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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1334/2019  
 
 
Urteil vom 27. März 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, 
nebenamtliche Bundesrichterin Lötscher, 
Gerichtsschreiberin Schär. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.A.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwältin Andrea Schmid Kistler, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Erster Staatsanwalt, 
2. B.________ AG, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Einstellungsverfügung (Arbeitsunfall), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts von Graubünden, II. Strafkammer, vom 21. Oktober 2019 (SK2 19 18). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.A.________ wurde am 23. November 2017 bei einem Arbeitsunfall schwer verletzt, als er beim Abstücken eines Baumes mit der Motorsäge auf einer Höhe von 8 bis 10 Metern versehentlich sein Halteseil durchtrennte und in die Tiefe stürzte. Er erlitt ein schweres Polytrauma mit offenem Schädel-Hirn-Trauma und tiefgreifende Hirnverletzungen. Er ist seither urteilsunfähig und dauerhaft arbeitsunfähig. 
 
B.   
Die Staatsanwaltschaft Graubünden stellte das Strafverfahren betreffend den Arbeitsunfall mit Verfügung vom 30. Januar 2019 ein. 
 
C.   
Das Kantonsgericht Graubünden wies mit Beschluss vom 21. Oktober 2019 die Beschwerde von A.A.________ und seiner Ehefrau B.A.________ gegen die Einstellungsverfügung ab. 
 
D.   
A.A.________, vertreten durch seine Ehefrau B.A.________, und B.A.________ führen Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragen, der Beschluss vom 21. Oktober 2019 und die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 30. Januar 2019 seien aufzuheben. Es sei die Sache zur weiteren Abklärung zurückzuweisen und es sei die Staatsanwaltschaft anzuweisen, ergänzende Beweise gemäss Auflistung zu erheben und danach Anklage zu erheben. 
 
Die B.________ AG beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter sei sie abzuweisen. Die Staatsanwaltschaft Graubünden beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Kantonsgericht Graubünden verzichtete auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). In erster Linie geht es um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR. Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung eines Strafverfahrens, muss der Privatkläger im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen und inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf bezeichnete Zivilforderungen auswirken kann. Das Bundesgericht stellt hohe Anforderungen an die Begründung der Legitimation. Genügt die Beschwerde diesen Anforderungen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, dass bestimmte Zivilforderungen im Raum stehen (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen).  
Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Nach Art. 115 Abs. 1 StPO gilt als geschädigte Person die Person, die durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist. Gemäss Art. 116 StPO gilt als Opfer die geschädigte Person, die durch die Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist (Abs. 1). Als Angehörige des Opfers gelten seine Ehegattin oder sein Ehegatte, seine Kinder und Eltern sowie die Personen, die ihm in ähnlicher Weise nahe stehen (Abs. 2). Art. 1 Abs. 2 des Opferhilfegesetzes (OHG; SR 312.5) umschreibt den Begriff des Angehörigen gleich. Machen die Angehörigen des Opfers Zivilansprüche geltend, so stehen ihnen gemäss Art. 117 Abs. 3 StPO die gleichen Rechte zu wie dem Opfer. 
 
1.2. Die Beschwerdeführer haben sich im Strafverfahren als Straf- und Zivilkläger konstituiert. Der Beschwerdeführer 1 legt dar, dass er aufgrund des Unfalls lebenslänglich pflegebedürftig ist und begründet ausführlich, inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf seine allfälligen Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche auswirkt. Als Opfer der behaupteten Straftat (fahrlässige schwere Körperverletzung) ist der Beschwerdeführer 1 zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert.  
Die Beschwerdeführerin 2 ist als Ehefrau des Verletzten eine Angehörige im Sinne von Art. 116 Abs. 2 StPO resp. Art. 1 Abs. 2 OHG. Auch sie begründet einlässlich, inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf ihre allfälligen ausservertraglichen Haftungs- und Genugtuungsansprüche auswirkt. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdeführer rügen Verletzungen des Willkürverbots, des Grundsatzes "in dubio pro duriore" und des rechtlichen Gehörs sowie eine fehlerhafte Anwendung von Art. 319 Abs. 1 StPO. Die Vorinstanz verletze Art. 319 Abs. 1 StPO, indem sie zu Unrecht davon ausgehe, dass kein Tatverdacht erhärtet sei. Die Vorinstanz sei in Willkür verfallen und habe das rechtliche Gehör verletzt, indem sie es ablehne, Abklärungen darüber zu treffen, wie die Beschwerdegegnerin 2 als Arbeitgeberin ihre Angestellten konkret ausgebildet hat, welche Instruktionen sie erteilte, welche Weisungen bestanden und ob bzw. wie die Arbeitnehmer kontrolliert und überwacht wurden. Es sei willkürlich anzunehmen, der Beschwerdeführer 1 habe gewusst, dass Halteseile mit Durchtrennschutz mit einer Motorsäge durchtrennt werden könnten. Es seien zusätzliche Abklärungen vorzunehmen, wobei insbesondere abzuklären sei, ob die Mitarbeiter der Beschwerdegegnerin 2 wussten, dass Halteseile mit Durchtrennschutz mit einer Motorsäge durchtrennbar sind. Es sei zudem willkürlich anzunehmen, dass die Beschwerdegegnerin 2 als Arbeitgeberin für das leicht durchtrennbare Halteseil nicht verantwortlich sei. Die Arbeitgeberin sei verantwortlich für die Arbeitssicherheit und für die Einhaltung und Durchsetzung der Sicherheitsvorschriften. Selbst wenn der Beschwerdeführer 1 eine Mitursache des Unfallgeschehens gesetzt hätte, vermöchte dies die Beschwerdegegnerin 2 als Arbeitgeberin zufolge eigener Unterlassungen nicht zu entlasten. Es sei ein grobes Selbstverschulden notwendig, um den adäquaten Kausalzusammenhang zu unterbrechen. Diesbezüglich bestehe aber keine rechtlich relevante Gewissheit, sondern nur ein Verdacht. Es liege kein sachverhaltsmässig und rechtlich klarer Fall von Straflosigkeit vor. Eine Sorgfaltspflichtverletzung des Geschädigten führe nicht automatisch zur Ablehnung eines hinreichenden Tatverdachts, sondern berge lediglich die Gefahr in sich, den Kausalzusammenhang zu unterbrechen. Diese Beurteilung obliege aber dem urteilenden Gericht und nicht der Staatsanwaltschaft.  
 
 
2.2. Die Vorinstanz geht davon aus, dass ein Fremdverschulden am Unfall ausgeschlossen werden könne. Es seien keine weiteren Beweismittel ersichtlich, welche an diesem Ergebnis etwas zu ändern vermöchten. Der Beschwerdeführer 1 sei ausgebildeter Netzelektriker mit Spezialisierung im Bereich Freileitungsbau. Er habe diverse Aus- und Weiterbildungen absolviert. Insbesondere habe er im Frühling 2017 einen 16-stündigen Kurs der C.________ GmbH zum Thema "Sicher arbeiten mit Steigeisen SKT" besucht und bestanden. Zum Unfallzeitpunkt sei kein zweites Sicherungsseil am Baum angebracht gewesen. Das verwendete Halteseil mit Durchtrennschutz habe dem Stand der Technik und den Vorgaben der SUVA entsprochen und sei nicht mangelhaft oder vorbeschädigt gewesen.  
Die Staatsanwaltschaft und die Beschwerdegegnerin 2 machen in ihren Stellungnahmen geltend, dass zum Unfallzeitpunkt kein Sicherungsseil montiert gewesen sei, dass dem Beschwerdeführer 1 für die Arbeiten geeignetes und mängelfreies Material zur Verfügung gestanden habe und er dieses beim Unfall auf sich gehabt habe. Der Beschwerdeführer 1 sei als Fachspezialist für den Bereich Freileitungsbau für die Beschwerdegegnerin 2 tätig gewesen. Er sei sich der Gefahren bewusst und für die Arbeiten sehr gut ausgebildet gewesen. Eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beschwerdegegnerin 2 sei nicht ersichtlich und ein Selbstverschulden des Beschwerdeführers 1 bleibe im Vordergrund. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege nicht vor und die Einstellung des Verfahrens sei unter Berücksichtigung des Grundsatzes "in dubio pro duriore" zulässig gewesen. 
 
2.3.  
 
2.3.1. Eine Verfahrenseinstellung hat nach Art. 319 Abs. 1 lit a und b StPO unter anderem zu erfolgen, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt, oder wenn kein Straftatbestand erfüllt ist.  
Der Entscheid über die Einstellung eines Verfahrens hat sich nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu richten. Danach darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit oder offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden. Hingegen ist, sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt, Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch. Ist ein Freispruch genauso wahrscheinlich wie eine Verurteilung, drängt sich in der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, eine Anklageerhebung auf. Bei zweifelhafter Beweis- oder Rechtslage hat nicht die Staatsanwaltschaft über die Stichhaltigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu entscheiden, sondern das zur materiellen Beurteilung zuständige Gericht (BGE 143 IV 241 E. 2.2.1). Jedoch müssen Sachverhaltsfeststellungen in Berücksichtigung des Grundsatzes "in dubio pro duriore" auch bei Einstellungen zulässig sein, soweit gewisse Tatsachen "klar" beziehungsweise "zweifelsfrei" feststehen, so dass im Falle einer Anklage mit grosser Wahrscheinlichkeit keine abweichende Würdigung zu erwarten ist. Den Staatsanwaltschaften ist es mithin nur bei unklarer Beweislage untersagt, der gerichtlichen Beweiswürdigung vorzugreifen. Im Rahmen von Art. 319 Abs. 1 lit. b und c StPO sind Sachverhaltsfeststellungen der Staatsanwaltschaft in der Regel gar notwendig. Auch insoweit gilt jedoch, dass der rechtlichen Würdigung der Sachverhalt "in dubio pro duriore", d.h. der klar erstellte Sachverhalt, zugrunde gelegt werden muss (BGE 143 IV 241 E. 2.3.2). 
Der Grundsatz "in dubio pro duriore" ist auch bei der Überprüfung von Einstellungsverfügungen zu beachten. Bei der Beurteilung dieser Frage verfügen die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz über einen gewissen Ermessensspielraum, in den das Bundesgericht nur mit Zurückhaltung eingreift (BGE 143 IV 241 E. 2.2.1 und E. 2.3.1; 138 IV 186 E. 4.1; je mit Hinweisen). 
 
2.3.2. Wie die Beweise nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu würdigen sind und ob die Vorinstanz gestützt darauf einen hinreichenden Tatverdacht verneinen durfte, prüft das Bundesgericht nur auf Willkür. Es prüft aber im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Einstellung nicht, wie beispielsweise bei einem Schuldspruch, ob die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen willkürlich sind (Art. 97 Abs. 1 BGG), sondern ob die Vorinstanz willkürlich von einer "klaren Beweislage" ausging oder gewisse Tatsachen willkürlich für "klar erstellt" annahm. Dies ist der Fall, wenn offensichtlich nicht gesagt werden kann, es liege ein klarer Sachverhalt vor, beziehungsweise wenn ein solcher Schluss schlechterdings unhaltbar ist.  
 
Als Rechtsfrage einer freien Prüfung durch das Bundesgericht zugänglich ist demgegenüber, ob die Vorinstanz die Tragweite des Grundsatzes "in dubio pro duriore" richtig erfasst hat und vom korrekten rechtlichen Begriff des "hinreichenden Tatverdachts" im Sinne von Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO ausging. Der Grundsatz "in dubio pro duriore" als Rechtsregel ist beispielsweise verletzt, wenn die Vorinstanz in ihren Erwägungen einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, aber aus sachfremden Gründen in Überschreitung ihres Ermessens dennoch keine Anklage erhebt, wenn aus ihren Erwägungen hervorgeht, dass sie den Sachverhalt wie ein urteilendes Gericht frei nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" feststellte oder wenn die Vorinstanz die rechtliche Tragweite des Grundsatzes "in dubio pro duriore" sonstwie verkannt hat (BGE 143 IV 241 E. 2.3.2 f.). 
 
2.4.  
 
2.4.1. Nach Art. 125 Abs. 2 StGB ist strafbar, wer fahrlässig einen Menschen schwer an Körper oder Gesundheit schädigt. Fahrlässig handelt, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB).  
Eine fahrlässige Körperverletzung kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden (vgl. Art. 11 StGB). Voraussetzung ist eine Rechtspflicht zur Vornahme der unterlassenen Handlung (Garantenstellung) sowie die Möglichkeit, diese Handlung vorzunehmen (BGE 141 IV 249 E. 1.1 S. 251 mit Hinweisen). 
 
2.4.2. Ein Verhalten ist sorgfaltswidrig, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat. Wo besondere, der Unfallverhütung und der Sicherheit dienende Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften. Dies schliesst nicht aus, dass der Vorwurf der Fahrlässigkeit auch auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie etwa den allgemeinen Gefahrensatz gestützt werden kann (vgl. BGE 145 IV 154 E. 2.1 S. 157 f.; 135 IV 56 E. 2.1 S. 64 mit Hinweisen).  
 
Erforderlich ist zudem ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang (BGE 133 IV 158 E. 6.1 S. 167 f.). Der adäquate Kausalzusammenhang ist zu bejahen, wenn das Verhalten geeignet war, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen (BGE 138 IV 57 E. 4.1.3 S. 61; 135 IV 56 E. 2.1 S. 64; 133 IV 158 E. 6.1 S. 168). Steht eine Sorgfaltspflichtverletzung durch Unterlassen zur Diskussion, ist anhand eines hypothetischen Kausalzusammenhangs zu prüfen, ob bei Vornahme der gebotenen Handlung der Erfolg nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeblieben wäre (vgl. BGE 135 IV 56 E. 2.1 S. 65; 134 IV 255 E. 4.4.1 S. 264 f.; 117 IV 130 E. 2a S. 133; je mit Hinweisen). 
 
Die Adäquanz ist zu verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände, wie das Mitverschulden des Opfers bzw. eines Dritten oder Material- oder Konstruktionsfehler, als Mitursache hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle anderen mitverursachenden Faktoren - namentlich das Verhalten der beschuldigten Person - in den Hintergrund drängen (BGE 135 IV 56 E. 2.1 S. 64 f.; 134 IV 255 E. 4.4.2 S. 265 f.; 133 IV 158 E. 6.1 S. 168; je mit Hinweisen). 
 
2.4.3. Die Pflichten zum Schutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bzw. zur Unfallverhütung ergeben sich u.a. aus Art. 328 Abs. 2 OR, Art. 82 des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20) sowie der Verordnung vom 19. Dezember 1983 über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV; SR 832.30). Nach Art. 328 Abs. 2 OR hat die Arbeitgeberin die zum Schutz von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers notwendigen Massnahmen zu treffen. Hierzu gehört auch, dass sie vom Arbeitnehmer die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften verlangt und dies in angemessener Weise kontrolliert und notfalls durchsetzt (vgl. Art. 6 Abs. 3 VUV, siehe auch Art. 28 Abs. 4 VUV; BGE 102 II 18 E. 1; Urteile 6B_515/2016 vom 29. Mai 2017 E. 2.4.2; 6B_287/2014 vom 30. März 2015 E. 3.2).  
 
2.5.  
 
2.5.1. Die Staatsanwaltschaft hat sorgfältig untersucht, ob das verwendete Material mängelfrei war und dem Stand der Technik sowie den Vorgaben der SUVA entsprach. Sie hat zu diesem Zweck insbesondere ein Gutachten bei der eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) eingeholt und eine schriftliche Befragung der SUVA durchgeführt. Die Staatsanwaltschaft hat sodann ebenfalls sorgfältig untersucht, ob der Beschwerdeführer 1 für die ausgeführten Arbeiten ausreichend ausgebildet war. Die Vorinstanz durfte nach Würdigung der Untersuchungsergebnisse willkürfrei davon ausgehen, dass das verwendete Material mängelfrei war und dem gemäss SUVA erforderlichen Stand der Technik entsprach, und dass der Beschwerdeführer 1 für die ausgeführten Arbeiten ausreichend ausgebildet war. Ebenfalls willkürfrei durfte die Vorinstanz davon ausgehen, dass nach den getätigten Untersuchungen klar erstellt ist, dass für die vorgenommenen Arbeiten ein zweites Sicherungsseil erforderlich war und dass ein solches zum Unfallzeitpunkt nicht eingesetzt war.  
 
2.5.2. Hingegen hat es die Staatsanwaltschaft unterlassen zu untersuchen, ob die Beschwerdegegnerin 2 ihrer Verantwortung in Bezug auf die Betriebssicherheit und Unfallverhütung durch Vornahme der nötigen Aufsicht und Kontrolle ihrer Mitarbeiter nachgekommen ist. Das Fehlen von Sicherheitskonzepten respektive die fehlende Umsetzung bestehender Sicherheitskonzepte in einem Betrieb und das Fehlen einer Sicherheitskultur können eine Sorgfaltspflichtverletzung der Arbeitgeberin darstellen (vgl. Urteil 6B_287/2014 vom 30. März 2015 E. 3.2). Die getätigten Untersuchungen beschränkten sich vorliegend auf die Fragen nach ausreichender Ausbildung, Instruktion und dem zur Verfügung gestellten Material. Sie sind damit im Hinblick auf die Pflichten der Arbeitgeberin, die auch die Kontrolle und Durchsetzung der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften umfassen, offensichtlich unvollständig. Die Umsetzung von Sicherheitsvorschriften im Betrieb wurde nicht untersucht. So blieb im Rahmen der Untersuchungen namentlich offen, wie der Kollege des Beschwerdeführers 1, D.________, zum Unfallzeitpunkt gesichert war. Weiter wurde nicht geklärt, ob die Arbeitgeberin überprüft hat, dass die Mitarbeiter das erforderliche zweite Sicherungsseil bei den Arbeiten an den Bäumen verwendet haben. Es blieb auch offen, was der gelebte Sicherheitsstandard im Betrieb war. Insbesondere die Aussage des direkten Vorgesetzten des Beschwerdeführers 1, E.________, der erstaunt war, dass der Durchtrennschutz keinen Schutz vor Durchtrennung mit der Motorsäge bot, gibt Anlass zu weiteren Nachforschungen. Die Staatsanwaltschaft weist darauf hin, dass der Beschwerdeführer 1 als Fachspezialist für den Bereich Freileitungsbau gearbeitet habe. Ob es sich beim Beschwerdeführer 1 um einen fachlich weisungsfreien Arbeitnehmer gehandelt hat, was sich allenfalls auf den Umfang der Fürsorgepflicht auswirken könnte, ist nach den getätigten Untersuchungen nicht hinreichend erstellt (zum Begriff des fachlich weisungsfreien Arbeitnehmers Manfred Rehbinder/Jean-Fritz Stöckli, Berner Kommentar, 2. Aufl. 2010 N. 24 ff. zu 321d OR). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch bei erfahrenen Mitarbeitern ein Minimum an Überwachung nötig ist (vgl. Urteil 6B_342/2012 vom 8. Januar 2013 E. 5.3.2 und E. 6.2). Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer 1 ein halbes Jahr vor dem Unfall einen Kurs absolviert hatte, genügt zur Einhaltung der Überwachungspflicht durch die Arbeitgeberin grundsätzlich nicht. Die Beschwerdegegnerin 2 geht in ihrer Vernehmlassung davon aus, dass der Beschwerdeführer 1 ausreichend ausgebildet wurde und dass ihm geeignetes Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellt wurde, weshalb nicht ersichtlich sei, inwiefern der Arbeitgeberin eine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen wäre. Auch sie thematisiert die Kontrolle und Durchsetzung der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften inhaltlich nicht. Die Vorinstanz verfällt in Willkür, wenn sie unter diesen Umständen annimmt, dass im Hinblick auf die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Arbeitgeberin ein klarer Fall von Straflosigkeit vorliege.  
 
2.5.3. Die Staatsanwaltschaft wird somit in der vorliegenden Angelegenheit weitere Abklärungen tätigen müssen. Erst nach Vorliegen der Untersuchungsergebnisse über die Kontrolle und Durchsetzung von Sicherheitsvorschriften im Betrieb ist nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu entscheiden, ob Anklage zu erheben ist. Bei offensichtlich fehlenden Hinweisen auf ein pflichtwidriges Verhalten seitens der Arbeitgeberin kann auf eine Anklage verzichtet werden. Liegen Hinweise auf ein pflichtwidriges Verhalten durch die Arbeitgeberschaft vor, wird sich die Frage nach der Unterbrechung des adäquaten Kausalzusammenhangs stellen. Von einer Unterbrechung des adäquaten Kausalzusammenhangs ist dann auszugehen, wenn die vorhandenen Beweise klar ein grobes Selbstverschulden des Beschwerdeführers 1 indizieren, das als derart aussergewöhnlich gewertet werden muss, dass damit nicht gerechnet werden musste, oder das derart schwer wiegt, dass allfällige Pflichtwidrigkeiten der Arbeitgeberin vollständig in den Hintergrund gedrängt werden. Auf die Erhebung einer Anklage ist nur zu verzichten, wenn eine abweichende Würdigung durch das Gericht mit grosser Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Sobald zumindest fraglich ist, ob der adäquate Kausalzusammenhang unterbrochen wurde, ist diese Frage dem Sachgericht zu unterbreiten (vgl. Urteil 6B_601/2009 vom 24. November 2009 E. 1.6.1). Sollte die Staatsanwaltschaft zum Schluss gelangen, dass es auf Seiten der Arbeitgeberin zu Pflichtwidrigkeiten kam, hätte sie schliesslich zu erläutern, ob oder weshalb die Strafbarkeit natürlicher Personen vorliegend ausser Betracht fällt (vgl. Art. 102 Abs. 1 StGB).  
 
3.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen und der angefochtene Entscheid ist aufzuheben. Die Sache ist zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz sowie zur Fortführung der Strafuntersuchung an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. 
Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Graubünden hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Kantonsgerichts Graubünden vom 21. Oktober 2019 aufgehoben und die Sache an das Kantonsgericht zur Neuregelung der Kosten- sowie Entschädigungsfolgen und an die Staatsanwaltschaft Graubünden zur Fortführung der Strafuntersuchung zurückgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Der Kanton Graubünden hat den Beschwerdeführern eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. März 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Schär