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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_264/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 30. Juli 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichterinnen Pfiffner, Glanzmann, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Pensionskasse des Bundes PUBLICA,  
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 26. Februar 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1943 geborene C.________ war bei der Eidgenössischen Versicherungskasse (heute Pensionskasse des Bundes PUBLICA) für die berufliche Vorsorge versichert. Ab 1. Juli 2001 richtete ihm die PUBLICA eine Rente aus. Am 24. Juni 2011 verheiratete er sich mit B.________. Am 20. Juli 2012 verstarb C.________. 
Am 24. August 2012 eröffnete die PUBLICA B.________, dass sie infolge des Todes ihres Ehemannes Anspruch auf eine einmalige Abfindung in der Höhe von Fr. 13'964.40 habe, woran sie mit Leistungsbescheid vom 28. August 2012 festhielt. Mit Schreiben vom 12. Februar 2013 ersuchte B.________ um Auszahlung eines Todesfallkapitals im Betrag von Fr. 68'251.02, abzüglich der bereits geleisteten Zahlung von Fr. 13'964.40, somit Fr. 54'286.62, was die PUBLICA am 18. Februar 2013 ablehnte. 
 
B.   
Am 8. Juli 2013 reichte B.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern Klage ein mit dem Antrag, die PUBLICA sei zu verpflichten, ihr eine einmalige Abfindung in der Höhe von Fr. 54'286.62 auszuzahlen. Mit Entscheid vom 26. Februar 2014 hiess das Verwaltungsgericht die Klage gut und verpflichtete die PUBLICA, B.________ eine Abfindung in der Höhe der Hälfte des Altersguthabens im Zeitpunkt der Pensionierung von C.________ selig, abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen im Betrag von Fr. 13'964.40, zu bezahlen. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die PUBLICA, unter Abweisung der Klage sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben; eventuell sei B.________ eine Abfindung in der Höhe von drei reglementarischen Jahresehegattenrenten zuzusprechen; subeventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. 
B.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Streitig ist, ob die Beschwerdegegnerin anstelle der ihr von der PUBLICA zugesprochenen einmaligen Abfindung in Höhe von drei Jahresrenten gemäss Art. 19 Abs. 2 BVG Anspruch auf die Hälfte des Todesfallkapitals von Fr. 136'502.04 hat. Diese Frage beurteilt sich anhand des Vorsorgereglements für die Angestellten und die Rentenbeziehenden des Vorsorgewerks Bund (VRAB) vom 15. Juni 2007 (SR 172.220.141.1).  
 
1.2. PUBLICA-Gesetz und VRAB sind öffentlich-rechtliche Erlasse. Deren Bestimmungen sind somit nach den Regeln der Gesetzesauslegung zu interpretieren (BGE 138 V 98 E. 5.1 S. 102, 133 V 314 E. 4.1 S. 316 mit Hinweisen). Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Deutungen möglich, sind weitere Auslegungselemente heranzuziehen, neben der Entstehungsgeschichte der Norm, wie sie sich namentlich aus den Materialien ergibt, deren Zweck sowie die Bedeutung, die ihr im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Lediglich dann kann allein auf den Wortlaut abgestellt werden, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergibt. Sind mehrere Interpretationen denkbar, soll jene gewählt werden, welche die verfassungsrechtlichen Vorgaben am besten berücksichtigt (BGE 138 II 107 E. 5.2 S. 107 f., 138 V 17 E. 4.2 S. 20; SVR 2013 BVG Nr. 46 S. 197).  
 
2.   
Gemäss Art. 19 Abs. 2 BVG hat der überlebende Ehegatte, der keinen Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente hat, weil er nicht für den Unterhalt mindestens eines Kindes aufkommen muss, nicht älter als 45 Jahre ist und die Ehe nicht mindestens fünf Jahre gedauert hat (Art. 19 Abs. 1 lit. a und b BVG), Anspruch auf eine einmalige Abfindung in Höhe von drei Jahresrenten. In Art. 44 Abs. 1 VRAB ist der Anspruch auf Ehegattenrente in Anlehnung an Art. 19 Abs. 1 BVG geregelt. Die reglementarischen Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdegegnerin nicht. Nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 VRAB hat die überlebende Ehegattin, welche die Voraussetzungen nach Abs. 1 nicht erfüllt, Anspruch auf eine einmalige Abfindung in der Höhe des Todesfallkapitals nach Art. 50 VRAB. Stirbt eine versicherte Person und entsteht kein Anspruch nach den Art. 44 und 45 VRAB, so zahlt PUBLICA ein Todesfallkapital aus. Anspruchsberechtigt sind u.a. natürliche Personen, die von der versicherten Person in erheblichem Mass unterstützt worden sind (Art. 49 Abs. 1 lit. a VRAB). Das Todesfallkapital entspricht der Hälfte des Altersguthabens im Zeitpunkt des Todes der versicherten Person. Es wird um den Barwert einer allfälligen Waisenrente reduziert (Art. 50 VRAB). 
 
3.   
 
3.1. Die Vorinstanz stellt sich auf den Standpunkt, es sei nicht über den Anspruch auf ein Todesfallkapital, sondern auf eine einmalige Abfindung im Sinne von Art. 44 Abs. 2 Satz 1 VRAB zu entscheiden. Art. 49 f. VRAB seien hingegen nicht massgebend. Der Anspruch auf Todesfallkapital scheitere ausserdem schon daran, dass Art. 49 Abs. 1 VRAB nur Versicherte, nicht aber - wie hier - Rentenbezüger betrifft. C.________ habe im Zeitpunkt seines Todes eine Altersrente der PUBLICA bezogen. Die Beschwerdegegnerin habe Anspruch auf eine Abfindung (Art. 44 Abs. 2 Satz 1 VRAB), gemäss Art. 50 VRAB die Hälfte des Altersguthabens im Zeitpunkt des Todes der versicherten Person. Altersrentner besässen jedoch kein Altersguthaben mehr, da dieses zur Finanzierung der Rente verwendet wurde. Dies sei jedoch nicht ausschlaggebend, da die zur Diskussion stehende Hinterlassenenleistung durch eine vom Arbeitgeber übernommene Risikoprämie bezahlt wurde. Art. 44 Abs. 1 VRAB beschränke den Anspruch auf eine einmalige Abfindung nicht auf überlebende Ehegatten von versicherten Personen, weshalb auch überlebende Ehegatten von Altersrentenbezügern anspruchsberechtigt seien. Hinzu komme, dass Art. 44 VRAB Art. 19 BVG nachgebildet sei. Diese Bestimmung treffe keine Unterscheidung zwischen Hinterlassenen von Versicherten und Altersrentenbezügern. Art. 50 VRAB sei im Hinblick darauf, dass bei einem Altersrentenbezüger ein Altersguthaben als Bemessungsgrundlage fehlt, auszulegen. In Betracht falle nur das Altersguthaben im Zeitpunkt der Pensionierung als Berechnungsbasis.  
 
3.2. Die PUBLICA macht eine unrichtige Anwendung des Vorsorgereglements geltend. Die Vorinstanz habe in die Auslegung von Art. 50 VRAB nicht den gesamten Wortlaut, sondern nur den Begriff Altersguthaben einbezogen. Werde auf das im Zeitpunkt der Pensionierung vorhanden gewesene Altersguthaben abgestellt, werde ein in dieser Höhe nicht mehr existierendes Guthaben herangezogen. Das in Art. 50 VRAB auch enthaltene massgebliche zeitliche Kriterium, nämlich der Zeitpunkt des Todes, werde vollständig ausgeblendet. Die Finanzierung der Leistung wäre nicht gesichert und müsste zu Lasten der anderen Destinatäre des Vorsorgewerks erfolgen. Unzutreffend sei die vorinstanzliche Auffassung, dass die Hinterlassenenleistungen durch eine Risikoprämie finanziert würden. Diese finanziere lediglich die Risiken Tod und Invalidität, nicht aber das Risiko Alter, das sich im vorliegenden Fall zuerst verwirklichte. Sodann sei der verstorbene Ehemann der Beschwerdegegnerin am 1. Juli 2001 unter Geltung des Leistungsprimats pensioniert worden. Dieses System habe kein Altersguthaben gekannt. Somit lasse sich der kantonale Gerichtsentscheid aus systemtechnischer Sicht gar nicht umsetzen. Im Weiteren verweist die PUBLICA auf die Entstehungsgeschichte des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 mit dem Verweis auf Art. 50 des Vorsorgereglements sowie den Zweck von Art. 50 VRAB, der darin bestehe, hinterlassene anspruchsberechtigte Personen am effektiv vorhandenen - weil von den verstorbenen versicherten Personen angesparten - Guthaben, welches nicht für Leistungen im Todesfall verwendet wird, zu beteiligen.  
 
4.   
Der PUBLICA ist beizupflichten. Das VRAB kennt keine Bestimmung, welche die Vorsorgeeinrichtung verpflichten würde, der Beschwerdegegnerin über das Obligatorium gemäss Art. 19 Abs. 2 BVG hinausgehende Hinterlassenenleistungen zu erbringen. Wie beschwerdeweise zu Recht eingewendet wird, kann der Auslegung des Vorsorgereglements durch die Vorinstanz schon deshalb nicht gefolgt werden, weil das im Zeitpunkt der Pensionierung des Verstorbenen vorhanden gewesene Altersguthaben im Zeitpunkt des Todes bereits teilweise zur Finanzierung der Altersrente verwendet worden ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass für die Versicherung der Risiken Tod und Invalidität eine vom Arbeitgeber bezahlte Risikoprämie erhoben wird (Art. 26 Abs. 1 und 2 VRAB). Im vorliegenden Fall kommt diese jedoch nicht zum Tragen, da beim verstorbenen Ehegatten der Beschwerdegegnerin vor dem Tod der Versicherungsfall Alter eingetreten ist. Für die Finanzierung der Hinterlassenenleistung kann daher nur das Altersguthaben herangezogen werden. Dabei ist indessen zu beachten, dass der verstorbene Ehemann der Beschwerdegegnerin auf den 1. Juli 2001, unter der Geltung der Verordnung vom 24. August 1994 über die Pensionskasse des Bundes, pensioniert wurde. Wie die PUBLICA richtig bemerkt, wurde die Versicherung damals nach dem Leistungsprimat finanziert. Die Altersrente bemass sich nicht nach der Höhe eines von Arbeitgeber und Arbeitnehmer geäufneten Altersguthabens, sondern nach Massgabe des versicherten Verdienstes. Kennt aber das System des Leistungsprimats keine Altersguthaben, verfügte der verstorbene Ehegatte der Beschwerdegegnerin nie über ein Altersguthaben gemäss dem vorliegend anwendbaren Vorsorgereglement. Der angefochtene Entscheid ist aus diesen Gründen als bundesrechts- und systemwidrig zu bezeichnen, weil er davon absieht, die Unterscheidung zwischen Leistungs- und Beitragsprimat zu treffen, welche gerade in Bezug auf die hier zu prüfende Frage nach Hinterlassenenleistungen aufgrund eines Altersguthabens von entscheidender Bedeutung ist. 
Auf die übrigen von der PUBLICA vorgetragenen Argumente, insbesondere die Ausführungen zur Entstehungsgeschichte von Art. 44 Abs. 2 Satz 1 VRAB mit dem Verweis auf Art. 50 VRAB, braucht ebensowenig eingegangen zu werden wie auf die weitere, vom kantonalen Gericht zur Stützung seines Standpunktes vorgebrachte Begründung. Wortlaut des Reglements und die Finanzierungsart der Altersleistungen zum Zeitpunkt der Pensionierung des verstorbenen Ehemannes der Beschwerdegegnerin auf den 1. Juli 2001 unter Geltung des Leistungsprimats lassen allein die von der PUBLICA vertretene Lösung zu. 
 
5.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
In Gutheissung der Beschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 26. Februar 2014 aufgehoben. Die Klage der Beschwerdegegnerin wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. Juli 2014 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer