Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 160/02 
 
Urteil vom 7. März 2003 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Parteien 
N.________, 1974, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Duri Poltera, Segantinistrasse 21, 9008 St. Gallen, 
 
gegen 
 
Regionales Arbeitsvermittlungszentrum St. Gallen, Unterstrasse 4, 9000 St. Gallen, Beschwerdegegner, vertreten durch das Amt für Arbeit, Unterstrasse 22, 9001 St. Gallen 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
(Entscheid vom 26. April 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Nachdem er im April 2001 arbeitslos geworden war, beantragte N.________, geboren 1974, am 3. Juli 2001 Arbeitslosenentschädigung und am 10. Juli 2001 besondere Taggelder der Arbeitslosenversicherung zur Förderung der selbstständigen Erwerbstätigkeit. Mit Verfügung vom 6. August 2001 lehnte das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) die Ausrichtung der besonderen Taggelder ab, da N.________ die Planungsphase der selbstständigen Erwerbstätigkeit bereits abgeschlossen habe und nun sein Vorhaben realisieren wolle: So sei die Infrastruktur vollständig vorhanden, Kontakte seien geschaffen worden und er sei mit der Akquisition von Kunden beschäftigt. Auf ein Gesuch um Wiedererwägung trat das RAV mit Verfügung vom 13. August 2001 nicht ein. 
B. 
Die gegen die Verfügung vom 6. August 2001 erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 26. April 2002 ab. 
C. 
N.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter teilweiser Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung seien ihm besondere Taggelder zu gewähren; eventualiter sei die Sache zur Sachverhaltsabklärung und zu neuem Entscheid an das kantonale Gericht zurückzuweisen. Das vorsorglich gestellte Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung liess er mit Schreiben vom 3. September 2002 zurückziehen. 
 
Das RAV schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Arbeitslosenversicherungsbereich geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 6. August 2001) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar. 
2. 
Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen über die Förderung der selbstständigen Erwerbstätigkeit durch Ausrichtung besonderer Taggelder während der Planungsphase eines Projektes (Art. 71a f. AVIG und Art. 95a AVIV) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
3. 
Streitig ist allein, ob sich zur Zeit der Gesuchseinreichung im Juli 2001 das Projekt der selbstständigen Erwerbstätigkeit des Versicherten noch in der Planungs- oder bereits in der anschliessenden Start- rsp. Anlaufphase befunden hat. 
3.1 Das kantonale Gericht geht davon aus, dass die für den Beginn der Geschäftstätigkeit notwendige Infrastruktur vorhanden gewesen sei, der Beschwerdeführer bereits in den Monaten Mai und Juni 2001 Projektarbeiten durchgeführt habe und ein Label entwickelt hätte; im Übrigen verhinderten diverse administrative notwendige Vorkehren (Eröffnung eines Geschäftskontos, Anmeldung bei Behörden) den Markteintritt nicht. Der Beschwerdeführer ist demgegenüber der Auffassung, dass das kantonale Gericht vom einem zu engen und damit falschen Begriff der Planungsphase ausgehe, durch mangelhafte Sachverhaltsabklärung dem Untersuchungsgrundsatz nicht Genüge getan und zudem infolge einer bloss minimalistischen Begründung den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe; im Übrigen sei durch die ungenügende Abklärung des Sachverhaltes und der Anwendung eines falschen Begriffs der Planungsphase keine korrekte Rechtsanwendung möglich gewesen. 
3.2 Sinn und Zweck der Arbeitslosenversicherung ist unter anderem, bestehende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen (Art. 1 Abs. 2 AVIG); darunter fällt auch die - auf den Rahmen der Art. 71a ff. AVIG beschränkte - Förderung der selbstständigen Erwerbstätigkeit. Gemäss Art. 71a Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 95a AVIV wird nur die Planungsphase durch die Ausrichtung besonderer Taggelder (Art. 71a Abs. 1 AVIG) und die Befreiung von den Pflichten gemäss Art. 17 AVIG (Art. 71c Abs. 2 AVIG) unterstützt, wobei als Planungsphase gemäss Art. 95a Satz 1 AVIV derjenige Zeitraum gilt, den der Versicherte zur Planung und Vorbereitung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit benötigt. Dies bedeutet, dass nur die allererste Phase des Beginns der Selbstständigkeit durch die Arbeitslosenversicherung unterstützt wird, nämlich diejenige Zeitspanne, in welcher der Versicherte seiner bisher als blossen Idee bestehenden Absicht der selbstständigen Erwerbstätigkeit konkrete Züge verleiht, indem er sich ein die Grundlagen der Geschäftstätigkeit umfassendes Dossier zusammenstellt und die dafür notwendigen Abklärungsarbeiten vornimmt; so ist der Versicherte gemäss Art. 95b Abs. 1 lit. c AVIV bei der Gesuchseinreichung denn auch nur gehalten, ein Grobprojekt der geplanten Tätigkeit einzureichen. Es sollen jedoch keine besonderen Taggelder während der - an die Planungsphase anschliessenden - Anlaufphase des Geschäfts ausgerichtet werden, da die Tatsache, dass zu Beginn der Tätigkeit kein oder nur ein geringer Ertrag erwirtschaftet wird, zum durch die Arbeitslosenversicherung nicht gedeckten Unternehmerrisiko gehört (nicht veröffentlichtes Urteil F. vom 23. April 1999, C 407/97) und mit der Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit keine für den Schutz der Arbeitslosenversicherung notwendige Stellung als Arbeitnehmer mehr vorliegt. Das während dieser Zeit benötigte Kapital für das Geschäft (und den eigenen Lebensunterhalt) ist nicht von der Arbeitslosenkasse, sondern privat aufzubringen (wozu allenfalls die Übernahme von 20% des Verlustrisikos für eine nach dem Bundesbeschluss vom 22. Juni 1949 über die Förderung der gewerblichen Bürgschaftsgenossenschaften gewährte Bürgschaft dienen kann; Art. 71a Abs. 2 AVIG). 
3.3 Der Entscheid darüber, wann die Planungs- und Vorbereitungsphase abgeschlossen ist und wann die - in der Regel fliessend nachfolgende - Anlaufphase beginnt, ist jeweils wertend im Einzelfall zu treffen, wobei der zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum eingeräumt werden muss. Eine Bevormundung des Versicherten durch amtlichen Entscheid über den Zeitpunkt der Geschäftsaufnahme ist - entgegen der Vermutung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde - jedenfalls nicht zu befürchten, da der Versicherte selber den Zeitpunkt der Umsetzung der getroffenen Pläne bestimmt, während die Verwaltung nur (aber immerhin) feststellt, wann die Planungsphase im konkreten Einzelfall abgeschlossen ist. Der effektive Markteintritt kann zwar einen Anhaltspunkt für den Abschluss der Planungsphase darstellen, ist jedoch nicht das allein massgebende Kriterium (wie es der Beschwerdeführer letzten Endes verlangt): Wegen des in den allermeisten Fällen fliessenden Überganges zwischen den verschiedenen Phasen ist nicht klar, wann genau der Markteintritt erfolgt und ob er überhaupt ohne Unterbruch an die Planungsphase anschliesst. Vorliegend würde sich im Übrigen auch ein Abstellen auf den effektiven Markteintritt nicht zu Gunsten des Versicherten auswirken, da er bereits im Juli 2001 - also zur Zeit der Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung - Aufträge abklärte sowie Kontakte geschaffen hatte und damit schon als Selbstständigerwerbender in den Markt eingetreten war. 
3.4 Der Beschwerdeführer hat in den Monaten Mai und Juni 2001 - d. h. vor erfolgter Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung - bereits an seinem Projekt der selbstständigen Erwerbstätigkeit gearbeitet: Er hat ein "Label" entworfen, sich seine Ziele gesetzt, den (ihm von seiner früheren Tätigkeit her bereits bekannten) Markt für seine künftigen Dienstleistungen bestimmt sowie sich Gedanken über Werbung (Internet, Geschäftstafel, Fahrzeugaufschrift) und Kundenakquisition gemacht; im Weiteren hatte er sich schon vor der Gesuchseinreichung entschlossen, seine Tätigkeit durch Aufnahme von EDV-Dienstleistungen zu diversifizieren. Die Infrastruktur war zur Zeit der Anmeldung im Juli 2001 bereits vorhanden, ebenso das Layout des Briefpapiers, der Korrespondenz, der Formulare und Visitenkarten sowie der Entwurf eines an potentielle Kunden zu richtenden Werbebriefes; auch Kontakte sind bereits geschaffen worden. Zwar hat der Versicherte in seinen Unterlagen angegeben, er sei zur Zeit am Schreiben eines Konzeptes, jedoch ist nicht klar, inwiefern dieses Konzept über sein zu diesem Zeitpunkt vollständiges Dossier zur Umsetzung der selbstständigen Erwerbstätigkeit hinausgehen sollte (vgl. dagegen das in Art. 95b Abs. 1 lit. c AVIV verlangte blosse Grobkonzept). Damit hatte der Beschwerdeführer die Planungs- und Vorbereitungsphase gemäss Art. 95a AVIV im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung bereits abgeschlossen, denn das während der Monate Mai und Juni 2001 zusammengestellte Dossier bildete eine genügende Grundlage zur Umsetzung der getroffenen Pläne und Vorbereitungen. In dieser Hinsicht haben Vorinstanz und Verwaltung den Sachverhalt genügend abgeklärt und anhand dieser Fakten den Stand des Projektes korrekt bestimmen können; eine in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde als notwendig erachtete Einvernahme des Versicherten trägt nichts weiter zur Sachverhaltsfindung bei. 
 
Die vorzunehmenden - teilweise obligatorischen - administrativen Anmeldungen beim Handelsregister, der Mehrwertsteuer und der Ausgleichskasse sind - entgegen der Auffassung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde - hier nicht mehr als organisatorische Vorbereitungen für den Geschäftsbetrieb aufzufassen, sondern erfolgen schon in Ausführung der getroffenen Pläne und Vorbereitungen, da die Geschäftsaufnahme vorliegend nicht von diesen behördlichen Entscheiden abhängig oder gar bewilligungspflichtig ist. Die vorzunehmenden Anmeldungen sind im Übrigen mit Kosten und anderen Pflichten verbunden, welche erst nach dem definitiven Entschluss zur Geschäftsaufnahme und während des Anlaufs des Unternehmens getätigt werden, so dass die anfallenden Kosten mit den ersten Einnahmen bezahlt werden können und nicht durch vorher (normalerweise mühsam) aufgebrachtes Kapital finanziert werden müssen. In dieser Hinsicht ist im Weiteren zu berücksichtigen, dass ein Selbstständigerwerbender in der Zeit der Anlaufphase in aller Regel noch nicht ausgelastet ist und die behördlichen Anmeldungen (wie auch andere administrative Vorbereitungshandlungen wie z.B. das Einrichten der Buchhaltung oder eines Geschäftskontos) parallel zur aufgenommenen selbstständigen Erwerbstätigkeit vornehmen kann. 
 
Das kantonale Gericht hat alle für den Entscheid über den Abschluss der Planungsphase notwendigen Gesichtspunkte berücksichtigt. Es ist im Übrigen nicht verpflichtet, sich ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinanderzusetzen, sondern kann sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 126 I 102 Erw. 2b, 124 V 181 Erw. 1a, je mit Hinweisen). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht somit genügend nachgekommen; der vorinstanzliche Entscheid ist jedenfalls ohne Weiteres nachvollziehbar. 
3.5 Damit ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung die Planungsphase der selbstständigen Erwerbstätigkeit bereits abgeschlossen hatte und somit kein Anspruch auf besondere Taggelder gemäss Art. 71a Abs. 1 AVIG besteht. Das die Gerichte bindende Gesetz (Art. 191 BV) sieht keinerlei Spielraum für eine andere Lösung vor. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, dem Amt für Arbeit des Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 7. März 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: