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[AZA] 
I 310/99 Gi 
 
III. Kammer  
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiberin Glanzmann 
 
Urteil vom 17. Januar 2000  
 
in Sachen 
 
P.________, 1940, Beschwerdeführer, vertreten durch 
Fürsprecher D.________, 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Bern, Chutzenstrasse 10, Bern, Be- 
schwerdegegnerin, 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
    A.- Mit zwei Verfügungen vom 7. September 1993 sprach 
die Ausgleichskasse Musik und Radio dem 1940 geborenen 
P.________ auf Grund eines Invaliditätsgrades von 50 % eine 
halbe Rente der Invalidenversicherung vom 1. Februar bis 
31. Oktober 1991 und ab 1. November 1991 zu. Die (neu zu- 
ständige) IV-Stelle Bern bestätigte diese mit Verfügung vom 
 
10. Juni 1996. Am 2. April 1997 trat sie verfügungsweise 
auf ein Revisionsgesuch vom 12. März 1997 nicht ein. Eine 
sodann anfangs Mai 1997 auf erneutes Ersuchen des Versi- 
cherten eingeleitete Rentenrevision ergab keine erhebliche 
Veränderung des Gesundheitszustandes, weshalb die IV-Stelle 
Bern am 8. September 1998 die Weiterausrichtung der halben 
Rente verfügte. 
 
    B.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwal- 
tungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 19. April 
1999). 
 
    C.- P._______ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde füh- 
ren und beantragen, der kantonale Entscheid und die Ver- 
fügung der IV-Stelle vom 8. September 1998 seien aufzuheben 
und es sei ihm ab 24. April 1997 eine ganze Invalidenrente 
zuzuerkennen; eventuell sei die Sache zwecks Neufestlegung 
des Invaliditätsgrades an das Verwaltungsgericht, mögli- 
cherweise an die IV-Stelle, zurückzuweisen. 
    Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungs- 
gerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung 
lässt sich nicht vernehmen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen 
über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), den 
Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), 
die Bemessung des Invaliditätsgrades nach der Einkommens- 
vergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG), die Revision der 
Invalidenrente (Art. 41 IVG; Art. 87 Abs. 3 IVV) und die 
dabei zu vergleichenden Sachverhalte (BGE 109 V 265 
Erw. 4a, 106 V 87 Erw. 1a, 105 V 30; siehe auch BGE 112 V 
372 Erw. 2b und 390 Erw. 1b) zutreffend dargelegt. Darauf 
kann verwiesen werden. 
 
    2.- Streitig und zu prüfen ist, ob im Zeitraum zwi- 
schen dem Erlass der beiden Kassenverfügungen vom 7. Sep- 
tember 1993 und der Verfügung der IV-Stelle vom 8. Septem- 
ber 1998 eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen 
eingetreten ist, welche eine revisionsweise Heraufsetzung 
der halben auf eine ganze Invalidenrente begründet. 
 
    3.- a) In medizinischer Hinsicht lagen den zwei Kas- 
senverfügungen vom 7. September 1993 vor allem das Gutach- 
ten des Spitals X._______ der Medizinischen Abteilung des 
Spitals X.________ vom 31. Dezember 1992 und der Bericht 
der Beruflichen Abklärungsstelle, (BEFAS), vom 15. Mai 1992 
zu Grunde. Im Spital X._______ wurde ein chronisch-invali- 
disierendes Schmerzsyndrom mit mässig ausgeprägten organi- 
schen Substraten im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule 
sowie bei u.a. depressiver Grundstimmung diagnostiziert. Im 
Rahmen der BEFAS-Abklärung vom 6. April bis 1. Mai 1992 
wurde aus ärztlicher Sicht ein chronisches tendomyotisches, 
vertebragenes Lumbal- und Zervikalsydrom sowie leichte Pe- 
riarthropathien der linken Schulter und der Hüfte festge- 
stellt. Dabei verneinten beide Institutionen eine Arbeits- 
fähigkeit in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Hilfs-An- 
tennenbauer. In einer leidensangepassten Beschäftigung 
schätzte das Spital X._______ die Arbeitsfähigkeit auf 
30 %. Die beruflichen Abklärungen in der BEFAS hatten dies- 
bezüglich bei ganztägigem Einsatz eine Leistungsfähigkeit 
von 50 % ergeben. 
    Anlässlich der ab anfangs Mai 1997 durchgeführten Ren- 
tenrevision holte die IV-Stelle wiederum ein Gutachten des 
Spitals X._______ ein, welches am 15. Juni 1998 Bericht er- 
stattete. Die Diagnose lautete auf chronisches Schmerzsynd- 
rom des Rückens mit Lumbovertebralgien und Zervikobrachial- 
gien mit radiologischem Nachweis degenerativer Zeichen am 
Achsenskelett. Dazu hielt es fest, ein Vergleich der aktu- 
ellen Befunde mit denjenigen vom 31. Dezember 1992 zeige 
bezüglich der Befunde des Achsenskelettes stationäre Ver- 
hältnisse. Das Fehlen der Beschreibung einer Beweglich- 
keitseinschränkung der Schultern in der Voruntersuchung 
lasse auf eine Progredienz dieser Befunde schliessen. Ein 
psychisches Leidensbild, welches den Krankheitsverlauf re- 
levant beeinflusst, lag nicht vor: Die im Vorgutachten er- 
wähnte depressive Grundstimmung sei nicht mehr feststell- 
bar. In der Folge wurde die Arbeitsfähigkeit in einer ge- 
eigneten Tätigkeit auf 30 % geschätzt, wobei die tägliche 
Arbeitsleistung drei Stunden nicht übersteigen dürfe. 
 
    b) In Würdigung der umfassenden und schlüssig begrün- 
deten Beurteilung des Spitals X._______ vom 15. Juni 1998, 
auf welche ohne weiteres abzustellen ist (vgl. BGE 122 
V 160 Erw. 1c), steht fest, dass sich der Sachverhalt zur 
Zeit der streitigen Revisionsverfügung vom 8. September 
1998 im Vergleich wie er im Zeitpunkt der ursprünglichen 
Verfügungen vom 7. September 1993 bestanden hat, in einem 
anderen Lichte präsentiert. Wenn auch der Grad der Arbeits- 
fähigkeit gleich geblieben ist (30 %), hat sich der Gesund- 
heitszustand erheblich verändert. In psychischer Hinsicht 
ist eine Verbesserung eingetreten, liegt doch die depres- 
sive Grundstimmung, welche im Gutachten des Spitals 
X.________ vom 31. Dezember 1992 diagnostiziert worden war, 
nicht mehr vor. Dagegen haben sich die somatischen Beein- 
trächtigungen verschlechtert. So förderte die Untersuchung 
des Bewegungsapparates - anders als bei der erstmaligen Be- 
funderhebung im Jahre 1992 - u.a. einen aktiven und passi- 
ven Elevationsausfall über 100° der beiden Schultergelenke 
zu Tage. Bei der Beantwortung der Gutachterfragen wurde 
denn auch ausdrücklich auf den diesbezüglich progredienten 
Verlauf hingewiesen. Nachdem das Ausmass der Arbeitsfähig- 
keit im Ergebnis nicht geändert hat, bedeutet dies nichts 
anderes, als dass der Wegfall der psychischen Beeinträchti- 
gung durch die zugenommene Einschränkung im Bewegungsappa- 
rat kompensiert wurde. 
    Insoweit die IV-Stelle gestützt auf den BEFAS-Bericht 
vom 15. Mai 1992 von einer Arbeitsunfähigkeit von 50 % aus- 
geht (vgl. Sachbearbeitungsprotokoll vom 9. Juli 1998), 
lässt sie ausser Acht, dass diese im Rahmen der beruflichen 
Abklärung festgesetzt wurde. Indes ist die Festlegung der 
Arbeitsfähigkeit Aufgabe des Arztes und nicht des Berufsbe- 
raters (BGE 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 
Erw. 1). Dazu kommt, dass der Beurteilung der beruflichen 
Eingliederung vom 15. Mai 1992 eine Ganztagesbeschäftigung 
zu Grunde liegt, während im Gutachten des Spitals X._______ 
vom 15. Juni 1998 speziell festgehalten wurde, dass die 
tägliche Arbeitsleistung drei Stunden nicht übersteigen 
dürfe. 
 
    4.- a) Zu prüfen bleibt die erwerbliche Seite. Dabei 
ist unbestritten, dass das ohne Invalidität vom Versicher- 
ten erzielbare Einkommen (Valideneinkommen) im Jahre 1998 
Fr. 59'513.20 betrug. 
 
    b) Für die Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung 
zumutbarerweise noch realisierbaren Einkommens (Invaliden- 
einkommen) können nach der Rechtsprechung Tabellenlöhne 
beigezogen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der 
Versicherte - wie hier - nach Eintritt des Gesundheitsscha- 
dens keine neue Erwerbstätigkeit aufgenommen hat (BGE 124 V 
322 Erw. 3b/aa mit Hinweisen). 
    Laut Tabelle A 1 der LSE 1996 belief sich der Zentral- 
wert für die mit einfachen und repetitiven Aufgaben (Anfor- 
derungsniveau 4) beschäftigten Männer im privaten Sektor 
(bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden) im 
Jahre 1996 auf Fr. 4294.-, was bei Annahme einer betriebs- 
üblichen durchschnittlichen Arbeitszeit von 41,9 Stunden 
(Die Volkswirtschaft, 1999 Heft 12, Anhang S. 27, Tabelle B 
9.2) ein Gehalt von monatlich Fr. 4498.- oder Fr. 53'976.- 
im Jahr (Fr. 4498.- x 12) ergibt. Angepasst an die Nominal- 
lohnentwicklung 1997 von 0,5 % und 1998 von 0,7 % (Die 
Volkswirtschaft, 1999 Heft 12, Anhang S. 28, Tabelle B 
10.2) beträgt das Invalideneinkommen im Jahre 1998 
Fr. 54'625.60, welches sich auf Grund der eingeschränkten 
Arbeitsfähigkeit auf Fr. 16'387.70 (Fr. 54'625.60 x 0,30) 
reduziert. Verglichen mit dem Valideneinkommen von- 
Fr. 59'513.20 (vgl. Erw. 4a) resultiert somit - unabhängig 
eines zusätzlichen Abzuges, welcher ohnehin nicht generell 
und in jedem Fall zur Anwendung kommt (AHI 1999 S. 181, 
1998 S. 177 Erw. 3a; RKUV 1999 Nr. U 343 S. 414 Erw. 4b/cc, 
1998 Nr. U 304 S. 373) - ein Invaliditätsgrad von rund 
72,5 %, was Anspruch auf eine ganze Invalidenrente gibt. 
 
    5.- Was den Zeitpunkt der Rentenanpassung betrifft, so 
bildet Art. 88bis IVV Ausgangspunkt. Nach dessen Abs. 1 
lit. a erfolgt die Erhöhung der Rente, sofern der Versi- 
cherte die Revision verlangt, frühestens von dem Monat an, 
in dem das Revisionsbegehren gestellt wurde. 
    Im vorliegenden Fall ging das Revisionsgesuch am 
24. April 1997 bei der Verwaltung ein, weshalb die bis an- 
hin bezogene halbe Invalidenrente ab 1. April 1997 auf eine 
ganze Invalidenrente zu erhöhen ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wer- 
    den der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons 
    Bern vom 19. April 1999 und die Verfügung der IV-Stel- 
    le Bern vom 8. September 1998 aufgehoben und es wird 
    festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab 1. April 
    1997 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente hat. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Die IV-Stelle Bern hat dem Beschwerdeführer für das 
    Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht 
    eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliess- 
    lich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV.Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wird über eine 
    Parteientschädigung für das kantonale Verfahren ent- 
    sprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses 
    zu befinden haben. 
 
V.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge- 
    richt des Kantons Bern, der Ausgleichskasse Musik und 
    Radio und dem Bundesamt für Sozialversicherung zuge- 
    stellt. 
 
 
Luzern, 17. Januar 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: