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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_197/2023  
 
 
Urteil vom 14. Juli 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Caprara. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Häusermann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich, 
2. Justizvollzug und Wiedereingliederung, Bewährungs- und Vollzugsdienste, Vollzug 3, Hohlstrasse 552, Postfach, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Stationäre therapeutische Massnahme (Art. 59 StGB); rechtliches Gehör, Verhältnismässigkeitsprinzip, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 6. Februar 2023 (UH220351-O/U/BEE). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Das Bezirksgericht Winterthur (Jugendgericht) sprach mit Urteil vom 18. Dezember 2019 A.________, geboren 2000, des mehrfachen (teilweise versuchten) Raubes, der einfachen Körperverletzung, der mehrfachen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, der mehrfachen (teilweise versuchten) Erpressung, der qualifizierten Erpressung, des versuchten betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage, des mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz, des mehrfachen Diebstahls, der Sachbeschädigung, des Hausfriedensbruchs und des mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 54 Monaten (unter Anrechnung von 721 Tagen ausgestandener Haft und Schutzmassnahmen). Weiter ordnete es eine Massnahme für junge Erwachsene im Sinne von Art. 61 StGB an. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde zugunsten des Massnahmenvollzugs aufgeschoben.  
 
A.b.  
 
A.b.a. Mit Verfügung des Amts für Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürich (JuWe) vom 14. April 2020 wurde A.________ per 20. April 2020 zum Vollzug der Massnahme für junge Erwachsene nach Art. 61 StGB ins Massnahmenzentrum B.________ eingewiesen.  
 
A.b.b. Am 1. November 2020 entwich A.________ während der Öffnungsstunde aus dem Massnahmenzentrum B.________.  
 
A.b.c. Das JuWe ordnete mit Verfügung vom 3. November 2020 gegen A.________ aufgrund seiner Flucht gestützt auf § 22a des Zürcher Straf- und Justizvollzugsgesetzes vom 19. Juni 2006 (StJVG/ZH; LS 331) Sicherheitshaft an. Er wurde international zur Verhaftung ausgeschrieben.  
 
A.b.d. Am 17. November 2020 wurde das JuWe vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement über die Festnahme von A.________ in Deutschland informiert. Nach der am 22. Dezember 2020 erfolgten Auslieferung wurde A.________ im Rahmen der Sicherheitshaft nach § 22a StJVG/ZH ins Gefängnis U.________ verbracht.  
 
A.c.  
 
A.c.a. Das JuWe beantragte am 8. April 2021 gestützt auf Art. 62c Abs. 6 StGB beim Bezirksgericht Winterthur die Aufhebung der Massnahme für junge Erwachsene nach Art. 61 StGB und die Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB. Das Bezirksgericht Winterthur lehnte den Antrag auf Anordnung einer stationären Massnahme mit Beschluss vom 21. Juli 2021 ab.  
 
A.c.b. Zur Weiterführung der Massnahme für junge Erwachsene (Art. 61 StGB) wurde A.________ am 2. August 2021 im Massnahmenzentrum C.________ angemeldet. Mit Stellungnahme vom 1. September 2021 lehnte das Massnahmenzentrum C.________ aufgrund der fehlenden Massnahmenwilligkeit sowie der hohen Gewaltbereitschaft von A.________ dessen Aufnahme ab.  
 
A.d.  
 
A.d.a. Das JuWe hob am 9. Februar 2022 die mit Urteil vom 18. Dezember 2019 angeordnete Massnahme für junge Erwachsene (Art. 61 StGB) wegen Aussichtslosigkeit (Art. 62c Abs. 1 lit. a StGB) auf. Gleichzeitig beantragte es beim Bezirksgericht Winterthur gestützt auf Art. 62c Abs. 3 StGB die Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB, eventualiter gestützt auf Art. 62c Abs. 4 StGB die Anordnung einer Verwahrung nach Art. 64 StGB. Schliesslich beantragte es beim Zwangsmassnahmengericht des Bezirksgerichts Winterthur die Anordnung von Sicherheitshaft nach Art. 364a Abs. 1 StPO.  
 
A.d.b. Das Zwangsmassnahmengericht des Bezirksgerichts Winterthur ordnete am 28. Februar 2022 Sicherheitshaft an. Diese wurde bis zum 31. August 2022 bewilligt, längstens aber bis zum Abschluss der Hauptverhandlung bzw. Urteilseröffnung.  
 
A.d.c. Das Haftentlassungsgesuch von A.________ vom 6. Juli 2022 wies das Zwangsmassnahmengericht des Bezirksgerichts Winterthur am 15. Juli 2022 ab.  
 
A.d.d. Am 22. August 2022 ersuchte der Präsident des Bezirksgerichts Winterthur (Verfahrensleitung) das Zwangsmassnahmengericht des Bezirksgerichts Winterthur um Verlängerung der Sicherheitshaft. Diese wurde am 30. August 2022 bis zum 30. November 2022 verlängert.  
 
A.e.  
 
A.e.a. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2022 ordnete das Bezirksgericht Winterthur anstelle der mit Urteil vom 18. Dezember 2019 angeordneten Massnahme für junge Erwachsene (vgl. oben Sachverhalt A.a) eine Massnahme zur Behandlung von psychischen Störungen nach Art. 59 StGB an. Die Sicherheitshaft wurde bis zum Massnahmenantritt, längstens aber bis zum 19. April 2023 plus 6 Monate verlängert.  
 
A.e.b. Das Obergericht des Kantons Zürich wies eine hiergegen gerichtete Beschwerde am 6. Februar 2023 ab, soweit es darauf eintrat.  
 
B.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 6. Februar 2023 sei aufzuheben. Es sei keine Massnahme, insbesondere keine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB, anzuordnen. Eventualiter sei ein Sondersetting in Freiheit anzuordnen. Die verlängerte Sicherheitshaft sei aufzuheben und er sei sofort zu entlassen. Für die zu Unrecht erstandene Sicherheitshaft seit dem 13. Juli 2022 sei ihm eine Genugtuung in der Höhe von Fr. 200.-- pro Hafttag zzgl. 5 % Zins auszurichten. Es seien die Kosten und Gebühren des vorinstanzlichen Verfahrens auf die Staatskasse zu nehmen. Eventualiter sei der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 6. Februar 2023 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MWST) gemäss dem Ausgang des Verfahrens. Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
C.  
Das Obergericht des Kantons Zürich nimmt mit Eingabe vom 12. Mai 2023 zur Beschwerde Stellung. Das JuWe reicht mit Eingabe vom 16. Mai 2023 eine Vernehmlassung ein und verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen in seinem Antrag vom 9. Februar 2022 sowie im angefochtenen Beschluss. Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich lässt sich innert Frist nicht vernehmen. A.________ nimmt in seiner Replik vom 12. Juni 2023 zu den eingereichten Vernehmlassungen Stellung und ersucht um Gutheissung der gestellten Anträge. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Anfechtungsgegenstand ist vorliegend ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid, worin im Rahmen eines selbständigen nachträglichen Verfahrens gemäss Art. 363 ff. StPO über die Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB befunden wird. Es handelt sich um eine Strafsache, gegen welche die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 BGG). Der Beschwerdeführer ist hierzu legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist grundsätzlich unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägungen auf die Beschwerde einzutreten.  
 
1.2. Der Beschwerdeführer beantragt unter anderem die Aufhebung der mit Beschluss des Bezirksgerichts Winterthur vom 19. Oktober 2022 verlängerten Sicherheitshaft (vgl. Sachverhalt A.e.a) und ersucht um sofortige Haftentlassung (Beschwerde S. 2). Die Frage der Haftentlassung bildet nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Entscheids. Das Bundesgericht ist nicht zuständig, Haftentlassungsgesuche als erste Instanz zu beurteilen. Mit der Beschwerdeeinreichung geht die vollzugsrechtliche Zuständigkeit nicht an dieses über (BGE 143 IV 160 E. 3.1 S. 164; Urteile 6B_882/2021 vom 12. November 2021 E. 3; 6B_453/2018 vom 4. Juni 2018 E. 2.2). Auf das Gesuch um Aufhebung der Sicherheitshaft bzw. um sofortige Haftentlassung ist folglich nicht einzutreten.  
 
1.3. Der Beschwerdeführer verlangt eine Entschädigung für die seit dem 13. Juli 2022 "zu Unrecht" erstandene Haft in Höhe von Fr. 200.-- pro Hafttag zzgl. 5 % Zins (Beschwerde S. 2, 11), ohne das Fehlen eines gültigen strafprozessualen Hafttitels zu behaupten (vgl. BGE 142 IV 245 E. 4.1 S. 248; Urteil 6B_1223/2019 vom 27. März 2020 E. 8.3; je mit Hinweisen). Darauf ist mangels hinreichender Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG) nicht einzutreten.  
 
2.  
Der Beschwerdeführer beantragt die Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels (Beschwerde S. 2, 4). Ein solcher findet im bundesgerichtlichen Verfahren in der Regel nicht statt (Art. 102 Abs. 3 BGG). Die Eingaben des Obergerichts des Kantons Zürich vom 12. Mai 2023 und des JuWe vom 16. Mai 2023 wurden dem Beschwerdeführer zur Kenntnisnahme zugestellt. Er erhielt die Möglichkeit, sich dazu zu äussern, auch wenn nicht explizit ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet wurde. Diese Möglichkeit nahm er mit Einreichung seiner Replik vom 12. Juni 2023 wahr. Der Antrag des Beschwerdeführers ist somit gegenstandslos geworden (vgl. Urteil 6B_307/2014 vom 4. Mai 2015 E. 1, nicht publ. in: BGE 141 I 105). 
 
3.  
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen. Dem diesbezüglichen Verfahrensantrag des Beschwerdeführers (Beschwerde S. 2, 4) ist damit Genüge getan. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Voraussetzungen für die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB seien nicht erfüllt. Es sei nicht rechtsgenügend erstellt, dass sich mit einer solchen Massnahme die Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen lasse (Art. 59 Abs. 1 lit. b StGB). Darüber hinaus halte die Anordnung der stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB einer Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 56 Abs. 2 StGB, Art. 36 Abs. 2 BV und Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK nicht stand (Beschwerde S. 4 ff.).  
 
4.2.  
 
4.2.1. Das JStG regelt die Sanktionen, welche gegenüber Personen zur Anwendung kommen, die vor Vollendung des 18. Altersjahres eine nach dem StGB oder einem andern Bundesgesetz mit Strafe bedrohte Tat begangen haben (Art. 1 Abs. 1 JStG). Ergänzend zu diesem Gesetz sind die in Art. 1 Abs. 2 JStG aufgezählten Bestimmungen des StGB sinngemäss anwendbar.  
Das JStG gilt für Personen, die zwischen dem vollendeten 10. und dem vollendeten 18. Altersjahr eine mit Strafe bedrohte Tat begangen haben (Art. 3 Abs. 1 JStG). Sind gleichzeitig eine vor und eine nach Vollendung des 18. Altersjahres begangene Tat zu beurteilen, so ist hinsichtlich der Strafen nur das StGB anwendbar. Dies gilt auch für die Zusatzstrafe (Art. 49 Abs. 2 StGB), die für eine Tat auszusprechen ist, welche vor Vollendung des 18. Altersjahres begangen wurde. Bedarf der Täter einer Massnahme, so ist diejenige Massnahme nach dem StGB oder nach diesem Gesetz anzuordnen, die nach den Umständen erforderlich ist. Wurde ein Verfahren gegen Jugendliche eingeleitet, bevor die nach Vollendung des 18. Altersjahres begangene Tat bekannt wurde, so bleibt dieses Verfahren anwendbar. Andernfalls ist das Verfahren gegen Erwachsene anwendbar (Art. 3 Abs. 2 JStG). Massnahmen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 JStG sind solche nach Art. 12 ff. JStG und Art. 59 ff. StGB (vgl. Urteile 6B_1445/2021 vom 14. Juni 2023 E. 2.4.1, zur Publ. vorgesehen; 6B_1037/2021 vom 3. März 2022 E. 6.3.1). 
Der Beschwerdeführer wurde im Juni 2000 geboren und hatte zum Zeitpunkt der Verübung der Straftaten das 18. Altersjahr in einigen Fällen bereits vollendet. Er wurde am 24. Mai 2017 und damit vor seinem 18. Geburtstag von der Jugendanwaltschaft erstmals einvernommen. Das Verfahren gegen ihn wurde entsprechend vor Vollendung seines 18. Altersjahres eingeleitet, womit vorliegend das jugendstrafrechtliche Verfahren vor dem Jugendgericht Anwendung fand (vgl. erstinstanzliches Urteil S. 7 f.; Sachverhalt A.a). Als Massnahmen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 JStG kommen vorliegend unter anderem solche nach Art. 59 ff. StGB in Betracht. 
 
4.2.2. Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen, ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht oder die öffentliche Sicherheit dies erfordert und die Voraussetzungen der Art. 59-61, 63 oder 64 StGB erfüllt sind (Art. 56 Abs. 1 StGB). Eine stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB zur Behandlung von psychischen Störungen ist anzuordnen, wenn der Täter psychisch schwer gestört ist, er ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang steht, und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen (Art. 59 Abs. 1 StGB). Die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme setzt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass sich durch eine solche Massnahme über die Dauer von fünf Jahren die Gefahr weiterer mit der psychischen Störung in Zusammenhang stehender Straftaten deutlich verringern bzw. eine tatsächliche Reduktion des Rückfallrisikos erreichen lässt. Eine lediglich vage, bloss theoretische Erfolgsaussicht genügt für die Anordnung einer therapeutischen Massnahme nicht. Nicht erforderlich ist hingegen, dass über einen Behandlungszeitraum von fünf Jahren ein Zustand erreicht wird, der es rechtfertigt, dem Betroffenen Gelegenheit für eine Bewährung in Freiheit zu geben (BGE 134 IV 315 E. 3.4.1 S. 321 f.; Urteile 6B_1420/2022 vom 10. März 2023 E. 1.2.3; 6B_93/2022 vom 24. November 2022 E. 2.3.1; je mit Hinweisen).  
 
4.2.3. Die stationäre therapeutische Massnahme muss verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 2 und 3 BV; Art. 56 Abs. 2 StGB). Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass die Massnahme geeignet ist, beim Betroffenen die Legalprognose zu verbessern. Weiter muss die Massnahme notwendig sein. Sie hat zu unterbleiben, wenn eine gleich geeignete, aber mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreichen würde. Dieses Kriterium trägt dem Aspekt des Verhältnisses zwischen Strafe und Massnahme bzw. der Subsidiarität von Massnahmen Rechnung. Schliesslich muss zwischen dem Eingriff und dem angestrebten Zweck eine vernünftige Relation bestehen (Verhältnismässigkeit i.e.S.). Das bedeutet, dass die betroffenen Interessen gegeneinander abgewogen werden müssen. Bei einer Prüfung des Zweck-Mittel-Verhältnisses fallen im Rahmen der Gesamtwürdigung auf der einen Seite insbesondere die Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte des Betroffenen in Betracht. Auf der anderen Seite sind das Behandlungsbedürfnis sowie die Schwere und die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten relevant (vgl. BGE 142 IV 105 E. 5.4 S. 112; 137 IV 201 E. 1.2 S. 203; Urteile 6B_1420/2022 vom 10. März 2023 E. 1.2.4; 6B_106/2023 vom 3. März 2023 E. 2.2; je mit Hinweisen).  
 
4.2.4. Eine Rückversetzung in die gescheiterte Massnahme für junge Erwachsene nach Art. 61 StGB (vgl. Sachverhalt A.d.a) entfällt. An ihrer Stelle kann das Gericht eine andere Massnahme anordnen, wenn sich der Beschwerdeführer immer noch als massnahmebedürftig und massnahmefähig erweist (Urteile 6B_473/2014 vom 20. November 2014 E. 1.6.1; 6B_58/2014 vom 20. Februar 2014 E. 1.7). Massnahmen im Sinne von Art. 56 ff. StGB werden ohne Rücksicht auf Art und Dauer der ausgesprochenen Strafe angeordnet. Massgebend sind der Geisteszustand des Täters und die Auswirkungen der Massnahme auf die Gefahr weiterer Straftaten (BGE 136 IV 156 E. 2.3 S. 158; Urteile 6B_1225/2021 vom 7. Januar 2022 E. 3.9.2; 6B_115/2020 vom 30. April 2020 E. 2.3).  
 
4.2.5. Eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 ff. StGB kann nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in klaren Ausnahmefällen und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgebots auch nach vollständiger Verbüssung der Strafe angeordnet werden (Urteile 6B_473/2014 vom 20. November 2014 E. 1.6.1; 6B_58/2014 vom 20. Februar 2014 E. 1.7; je mit Hinweisen). Eine solche Ausnahmesituation nimmt das Bundesgericht etwa an, wenn ein entlassener Straftäter nach dem Scheitern der Therapie die öffentliche Sicherheit in schwerer Weise gefährden würde und nur eine langfristige stationäre Behandlung die Rückfallgefahr vermindern könnte (vgl. BGE 136 IV 156 E. 2.6 S. 160; Urteile 6B_766/2022 vom 17. Mai 2023 E. 3.1, zur Publ. vorgesehen; 6B_100/2017 vom 9. März 2017 E. 5.2; 6B_68/2016 vom 28. November 2016 E. 2.5, nicht publ. in: BGE 143 IV 1; betreffend Umwandlung einer ambulanten in eine stationäre Massnahme). Die Beurteilung der Verhältnismässigkeit einer Massnahme ist eine vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage. Für diesen Entscheid muss sich das Gericht auf eine schlüssige und klare gutachterliche Beurteilung abstützen können (Urteile 6B_173/2019 vom 24. Oktober 2019 E. 5.3.3; 6B_85/2019 vom 15. Mai 2019 E. 1.5).  
 
4.2.6. Das Gericht stützt sich bei seinem Entscheid über die Anordnung einer Massnahme auf eine sachverständige Begutachtung (Art. 56 Abs. 3 StGB). Das Gutachten muss sich über die Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten einer Behandlung des Täters, die Art und Wahrscheinlichkeit weiterer möglicher Straftaten und die Möglichkeit des Vollzugs der Massnahme äussern (vgl. Art. 56 Abs. 3 StGB; BGE 146 IV 1 E. 3.1 S. 6; 134 IV 315 E. 4.3.1 S. 326).  
Das Gericht würdigt Gutachten grundsätzlich frei (Art. 10 Abs. 2 StPO). In Fachfragen darf es indessen nicht ohne triftige Gründe davon abweichen und Abweichungen müssen begründet werden. Auf der anderen Seite kann das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE 142 IV 49 E. 2.1.3 S. 53; 141 IV 369 E. 6.1 S. 372 f.; je mit Hinweisen). Erscheint dem Gericht die Schlüssigkeit eines Gutachtens in wesentlichen Punkten zweifelhaft, hat es nötigenfalls ergänzende Beweise zur Klärung dieser Zweifel zu erheben (BGE 142 IV 49 E. 2.1.3 S. 53; 141 IV 369 E. 6.1 S. 373). Ein Gutachten stellt namentlich dann keine rechtsgenügliche Grundlage dar, wenn gewichtige, zuverlässig begründete Tatsachen oder Indizien die Überzeugungskraft des Gutachtens ernstlich erschüttern. Das trifft etwa zu, wenn der Sachverständige die an ihn gestellten Fragen nicht beantwortet, seine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen nicht begründet, diese in sich widersprüchlich sind oder die Expertise sonst an Mängeln krankt, die derart offensichtlich sind, dass sie auch ohne spezielles Fachwissen erkennbar sind (BGE 141 IV 369 E. 6.1 S. 373; Urteile 6B_356/2022 vom 23. Juni 2023 E. 2.3.2; 6B_766/2022 vom 17. Mai 2023 E. 3.3, zur Publ. vorgesehen; 6B_79/2023 vom 5. April 2023 E. 1.4.1; je mit Hinweisen). 
 
4.3. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer an einer schweren psychischen Störung im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB (dissoziale Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen) leidet, mit der die von ihm begangenen Taten in Zusammenhang stehen. Umstritten ist demgegenüber die Verhältnismässigkeit der angeordneten stationären therapeutischen Massnahme (Beschwerde S. 4 ff.).  
 
4.3.1. Das Bezirksgericht Winterthur stützte die am 19. Oktober 2022 erfolgte Anordnung der stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB auf das Verlaufsgutachten von Dr. med. D.________ vom 16. Dezember 2021 ab. Diese Anordnung wurde durch die Vorinstanz im angefochtenen Beschluss unter Verweis auf die gutachterlichen Feststellungen im erwähnten Verlaufsgutachten geschützt (angefochtener Beschluss S. 4 ff.).  
Der Gutachter führt im Verlaufsgutachten vom 16. Dezember 2021 aus, eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB käme "theoretisch" neben dem Normalvollzug als Ersatz für die bisher unglücklich verlaufene Massnahme für junge Erwachsene nach Art. 61 StGB in Betracht, wenngleich auch hierfür die Motivationslage "denkbar schlecht" sei. Der Vorteil einer solchen Massnahme wäre, dass der Beschwerdeführer hier eher unter älteren Mitinsassen leben würde, was mit Blick auf die aktuellen Erfahrungen in U.________ kein Nachteil wäre (a.a.O. S. 32). Eine solche Massnahme hätte den Vorteil der hoch variablen Vollzugslänge, wobei im Falle einer positiven Entwicklung auch verschiedene Lockerungsmöglichkeiten nach Massgabe der therapeutischen Beurteilung möglich wären (a.a.O. S. 33). Zur Frage, welche Einrichtung tragfähig genug wäre, um mit der zu erwartenden Renitenz des Beschwerdeführers fertig zu werden, hält der Gutachter fest, dass diejenige Einrichtung die besten Erfolgschancen hätte, die von ihrer Grundstruktur her einem Gefängnis am nächsten komme. Diese Voraussetzung wäre gemäss Gutachter vermutlich bei der FPA (Forensisch-Psychiatrische Abteilung) der JVA E.________ am ehesten gegeben. Für eine forensisch-psychiatrische Klinik im klassischen Sinne wäre der Beschwerdeführer psychopathologisch eher zu wenig belastet. Der festeste Rahmen wäre mit Blick auf die Fluchtgefahr respektive unter dem Sicherheitsaspekt am ehesten geeignet. Eine offene Führung käme erst nach längerer Bewährung in Betracht (a.a.O. S. 32). 
Der Gutachter erwägt weiter, ob in diesem "sehr speziellen Fall" ein unkonventionelles Sondersetting wie etwa Arbeitsexternat, allenfalls mit Electronic Monitoring, späteres Wohnexternat in einem straff geführten Lehrlingsheim oder Ähnliches verantwortbar wäre, müsste mit Blick auf die Inkaufnahme eines erhöhten Risikos unter den beteiligten Instanzen in einer kritischen Diskussion abgewogen werden. Eine stationäre Suchtrehabilitation wäre dagegen weniger geeignet, zumal der Suchtmittelgebrauch vorliegend eher ein Nebenaspekt der dissozialen Lebensweise des Beschwerdeführers darstelle und an der Kriminogenese relativ wenig beteiligt sei. Zudem hätte eine solche Massnahme den Nachteil, dass sie zumeist offen durchgeführt werde (a.a.O. S. 32 f.). Weiter hält der Gutachter fest, dass angesichts der nach wie vor ungünstigen Kriminalprognose des Beschwerdeführers, die mit weitgehender Unbehandelbarkeit verbunden sei, eine ordentliche Verwahrung zumindest zeitweilig eine diskutable Option wäre. Voraussetzung dafür wäre auch bei einer solchen Massnahme ein fester, d.h. fluchtsicherer Rahmen mit der Möglichkeit, Verhaltensstörungen aufzufangen (a.a.O. S. 33). 
Im Rahmen einer abschliessenden Würdigung kommt der Gutachter zum Schluss, dass eine "ideale Vollzugsform" bei der Prognose und dem Verhaltensstil des Beschwerdeführers nicht empfohlen werden könne. Es sei daher unumgänglich, die Vor- und Nachteile [der Vollzugsformen] sorgfältig gegeneinander abzuwägen, wobei im weiteren Vollzug durchaus auch Verlegungsmöglichkeiten für "time outs" bei Verhaltensentgleisungen im Voraus bedacht werden sollten (a.a.O. S. 33). 
 
4.3.2. Dem Verlaufsgutachten von Dr. med. D.________ vom 16. Dezember 2021 ist zu entnehmen, dass gemäss dem Gutachter das "beste Funktionsniveau" des Beschwerdeführers unter den Rahmenbedingungen eines Gefängnisses festzustellen sei, wo der Anpassungs- und Leistungsdruck auf ein relatives Minimum gesenkt seien (a.a.O. S. 30). Weiter führt der Gutachter aus, dass der Beschwerdeführer auf den limitierenden Faktor der Einschränkung bzw. Grenzsetzung von aussen angewiesen sei (a.a.O. S. 30) sowie dass allzu hohe Freiheitsgrade und ungenügende materielle Versorgung als Risikofaktoren zu betrachten seien (a.a.O. S. 31). Zudem würde gemäss Gutachter bei der FPA der JVA E.________ "vermutlich" eine "genügend tragfähige" Einrichtung zur Durchführung einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB zur Verfügung stehen, da sie von ihrer Grundstruktur her einem Gefängnis am nächsten komme. Für eine forensisch-psychiatrische Klinik im klassischen Sinne wäre der Beschwerdeführer hingegen eher zu wenig belastet (a.a.O. S. 32).  
 
4.3.3. Diesen gutachterlichen Feststellungen im Verlaufsgutachten kann nicht rechtsgenüglich entnommen werden, ob eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB geeignet wäre, die Legalprognose des Beschwerdeführers zu verbessern (Art. 59 Abs. 1 lit. b StGB; vgl. oben E. 4.2.2, E. 4.2.3). Die Frage betreffend die Eignung einer stationären therapeutischen Massnahme zur Verbesserung der Legalprognose des Beschwerdeführers bildet nicht Gegenstand des Verlaufsgutachtens. Vielmehr diskutiert der Gutachter dort Varianten vom unkonventionellen Sondersetting, einer stationären Massnahme bis hin zu einer "temporären" Verwahrung, ohne eine eindeutige Empfehlung abzugeben. Er verwirft einzig eine stationäre Suchtbehandlung nach Art. 60 StGB aufgrund des Umstandes, dass die Suchtproblematik untergeordnet erscheint. Weitgehend unklar bleibt, was der Gutachter mit dem "besten Funktionsniveau" des Beschwerdeführers meinte, welches unter den Rahmenbedingungen eines Gefängnisses festzustellen sei (a.a.O. S. 30). Es ist davon auszugehen, dass damit bloss die allgemeine Verhaltensweise und nicht die Legalprognose des Beschwerdeführers gemeint ist, geht der Gutachter im Verlaufsgutachten doch von einer "nach wie vor ungünstigen Kriminalprognose" aus, die mit "weitgehender Unbehandelbarkeit" verbunden sei (a.a.O. S. 33). Die angesprochene "weitgehende Unbehandelbarkeit" des Beschwerdeführers würde eher gegen die Eignung einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB zur Verbesserung seiner Legalprognose sprechen. Hinzu kommt, dass gemäss dem Gutachter angesichts der ungünstigen Kriminalprognose sogar eine ordentliche Verwahrung zumindest "zeitweilig" eine "diskutable Option" wäre (a.a.O. S. 33). Es ist festzuhalten, dass im Verlaufsgutachten vom 16. Dezember 2021, welches als einzige gutachterliche Grundlage für die Anordnung der stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB herangezogen wurde, die Eignung einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB zur Verbesserung der Legalprognose des Beschwerdeführers nicht rechtsgenüglich thematisiert wird. Folglich haben die kantonalen Instanzen die Eignung der stationären Massnahme bejaht, obwohl diese Frage durch eine sachverständige Begutachtung (Art. 56 Abs. 3 StGB) nicht hinreichend geklärt wurde.  
 
4.3.4. Zusammenfassend liegt kein psychiatrisches Gutachten im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB vor, welches sich zur Eignung einer stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB zur Verbesserung der Legalprognose des Beschwerdeführers äussert. Folglich bleibt die Frage, ob durch eine solche Massnahme über die Dauer von fünf Jahren die Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Beschwerdeführers in Zusammenhang stehender Straftaten deutlich verringern lässt (Art. 59 Abs. 1 lit. b StGB), unbeantwortet. Bei dieser Sachlage hat die Vorinstanz ein ergänzendes Gutachten zu dieser Frage einzuholen. Die Vorinstanz wird nach Eingang des Gutachtens unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen darüber entscheiden müssen, ob eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB zur Verbesserung der Legalprognose des Beschwerdeführers geeignet, erforderlich und verhältnismässig i.e.S. ist.  
 
4.3.5. Bei diesem Ausgang des Verfahrens braucht auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers (namentlich: Gehörsverletzung bzw. Verletzung der vorinstanzlichen Begründungspflicht, fehlende Erforderlichkeit und Verhältnismässigkeit i.e.S. der stationären therapeutischen Massnahme; unzulässiges Abweichen vom Gutachten bzw. Verletzung von Art. 56 Abs. 3 StGB) nicht weiter eingegangen zu werden.  
 
5.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 6. Februar 2023 ist aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Die Entschädigung ist praxisgemäss seinem Rechtsvertreter auszurichten. Damit wird das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos (Urteil 6B_1153/2021 vom 29. März 2023 E. 3). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf eingetreten wird. Der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 6. Februar 2023 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Thomas Häusermann, eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist gegenstandslos. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. Juli 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Caprara