Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_26/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 14. August 2014  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Stadelmann, als Einzelrichter, 
Gerichtsschreiberin Genner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Donato Del Duca, 
 
gegen  
 
Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau, Rechtsdienst, Bahnhofstrasse 88, 5001 Aarau,  
 
Gegenstand 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 21. November 2013. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
 Der libanesische Staatsangehörige A.________ (geb. am xx.xx.1974) war nach eigenen Angaben Anfang Dezember 2006 als Tourist in die Schweiz eingereist. Am 5. September 2008 heiratete er in der Schweiz eine hier niedergelassene indonesische Staatsangehörige, nachdem am xx.xx.2008 die gemeinsame Tochter B.________ geboren worden war. Im Rahmen des Familiennachzugs erhielt A.________ am 21. Januar 2009 eine Aufenthaltsbewilligung, welche letztmals bis zum 30. November 2011 verlängert wurde. Am 18. Februar 2011 hoben die Eheleute den gemeinsamen Haushalt definitiv auf; die Tochter wurde unter die Obhut der Ehefrau gestellt. 
 
2.  
 
 Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs am 6. Juni 2011 ordnete das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau am 23. August 2011 an, die Aufenthaltsbewilligung werde nicht mehr verlängert und A.________ habe die Schweiz spätestens 60 Tage nach Eintritt der Rechtskraft der Verfügung zu verlassen. An diesem Entscheid hielt das Amt für Migration und Integration auf Einsprache hin mit Verfügung vom 23. April 2012 fest. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 21. November 2013 ab. 
 
3.  
 
 A.________ erhebt am 10. Januar 2014 Beschwerde an das Bundesgericht mit den Anträgen, das angefochtene Urteil aufzuheben und ihm die Aufenthaltsbewilligung ordnungsgemäss zu verlängern; eventuell sei die Sache zu neuem Entscheid im Sinn der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht beantragt A.________, das Beschwerdeverfahren bis zum Abschluss des Scheidungsverfahrens zu sistieren, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und ihm die unentgeltliche Prozessführung mit Rechtsanwalt Donato Del Duca zu gewähren. 
 
 Das Verwaltungsgericht, das Amt für Migration und Integration und das Bundesamt für Migration schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Am 17. Januar 2014 ist A.________ mitgeteilt worden, es bestehe kein Anlass für eine Verfahrenssistierung. Mit unaufgeforderten Eingaben vom 21. Februar 2014 und vom 28. Februar 2014 reichte A.________ die Scheidungskonvention vom 20. Februar 2014 und das Scheidungsurteil des Bezirksgerichts Bremgarten vom 20. Februar 2014 ein. Seither hat sich A.________ nicht mehr vernehmen lassen. 
 
 Am 6. Mai 2014 übermittelte das Amt für Migration und Integration dem Bundesgericht eine (undatierte) Wegzugsmeldung der Gemeinde Boswil (AG). Gemäss dieser Meldung war A.________ am 31. März 2014 nach Zürich gezogen. Am 19. Mai 2014 sandte das Amt für Migration und Integration dem Bundesgericht die Kopie einer vom Kanton Zürich am 14. Mai 2014 ausgestellten Aufenthaltsbewilligung für A.________, gültig bis zum 31. März 2015. Die Bewilligung enthält den Vermerk "Familiennachzug mit Erwerbstätigkeit" sowie unter der Rubrik "Zivilstand" die Angabe "verheiratet". 
 
4.  
 
 Im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde am 10. Januar 2014 waren die Eintretensvoraussetzungen für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erfüllt (zulässige Beschwerde infolge grundsätzlichen Anspruchs gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG [SR 142.20] und Art. 8 Ziff. 1 EMRK; Legitimation gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG gegeben). Indessen muss das Rechtsschutzinteresse im Sinn von Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG nicht nur bei Einreichung der Beschwerde, sondern auch im Zeitpunkt des Urteils vorliegen (BGE 136 II 101 E. 1.1 S. 103). Fehlt das aktuelle Interesse bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung, wird auf die Beschwerde nicht eingetreten; fällt es hingegen erst im Verlauf des Verfahrens dahin, wird die Beschwerde als gegenstandslos abgeschrieben (BGE 139 II 404 E. 2.2 S. 414; 137 I 161 E. 4.3.2 S. 165; 136 III 497 E. 2.1 S. 500; BERNHARD WALDMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 17 zu Art. 89 BGG). 
 
 Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer am 14. Mai 2014 eine Aufenthaltsbewilligung erteilt. Das angefochtene Urteil vermag keine Rechtswirkungen mehr zu entfalten, weil der durch die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung entstandene Nachteil durch die Erteilung einer neuen Aufenthaltsbewilligung behoben worden ist. Somit ist das aktuelle und praktische Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Urteils am 14. Mai 2014 dahingefallen, was zur Gegenstandslosigkeit der Beschwerde führt. 
 
5.  
 
 Nach dem Gesagten ist die Beschwerde als gegenstandslos abzuschreiben. Die Abschreibung erfolgt gemäss Art. 32 Abs. 2 BGG im einzelrichterlichen Verfahren. 
 
5.1. Über die Prozesskosten war bei diesem Verfahrensausgang vor Inkrafttreten des BGG gestützt auf Art. 40 OG (BS 3 531) in Verbindung mit Art. 72 BZP (SR 273) mit summarischer Begründung auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes zu entscheiden (BGE 128 II 247 E. 6.1 S. 257 f.; 118 Ia 488 E. 4a S. 494). Diese Rechtsprechung wurde gestützt auf Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP fortgeführt. Gemäss Art. 72 BZP entscheidet das Gericht bei Gegenstandslosigkeit mit summarischer Begründung über die Prozesskosten auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes. Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen (Urteile 2C_843/2013 vom 4. Juni 2014 E. 3.1; 2C_436/2013 vom 5. Juli 2013 E. 2.3; BGE 125 V 373 E. 2a S. 374 f.).  
 
 Der Beschwerdeführer beruft sich auf den nachehelichen Härtefall nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG und macht in diesem Zusammenhang insbesondere die von Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschützte Beziehung zu seiner Tochter geltend. Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor, dass dem Beschwerdeführer zuerst ein übliches Besuchsrecht eingeräumt, dieses jedoch später gerichtlich auf acht Stunden alle zwei Wochen beschränkt worden war. Die Vorinstanz erwog, diese Besuchsregelung entspreche nicht dem heutigen für Kinder im Vorschulalter üblichen Ausmass an Kontakt mit dem nicht sorge- und obhutsberechtigten Elternteil. Der Beschwerdeführer leiste zwar im gegenwärtigen Zeitpunkt einen - im Verhältnis zu seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten - namhaften Beitrag an den Unterhalt seiner Tochter. Indessen verfüge er nicht über ein gerichtsübliches bzw. altersadäquates Besuchsrecht, weshalb in affektiver Hinsicht keine hinreichende Vater-Kind-Beziehung bestehe. Weder sein Anteil an der Betreuung noch das ihm zustehende Besuchsrecht würden seine Anwesenheit in der Schweiz erforderlich machen. 
 
 Mit Blick auf diese Erwägungen sowie die übrigen Umstände (Alter bei der Einreise, Aufenthaltsdauer, berufliche Verankerung, finanzielle Verhältnisse) ist davon auszugehen, dass die Beschwerde abzuweisen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer hat somit grundsätzlich die Gerichtskosten zu tragen. 
 
5.2. Der Beschwerdeführer hat um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht. Wird ein Rechtsstreit gegenstandslos, für den die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung beantragt worden war, so ist für deren Bewilligung auf die Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes abzustellen (Urteil I 282/87 vom 29. Dezember 1988 E. 2a).  
 
5.2.1. Die Prozessarmut des Beschwerdeführers ist zu bejahen, nachdem er mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. Fr. 2'922.90 neben dem Grundbedarf (Fr. 1'200.--) Fr. 800.-- für Miete, Fr. 333.-- für Krankenkassenprämien und Fr. 600.-- für Unterhaltsbeiträge aufbringen muss. Es ist somit zu prüfen, ob das Rechtsmittel im Zeitpunkt der Einreichung aussichtslos war (vgl. Art. 64 Abs. 1 BGG).  
 
5.2.2. Trotz voraussichtlicher Abweisung der Beschwerde kann das Rechtsmittel nicht von vornherein als aussichtslos gelten. Im Gegensatz zu den Ausführungen im angefochtenen Urteil (E. 6.2.2) ist nach der neuen bundesgerichtlichen Rechtsprechung kein grosszügig ausgestaltetes Besuchsrecht des nicht sorgeberechtigten ausländischen Elternteils mehr erforderlich, sofern dieser bereits über ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz verfügt (BGE 139 I 315 E. 2.5). Verlangt wird ein übliches Besuchsrecht; dieses umfasst in der Regel jedes zweite Wochenende (zwei volle Tage) sowie eine oder mehrere Wochen Ferien (vgl. BGE 130 III 585 E. 2.1 und 2.2). Wie erwähnt war das Besuchsrecht zunächst im üblichen Umfang gewährt (Entscheid des Gerichtspräsidiums Bremgarten vom 1. Juli 2011), danach aber auf acht Stunden alle zwei Wochen beschränkt worden (Entscheid des Bezirksgerichts Bremgarten vom 14. März 2013). Das eingeschränkte Besuchsrecht war somit im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils lediglich seit acht Monaten in Kraft und zudem nicht definitiv (Eheschutzverfahren). Es deutet nichts darauf hin, dass das Besuchsrecht nicht reibungslos ausgeübt würde; ein Grund für die Beschränkung ist nicht ersichtlich. Nachdem der Beschwerdeführer den Kontakt zur Tochter, welche im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils fünf Jahre und acht Monate alt war, kontinuierlich pflegt und Unterhaltszahlungen leistet, kann die Beschwerde nicht als geradezu aussichtslos bezeichnet werden.  
 
5.2.3. Infolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist der Beschwerdeführer von der Bezahlung der Gerichtskosten zu befreien (Art. 64 Abs. 1 BGG). Er hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).  
 
 Der Beizug eines Rechtsvertreters ist in einer Streitsache wie der vorliegenden notwendig. Rechtsanwalt Donato Del Duca ist als unentgeltlicher Rechtsbeistand des Beschwerdeführers zu bestellen. Als solcher hat er Anspruch auf eine angemessene Entschädigung (Art. 64 Abs. 2 BGG). Die Entschädigung kann tiefer sein als die ordentliche Entschädigung gemäss Art. 68 BGG ( HANSJÖRG SEILER, in: SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2007, N. 37 zu Art. 64 BGG). Gemäss Art. 10 des Reglements vom 31. März 2006 über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht (SR 173.110.210.3) kann das Honorar der vom Bundesgericht amtlich bestellten Anwälte bis zu einem Drittel gekürzt werden. Demnach erscheint eine Entschädigung von Fr. 1'000.-- angemessen. 
 
 
Demnach erkennt der Einzelrichter:  
 
1.   
Das Beschwerdeverfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen. 
 
3.   
Rechtsanwalt Donato Del Duca wird als unentgeltlicher Rechtsbeistand des Beschwerdeführers bestellt. Ihm wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 1'000.-- zugesprochen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. August 2014 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Einzelrichter: Stadelmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner