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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.301/2003 /kra 
 
Urteil vom 4. November 2003 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, 
Ersatzrichterin Geigy-Werthemann, 
Gerichtsschreiber Monn. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Balmer, Postfach 7275, 8023 Zürich, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Uri, Gemeindehausplatz 4, 6460 Altdorf UR. 
 
Gegenstand 
Verkehrsregelverletzung, 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, vom 31. März 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 19. Oktober 2001 fuhr X.________ mit seinem Personenwagen von Andermatt auf der Oberalpstrasse bergwärts. Vor ihm fuhren ein Kleinbus sowie ein von A.________ gelenkter Personenwagen und zuvorderst ein Lastwagen. Auf der Höhe Nätschen setzte X.________ zum Überholen der Kolonne an, als A.________ ihrerseits im Begriff war, nach links in Richtung Stöckli abzubiegen. Dabei kam es zur Kollision zwischen den beiden Personenwagen. An beiden Fahrzeugen entstand Sachschaden. Verletzt wurde niemand. 
B. 
Am 18. November 2002 bestrafte das Landgericht Ursern X.________ gestützt auf Art. 35 Abs. 5 SVG und Art. 90 Ziff. 1 SVG wegen einfacher Verkehrsregelverletzung mit einer Busse von Fr. 300.--. 
 
Die strafrechtliche Abteilung des Obergerichts des Kantons Uri wies am 31. März 2003 eine dagegen eingereichte Berufung des Verurteilten ab. 
C. 
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass der angefochtene Entscheid eidgenössisches Recht verletze (Art. 269 Abs. 1 BStP). Das Bundesgericht ist dabei an den von den kantonalen Behörden festgestellten Sachverhalt gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Entscheids richten, sind unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Soweit die Beschwerde diesen Voraussetzungen nicht entspricht (s. unten E. 4), ist darauf nicht einzutreten (BGE 126 IV 65 E. 1 mit Hinweisen). 
2. 
Der Beschwerdeführer wurde verurteilt, weil er gegen Art. 35 Abs. 5 SVG verstossen habe. Gemäss dieser Bestimmung darf ein Fahrzeug nicht überholt werden, wenn dessen Lenker die Absicht anzeigt, nach links abzubiegen. Die Vorinstanz geht in tatsächlicher Hinsicht zu Gunsten des Beschwerdeführers davon aus, dass er zu Beginn seines Überholmanövers den Blinker am Fahrzeug von A.________ nicht gesehen habe. Gemäss seinen eigenen Aussagen sei jedoch erstellt, dass er den Blinker während des Überholvorganges bemerkt habe und zwar zu dem Zeitpunkt, als er mit seiner Wagenfront etwa auf der Höhe der hinteren Stossstange des Fahrzeugs von A.________ gefahren sei. In dem Moment, als er den Blinker am Fahrzeug von A.________ sah, hätte er sich nach den Feststellungen der Vorinstanz wieder in seine ursprüngliche Position hinter dem Kleinbus einordnen können, da keine weiter hinten fahrenden Fahrzeuge dies verunmöglicht hätten. Statt dessen sei er, ohne irgendwie zu reagieren, weiter gefahren, obwohl die Verkehrslage für ihn, als er den nach links gestellten Blinker sah, unklar und ungewiss erschienen sei. Bei genügender Aufmerksamkeit sei für ihn insbesondere die Abzweigung nach links (Richtung Stöckli) klar ersichtlich gewesen. Er habe sich in diesem Moment nicht darauf verlassen dürfen, dass A.________ weiter geradeaus fahren werde, nachdem sie den Blinker nach links gestellt hatte. 
 
Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, A.________ habe sich mit ihrem Fahrzeug stets ohne jegliches Einspurmanöver in der Mitte ihrer Fahrspur befunden und alsdann unvermittelt versucht, nach links abzubiegen. Da sie nie ordentlich zur Leitlinie eingespurt sei, habe er nicht damit rechnen müssen, dass sie plötzlich zu einem pflichtwidrigen Überhol- oder Abbiegemanöver ansetzen werde. 
3. 
Wie oben bereits gesagt, darf ein Fahrzeug gemäss Art. 35 Abs. 5 SVG nicht überholt werden, wenn der Lenker die Absicht anzeigt, nach links abzubiegen. Hingegen dürfen Fahrzeuge, die zum Abbiegen nach links eingespurt sind, rechts überholt werden (Art. 35 Abs. 6 SVG). Wer nach links abbiegen will, hat sich gemäss Art. 36 Abs. 1 SVG gegen die Strassenmitte zu halten. Art. 13 Abs. 1 VRV verpflichtet die Fahrzeuglenker, frühzeitig einzuspuren. 
 
Überholen gehört - insbesondere auf Strassen mit Gegenverkehr - zu den gefährlichsten Fahrmanövern und ist deshalb nur gestattet, wenn es keine anderen Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet. Die Regeln über das Überholen bezwecken, die damit verbundenen Risiken zu minimieren (vgl. BGE 129 IV 155 E. 3.2.1 mit Hinweisen). 
4. 
Die Vorinstanz hat sich mit der Frage, ob und gegebenenfalls wann A.________ vor ihrem Abbiegemanöver nach links eingespurt ist, nicht auseinander gesetzt. Sie hat jedoch festgestellt, dass A.________ den Blinker nach links gestellt hatte und der Beschwerdeführer dies erkannte, als er sich mit seiner Wagenfront etwa auf der Höhe der hinteren Stossstange des Wagens von A.________ befand. Soweit der Beschwerdeführer in tatsächlicher Hinsicht nicht genau von den Feststellungen im angefochtenen Entscheid ausgeht (vgl. Beschwerde S. 2/3 Ziff. 3), ist darauf nach dem oben in E. 1 Gesagten nicht einzutreten. 
 
Nach seinen eigenen Aussagen vor der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer den in der Kolonne fahrenden Personenwagen von A.________ bereits 200 Meter vor der Abzweigung Richtung Stöckli gesehen (angefochtener Entscheid S. 5). Er wusste somit im Zeitpunkt, als er zum Überholen der Kolonne ansetzte, dass sich zwischen dem Kleinbus und dem Lastwagen noch ein Personenwagen befand. Dessen nach links gestellten Blinker bemerkte er zwar erst, als er sich mit der Front seines Wagens auf der Höhe der hinteren Stossstange des Wagens von A.________ befand. Zu diesem Zeitpunkt hätte er jedoch nach den Feststellungen der Vorinstanz das Überholmanöver noch gefahrlos abbrechen und sich wieder in seine ursprüngliche Position hinter dem Kleinbus einordnen können. Zudem war für ihn erkennbar, dass sich an der fraglichen Stelle die Abzweigung nach links Richtung Stöckli befand. Unter diesen Umständen hätte er - ob A.________ nun nach links eingespurt hatte oder nicht - damit rechnen müssen, dass sie noch vor ihm nach links abbiegen würde. 
 
Der Beschwerdeführer bezieht sich auf BGE 125 IV 83 (Beschwerde S. 4). Der Entscheid befasst sich jedoch nicht mit dem Verschulden des überholenden Fahrzeuglenkers, sondern mit demjenigen des Linksabbiegers. Dieser hatte in jenem Fall seine Absicht, nach links abbiegen zu wollen, korrekt angezeigt, indem er den linken Blinker gestellt und gegen die Mittellinie eingespurt hatte. Das Bundesgericht hob den kantonalen Schuldspruch wegen ungenügender Rücksichtnahme auf den nachfolgenden Verkehr auf, weil er gegen Bundesrecht verstiess. Daraus kann indessen nicht geschlossen werden, dass bei - durch die Vorinstanz für den vorliegenden Fall im Übrigen nicht festgestelltem - Unterlassen des korrekten Einspurens seitens der Linksabbiegerin das Überholmanöver des Beschwerdeführers zulässig gewesen wäre. Art. 35 Abs. 5 SVG verbietet klar und deutlich jedes Überholen von Fahrzeugen, deren Lenker die Absicht anzeigen, nach links abzubiegen. Auch wenn diese sich gemäss Art. 36 Abs. 1 SVG gegen die Strassenmitte halten müssen, wenn sie nach links abbiegen wollen, bringen sie ihre Absicht, nach links abzubiegen, bereits mit dem Stellen des linken Blinkers zum Ausdruck. Ein nachfolgender Fahrzeuglenker, der den nach links gestellten Blinker eines sich vor ihm befindenden Fahrzeugs rechtzeitig bemerkt, darf dieses Fahrzeug nicht einfach ignorieren und ohne Weiteres von der Annahme ausgehen, der Lenker werde trotz des gestellten Blinkers seine Fahrt zunächst geradeaus fortsetzen und sein Überhol- oder Abbiegemanöver erst ausführen, nachdem das ihn überholende Fahrzeug an ihm vorbeigefahren ist. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, kann sich der Beschwerdeführer nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen. Wenn er geltend macht, die Absicht A.________s, nach links abzubiegen, sei für ihn nicht ersichtlich gewesen, weil sie nicht korrekt eingespurt habe, so musste er wegen des nach links gestellten Blinkers doch erkennen, dass eine unklare und gefahrenträchtige Situation vorlag, die von ihm ein risikoarmes Verhalten gefordert hätte (BGE 125 IV 83 E. 2b). Indem er sein Überholmanöver fortsetzte, ohne auf das Fahrzeug von A.________ Rücksicht zu nehmen, kam er dieser Forderung nicht nach. An der Beurteilung seines Manövers ändert sich somit nichts, wenn A.________ tatsächlich nicht gegen die Strassenmitte eingespurt haben sollte, da im Strafrecht keine Verschuldenskompensation Platz greift. 
 
Aus den genannten Gründen verletzt der angefochtene Schuldspruch Bundesrecht nicht. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist folglich abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
5. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Uri und dem Obergericht des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 4. November 2003 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: