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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_1173/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 13. Mai 2016  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterinnen Jacquemoud-Rossari, Jametti, 
Gerichtsschreiberin Pasquini. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einholung eines Gutachtens, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 27. August 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Bezirksgericht Winterthur sprach X.________ am 11. September 2014 des gewerbsmässigen Betrugs, der mehrfachen Veruntreuung und der mehrfachen Urkundenfälschung schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten, davon 18 Monate mit bedingtem Vollzug bei einer Probezeit von 4 Jahren. 
Gegen diesen Entscheid erhob X.________ Berufung. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 27. August 2015 das erstinstanzliche Urteil. 
 
B.  
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 27. August 2015 aufzuheben und die Sache zur Einholung eines psychiatrischen Gutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei der unbedingt vollziehbare Teil der Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung seiner verminderten Schuldfähigkeit von 18 Monaten auf 12 Monate zu reduzieren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht kein psychiatrisches Gutachten betreffend seine Schuldfähigkeit eingeholt. Im Bericht von Dr. med. A.________, den er der Vorinstanz eingereicht habe, werde auf eine psychische Störung hingewiesen. Aufgrund übermässiger Verlustängste hätte er fast jede Straftat auf sich genommen. Die Spielsucht, wofür ein Teil der Beute verwendet worden sei, habe er auf sich genommen, um seine Partnerin nicht zu verlieren. Durch die Festigung der Beziehung und die Fortschritte in den psychiatrischen Sitzungen könne er nun zugeben, dass nicht er, sondern seine Partnerin spielsüchtig sei. Anstatt dies als positive Entwicklung zu werten, stufe die Vorinstanz dies als Taktik ein, obwohl es ein zusätzliches Indiz (Schutz der Partnerin, Verlustängste) für eine Persönlichkeitsstörung im Zeitpunkt der Tat sei. Im Tatzeitpunkt sei kein kompletter Realitätsbezug gegeben gewesen. In einer Tiefphase habe er lediglich über den Verlust der Partnerin nachgedacht und nicht über eine allfällige Strafe oder dass die Taten aufgedeckt würden. Da ein normaler Realitätsbezug gefehlt habe, hätte ein Gutachten eingeholt werden müssen. Eine bipolare affektive Störung trete nicht von heute auf morgen ein. Angesichts des Motivs und den weiteren Ausführungen von Dr. med. A.________ könne ein Zusammenhang zwischen der psychischen Störung und der Straftat festgestellt werden (Beschwerde S. 1-3).  
 
1.2. Die Vorinstanz hält fest, es bestünden erhebliche Vorbehalte hinsichtlich der vom Beschwerdeführer erst im Berufungsverfahren vorgebrachten Darstellung. Ob diese zutreffe, könne jedoch offenbleiben. Es bestünde selbst unter der Annahme, dass die Lebenspartnerin des Beschwerdeführers im Zeitpunkt seiner Delinquenz spielsüchtig gewesen sei und er infolge von Verlustängsten delinquiert habe, kein Anlass, ernsthaft an seiner Schuldfähigkeit zu zweifeln. Zwar sei es nicht üblich, dass jemand betrügerische Handlungen zum Nachteil seiner Arbeitgeberin begehe und ihm anvertraute Gelder veruntreue, um sich bzw. seiner Freundin einen bestimmten Lebensstil zu finanzieren. Damit liege kein alltägliches Verhalten vor. Für die Annahme verminderter Schuldfähigkeit müsse sich das Verhalten des Delinquenten jedoch auch vom Durchschnitt vergleichbarer Täter unterscheiden. In diesem Vergleich erweise sich das Verhalten des Beschwerdeführers nicht als völlig unüblich oder unerklärlich. Das von ihm geltend gemachte Motiv für seine Straftaten bilde jedenfalls keinen Anlass zu ernsthaften Zweifeln an seiner Schuldfähigkeit. Der eingereichte Bericht von Dr. med. A.________ vermöge an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Darin sei zwar festgehalten, dass während der anfangs 2012 erfolgten stationären Behandlung des Beschwerdeführers eine bipolare Störung festgestellt worden sei. Ob sich diese Diagnose im Laufe seiner psychiatrischen Behandlung bestätigt habe, bleibe indes offen. Im Übrigen seien bezüglich dieser Störung keine weiteren ärztlichen Unterlagen eingereicht worden. Im Bericht von Dr. med. A.________ werde zudem weder darauf eingegangen, inwiefern die beim Beschwerdeführer festgestellte Störung im Zusammenhang mit seinem strafbaren Verhalten stehen könne, noch werde dargelegt, ob und in welchem Ausmass sich diese auf seine Schuldfähigkeit ausgewirkt haben könnte. Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe gemäss eigenen Angaben nicht die gesamte Deliktssumme für das Glücksspiel bzw. gemäss neuerer Darstellung für seine Lebenspartnerin ausgegeben. Das Geld habe er unter anderem auch für allgemeine Lebenshaltungskosten, einschliesslich Unterhaltsbeiträge für seine Ex-Ehefrau, sowie zur Bezahlung alter Schulden verwendet. Dies spreche gegen die Annahme, dass der Beschwerdeführer hochgradig spielsüchtig sei bzw. - wie er neu geltend mache - sein Verhalten völlig auf die Zufriedenstellung seiner Lebenspartnerin ausgerichtet habe. In seinen Vorgehensweisen seien keine Anzeichen dafür ersichtlich, dass er in seiner Schuldfähigkeit eingeschränkt gewesen wäre. Dies gelte unabhängig davon, ob gemäss seiner früheren Darstellung davon ausgegangen werde, dass er im Zeitpunkt der Delinquenz in beträchtlichem Umfang gespielt habe, oder auf seine aktuelle Version abgestellt werde, wonach lediglich seine Partnerin spielsüchtig gewesen sei und er sie mit der Finanzierung der Sucht habe zufriedenstellen wollen. Die Tatausführung zeichne sich durch keinerlei Auffälligkeiten aus, die auf eine verminderte Schuldfähigkeit hindeuten würden. Der Beschwerdeführer sei zielgerichtet und raffiniert vorgegangen. Bei auftretenden Schwierigkeiten sei er imstande gewesen, seine Vorgehensweise den neuen Begebenheiten anzupassen. Als die Zusammenarbeit mit der B.________ GmbH habe eingestellt werden müssen und die der Privatklägerin vorgelegten Rechnungen nicht mehr über dieses Unternehmen laufen konnten, habe der Beschwerdeführer seine betrügerischen Handlungen etwa unter Zuhilfenahme eines von ihm gegründeten fiktiven Unternehmens fortgesetzt. Bei den veruntreuten Mietzinskautionen sei er sodann in der Lage gewesen, auf Rückforderungsansprüche einzelner Mieter wiederum mit neuen Täuschungshandlungen zu reagieren. Sein Verhalten erscheine insoweit überlegt und koordiniert. Besondere Verhaltensweisen oder Auffälligkeiten in der jüngeren Biographie oder den Lebensumständen des Beschwerdeführers, die ernsthafte Zweifel an seiner Schuldfähigkeit erwecken würden, seien ebenfalls nicht ersichtlich. Daran ändere nichts, dass er kurz nach der Einleitung des Strafverfahrens aufgrund akuter Suizidalität (zweimal) in eine psychiatrische Klinik habe eingewiesen werden müssen. Aus den genannten Umständen seien somit keine Rückschlüsse auf eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit im Tatzeitpunkt zu ziehen. Sie würden für sich alleine deshalb kein Grund für eine psychiatrische Begutachtung bilden. Nach dem Gesagten bestehe kein ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers zu zweifeln. Von seiner psychiatrischen Begutachtung bzw. vom Einholen eines umfassenden Berichts bei Dr. med. A.________ betreffend die Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers sei deshalb abzusehen. Auch unter der Annahme, dass seine Lebenspartnerin spielsüchtig gewesen sei und er die Delinquenz aufrecht erhalten habe, um ihre Sucht zu finanzieren, bestünden keine Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers (Urteil S. 9 ff. E. 3).  
 
1.3.  
 
1.3.1. War der Täter zur Zeit der Tat nur teilweise fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so mildert das Gericht die Strafe (Art. 19 Abs. 2 StGB).  
 
1.3.2. Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an (Art. 20 StGB).  
Ein Gutachten ist anzuordnen, wenn das Gericht nach den Umständen des Falles ernsthafte Zweifel an der Schuldfähigkeit hat oder haben sollte. Bei der Prüfung dieser Zweifel ist zu berücksichtigen, dass nicht jede geringfügige Herabsetzung der Fähigkeit, sich zu beherrschen, genügt, um verminderte Schuldfähigkeit anzunehmen. Der Betroffene muss vielmehr in hohem Masse in den Bereich des Abnormen fallen. Seine Geistesverfassung muss nach Art und Grad stark vom Durchschnitt nicht bloss der Rechts-, sondern auch der Verbrechensgenossen abweichen. Die Notwendigkeit, einen Sachverständigen zuzuziehen, ist erst gegeben, wenn Anzeichen vorliegen, die geeignet sind, Zweifel hinsichtlich der vollen Schuldfähigkeit zu erwecken, wie etwa ein Widerspruch zwischen Tat und Täterpersönlichkeit oder ein völlig unübliches Verhalten. Zeigt das Verhalten des Täters vor, während und nach der Tat, dass ein Realitätsbezug erhalten war, dass er sich an wechselnde Erfordernisse der Situation anpassen, auf eine Gelegenheit zur Tat warten oder diese gar herbeiführen konnte, so hat eine schwere Beeinträchtigung nicht vorgelegen (BGE 133 IV 145 E. 3.3 S. 147 f. mit Hinweisen; Urteil 6B_132/2015 vom 21. April 2015 E. 3.5.2). 
 
1.3.3. Die verminderte Schuldfähigkeit ist, wie die Schuldunfähigkeit, ein Zustand des Täters (BGE 134 IV 132 E. 6.1 S. 136). In welchem Zustand sich der Täter zur Tatzeit befand, ist Tatfrage. Rechtsfrage ist hingegen, ob die Vorinstanz den Begriff der verminderten Schuldfähigkeit richtig ausgelegt und angewendet hat (BGE 107 IV 3 E. 1a).  
 
1.4. Gemäss den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz besteht nach den Umständen des Falles, auch angesichts des im Berufungsverfahren geltend gemachten Motivs für die Straftaten und der gemäss Bericht von Dr. med. A.________ im Jahr 2012 diagnostizierten bipolaren affektiven Störung (ICD-10; F31.3), kein ernsthafter Anlass an der vollen Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers zu zweifeln. Soweit sich dieser von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz entfernt, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Er macht nicht geltend und es ist auch nicht ersichtlich, dass diese willkürlich sind (vgl. Art. 105 Abs. 1 und Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 141 IV 305 E. 1.2; 140 III 16 E. 2.1; je mit Hinweisen). Das von der Vorinstanz festgestellte raffinierte und zielstrebige Vorgehen sowie das überlegte und koordinierte Verhalten des Beschwerdeführers vor sowie während der Taten zeigt auf, dass sein Realitätsbezug entgegen seinem Einwand stets vorhanden war. Er konnte sich problemlos den Erfordernissen der jeweiligen Situation anpassen. Der intakte Realitätsbezug und das wohl überlegte Handeln des Beschwerdeführers über einen Zeitraum von über zwei Jahren lassen jedenfalls betreffend Tatbegehungen keine Beeinträchtigung der Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit erkennen. Auch in Würdigung der vom Beschwerdeführer erneut geltend gemachten besonderen Umstände, namentlich seiner massiven Verlustängste und der damaligen Diagnose der bipolaren affektiven Störung, sind vorliegend keine objektiven Anhaltspunkte vorhanden, wonach sich dessen Geistesverfassung im Zeitpunkt der Taten in hohem Masse im Bereich des Abnormen befunden hätte. Es ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz auf die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens verzichtet hat. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.  
 
2.  
Soweit sich der Beschwerdeführer zur Strafzumessung äussert (Beschwerde S. 3 f.), genügen seine Vorbringen den Begründungsanforderungen nicht (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG; BGE 140 III 115 E. 2 mit Hinweisen; 134 II 244 E. 2.1), da er sich mit keinem Wort mit den entsprechenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid auseinander setzt (Urteil S. 12 ff.). Darauf kann nicht eingetreten werden. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Mai 2016 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini