar 2022 (UV.2021.00056). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________, geboren 1976, arbeitete zuletzt bei der B.________ GmbH als Hilfsgipser und war dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (nachfolgend: Suva oder Beschwerdegegnerin) obligatorisch unfallversichert. Am 28. Mai 2018 zog er sich eine Knieverletzung zu (Schadenmeldung UVG vom 16. Juli 2018). Die Suva kam für die Heilbehandlung und das Taggeld auf. Am 22. August 2018 schloss sie den Fall ab, da A.________ seit dem 13. August 2018 wieder als Hilfsgipser arbeitete.  
 
A.b. Am 15. Juni 2020 meldete A.________ einen Rückfall zum Unfall vom 28. Mai 2018. Am 15. Juli 2020 wurde er am rechten Knie operiert. Nach medizinischen Abklärungen verneinte die Suva ihre Leistungspflicht, weil zwischen den gemeldeten Kniebeschwerden und dem Ereignis vom 28. Mai 2018 kein Kausalzusammenhang bestehe (Verfügung vom 11. September 2020). Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 3. Februar 2021 fest.  
 
B.  
Die hiergegen von A.________ erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 7. Januar 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, ihm seien unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die gesetzlichen Leistungen, insbesondere Heilbehandlung und Taggeld, für den Rückfall des Unfallereignisses vom 28. Mai 2018 zuzusprechen. 
Das Bundesgericht holte die vorinstanzlichen Akten ein und verzichtete auf die Durchführung eines Schriftenwechsels. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 147 I 73 E. 2.1; 145 V 304 E. 1.1).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist es jedoch nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 i.V.m. Art. 105 Abs. 3 BGG; vgl. BGE 147 V 207 E. 2; 147 V 167 E. 3).  
 
2.  
Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es eine Leistungspflicht der Suva für den im Juni 2020 gemeldeten Rückfall des im Mai 2018 erlittenen Unfalls mangels Kausalzusammenhangs verneinte. 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz legte das Anspruchserfordernis eines natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (BGE 142 V 435 E. 1 mit Hinweisen), insbesondere bei Rückfällen und Spätfolgen (BGE 118 V 293 E. 2c; SVR 2016 UV Nr. 15 S. 46, 8C_934/2014 E. 3.1), zutreffend dar. Gleiches gilt für ihre Ausführungen zu dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 146 V 51 E. 5.1 mit Hinweisen) sowie zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 143 V 124 E. 2.2.2; 142 V 58 E. 5.1; 134 V 231 E. 5.1; je mit Hinweisen), insbesondere von versicherungsinternen Ärztinnen und Ärzten (BGE 135 V 465 E. 4.4). Darauf wird verwiesen.  
 
 
3.2. Zu betonen ist, dass der Unfallversicherer bei der Leistungspflicht gemäss Art. 11 UVV für Rückfälle und Spätfolgen nicht auf der Anerkennung des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs beim Grundfall oder bei früheren Rückfällen behaftet werden kann, weil die unfallkausalen Faktoren durch Zeitablauf wegfallen können. Es obliegt dem Leistungsansprecher, das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem als Rückfall oder Spätfolge geltend gemachten Beschwerdebild und dem Unfall nachzuweisen. Nur wenn die Unfallkausalität mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt ist, entsteht eine erneute Leistungspflicht des Unfallversicherers; dabei sind an den Wahrscheinlichkeitsbeweis umso strengere Anforderungen zu stellen, je grösser der zeitliche Abstand zwischen dem Unfall und dem Auftreten der gesundheitlichen Beeinträchtigung ist (SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55, 8C_331/2015 E. 2.2.2; Urteile 8C_85/2021 vom 23. Juli 2021 E. 3.2; 8C_143/2021 vom 7. Juni 2021 E. 2.3; je mit Hinweisen).  
 
4.  
Das kantonale Gericht stellte nach einlässlicher Würdigung der medizinischen Akten fest, dass namentlich gestützt auf die zuverlässigen Stellungnahmen der Kreisärztin med. pract. C.________, Fachärztin für Chirurgie, die Kniebeschwerden nicht überwiegend wahrscheinlich auf den Unfall vom 28. Mai 2018 zurückzuführen seien. Sie habe schlüssig und widerspruchsfrei aufgezeigt, dass Echtzeitdokumente fehlten, keine relevanten Brückensymptome vorlägen und degenerative Veränderungen im Bereich des Meniskushinterhorns nachgewiesen worden seien. Der Beschwerdeführer habe erst rund zwei Wochen nach dem Unfall, am 13. Juli 2018, einen Arzt aufgesucht. Dabei habe ihm der Allgemeinmediziner Dr. med. D.________ im Arztzeugnis vom 10. August 2018 lediglich eine kurzzeitige Arbeitsunfähigkeit von insgesamt zwei Wochen attestiert. Sodann habe der behandelnde Chirurg Dr. med. E.________ mit Sprechstundenbericht vom 27. August 2018 bei konservativer Behandlung im Spontanverlauf eine leichte Besserung beschrieben. Der Beschwerdeführer habe daraufhin zugewartet und sei erst wieder im Juni 2020 bei einem Arzt vorstellig geworden. Der Unfallhergang erscheine in biomechanischer Hinsicht für eine Meniskusläsion eher unpassend. Der radiologische Befund vom 20. Juli 2018 habe einen Horizontalriss am Hinterhorn des medialen Meniskus mit Kontakt zur Unterfläche sowie die Existenz einer kleinen Bakerzyste, aber keine Frakturen oder ein Knochenmarksödem gezeigt. Die Meniskusverletzung habe sich seither nicht wesentlich verändert, einzig das mediale Ganglion sei deutlich grösser geworden. Somit sei nicht nachgewiesen, dass die geltend gemachten Beschwerden am rechten Knie überwiegend wahrscheinlich auf den Unfall vom Mai 2018 zurückzuführen seien. Für die Anerkennung eines Rückfalls fehle es am natürlichen Kausalzusammenhang. 
 
5.  
Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, verfängt aus folgenden Gründen nicht: 
 
5.1. Zunächst betrifft dies die entscheidwesentlichen Aspekte des Unfallhergangs vom 28. Mai 2018.  
 
5.1.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei auf einer Baustelle gestürzt, habe sich dabei das Knie verdreht und sei auf eine Metallschiene gefallen. Seine Schilderungen seien trotz unterschiedlicher Wortwahl kohärent.  
 
Die Vorinstanz zeigte dem Beschwerdeführer auf, dass drei verschiedene Versionen des Geschehensablaufs vom 28. Mai 2018 existieren. Laut der Schadenmeldung UVG vom 16. Juli 2018 sei er bei der Schwelle der Eingangstüre gestolpert und mit dem Knie aufgeschlagen. Er sei vor mehr als einem Monat auf einen Metalltisch gestürzt und habe sich dabei wahrscheinlich das Knie verdreht, so der Vermerk im Arztzeugnis des Dr. med. D.________ vom 10. August 2018. Von einem Sturz aus knapp einem Meter Höhe mit Kniedistorsionstrauma rechts sei alsdann im Sprechstundenbericht des Dr. med. E.________ vom 27. August 2018 die Rede. 
 
5.1.2. Das kantonale Gericht erkannte zutreffend, die Kernaussage dieser divergierenden Angaben bestehe darin, der Beschwerdeführer sei gestolpert, gestützt und mit dem Knie aufgeschlagen. Ein Verdrehen des Knies oder ein Sturz auf eine scharfe Kante seien angesichts der Schilderungen zwar möglich, sie bildeten mit Blick auf die Schadenmeldung UVG vom 16. Juli 2018 aber keinen wesentlichen Bestandteil des Unfallmechanismus.  
 
Gemäss der Beweismaxime erscheinen "Aussagen der ersten Stunde" zuverlässiger als spätere Schilderungen, die bewusst oder unbewusst von Überlegungen versicherungsrechtlicher oder anderer Art beeinflusst sein können, weshalb ersteren höherer Beweiswert zuerkannt werden darf (vgl. BGE 143 V 168 E. 5.2.2; 121 V 45 E. 2a; SVR 2021 IV Nr. 75 S. 253, 9C_608/2020 E. 3.3; SVR, 2018 UV Nr. 23 S. 81, 8C_388/2017 E. 4.2). Ein Aufprall auf einem scharfkantigen Gegenstand ist nirgends dokumentiert. Hinzu kommt, dass dem Aspekt einer Distorsion mit Blick auf die übrigen medizinischen Akten - insbesondere der Bildgebung - kein massgebliches Gewicht zukommt. Die Vorinstanz durfte bei dieser Ausgangslage in zulässiger antizipierter Beweiswürdigung von weiterführenden Abklärungen zum Unfallhergang absehen, weil hiervon keine entscheidrelevanten neuen Erkenntnisse zu erwarten waren (vgl. BGE 144 V 361 E. 6.5; 136 I 229 E. 5.3; SVR 2016 IV Nr. 33 S. 102, 8C_590/2015 E. 6, nicht publ. in: BGE 141 V 585). 
 
5.2. Sodann bringt der Beschwerdeführer vor, der Unfall vom Mai 2018 sei geeignet, die Meniskusverletzung zu bewirken. Für die Dres. med. E.________ und F.________, Facharzt für orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, sei die Meniskusverletzung eine nachvollziehbare Folge des Unfalls. Dabei übersieht er, dass Dr. med. E.________ sich nicht zur Frage der Unfallkausalität äusserte und Dr. med. F.________ diesbezüglich keine klare Stellung bezog. Letzterer führte im Arztbericht vom 3. Juli 2020 aus, er könne nicht beurteilen, ob die Beschwerden des Patienten primär durch das Ganglion oder eher durch die komplexe mediale Meniskusläsion ausgelöst worden seien. Warum - und ob - er das Knieleiden im Bericht vom 16. Oktober 2020 einzig auf den Unfall im Mai 2018 zurückführt, begründet er hingegen nicht. Darauf wies auch die Kreisärztin med. pract. C.________ in ihrer Beurteilung vom 29. Juli 2020 hin. Die blosse Möglichkeit, dass ein Unfall aus medizinischer Sicht zu einem bestimmten Gesundheitsleiden führen kann, reicht für eine rechtsgenügliche Begründung der Unfallkausalität allein nicht aus. Nur wenn die Unfallkausalität mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt ist, entsteht eine erneute Leistungspflicht des Unfallversicherers bei Rückfällen oder Spätfolgen nach Art. 11 UVV (vgl. E. 3.2 hiervor).  
 
5.3. Die weiteren mit der Beschwerde erhobenen Einwände gegen die Schlüssigkeit der Stellungnahmen der Kreisärztin med. pract. C.________ sind ebenfalls nicht stichhaltig.  
 
5.3.1. Das kantonale Gericht hielt zutreffend fest, die Kreisärztin habe in ihrer Beurteilung vom 29. Juli 2020 unter Verweis auf den radiologischen Befund vom 20. Juni 2018 einen Horizontalriss am Hinterhorn des medialen Meniskus mit Kontakt zur Unterfläche sowie die Existenz einer kleinen Bakerzyste erwähnt, aber keine traumatischen Einwirkungen einige Wochen zuvor in Gestalt von Frakturen oder einem Knochenmarksödem beschrieben. Diese Feststellung ist nicht aktenwidrig und darum nicht zu beanstanden.  
 
 
5.3.2. Die Vorinstanz würdigte die bildgebend dokumentierte kleine Bakerzyste unter Verweis auf die Beurteilung der Kreisärztin als Zeichen einer chronischen Kniegelenksveränderung. Dafür spreche auch die Tatsache, dass die Meniskusverletzung 2020 im Vergleich zu 2018 in etwa identisch geblieben sei und sich lediglich die Grösse des Ganglions verändert habe. Inwiefern diese Feststellung falsch sein soll, ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich. Jedenfalls vermögen weder der Hinweis auf das Alter des Beschwerdeführers von 42 Jahren zur Zeit des Unfalls noch die Angaben im Operationsbericht vom 15. Juli 2020 an dieser bildgestützten Tatsache etwas zu ändern.  
 
5.3.3. Das kantonale Gericht zeigte dem Beschwerdeführer das Fehlen von Echtzeitdokumenten und von Brückensymptomen korrekt und detailliert auf (vgl. E. 4 hiervor). Hervorzuheben ist, dass er während rund zwei Jahren wegen der Kniebeschwerden keinen Arzt mehr aufsuchte und sich nicht in Behandlung befand. Dieser Umstand spricht gegen einen erhöhten Leidensdruck und relativiert seine nicht näher belegte Behauptung, er habe stets an Schmerzen gelitten, in erheblicher Weise. Denn an den Wahrscheinlichkeitsbeweis sind umso strengere Anforderungen zu stellen, je grösser der zeitliche Abstand zwischen dem Unfall und dem Auftreten der gesundheitlichen Beeinträchtigung ist (vgl. E. 3.2 hiervor).  
 
5.3.4. Nach dem Gesagten durfte die Vorinstanz die praxisgemässen Anforderungen an Aktenberichte (vgl. SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63, 8C_239/2008 E. 7.2; Urteil 8C_43/2022 vom 24. Mai 2022 E. 3 mit Hinweisen) im Fall der kreisärztlichen Stellungnahmen der med. pract. C.________ bundesrechtskonform als erfüllt betrachten und darauf abstellen. Die Schlussfolgerung, dass vorliegend mögliche unfallbedingte Ursachen in den Hintergrund getreten sind und mit Blick auf die Kniebeschwerden ihre kausale Bedeutung verloren haben, überzeugt.  
 
5.4. Im Ergebnis ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz eine Leistungspflicht der Suva für den im Juni 2020 gemeldeten Rückfall des im Mai 2018 erlittenen Unfalls mangels Kausalzusammenhangs verneinte. Die Beschwerde ist abzuweisen.  
 
6.  
Ausgangsgemäss sind die Verfahrenskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, II. Kammer, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. August 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Cupa