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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_631/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 16. September 2016  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Schär. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Rechtsdienst der Amtsleitung, 
Feldstrasse 42, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Strafvollzug; Geldüberweisung ab Sperrkonto, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichter, vom 9. Mai 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
X.________ verbüsst derzeit eine Strafe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Pöschwies. Mit Hausbrief für den Zahlungsverkehr vom 24. August 2015 beantragte X.________, jährlich den Betrag von Fr. 1'200.-- ab seinem Sperrkonto als Familienunterstützung an A.________ in Schlieren überweisen zu dürfen. Mit interner Mitteilung vom 31. August 2015 lehnte dies die Direktion der JVA Pöschwies ab. 
Dagegen erhob X.________ am 15. September 2015 Rekurs bei der Direktion der Justiz und des Innern (Justizdirektion). Mit Verfügung vom 6. November 2015 wies die Justizdirektion den Rekurs ab. 
 
B.  
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hiess die von X.________ gegen die Verfügung der Justizdirektion erhobene Beschwerde am 9. Mai 2016 hinsichtlich der Frage der unentgeltlichen Rechtspflege gut, im Übrigen wies es die Beschwerde ab. 
 
C.  
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2016 sei aufzuheben und es sei ihm zu bewilligen, A.________ jährlich den Betrag von Fr. 1'200.-- ab seinem Sperrkonto überweisen zu dürfen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht X.________ um Gewä hrung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Vorliegend geht es um die Verwendung des Arbeitsentgelts eines Gefangenen. Dabei handelt es sich zwar nicht um einen Vollzugsentscheid im eigentlichen Sine, jedoch um eine Verfügung im Rahmen von Art. 83 Abs. 2 StGB im Strafvollzug. Die Beschwerde in Strafsachen ist daher gestützt auf Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG zulässig (vgl. Urteil 6B_911/2015 vom 9. November 2015 E. 1.1 mit Hinweis). 
 
2.  
Soweit sich der Beschwerdeführer mit Themen befasst, welche nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens bildeten, kann das Bundesgericht darauf nicht eintreten. Dies betrifft z.B. seine Ausführungen zu Vollzugslockerungen, zur bedingten Entlassung sowie zu Zwangstherapien. Gleiches gilt, soweit sich der Beschwerdeführer auf frühere Verfahren vor dem Verwaltungs- oder dem Bundesgericht bezieht. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die Vorinstanz zu Unrecht die Überweisungen an A.________ nicht bewillige. Das vorinstanzliche Urteil sei willkürlich und verletze den Grundsatz von Treu und Glauben. 
 
3.1. Gemäss Art. 19 der Verordnung vom 19. September 2006 zum Strafgesetzbuch und zum Militärstrafgesetz (V-StGB-MStG; SR 311.01) richtet sich die Höhe des Arbeitsentgeltes des Gefangenen nach Art. 83 StGB. Dessen Verwendung durch die gefangene Person wird von den Kantonen festgelegt. Art. 83 Abs. 2 StGB enthält eine Rahmenvorschrift zur Verwendung des Arbeitsentgeltes. Danach kann der Gefangene während des Vollzugs nur über einen Teil seines Arbeitsentgeltes frei verfügen. Aus dem anderen Teil wird für die Zeit nach der Entlassung eine Rücklage gebildet. Die Einzelheiten der Verwendung des Arbeitsentgeltes richten sich nach kantonalem Recht, vorliegend nach der Justizvollzugsverordnung des Kantons Zürich vom 6. Dezember 2006 (JVV; LS 331.1) und den Richtlinien der Ostschweizerischen Strafvollzugskommission über das Arbeitsentgelt in Strafvollzugsanstalten vom 7. April 2006 (Richtlinien über das Arbeitsentgelt), auf welche § 104 Abs. 1 JVV verweist. Ziff. 4.1 der Richtlinien über das Arbeitsentgelt schreibt vor, das Arbeitsentgelt anteilsmässig auf das Sperr- und Freikonto aufzuteilen sowie für die Wiedergutmachung zu verwenden. Gemäss Ziff. 4.2 der Richtlinien über das Arbeitsentgelt wird auf dem Sperrkonto für die Zeit nach der Entlassung eine Rücklage gebildet. Dem Sperrkonto werden zwischen 30 und 50 Prozent des Arbeitsentgeltes gutgeschrieben. Die Anstaltsleitung kann, sofern auf dem Sperrkonto ein Mindestbetrag von Fr. 3'100.-- verbleibt, während des Freiheitsentzugs Bezüge vom Sperrkonto bewilligen, insbesondere zur Unterstützung des Ehe- und Lebenspartners und der Kinder der eingewiesenen Person (Ziff. 4.2 Abs. 3 lit. a der Richtlinien über das Arbeitsentgelt).  
 
3.2. Umstritten ist vorliegend die Anwendung von Ziff. 4.2 Abs. 3 lit. a der Richtlinien über das Arbeitsentgelt. Deren Auslegung hat sich, wie von der Vorinstanz zutreffend festgehalten, am Sinn und Zweck von Art. 83 Abs. 2 StGB zu orientieren. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung soll dem Gefangenen im Zeitpunkt der Entlassung ein möglichst hohes Startkapital zur Verfügung stehen. Folglich kommt eine Verwendung der Rücklage auf dem Sperrkonto während des Vollzuges von vornherein nur ausnahmsweise in Betracht, und insbesondere ist sie nur zuzulassen, wenn damit für die Zeit nach der Entlassung des Gefangenen vorgesorgt wird (Urteil 6B_203/2011 vom 26. April 2011 E. 4). In der Doktrin wird die Auffassung vertreten, dass die Beanspruchung der Rücklage während des Vollzugs im Widerspruch zum Bundesrecht stehe, wenn die Formulierung "Zeit nach der Entlassung" eng ausgelegt werde. Eine solch enge Auslegung sei allerdings stossend, wenn sich ein unterstützungspflichtiger Gefangener im Strafvollzug einen grösseren Geldbetrag zusammensparen könne, während seine Frau und Kinder fürsorgeabhängig seien. Solche Unterstützungsleistungen stellten ebenso wie Auslagen für eine gezielte Aus- und Weiterbildung in einem weiteren Sinn auch Auslagen für die Zeit nach der Entlassung dar (THOMAS NOLL, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. Aufl. 2013, N. 16 zu Art. 83 StGB). Dem ist zuzustimmen. Gegenüber Ehepartnern und eingetragenen Partnern besteht eine gesetzliche Unterhaltspflicht (Art. 163 ZGB und Art. 13 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare [PartG; SR 211.231]). Ein Gefangener soll seinen Unterhaltsverpflichtungen nach Möglichkeit auch während der Verbüssung einer Freiheitsstrafe nachkommen und nach der Entlassung wieder in sein familiäres Umfeld zurückkehren. In diesem Rahmen müssen Überweisungen vom Sperrkonto zulässig sein. Es stellt sich die Frage, inwieweit vom Sperrkonto auch Überweisungen an "andere Partner" bewilligt werden können.  
 
3.2.1. Die Vorinstanz prüft in diesem Zusammenhang, ob den Beschwerdeführer aufgrund der Art und Intensität der Beziehung zu A.________ eine rechtliche oder ähnlich bindende Pflicht wie in der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft zur Unterstützung trifft, was höchstens bei einem qualifizierten Konkubinat der Fall sei.  
 
3.2.2. Die zivilrechtliche Rechtsprechung versteht unter einem qualifizierten bzw. gefestigten Konkubinat "eine auf längere Zeit, wenn nicht auf Dauer angelegte umfassende Lebensgemeinschaft zweier Personen unterschiedlichen Geschlechts mit grundsätzlich Ausschliesslichkeitscharakter, die sowohl eine geistig-seelische als auch eine wirtschaftliche Komponente aufweist" (BGE 138 III 97 E. 2.3.3). Die Vorinstanz weist darauf hin, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung selbst bei vollständigem Fehlen einer Geschlechtsgemeinschaft eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegen kann, sofern die Partner in einer festen und ausschliesslichen Zweierbeziehung leben, sich gegenseitig die Treue halten und sich umfassenden Beistand leisten (BGE 118 II 235 E. 3b mit Hinweisen). Sie gelangt zum Schluss, dass ein gefestigtes Konkubinat zwischen dem Beschwerdeführer und A.________ so oder anders nicht vorliege. Weder habe der Beschwerdeführer mit ihr im Konkubinat gelebt noch handle es sich um eine gefestigte Beziehung, da diese erst seit weniger als einem Jahr bestehe. Die junge Beziehung habe in keiner Weise die Wirkungen eines gefestigten Konkubinats bzw. einer umfassenden Lebensgemeinschaft erreicht. Den Beschwerdeführer treffe gegenüber A.________ auch keinerlei Unterstützungs- bzw. Unterhaltspflicht, weshalb ihm die beantragten Überweisungen ab seinem Sperrkonto nicht gestattet werden könnten.  
 
3.2.3. Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Gestützt auf ihre Sachverhaltsfeststellungen durfte die Vorinstanz ohne Weiteres davon ausgehen, dass es sich bei der Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und A.________ nicht um ein gefestigtes Konkubinat handelt. Dabei trägt sie dem Umstand Rechnung, dass die Beziehung aufgrund des Strafvollzugs nicht in gleichem Masse gelebt werden kann, wie dies ausserhalb des Strafvollzugs der Fall wäre. Diesbezüglich macht der Beschwerdeführer geltend, auch einem Verwahrten stehe es zu, ein Sozialleben zu pflegen und die Vollzugsbehörden müssten ihn bei seinen Resozialisierungsbemühungen unterstützen, wozu auch die beantragten Überweisungen an seine Partnerin A.________ zählten. Dazu verweist er auf das bundesgerichtliche Urteil 6B_424/2011 vom 12. September 2011 E. 1.1 sowie den Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte M. gegen Deutschland vom 17. Dezember 2009, Nr. 19359/04 (Rn. 129). Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, soweit er ausführt, die Vollzugsbehörden müssten einen Gefangenen bei seinen Bemühungen um Resozialisierung unterstützen und ihm konkrete Perspektiven und Ziele eröffnen, auf welche er hinarbeiten könne. Für den konkreten Fall kann er aus den zitierten Entscheiden allerdings nichts zu seinen Gunsten ableiten. Angesichts der Tatsache, dass Überweisungen ab dem Sperrkonto generell Ausnahmecharakter zukommt und selbst bei Ehegatten und eingetragenen Partnern nicht unbeschränkt zulässig sind, ist die vorinstanzliche Auslegung von Ziff. 4.2 Abs. 3 lit. a der Richtlinien über das Arbeitsentgelt nicht zu beanstanden. Hinzu kommt, dass den Kantonen auf dem Gebiet des Strafvollzugs ohnehin ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum zusteht, in welchen das Bundesgericht nur mit Zurückhaltung eingreift (Urteil 6B_577/2011 vom 12. Januar 2012 E. 2.4 mit Hinweis). Die Nichtbewilligung der Überweisungen an A.________ verstösst bei dieser Sachlage weder gegen Bundesrecht noch ist sie in anderer Weise zu beanstanden. Umso weniger kann von einer willkürlichen Rechtsanwendung gesprochen werden.  
 
3.3. Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, er habe auch seiner Ex-Frau jeweils einen Betrag von Fr. 2'000.-- jährlich überweisen können. Die abschlägige Beantwortung seines aktuellen Ersuchens stelle daher eine Ungleichbehandlung dar. Diesbezüglich erwägt die Vorinstanz, die Beziehung zu seiner neuen Lebensgefährtin lasse sich nicht mit der am 8. Juli 2015 geschiedenen Ehe des Beschwerdeführers vergleichen. Eine Ungleichbehandlung sei daher nicht ersichtlich. Diese Erwägungen sind zutreffend. Unbehelflich ist ferner der Einwand des Beschwerdeführers, dass auch andere Gefangene Geld an ihre Familien im In- und Ausland überweisen würden. Dass in jenen Fällen vergleichbare Umstände vorliegen sollen, legt er nicht dar. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb das Vorbringen für die Beurteilung des vorliegenden Falles massgebend sein soll. Gleiches gilt für den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vergleich mit der Strafanstalt Bostadel, wo Häftlinge hinsichtlich der Verwendung des Arbeitsentgeltes freier seien. Der Antrag an das Bundesgericht, abzuklären, wie viele der anderen Gefangenen Geld an Verwandte schicken würden, ist nicht zulässig. Das Bundesgericht nimmt keine Beweise ab und ordnet keine Beweiserhebungen an (BGE 133 IV 293 E. 3.4.2).  
 
4.  
Von einer Kostenerhebung kann ausnahmsweise angesichts des seit Jahren andauernden Vollzugs der Verwahrung bzw. der Freiheitsstrafe abgesehen werden. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege erweist sich damit als gegenstandslos. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. September 2016 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Schär