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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_352/2023  
 
 
Urteil vom 20. Dezember 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Hartmann, 
Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Quinto. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Nicolas von Wartburg, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 11. Mai 2023 (VB.2022.00756). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die thailändische Staatsangehörige A.________ (geb. 1977), die in den Ausweisdokumenten als männliche Person erfasst ist, reiste am 25. Dezember 2004 in die Schweiz ein, wo ihr nach der Eheschliessung mit der Schweizer Bürgerin B.________ eine Aufenthaltsbewilligung im Familiennachzug erteilt wurde. Diese wurde in der Folge regelmässig verlängert, auch nach dem Getrenntleben der Eheleute ab 2013, zuletzt am 25. November 2019.  
 
A.b. Während ihrer Anwesenheit in der Schweiz trat A.________ wiederholt strafrechtlich in Erscheinung: Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen und einer Busse von Fr. 1'300.-- wegen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz vom 14. Juni 2017; Bestrafung mit einer Busse von Fr. 600.-- sowie von Fr. 1'000.-- vom 30. Januar 2018 bzw. 30. Oktober 2018 wegen mehrfachen vorsätzlichen Ausübens der Prostitution an einer verbotenen Örtlichkeit sowie Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten und einer bedingten Geldstrafe von 155 Tagessätzen wegen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz (mehrfache Begehung), Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz wegen Gehilfenschaft sowie rechtswidrigen Aufenthalts und mehrfacher Täuschung der Ausländerbehörden.  
 
A.c. Darüber hinaus war A.________ im September 2019 mit drei hängigen Betreibungen und sechs Verlustscheinen im Gesamtbetrag von rund Fr. 40'000.-- verzeichnet.  
 
B.  
Mit Verfügung vom 21. Juni 2022 verweigerte das Migrationsamt des Kantons Zürich (Migrationsamt) A.________ die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und setzte ihr eine Frist bis am 21. September 2022, um die Schweiz zu verlassen. Der dagegen geführte Rekurs an die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich (Sicherheitsdirektion) wurde am 1. November 2022 abgewiesen sowie eine neue Ausreisefrist bis am 4. Februar 2023 angesetzt. Ebenso erfolglos blieb die Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Urteil vom 11. Mai 2023). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 16. Juni 2023 gelangt A.________ (Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11. Mai 2023 sei volllumfänglich aufzuheben; das Migrationsamt sei anzuweisen, die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern und die Beschwerdeführerin im Sinne von Art. 96 AIG zu verwarnen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge. In prozessualer Hinsicht beantragt die Beschwerdeführerin, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu gewähren und ihr sei zu bewilligen, den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abzuwarten. 
Mit Präsidialverfügung vom 21. Juni 2023 wurde der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
Die Sicherheitsdirektion sowie das Verwaltungsgericht verzichteten auf eine Vernehmlassung. Das Migrationsamt sowie das Staatssekretariat für Migration (SEM) liessen sich nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 149 II 66 E. 1.3).  
 
1.2. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide betreffend ausländerrechtliche Bewilligungen nur zulässig, wenn das Bundesrecht oder das Völkerrecht einen Anspruch auf die Bewilligung einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario). Für das Eintreten genügt, wenn die betroffene Person in vertretbarer Weise dartut, dass potenziell ein solcher Anspruch besteht. Ob tatsächlich ein Aufenthaltsrecht besteht, ist eine materielle Frage und keine Eintretensfrage (BGE 147 I 268 E. 1.2.7). Die Beschwerdeführerin hält sich seit knapp 20 Jahren rechtmässig in der Schweiz auf, ist seit 2004 mit einer Schweizerin verheiratet, von welcher sie allerdings seit 2013 getrennt ist, und ihre Aufenthaltsbewilligung wurde regelmässig verlängert. Sie kann sich damit in vertretbarer Weise auf einen sich aus Art. 8 EMRK sowie aus Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG ergebenden Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung berufen. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig.  
 
1.3. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 42, Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG), ist auf die Beschwerde einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 147 I 73 E. 2.1). In Bezug auf die Grundrechte gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 II 44 E. 1.2; 143 II 283 E. 1.2.2).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig, sprich willkürlich sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.2). Entsprechende Rügen unterstehen der qualifzierten Rüge- und Begründungspflicht (vgl. E. 2.1 oben).  
 
3.  
Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist die verweigerte Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin macht hauptsächlich geltend, die Nichtverlängerung sei mit Blick auf Art. 8 EMRK sowie Art. 96 AIG unverhältnismässig. Dass der Widerrufsgrund von Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG erfüllt sei, bestreitet sie nicht grundsätzlich, weist jedoch darauf hin, dass das Obergericht des Kantons Zug in seinem Urteil vom 12. Februar 2020 auf eine Landesverweisung verzichtet habe. 
 
4.  
 
4.1. Die Aufenthaltsbewilligung kann unter anderem dann widerrufen und damit nicht verlängert werden, wenn die ausländische Person zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde (Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG). Als längerfristig im Sinne von Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG gilt eine Freiheitsstrafe, wenn ihre Dauer ein Jahr überschreitet (BGE 139 I 145 E. 2.1; 135 II 377 E. 4.5).  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin wurde mit Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 12. Februar 2020 zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt (vgl. Bst. A.b). Damit liegt (grundsätzlich) ein Widerrufsgrund nach Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG vor, was von der Beschwerdeführerin zu Recht nicht bestritten wird.  
Die Vorinstanz hat hinsichtlich der Anwendung von Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG im Wesentlichen erwogen, sie stütze sich bezüglich des Widerrufs bzw. der Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin ausschliesslich auf das obergerichtliche Urteil vom 12. Februar 2020. Art. 62 Abs. 2 AIG (das sogenannte Dualismusverbot; dazu nachfolgend E. 4.3 ff.) finde keine Anwendung, da das Obergericht nicht auf eine (obligatorische) Landesverweisung verzichtet habe, sondern diese nicht angeordnet worden sei, weil die Tathandlungen, die zur Verurteilung der Beschwerdeführerin geführt hätten, vor dem 1. Oktober 2016 begangen worden seien. Soweit die Beschwerdeführerin auch vor Bundesgericht auf den Verzicht auf die Landesverweisung durch das Obergericht des Kantons Zug verweist, ist die Zulässigkeit des Widerrufs der Aufenthaltsbewilligung nach Art. 62 Abs. 2 AIG zu prüfen (vgl. E. 2.1). 
 
4.3. Gemäss Art. 62 Abs. 2 AIG ist ein Widerruf der Aufenthaltsbewilligung unzulässig, der nur damit begründet wird, dass ein Delikt begangen wurde, für das ein Strafgericht bereits eine Strafe oder Massnahme verhängt, jedoch von einer Landesverweisung abgesehen hat. Mit dieser am 1. Oktober 2016 in Kraft getretenen Kollisionsbestimmung mit übergangsrechtlicher Komponente beabsichtigte der Gesetzgeber, den Dualismus von strafrechtlicher Landesverweisung und ausländerrechtlichem Bewilligungswiderruf zu verhindern. Die ebenfalls am 1. Oktober in Kraft getretenen Art. 66a ff. StGB zur (strafrechtlichen) Landesverweisung sind zudem nur auf Delikte anwendbar, welche nach dem 1. Oktober 2016 begangen wurden (dazu ausführlich BGE 146 II 49 E. 5.1 f.; 146 II 1 E. 2.1.2).  
 
4.4. Mit dieser Bestimmung soll vermieden werden, dass zwei unterschiedliche staatliche Behörden, nämlich die Strafbehörden und die Migrationsbehörden, sich mit den Folgen des deliktischen Verhaltens für den Aufenthaltsstatus einer ausländischen Person befassen. Hat der Strafrichter das deliktische Verhalten beurteilt und von einer Landesverweisung abgesehen, auch wenn die Motive des Strafrichters für den Verzicht auf die Landesverweisung nicht verständlich sein mögen oder die Möglichkeit der Landesverweisung schlicht übersehen wurde, können die Migrationsbehörden diesbezüglich die Aufenthaltsbewilligung der betroffenen Person nicht mehr widerrufen. Andernfalls würde der Dualismus von strafrechtlicher Landesverweisung und administrativer Wegweisung wieder eingeführt und es bestünde das Risiko widersprüchlicher Urteile (BGE 146 II 321 E. 4.6.3 f., E. 4.7). Art. 62 Abs. 3 AIG möchte verhindern, dass die Straf- und Migrationsbehörden sich bezüglich Aufenthaltsstatus mit demselben Sachverhalt befassen (BGE 146 II 49 E. 5.6; Urteile 2C_305/2023 vom 9. November 2023 E. 4.4; 2C_580/2019 vom 9. März 2020 E. 2.4.3).  
 
4.5. Weiter ist zu beachten, dass eine obligatorische (Art. 66a StGB) oder fakultative (Art. 66a bis StGB) Landesverweisung zwar nicht aufgrund von Delikten ausgesprochen werden darf, welche vor dem 1. Oktober 2016 begangen wurden (vgl. E. 4.3 oben), aber solche Delikte bei der Prüfung eines Härtefalls (Art. 66a Abs. 2 StGB) bzw. bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit der Landesverweisung (aufgrund von nach dem 1. Oktober 2016 begangenen Delikten) berücksichtigt werden dürfen (BGE 146 II 49 E. 5.2; 146 II 1 E. 2.1.2). Wenn solche Delikte bei der Härtefall- bzw. Verhältnismässigkeitsprüfung berücksichtigt wurden, können die Migrationsbehörden für den administrativen Widerruf der Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG nicht mehr auf diese Delikte abstellen. Andernfalls würde der Dualismus, den Art. 62 Abs. 2 AIG beseitigt, wieder eingeführt (BGE 146 II 1 E. 2.2; Urteile 2C_305/2023 vom 9. November 2023 E. 4.5; 2C_580/2019 vom 9. März 2020 E. 2.4.1).  
 
4.6. Sind mehrere Strafurteile ergangen, wobei ein Strafurteil ausschliesslich vor dem 1. Oktober 2016 begangene Delikte behandelt und das andere Strafurteil sich mit nach dem 1. Oktober 2016 begangenen Delikten auseinandersetzt (welche die Anordnung einer obligatorischen oder fakultativen Landesverweisung ermöglichen), gilt Folgendes: Es kommt darauf an, ob sich aus der Begründung des anderen Strafurteils oder zumindest dem Antrag der Staatsanwaltschaft ergibt, dass das gesamte deliktische Verhalten der ausländischen Person, also auch die Vorstrafen (für vor dem 1. Oktober 2016 begangene Delikte), bei der Prüfung der Landesverweisung berücksichtigt wurden. Ist dies der Fall, können die Migrationsbehörden aufgrund der vor dem 1. Oktober 2016 begangenen Delikte die Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung nicht mehr widerrufen, da sie sonst den vom Strafgericht gewürdigten Sachverhalt nochmals beurteilen würden (vgl. BGE 146 II 321 E. 5.1; 146 II 1 E. 2.2; Urteile 2C_305/2023 vom 9. November 2023 E. 4.6; 2C_580/2019 vom 9. März 2020 E. 2.4.2).  
 
4.7. Behandelt das Strafurteil Delikte, welche teils vor und teils nach dem 1. Oktober 2016 begangen wurden, sodass für die begangenen Delikte eine Gesamtstrafe ausgefällt wird, so ist davon auszugehen, dass der Verzicht auf eine strafrechtliche Landesverweisung zum Zeitpunkt dieses Urteils für nach dem 1. Oktober 2016 begangene Straftaten auch für die strafbaren Handlungen gilt, die vor diesem Datum begangen wurden, aber gleichzeitig abgeurteilt wurden, da ebenfalls das gesamte deliktische Verhalten der ausländischen Person beurteilt wurde. Ein Widerruf der Aufenthaltsbewilligung durch die Migrationsbehörden aufgrund der nach dem 1. Oktober 2016 begangenen Delikte ist deshalb nicht mehr möglich (BGE 146 II 321 E. 5.2).  
 
4.8. Die Kompetenz der Migrationsbehörden, eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung für vor dem 1. Oktober 2016 begangene Delikte zu widerrufen, bleibt lediglich erhalten, wenn sich dem Strafurteil (bezüglich der nach dem 1. Oktober 2016 begangenen Delikte) keine Begründung entnehmen lässt, wonach die vor dem 1. Oktober 2016 begangenen Delikte bei der Prüfung der Landesverweisung einbezogen worden wären. Praxisgemäss ist dies dann der Fall, wenn sich weder der Urteilsbegründung noch dem Antrag der Staatsanwaltschaft irgendein Hinweis zur Landesverweisung entnehmen lässt oder aufgrund der Geringfügigkeit des nach dem 1. Oktober 2016 begangenen Delikts davon auszugehen ist, dass auch eine fakultative Landesverweisung von vornherein nicht in Betracht gezogen wurde (vgl. BGE 146 II 321 E. 5.1; 146 II 49 E. 5.6; Urteile 2C_305/2023 vom 9. November 2023 E. 4.7; 2C_657/2020 vom 16. März 2021 E. 2.3.1 und E. 2.4; 2C_945/2019 vom 15. Januar 2020 E. 2.2.2; 2C_305/2018 vom 18. November 2019 E. 4.6).  
 
5.  
 
5.1. Die Vorinstanz hält im angefochtenen Urteil fest, dass das Obergericht Zug entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht auf die Anordnung einer (obligatorischen) Landesverweisung verzichtet habe, sondern dazu erwogen habe, dass die Tathandlungen, die zur Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz und damit zu einer Katalogtat führten, vor dem 1. Oktober 2016 begangen worden seien, sodass die Landesverweisung aus intertemporalrechtlichen Gründen nicht habe angeordnet werden können (vgl. E. 2.2 angefochtenes Urteil).  
 
5.2. Aus dem obergerichtlichen Urteil vom 12. Februar 2020 ergibt sich dazu Folgendes: Die Berufung der Beschwerdeführerin an das Obergericht des Kantons Zug wurde im Strafpunkt grösstenteils gutgeheissen, da die Sanktion reduziert und von einer Landesverweisung abgesehen wurde. Die Beschwerdeführerin wurde (zusätzlich) der Gehilfenschaft zur Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. g i.V.m. lit. a und Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG sowie Art. 25 StGB schuldig gesprochen. Dafür und für den bereits in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch betreffend mehrfache Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19 Abs. lit. c BetmG wurde sie bestraft mit einer als Gesamtstrafe ausgefällten Freiheitsstrafe von 16 Monaten unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs für eine Probezeit von zwei Jahren sowie unter Anrechnung der erstandenen prozessualen Haft von insgesamt 330 Tagen. Weiter wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen einer obligatorischen Landesverweisung gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB aufgrund des in Art. 2 StGB stipulierten Rückwirkungsverbots nicht erfüllt sind.  
In seinen Erwägungen zur Landesverweisung hält das Obergericht unter anderem mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung allgemein fest, dass die Bestimmungen über die Landesverweisung intertemporalrechtlich aufgrund des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots nur anwendbar seien, wenn das auslösende Delikt nach diesem Datum begangen wurde, dass aber das Gericht bei der Prüfung eines Härtefalls auch vor dem Inkrafttreten von Art. 66a StGB begangene Straftaten berücksichtigen könne, dabei zwar gestützt darauf die Landesverweisung nicht aussprechen dürfe, aber die Integration und Rückfallgefahr bzw. Verhältnismässigkeit der Landesverweisung generell beurteilt werden könne. 
Konkret prüfte das Obergericht einlässlich sowohl die im erstinstanzlichen Verfahren ausgesprochene obligatorische Landesverweisung wie auch die fakultative Landesverweisung. Es hielt fest, dass die Beschuldigte (Beschwerdeführerin) wegen einer Katalogtat schuldig gesprochen werde, welche grundsätzlich eine obligatorische Landesverweisung zur Folge hätte. Zu beachten sei jedoch, dass sie im Berufungsverfahren aufgrund des Verschlechterungsverbotes nur wegen einer einfachen Tatbegehung und somit eines Anstaltentreffens zu einer mengenmässig qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz bzw. die Gehilfenschaft dazu in Form eines Dauerdelikts schuldig gesprochen werden konnte. Für die Beschuldigte ergebe sich damit ein massgeblicher Tatzeitraum von Februar/März 2016 bis Ende 2016/anfangs 2017. Aufgrund des Rückwirkungsverbots könnte eine Landesverweisung (unter anderem) nur dann ausgesprochen werden, wenn ein wesentlicher zeitlicher und vor allem mengenmässiger Schwerpunkt der vorgeworfenen Handlungen nach dem 1. Oktober 2016 begangen worden wäre. Dies sei vorliegend jedoch nicht gegeben, weshalb der Beschuldigten (Beschwerdeführerin) keine mengenmässig qualifizierte Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zur Last gelegt werden könnten. Damit fehle es für die Zeit nach dem 1. Oktober 2016 an einer die Thematik obligatorische Landesverweisung auslösenden Katalogtat. Betreffend fakultative Landesverweisung hielt das Obergericht weiter fest, dass für die nach dem 1. Oktober 2016 begangenen Widerhandlungen keine Freiheitsstrafe von einem Jahr hätte ausgefällt werden können und damit auch nicht eine fakultative Landesverweisung näher geprüft werde bzw. diese sich offenkundig als unverhältnismässig erweisen würde. 
 
5.3. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung ist die Frage, ob das Obergericht mit seinem Urteil vom 12. Februar 2020 insbesondere mit seiner expliziten Ablehnung der obligatorischen und fakultativen Landesverweisung einen Entscheid gefällt hat, welcher auch die Migrationsbehörde bindet, damit entgegen der Auffassung der Vorinstanz zu bejahen:  
Vorliegend hat die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Strafverfahrens, welches schliesslich in das obergerichtliche Urteil vom 12. Februar 2020 mündete, ausdrücklich eine Landesverweisung beantragt und das genannte Urteil hat sich explizit mit der Landesverweisung auseinandergesetzt und diese gestützt auf das strafrechtliche Verschlechterungsverbot, aber auch weil unverhältnismässig, abgelehnt. Entgegen der vorinstanzlichen Ausführungen geschah dies aber nicht einfach deshalb, weil die Tathandlungen, die zur Verurteilung der Beschwerdeführerin führten, vor dem 1. Oktober 2016 begangen worden waren, sondern weil das Obergericht wiederholte Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz bzw. ein Dauerdelikt zu beurteilen hatte. Damit war rechtsprechungsgemäss das gesamte deliktische Verhalten der Beschwerdeführerin Gegenstand des Strafverfahrens und es liegt die Konstellation vor, bei welcher das gesamte deliktische Verhalten der ausländischen Person bei der Prüfung der Landesverweisung berücksichtigt wurde (so auch BGE 146 II 321 E. 5.2). 
Die Vorinstanz konnte deshalb denselben Sachverhalt aufgrund von Art. 62 Abs. 2 AIG nicht nochmals im Rahmen eines administrativen Widerrufverfahrens beurteilen und damit den Widerruf bzw. die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin rechtfertigen. Der Widerruf bzw. die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung erweist sich vielmehr wegen Verletzung von Art. 62 Abs. 2 AIG als unzulässig. Ob die Beschwerdeführerin weitere Widerrufsgründe wie das Eingehen einer Scheinehe (Art. 62 Abs. 1 lit. a AIG) erfüllt, wurde von der Vorinstanz explizit offen gelassen (vgl. E. 2.2 fine des vorinstanzlichen Urteils). Der vorliegende Widerruf kann sich deshalb nicht auf diese Gründe abstützen. 
 
6.  
Die Beschwerde erweist sich demnach als begründet und ist gutzuheissen. Das vorinstanzliche Urteil ist aufzuheben. Das Migrationsamt ist anzuweisen, die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin zu verlängern. Damit erübrigt es sich, die weiteren Rügen der Beschwerdeführerin zu prüfen. 
 
7.  
Bei diesem Verfahrensausgang werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Zürich hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Die Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Rechtsmittelverfahrens werden neu festzulegen sein und die Angelegenheit ist diesbezüglich an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 67, Art. 68 Abs. 5 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 11. Mai 2023, wird aufgehoben. Das Migrationsamt des Kantons Zürich wird angewiesen, die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin zu verlängern. 
 
2.  
Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat die Beschwerdeführerin mit insgesamt Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Rechtsmittelverfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. Dezember 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: C. Quinto