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[AZA 0] 
6S.35/2000/bue 
 
KASSATIONSHOF 
************************* 
 
2. Juni 2000 
 
Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth, 
Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Schneider, 
Bundesrichterin Escher und Gerichtsschreiber Luchsinger. 
 
--------- 
 
In Sachen 
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Niklaus Ruckstuhl, Binningerstrasse 1, Allschwil, 
 
gegen 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, 
 
betreffend 
Art. 22 Abs. 1, 146 StGB (versuchter Betrug); 
Art. 63 StGB (Strafzumessung), (eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 19. Mai 1999), hat sich ergeben: 
 
 
A.- A.________ gelangte am 16. September 1996 durch einen Entreissdiebstahl unter anderem in den Besitz der Bankkontokarte und der Identitätskarte von Rosa B.________. Mit einem schwarzen Filzstift fügte er auf der Identitätskarte dem maschinengeschriebenen Vornamen "Rosa" die Endung "rio" an, was den Vornamen "Rosario" ergab. In gleicher Weise ergänzte er die Unterschrift mit blauem Kugelschreiber. Zudem heftete er mit zwei Bostichklammern sein eigenes Passfoto über dasjenige der Inhaberin. 
 
Mit diesem veränderten Ausweis begab sich A.________ zu einer Filiale der kontoführenden Bank, legte am Schalter die Kontokarte vor und erkundigte sich, ob er Fr. 1'000.-- beziehen könne. Auf Verlangen legte er die veränderte Identitätskarte der Rosa B.________ vor. Die Kundenberaterin stellte fest, dass das Foto nur angeheftet war und schaltete die Polizei ein. A.________ ergriff die Flucht. 
 
B.- Das Strafgericht Basel-Stadt erkannte A.________ am 8. Mai 1998 wegen versuchten Betrugs schuldig. Im gleichen Verfahren wurde er zudem wegen vorsätzlicher Tötung, mehrfachen Diebstahls, Fälschung von Ausweisen, mehrfacher Sachbeschädigung, qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und mehrfachen Konsums von Betäubungsmitteln zu einer Zuchthausstrafe von insgesamt acht Jahren verurteilt. 
 
C.- Die dagegen erhobene Appellation wurde vom Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 19. Mai 1999 abgewiesen. Das Verfahren wegen mehrfachen Konsums von Betäubungsmitteln wurde zufolge Verjährung vollumfänglich eingestellt. 
 
D.- A.________ führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichts hinsichtlich der Verurteilung wegen versuchten Betrugs und der angeordneten Strafe aufzuheben und die Sache zwecks Freispruchs wegen versuchten Betrugs sowie zur neuen Festsetzung der Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Zudem stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
Das Appellationsgericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Es beantragt die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. 
Die Staatsanwaltschaft hat innert Frist nicht Stellung genommen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Hält der Kassationshof die Beschwerde im Strafpunkt für begründet, so hebt er den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurück (Art. 277ter BStP). Auf die Rechtsbegehren kann nur in diesem Umfang eingetreten werden. 
 
2.- Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen den Schuldspruch des versuchten Betrugs. Er macht im Wesentlichen geltend, sein Vorgehen sei - wie auch die Vorinstanz feststelle - derart plump gewesen, dass das objektive Tatbestandsmerkmal der Arglist fehle. Damit käme auch keine versuchte Tatbegehung in Frage. 
 
a) Die Vorinstanz führt vorerst aus, dass es bei der versuchten Deliktsbegehung genüge, wenn der Täter sämtliche subjektiven Tatbestandsmerkmale erfülle, ohne dass sie auch objektiv in vollem Umfang verwirklicht sein müssten. Sie bezieht sich dabei auf Trechsel (Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 
2. Aufl. 1997, N 1 ff. vor Art. 21 StGB). Daraus schliesst sie, der Beschwerdeführer habe sich des versuchten Betrugs strafbar gemacht. Obwohl er objektiv zwar recht plump vorgegangen sei, habe er subjektiv den Vorsatz eines arglistigen Vorgehens gehabt. 
 
b) Der Tatbestand des Betruges im Sinne von Art. 146 StGB erfordert unter anderem eine arglistige Täuschung. Nach der Rechtsprechung wird strafrechtlich nicht geschützt, wer mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit und zumutbarer Vorsicht den Irrtum hätte vermeiden können (BGE 125 IV 124 E. 3b). Eine Täuschung ist dann arglistig, wenn der Täter eine einfache falsche Angabe macht, deren Überprüfung nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist, sowie dann, wenn der Täter den Getäuschten von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass dieser die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde. 
Eine Täuschung gilt auch dann als arglistig, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften oder Kniffe (manoeuvres frauduleuses; mise en scène) bedient (BGE 122 IV 246 E. 3a). 
Ein Versuch ist gegeben, wenn der Täter sämtliche subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt und seine Tatentschlossenheit kundgetan hat, ohne dass alle objektiven Tatbestandsmerkmale verwirklicht wären (BGE 120 IV 199 E. 3e). Betrugsversuch liegt somit vor, wenn der Täter vorsätzlich und in Bereicherungsabsicht mit der Ausführung einer arglistigen Betrugshandlung begonnen hat, und zwar derart, dass daraus seine Tatentschlossenheit erkennbar wird, selbst wenn die objektiven Elemente dieses Tatbestandes ganz oder teilweise nicht erfüllt werden (BGE 122 IV 246 E. 3a). 
 
Ein strafbarer Betrugsversuch liegt nur dann vor, wenn sich der Vorsatz des Täters auf eine arglistige Täuschung richtet, also auf ein Verhalten, das objektiv als arglistig erscheint. Wesentlich ist, ob die Irreführung in Anbetracht der dem Opfer nach Wissen des Täters zur Verfügung stehenden Möglichkeiten des Selbstschutzes unbezwingbar war. War das Verhalten des Täters objektiv ungeeignet, das Opfer zu täuschen, liegt auch kein Versuch zum Betrug vor. Umgekehrt handelt der Täter mit Betrugsvorsatz, wenn er sich irrig einen Sachverhalt vorstellt, der - wenn er gegeben wäre - eine arglistige Täuschung darstellen würde. Bleibt der vom Täter gesuchte Erfolg nur deshalb aus, weil das Opfer aufmerksamer war oder über mehr Information verfügte als vom Täter vorhergesehen, oder wird das Eintreten des Erfolgs nur durch Zufall vereitelt, liegt ein strafbarer Versuch vor (Ursula Cassani, Der Begriff der arglistigen Täuschung als kriminalpolitische Herausforderung, ZStrR Bd. 117/1999 S. 164, vgl. auch BGE 122 IV 246 E. 3c, wo der Erfolg durch einen vom Täter nicht erwarteten Wissensvorsprung des Opfers verhindert wurde). 
 
c) Der Beschwerdeführer hat in Bereicherungsabsicht gehandelt. Ebenso hat er der Kundenberaterin eine Tatsache vorgespiegelt, nämlich über ein bestimmtes Konto verfügen zu können. Der Erfolg der Handlung ist ausgeblieben (Art. 22 Abs. 1 StGB); es gelang dem Beschwerdeführer nicht, die Kundenberaterin zu einem vermögensschädigenden Verhalten zu bestimmen. 
 
Der Vorsatz des Beschwerdeführers war auf eine Täuschung gerichtet, aber nicht auf eine arglistige. Die Art und Weise seines Vorgehens kann objektiv nicht als arglistig bezeichnet werden. Er hat auf der Identitätskarte der Rosa B.________ deren maschinengeschriebenen Vornamen mit Filzstift ergänzt und sein Foto mit Bostichklammern über demjenigen der Inhaberin befestigt. 
Das Ergebnis entspricht offensichtlich nicht mehr dem Erscheinungsbild eines amtlichen Dokumentes. Die beabsichtigte Täuschung liess sich mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit vermeiden. Damit sind die Handlungen des Beschwerdeführers objektiv nicht geeignet, eine arglistige Täuschung herbeizuführen. Sein Verhalten stellt somit keinen strafbaren Versuch zum Betrug dar. 
 
Dieser Schluss drängt sich auch deshalb auf, weil in einem Fall mit derart plumpen Täuschungsmanövern wie dem vorliegenden selbst der erfolgreiche Täter nicht wegen Betrugs bestraft werden könnte. Hätte die Kundenberaterin unter den gegebenen Umständen (der Beschwerdeführer hatte zugegeben, den Code für die Kontokarte nicht zu kennen) keine Identitätskarte verlangt oder deren Aufmachung keine Aufmerksamkeit geschenkt und dem Beschwerdeführer den gewünschten Betrag ausbezahlt, hätte sie die ihr zumutbaren minimalen Vorsichtsmassnahmen missachtet, womit der Tatbestand des Betrugs nicht mehr erfüllt gewesen wäre. Wenn der Täter aber selbst im (hypothetischen) Erfolgsfall nicht wegen Betrugs bestraft werden könnte, kann er auch nicht wegen versuchten Betrugs bestraft werden. 
 
3.- Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Vorinstanz habe Art. 11 und Art. 66 StGB verletzt, indem sie die gutachterlich festgestellte verminderte Zurechnungsfähigkeit zu wenig berücksichtigt habe. Im Weiteren habe die Vorinstanz die Strafzumessung zu wenig begründet. 
Sie hätte eine Grundstrafe für das schwerste Delikt, die vorsätzliche Tötung, festsetzen, diese aufgrund der im mittleren Grade verminderten Zurechnungsfähigkeit herabsetzen und die so errechnete Strafe für die weiteren Delikte wieder heraufsetzen müssen, unter Berücksichtigung der für die jeweiligen Taten geltenden Grade der verminderten Zurechnungsfähigkeit. 
 
a) Der Richter misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Er berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen (Art. 63 StGB). Die Rechtsprechung hat im Einzelnen dargelegt, welche Faktoren bei der Tat- und bei der Täterkomponente miteinzubeziehen sind. In jedem Fall bleibt dem Sachrichter innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ein erhebliches Ermessen, in welches das Bundesgericht nur eingreift, wenn der Sachrichter von unmassgeblichen Gesichtspunkten ausgegangen ist oder entscheidende Elemente übersehen oder falsch gewichtet hat. Damit das Bundesgericht die verhängte Strafe überprüfen kann, müssen alle wesentlichen Strafzumessungskriterien in die schriftliche Urteilsbegründung Eingang finden. Wesentlich sind die Nennung des Strafrahmens, der Tat- und Täterkomponenten und inwiefern sie strafmindernd oder -erhöhend gewichtet worden sind. Dabei müssen die einzelnen Strafzumessungsfaktoren nicht in allen Einzelheiten ausgebreitet werden, sondern die wesentlichen Elemente müssen erkennbar sein (grundlegend BGE 117 IV 112 E. 1; 123 IV 150 E. 2a). 
 
b) Die Vorinstanz verweist bei der Strafzumessung vorerst auf die Begründung im erstinstanzlichen Entscheid. Daraus geht hervor, dass das Tötungsdelikt im Vordergrund stehe und das diesbezügliche Verschulden schwer wiege. Nicht leicht sei auch das Verschulden im Zusammenhang mit dem Handel von 200 g gestrecktem Kokain und einer kleinen Menge Heroin zu gewichten. Die weiteren Delikte (8 Diebstähle, 5 Sachbeschädigungen, versuchter Betrug, Fälschung von Ausweisen) seien nicht zu bagatellisieren. Die Vorstrafen werden zu Lasten des Beschwerdeführers angeführt. Hingegen wird ihm eine schwierige Jugend, gezeichnet von familiären Problemen und anschliessenden Heimaufenthalten, zugute gehalten. 
Ebenso wird die fehlende berufliche Integration und die immer wiederkehrende Drogensucht, ganz allgemein die schwierige persönliche Situation, zu seinen Gunsten berücksichtigt. 
Auf die Erkenntnisse des psychiatrischen Gutachtens wird Bezug genommen. Schliesslich wird das Geständnis im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt und der einsichtige und reuige Eindruck des Beschwerdeführers positiv vermerkt. Die Vorinstanz selber setzt sich einlässlich mit den Einwendungen gegen das psychiatrische Gutachten auseinander und verweist auch auf die zu Gunsten des Beschwerdeführers angenommene weitergehende Verminderung der Zurechnungsfähigkeit. Ein schematisches Vorgehen zur Festsetzung des Strafmasses hält sie im vorliegenden Fall für ungeeignet. 
 
c) Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit zu wenig berücksichtigt, erweist sich als unbegründet. 
Die Strafzumessung wird einlässlich dargelegt und ist nachvollziehbar. Insbesondere wird erkennbar, welche Faktoren dem Beschwerdeführer zur Last gelegt und welche ihm zugute gehalten werden. Der Sachrichter ist darüber hinaus nicht verpflichtet, im Urteil in absoluten Zahlen oder Prozenten anzugeben, welche Elemente er straferhöhend oder strafmindernd berücksichtigt hat. Es kommt einzig darauf an, dass die festgelegte Strafe insgesamt, d.h. unter Berücksichtigung aller massgebenden Gesichtspunkte, im Ergebnis bundesrechtlich vertretbar ist (BGE 121 IV 49 E. 2a/aa). Dies ist vorliegend der Fall. 
 
4.- Die Nichtigkeitsbeschwerde ist somit teilweise gutzuheissen. Ausgangsgemäss steht dem Vertreter des Beschwerdeführers eine herabgesetzte Entschädigung zu, womit das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos wird. Soweit der Beschwerdeführer unterliegt, müssen die Vorbringen als zum Vornherein aussichtslos bezeichnet werden. Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird angesichts des Ausgangs des Verfahrens und der Situation des Beschwerdeführers verzichtet. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 19. Mai 1999 hinsichtlich der Verurteilung wegen versuchten Betrugs aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.- Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
4.- Dem Vertreter des Beschwerdeführers wird eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 
 
5.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Staatsanwaltschaft sowie dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
 
--------- Lausanne, 2. Juni 2000 
 
 
Im Namen des Kassationshofes 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: