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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8G.95/2003 /pai 
 
Urteil vom 2. Oktober 2003 
Anklagekammer 
 
Besetzung 
Bundesrichter Karlen, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Vizepräsident, 
Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Monn. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Arthur Zeller, Mellingerstrasse 6, 5400 Baden, 
 
gegen 
 
Schweizerische Bundesanwaltschaft, Taubenstrasse 16, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Beschlagnahmte Vermögenswerte, 
 
AK-Beschwerde gegen die Verfügung der Schweizerischen Bundesanwaltschaft vom 
5. August 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Schweizerische Bundesanwaltschaft beschlagnahmte mit Verfügungen vom 26. März, 10. und 25. April sowie vom 13. Juni 2002 die Vermögenswerte, die bei verschiedenen schweizerischen Banken auf mehreren Konti und in Depots von X.________ lagen. Dieser befindet sich zur Zeit in den USA wegen Betäubungsmittelvergehen in Haft. Er wird verdächtigt, auch in Holland und der Schweiz Betäubungsmitteldelikte begangen zu haben. 
 
Am 3. Juli 2003 stellte X.________ bei der Bundesanwaltschaft das Gesuch, die beschlagnahmten Vermögenswerte seien im Umfang von insgesamt 248'500 Franken freizugeben. Für den Fall, dass die betroffenen Konti und Depots nicht über eine Liquidität von 248'500 Franken verfügten, seien die mit zwei Beschlüssen des Fürstlichen Landgerichts vom 25. März 2003 bei der Bank von Ernst (Liechtenstein) AG und bei der Liechtensteinischen Landesbank AG rechtshilfeweise gepfändeten Vermögenswerte von X.________ und der A.________ Foundation im Umfang der Differenz freizugeben, und es sei das Fürstliche Landesgericht zu ersuchen, die Pfändungen im entsprechenden Umfang aufzuheben. 
 
Die Bundesanwaltschaft wies das Gesuch mit Verfügung vom 5. August 2003 ab (act. 3). 
B. 
X.________ wendet sich mit fristgerechter Beschwerde vom 11. August 2003 an die Anklagekammer des Bundesgerichts und beantragt unter anderem, die Verfügung vom 5. August 2003 sei teilweise aufzuheben. Den freizugebenden Betrag reduziert er auf 208'500 Franken (act. 1). 
 
Die Bundesanwaltschaft beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 25. August 2003, die Beschwerde sei abzuweisen (act. 6). 
 
Im zweiten Schriftenwechsel halten die Parteien mit Eingaben vom 9. und 22. September 2003 an ihren Anträgen fest (act. 8 und 11). 
 
Die Kammer zieht in Erwägung: 
1. 
Der Beschwerdeführer ist in den USA im Rahmen eines plea-agreement am 29. Mai 2003 zu 14 Jahren Gefängnis und zu einer hohen Busse verurteilt worden. Er machte bei der Bundesanwaltschaft unter anderem geltend, ein Bestandteil des plea-agreement sei das Recht gewesen, innert 60 Tagen ein Gesuch um Verringerung des Strafmasses einzureichen. Sein bisheriger Verteidiger in den USA mache jedoch eine weitere Vertretung im post-sentencing-Verfahren von der Leistung eines Vorschusses in der Höhe von 150'000 US-Dollar abhängig. Da sein Konto in den USA nur noch wenige Dollar aufweise, bestehe nun die Gefahr, dass der Verteidiger für ihn nicht mehr verfügbar wäre (vgl. act. 3 S. 2). 
 
Die Bundesanwaltschaft hält dem im angefochtenen Entscheid entgegen, dass der Beschwerdeführer auch in den USA einen Anspruch auf einen Pflichtverteidiger habe (vgl. act. 3 S. 5/6). 
 
Die Beschwerde richtet sich nur dagegen, dass die Bundesanwaltschaft eine Freigabe von Vermögenswerten für die Verteidigung in den USA verweigert hat. Das von ihm angestrebte Verfahren in den USA (motion to mitigate) sei für ihn von zentraler Bedeutung, da es zu einer Reduktion der Strafe auf sieben Jahre Gefängnis führen könne. Es sei jedoch entgegen der Annahme der Bundesanwaltschaft unsicher, ob ihm für dieses Verfahren in den USA eine Pflichtverteidigung gewährt werde, weshalb es sich rechtfertige, den neuen Verfahrensabschnitt aus den beschlagnahmten Vermögenswerten zu finanzieren (vgl. act. 1 S. 5/6). 
2. 
Eine Freigabe des beschlagnahmten Vermögens im Umfang von über 200'000 Franken kommt offensichtlich nicht in Betracht. Vor der Bundesanwaltschaft ging es dem Beschwerdeführer noch darum, für seine Verteidigung seinen bisherigen Anwalt, einen der "begnadetsten Strafverteidiger in Süd-Florida", an seiner Seite zu haben (Beschwerdebeilage 5 S. 5). Dass es unbedingt dieser offenbar sehr teure Anwalt sein muss, der aus den beschlagnahmten Geldern zu bezahlen ist, macht der Beschwerdeführer vor der Anklagekammer zu Recht nicht mehr geltend (act. 1 S. 5). 
In der Beschwerde hat er in Aussicht gestellt, er werde vom bisherigen Anwalt eine Bestätigung darüber beibringen, dass für das Verfahren motion to mitigate in den USA keine Pflichtverteidigung gewährt werde (act. 1 S. 5). Eine solche Bestätigung hat er bis heute nicht nachgereicht, obwohl seit der Einreichung seiner Beschwerde mittlerweile geraume Zeit verstrichen ist. 
 
Stattdessen reicht er im zweiten Schriftenwechsel ein Urteil des Supreme Court von Florida ein, woraus sich ergebe, dass das Gesetz sich über die Frage ausschweige und diese denn auch verschieden beantwortet werde (act. 8 S. 3 oben). Immerhin räumt er jedoch etwas weiter unten selber ein, dass sich aus dem eingereichten Urteil auch ergebe, dass ab einem bestimmten Strafmass grundsätzlich ein Anspruch auf einen public defender bestehe, wenn ein Angeklagter bedürftig sei (act. 8 S. 3 unten). Davon muss im vorliegenden Verfahren mangels anderer sicherer Anhaltspunkte ausgegangen werden. 
 
Der Beschwerdeführer stellt sich denn auch neu auf den Standpunkt, dass den amerikanischen Behörden sein Eigentum an zwei Liegenschaften in der Schweiz, die jedoch innert nützlicher Frist nicht verkauft werden könnten, bekannt sei, weshalb ihm eventuell der Nachweis, dass er bedürftig sei, misslingen könnte (vgl. act. 8 S. 3/4). Auf diese rein hypothetische Vermutung kann im vorliegenden Verfahren nicht abgestellt werden. Der Beschwerdeführer behauptet zwar, er habe mit den amerikanischen Behörden schlechte Erfahrungen gemacht. Welche Erfahrungen das gewesen sein könnten, sagt er jedoch nicht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Behörden der USA seinen Fall korrekt und im Rahmen der dort geltenden Gesetze behandeln werden. 
 
Anzumerken ist noch, dass der Beschwerdeführer auch seine Behauptung, die fraglichen Liegenschaften könnten nicht verkauft werden, nicht näher begründet, und nur beiläufig fügt er hinzu, er könnte seine beiden Liegenschaften nicht weiter belehnen. Dies zu beweisen oder zumindest glaubhaft zu machen, wäre für ihn ein Leichtes gewesen. Es steht deshalb nicht fest, dass er bedürftig ist. 
 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. 
3. 
Gemäss Art. 105bis Abs. 2 BStP in Verbindung mit Art. 219 Abs. 3 BStP können die Kosten des vorliegenden Verfahrens dem Beschwerdeführer auferlegt werden, wenn er es leichtfertig veranlasst hat. Es kann - wenn auch mit gewissen Bedenken - davon ausgegangen werden, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist. Auf eine Kostenauflage ist deshalb zu verzichten. 
 
Demnach erkennt die Kammer: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Schweizerischen Bundesanwaltschaft schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 2. Oktober 2003 
Im Namen der Anklagekammer 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: