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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_352/2008/sst 
 
Urteil vom 3. Dezember 2008 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari, Zünd, Mathys, 
Gerichtsschreiber Borner. 
 
Parteien 
L.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Robert Vogel, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 
5001 Aarau, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Verbotenes Mitführen eines Radarwarngerätes, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 4. April 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Gerichtspräsidium Rheinfelden büsste L.________ am 24. Oktober 2007 wegen Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz mit Fr. 300.--, weil er am 18. Januar 2007 in seinem Motorfahrzeug ein Radarwarngerät der Marke "Amigo" mit sich geführt hatte. Zudem ordnete es die Einziehung und die Vernichtung des Gerätes an. 
Eine Berufung von L.________ wies das Obergericht des Kantons Aargau am 4. April 2008 ab. 
 
B. 
L.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben, und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Vom Einzug und der Vernichtung des Radarwarngeräts sei abzusehen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Der Beschwerdeführer rügt eine rechtsungleiche Behandlung, weil die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau in einem Parallelfall die Strafbarkeit verneinte. 
Da der Beschwerdeführer die gerügte Rechtsverletzung nicht näher begründet, ist darauf nicht einzutreten. 
 
1.2 Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, weil die Vorinstanz verschiedene Einwände übergangen habe. So gehe das angefochtene Urteil überhaupt nicht auf sein Argument ein, das "Amigo"-Gerät sei kein Radarwarngerät, weil es keine elektromagnetischen Wellen registrieren könne. Ebenso fehle eine Stellungnahme zu seiner Argumentation, Radiomeldungen über Radarkontrollen oder Twix-Routen müssten gleich behandelt werden. Auch die Polizei selbst informiere über die Standorte von fixen Radaranlagen. Schliesslich setze sich die Vorinstanz nicht mit einem einschlägigen Aufsatz in der Schweizerischen Juristenzeitung auseinander und gehe auch mit keinem Wort auf einen anderen Gerichtsentscheid ein. 
1.2.1 Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs als persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die grundsätzliche Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Dabei muss sich der Richter nicht mit allen tatsächlichen Behauptungen und rechtlichen Einwänden auseinandersetzen. Er kann sich vielmehr auf die für seinen Entscheid erheblichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 126 I 97 E. 2b; 123 I 31 E. 2c, je mit Hinweisen). 
1.2.2 Die Vorinstanz hat ihren Entscheid nachvollziehbar begründet und sich mit den wesentlichen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Aus ihren Erwägungen ergibt sich, dass die technische Funktionsweise des fraglichen Gerätes keine Bedeutung hat, weshalb nicht näher auf diese eingegangen werden musste. Die übrigen Rügen waren für die Entscheidfindung offensichtlich nicht erheblich. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers hat sich die Vorinstanz mit dem angerufenen juristischen Aufsatz befasst und dargetan, weshalb die entsprechenden Ausführungen - wenn überhaupt - nur beschränkt auf das "Amigo"-Gerät übertragbar sind. Insgesamt ist die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör unbegründet. 
 
2. 
Streitig ist, ob es sich beim Gerät "Amigo" um ein verbotenes Gerät im Sinne von Art. 57b SVG handelt. Nach dieser Bestimmung sind Geräte und Vorrichtungen untersagt, welche die behördliche Kontrolle des Strassenverkehrs erschweren, stören oder unwirksam machen können (z.B. Radarwarngeräte). Sie dürfen weder in Verkehr gebracht oder erworben noch in Fahrzeuge eingebaut, darin mitgeführt, an ihnen befestigt oder in irgendeiner Form verwendet werden. 
 
2.1 Die Vorinstanz führt aus, das Gerät "Amigo", das der Beschwerdeführer in betriebsbereitem Zustand in seinem Auto mitführte, sei entwickelt worden, um vor Geschwindigkeitskameras zu warnen. Das Gerät gebe optische und akustische Signale (Stimme und Signalhorn), wenn sich beispielsweise eine Kamera in einer Entfernung von 500 oder 300 Metern oder im nächsten Tunnel befinde. Desgleichen werde gewarnt, wenn in der erwähnten Entfernung eine Rotlichtkamera zu erwarten sei. Gestützt auf die Bedienungsanleitung und die Angaben des Beschwerdeführers stehe fest, dass es sich beim Gerät "Amigo" um ein Radarwarngerät handle, welches nicht nur geeignet, sondern ausschliesslich dazu bestimmt sei, den Motorfahrzeugführer vorzeitig auf Radargeräte aufmerksam zu machen. 
Der Einsatz des Gerätes "Amigo" habe demnach stets zur Folge, dass die Wirksamkeit der im Interesse der Verkehrssicherheit durchgeführten Kontrollen aufgehoben oder beeinträchtigt werde. Das Gerät diene offensichtlich dem Zweck, sich ungestraft über Tempolimiten hinwegsetzen zu können. Es erschwere und störe damit die behördlichen Kontrollen des Strassenverkehrs. Ob diese mit einer fixen oder einer mobilen Radaranlage durchgeführt würden, spiele gestützt auf den Gesetzestext sowie den Sinn und Zweck der entsprechenden Bestimmung keine Rolle. 
 
2.2 Nach Auffassung des Beschwerdeführers fällt das "Amigo"-Gerät nicht unter die in Art. 57b SVG verbotene Kategorie. Im Unterschied zu einem Radarwarngerät könne das "Amigo"-Gerät keine elektromagnetischen Wellen registrieren. Es orte lediglich die Position des Fahrzeuges und verbinde sie mit allgemein zugänglichen und damit bekannten Informationen von fixen Radargeräten. Das "Amigo"-Gerät könne mithin keine neu aufgestellten Radaranlagen entdecken. Es stelle mittels GPS lediglich fest, wo sich das Fahrzeug im Moment befinde. Sofern das Gerät über vorgängig eingespeiste Informationen verfüge, wonach sich in der Nähe des Fahrzeugstandortes eine Radaranlage befinde, informiere es den Fahrer. Bei diesem Gerät handle es sich somit um kein Radarwarngerät. 
 
2.3 Die Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes vom 20. März 1975 ermächtigte den Bundesrat in Art. 57 Abs. 4 aSVG (AS 1975 1261), die Herstellung, den Handel und die Verwendung von Geräten und Vorrichtungen zu verbieten, welche die behördliche Kontrolle des Strassenverkehrs stören, erschweren oder unwirksam machen können. Gestützt auf diese Bestimmung erliess der Bundesrat am 19. März 1979 die Verordnung über Geräte zur Störung von Strassenverkehrskontrollen (AS 1979 332). In der Botschaft hatte er festgehalten, die Radarwarngeräte seien deshalb als unzulässig zu betrachten, weil sie den Fahrzeugführern ein ungestraftes Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit problemlos erlauben und damit die Erfassung gerade der notorischen Schnellfahrer ausschliessen würden (BBl 1973 II 1196). 
Die genannte bundesrätliche Verordnung wurde durch den heute geltenden Art. 57b SVG ersetzt, der am 1. Februar 1991 in Kraft trat. Verschiedene Versuche, die Verbote in der bundesrätlichen Verordnung zu unterlaufen, machten eine ausführlichere Rechtsetzung auf Gesetzesstufe notwendig (Botschaft über die Änderung des Strassenverkehrsgesetzes vom 27. August 1986, BBl 1986 III 225). Die gesetzgebungspolitischen Gründe blieben unverändert. Die Problematik der Störung von Geschwindigkeitskontrollen durch sog. Radarwarngeräte hatte sich seit der Einführung von Tempo 80 auf Ausserortsstrassen und Tempo 120 auf Autobahnen noch verstärkt. Nach Auffassung des Bundesrates würden solche Radarwarngeräte verwendet, um sich ungestraft über die aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes erlassenen Tempolimiten hinwegzusetzen. Gerade die notorischen Schnellfahrer könnten dank diesen Geräten nicht erfasst werden. Solche Führer würden die Homogenität des Verkehrs und das Verkehrsklima stören und überdies die anderen Strassenbenützer zu Geschwindigkeitsmissachtungen animieren (Botschaft, a.a.O.). 
 
2.4 Über die gesetzgeberische Absicht beim Erlass von Art. 57b SVG kann kein vernünftiger Zweifel bestehen. Es ging darum, technische Geräte und Vorrichtungen zu verbieten, die mit dem Zweck eingesetzt werden, polizeiliche Kontrollen zu beeinträchtigen. Weil solche Einrichtungen vor Geschwindigkeitskontrollen warnen, sind sie geeignet, diese zu stören oder unwirksam zu machen (vgl. BGE 119 IV 81 E. 3 a S. 83). 
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers und einer Meinung in der Literatur (HANS GIGER, Rechtliche Situation bezüglich GPS-Systemen mit Standortangaben über Radaranlagen, SJZ 103/2007 S. 165 ff.) kann es nicht auf die Funktionsweise des Gerätes ankommen. Es ist unwesentlich, ob im Fahren registrierte elektromagnetische Wellen oder im Gerät vorprogrammierte Informationen vor einer (möglichen) Geschwindigkeitskontrolle warnen, ob das Gerät die Kontrollen aktiv stört oder lediglich passiv darauf hinweist und ob vor einer fixen oder einer mobilen Radaranlage gewarnt wird. Entscheidend ist, dass das Gerät in all diesen Fällen den Führer davor warnt, bei einer allfälligen Überschreitung der Geschwindigkeit ertappt und verzeigt zu werden. 
Das Ziel polizeilicher Geschwindigkeitskontrollen besteht darin, Missachtungen der gesetzlichen Vorschriften festzustellen und zu ahnden mit dem hauptsächlichen Zweck, fehlbare Autofahrer im Interesse der Verkehrssicherheit zur Befolgung der Verkehrsregeln anzuhalten (vgl. BGE 103 IV 186 E. 5c S. 189). Dies wird unterlaufen, wenn der Automobilist sich darauf verlassen kann, bei seiner Geschwindigkeitsüberschreitung nicht erfasst zu werden. 
Das "Amigo"-Gerät ermöglicht es dem Fahrzeuglenker, mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs zu sein, ohne wesentlich Gefahr zu laufen, dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Es hält ihn an, seine übersetzte Geschwindigkeit vor der Messstelle (vorübergehend) auf das zulässige Mass zu reduzieren, um sich einer Sanktion zu entziehen. Dass damit eine auf Einhaltung der Tempolimite ausgerichtete polizeiliche Kontrolle unwirksam gemacht wird, liegt auf der Hand. 
 
2.5 In Art. 57b Abs. 1 SVG werden "Radarwarngeräte" bloss beispielhaft aufgezählt. Folglich gehören noch weitere Geräte und Vorrichtungen zum gesetzlichen Anwendungsbereich. Mit der allgemeinen Umschreibung der verbotenen Geräte trägt Art. 57b Abs. 1 SVG nicht zuletzt der laufenden technischen Entwicklung Rechnung, ohne dabei dem Bestimmtheitsgebot ("nulla poena sine lege certa") zuwiderzulaufen (vgl. BGE 119 IV 242 E. 1c S. 244 mit Hinweisen). Deshalb kann offenbleiben, was unter "Radarwarngeräten" im Einzelnen zu verstehen ist und ob das "Amigo"-Gerät des Beschwerdeführers unter diesen Begriff fällt. 
Auch wenn die Standorte von Geschwindigkeitsmessungen öffentlich bekannt sein können, ändert sich nichts daran, dass der Gesetzgeber die Geräte, die vor solchen Kontrollen warnen, wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung verbieten wollte. Der Einwand des Beschwerdeführers, wonach die gesetzliche Erwähnung der Radarwarngeräte zeige, dass die Strafbarkeit auf vergleichbare Geräte beschränkt werden sollte, überzeugt nicht. Abgesehen davon, dass allgemein von "Geräten und Vorrichtungen" die Rede ist, drängte sich eine ausdrückliche Nennung auf, weil zum damaligen Zeitpunkt eigentliche Radarwarngeräte vermehrt in Erscheinung traten (vgl. Botschaft, BBl 1986 III 225). Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber sich auf bestimmte Geräte beschränken wollte. 
Ebenso unbehelflich ist der Einwand des Beschwerdeführers, es müssten auch Strassenkarten mit eingezeichneten Radarstandorten und entsprechende Radio-Hinweise unter das gesetzliche Verbot fallen. Daraus kann nichts zu seinen Gunsten hergeleitet werden. Im Übrigen stünden einer derart ausdehnenden Interpretation wohl der Wortlaut des Art. 57b SVG wie auch die Absicht des Gesetzgebers entgegen. 
 
2.6 Zusammenfassend verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie davon ausgeht, das Mitführen des Gerätes "Amigo" erfülle den Tatbestand des Art. 57b Abs. 1 SVG
 
3. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe sich in einem Rechtsirrtum gemäss Art. 21 StGB befunden. 
Nach dieser Bestimmung handelt nicht schuldhaft, wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe. 
Der Beschwerdeführer bezieht sich auf eine Mitteilung des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) vom 5. Januar 2007, worin auf verbotene Radarwarngeräte hingewiesen wird. Damit zeigt er, dass er mindestens hätte wissen können, etwas Verbotenes zu tun. Selbst wenn über die Zulässigkeit einzelner Geräte unterschiedliche Auffassungen geäussert wurden, konnte der Beschwerdeführer nicht davon ausgehen, er tue überhaupt nichts Unrechtes (vgl. BGE 128 IV 201 E. 2 mit Hinweis). Folglich kann keine Rede davon sein, der Beschwerdeführer habe nicht damit rechnen können, der Gebrauch des "Amigo"-Gerätes sei rechtswidrig. Die Rüge ist unbegründet. 
 
4. 
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 3. Dezember 2008 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Schneider Borner