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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_168/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 6. November 2017  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Julian Burkhalter, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Bezirksgericht Bremgarten, Gerichtspräsidium. 
 
Gegenstand 
Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung (Eheschutz), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts 
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, vom 23. Januar 2017 (ZSU.2016.292 / FH / RD). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ und A.________ (beide Jahrgang 1992) heirateten 2010. Sie haben die gemeinsamen Kinder C.________ (Jahrgang 2011) und D.________ (Jahrgang 2012). Anfang Juli 2016 zog die Mutter mit den Kindern während einer Abwesenheit des Vaters heimlich nach Bellinzona. 
 
B.  
Wenige Tage nach dem Wegzug beantragte die Mutter mit Eheschutzgesuch vom 15. Juli 2016 u.a. die Belassung der elterlichen Obhut über die Kinder bei ihr, das einstweilige Absehen von einem Besuchsrecht und ein Verbot an den Vater sich ihr und den Kindern auf weniger als 200 m zu nähern oder Kontakt aufzunehmen, wobei dies alles superprovisorisch zu verfügen sei (vgl. im Einzelnen das Verfahren 5A_47/2017 betreffend Eheschutz). 
Mit superprovisorischer Verfügung vom 18. Juli 2016 übertrug das Bezirksgericht Bremgarten der Mutter die Obhut über die Töchter und ordnete gegen den Vater ein Annäherungs- und Kontaktverbot an. 
Am 18. August 2016 erstattete der Vater seine Klageantwort und verlangte seinerseits superprovisorisch die Unterstellung der Töchter unter seine Obhut bzw. die Festsetzung eines Besuchsrechts. Mit Verfügung vom 19. August 2016 wies das Bezirksgericht diese superprovisorischen Anträge ab. 
Am 28. September 2016 fand die Hauptverhandlung statt, wobei der Vater erneut Antrag auf Erlass von superprovisorischen Regelungen stellte. Diesbezüglich wurde den Parteien mündlich die Verfügung eröffnet, wonach das Annäherungs- und Kontaktverbot aufgehoben sei und dem Vater ein Besuchsrecht gewährt werde, wobei die Obhut über die Kinder bei der Mutter verbleibe. 
Den vom 28. September 2016 datierenden, nicht mündlich oder vorab im Dispositiv eröffneten Eheschutzentscheid (vgl. dazu im Einzelnen das Verfahren 5A_47/2017) stellte das Bezirksgericht Bremgarten den Parteien am 31. Oktober 2016 schriftlich begründet zu. 
 
C.  
In der Zwischenzeit hatte der Vater am 24. Oktober 2016 beim Obergericht des Kantons Aargau eine Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerde erhoben mit den Begehren, das Bezirksgericht Bremgarten sei anzuweisen, unverzüglich einen anfechtbaren Eheschutzentscheid zu erlassen, und es sei festzustellen, dass es zu einer Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung gekommen sei. Ferner verlangte er die unentgeltliche Rechtspflege bzw. einen Prozesskostenvorschuss von Fr. 4'000.-- seitens der Ehefrau. 
Mit Entscheid vom 23. Januar 2017 trat das Obergericht auf die Beschwerde und das Feststellungsbegehren sowie das Prozesskostenvorschussgesuch nicht ein, während es das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit des Verfahrens abwies. 
 
D.  
Gegen diesen Entscheid hat A.________ am 1. März 2017 eine Beschwerde in Zivilsachen bzw. subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben mit den Begehren, es sei festzustellen, dass es im Verfahren vor Bezirksgericht zu einer Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung gekommen sei, die obergerichtlichen Kosten seien auf die Kasse zu nehmen und es sei ihm eine Parteientschädigung auszurichten. Ferner verlangt er auch für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid betreffend eine angebliche Rechtsverweigerung bzw. Rechtsverzögerung durch die erste Instanz und damit ein Zwischenentscheid im Sinn von Art. 93 Abs. 1 BGG, bei welchem der Rechtsweg jenem der Hauptsache folgt und auch der Kostenpunkt angefochten werden kann, wobei der drohende nicht wieder gutzumachende Nachteil zu bejahen ist (vgl. im Einzelnen Urteile 5A_383/2014 vom 25. Juli 2014 E. 1; 5A_499/2014 vom 18. November 2014 E. 1.2; 5A_638/2016 vom 2. Dezember 2016 E. 1.1). In der Hauptsache geht es um ein Eheschutzverfahren, welches im Übrigen Gegenstand des parallelen Verfahrens 5A_47/2017 bildet. Die Beschwerde in Zivilsachen steht somit offen (Art. 72 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG) und folglich ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde, wie es bereits ihr Name sagt, nicht gegeben (Art. 113 BGG). 
Weil das Bezirksgericht längst in der Sache entschieden hat, besteht kein aktuelles praktisches und damit rechtlich geschütztes Interesse an der Behandlung der Beschwerde (BGE 130 I 312 E. 5.3; Urteile 9C_773/2008 vom 12. Dezember 2008 E. 4.3; 4A_744/2011 vom 12. Juli 2012 E. 11.1). Nur ausnahmsweise tritt das Bundesgericht in solchen Fällen dennoch ein, nämlich wenn der Beschwerdeführer hinreichend substanziiert und in vertretbarer Weise eine Verletzung der EMRK behauptet und die blosse Feststellung einer unzulässigen Rechtsverzögerung dem Beschwerdeführer eine Art Genugtuung zu verschaffen vermag (BGE 136 I 274 E. 1.3; 137 I 296 E. 4; Urteil 5A_499/2014 vom 18. November 2014 E. 2). Dies ist vorliegend nicht der Fall, wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen. 
 
2.  
Das Obergericht hat erwogen, die Beschwerde betreffend Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung sei nach Fällung des Eheschutzentscheides erhoben worden. Auf das Begehren um Anweisung zum Erlass des Entscheides sei mangels Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten. Sodann werde für das Begehren um Feststellung einer Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung kein schutzwürdiges Feststellungsinteresse dargetan, weshalb auch darauf nicht einzutreten sei. Folglich seien dem Beschwerdeführer die Verfahrenskosten aufzuerlegen und das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen. Das offensichtlich gegen die Ehefrau gerichtete Begehren um Prozesskostenvorschuss gehöre ins Eheschutzverfahren; darauf sei ebenfalls nicht einzutreten. 
Betreffend das fehlende Feststellungsinteresse und die Kostenfolgen hat das Obergericht festgehalten, dass die Dauer des überdurchschnittlich komplexen Eheschutzverfahrens von dessen Einleitung bis zum Entscheid nicht ernsthaft als unüblich lang oder gar gegen Art. 29 Abs. 1 BV verstossend bezeichnet werden könne. Gleiches gelte für den Monat zwischen Urteilsfällung und Urteilseröffnung. Was die Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerde anbelange, sei nicht aktenkundig, dass sich der Beschwerdeführer vorher beim Gericht erkundigt hätte, ob der Eheschutzentscheid schon ergangen oder wann mit dessen Zustellung zu rechnen sei. Die Beschwerde sei mithin verfrüht und auf eigenes Risiko erhoben worden; von einer Prozessführung in guten Treuen im Sinn von Art. 107 Abs. 2 ZPO könne nicht gesprochen werden. 
 
3.  
Die Rüge der Verletzung der Begründungspflicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) geht offensichtlich fehl. Die in E. 2 zusammengefasst wiedergegebene obergerichtliche Begründung vermag den Anforderungen an eine Entscheidbegründung (dazu BGE 138 I 232 E. 5.1 S. 237; 139 IV 179 E. 2.2 S. 183; 139 V 496 E. 5.1 S. 503 f.) in jeder Hinsicht zu genügen und der Beschwerdeführer war, wie E. 4 zeigt, auch in der Lage, den Entscheid sachgerecht anzufechten. 
 
4.  
Betreffend Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung macht der Beschwerdeführer geltend, dass ihm der Eheschutzentscheid vom 28. September 2016 erst am 31. Oktober 2016 zugestellt worden sei und mithin im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung am 24. Oktober 2016 noch nicht vorgelegen habe. Sodann stellt er sich auf den Standpunkt, dass an der Verhandlung vom 28. September 2016 wiederum nur superprovisorische Anordnungen getroffen worden seien. Es handle sich insgesamt nicht um eine komplexe Sache und superprovisorische Anordnungen seien jeweils innert 10 Tagen in einen vorsorglichen Entscheid zu überführen. Dies gelte insbesondere auch für die erste superprovisorische Verfügung vom 18. Juli 2016, mit welcher ihm die Obhut entzogen und eine Kontaktsperre verhängt worden sei. Darüber hätte ohne Verzug entschieden werden müssen. Im Übrigen seien die superprovisorischen Anordnungen an der Hauptverhandlung nicht mit einem Massnahmeentscheid aufgehoben, sondern wieder in einen neuen superprovisorischen Entscheid überführt worden. Erst am 31. Oktober 2016 sei mit dem zugestellten Eheschutzentscheid ein anfechtbarer Entscheid ergangen, obwohl begründete Entscheide spätestens nach 20 Tagen ergehen müssten. 
 
5.  
Das Vorbringen, von der superprovisorischen Anordnung der Kontaktsperre am 16. Juli 2016 bis zu deren Aufhebung habe es übermässig lange gedauert, scheitert bereits daran, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich bis zur Aufhebung - mündlich erfolgt an der Hauptverhandlung vom 28. September 2016 - nie beim Bezirksgericht interveniert oder beim Obergericht Rechtsverzögerungsbeschwerde erhoben hatte. Was sodann die Obhut anbelangt, konnte eine Zuteilung an den Vater offensichtlich nie zur Diskussion stehen und liess er das betreffende Begehren in seiner Berufung gegen den Eheschutzentscheid denn auch fallen (vgl. dazu den Entscheid 5A_47/2017 heutigen Datums E. 5). Die allfällige Feststellung einer diesbezüglichen Rechtsverzögerung könnte deshalb - nebst dem fehlenden aktuellen Interesse - auch keine Genugtuungskomponente haben. 
Was schliesslich die Kritik anbelangt, das Bezirksgericht habe sich mit der schriftlichen Begründung des Eheschutzentscheides zu viel Zeit gelassen, so kann angesichts der komplexen Angelegenheit (aufwändige Besuchsrechtsregelung in Verbindung mit einer Wegzugssituation, welche zahlreiche Besonderheiten aufwies; sodann Regelung der finanziellen Belange) und aufgrund der neuen Rechtslage im Zusammenhang mit Art. 301a ZGB, welche umfangreiche rechtliche Abklärungen erforderte, was schliesslich in einen sorgfältig redigierten 26-seitigen Entscheid mündete, eine Entscheiddauer von rund einem Monat nicht als Rechtsverzögerung betrachtet werden. 
Vor diesem Hintergrund musste die vor Obergericht eingereichte Beschwerde als aussichtslos betrachtet werden, weshalb das Obergericht ohne Rechtsverletzung die unentgeltliche Rechtspflege verweigern durfte, zumal es auch zutreffend erwogen hat, dass ein nach Treu und Glauben handelnder Rechtsanwalt sich angesichts der konkreten Situation - durchgeführte Hauptverhandlung und in Aussicht gestellte Entscheidung - vor Erhebung einer Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerde beim Bezirksgericht kurz nach dem Stand der Dinge erkundigt hätte. 
 
6.  
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde mangels eines aktuellen und praktischen Interesses nicht einzutreten - wobei ohnehin auch von der Sache her nirgends eine Rechtsverzögerung ersichtlich wäre - und das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen offensichtlich von Anfang an gegebener Aussichtslosigkeit (Art. 64 Abs. 2 BGG) abzuweisen. Mit Rücksicht auf die aus dem Verfahren 5A_47/2017 bekannten finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers rechtfertigt es sich indes, von einer Kostenauflage abzusehen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
  
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bezirksgericht Bremgarten, dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, und B.________ schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. November 2017 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli