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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_728/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 4. Juli 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Teileinstellung des Strafverfahrens, Wiederherstellung einer Frist, Nichteintreten, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 18. Mai 2017. 
 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:  
 
1.   
Die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen verfügte am 24. Februar 2017, das von der Beschwerdeführerin angestrebte Strafverfahren wegen Nötigung und Hausfriedensbruchs werde eingestellt, das Verfahren wegen Tätlichkeit bleibe hingegen pendent. Auf eine gegen die Teileinstellung gerichtete Beschwerde vom 9. März 2017 (Poststempel: 13. März 2017) trat das Obergericht des Kantons Thurgau am 23. März 2017 wegen Verspätung nicht ein. Das in der Folge von der Beschwerdeführerin am 29. März 2017 gestellte Gesuch um Fristwiederherstellung überwies das Bundesgericht am 27. April 2017 zuständigkeitshalber dem Obergericht. Dieses wies das Gesuch am 18. Mai 2017 ab. 
Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beanstandet, es werde ohne Wissen um die Art ihrer Erkrankung behauptet, dass es ihr möglich gewesen wäre, innert Frist zu antworten. 
 
2.   
Hat eine Partei eine Frist versäumt und würde ihr daraus ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, so kann sie die Wiederherstellung der Frist verlangen; dabei hat sie glaubhaft zu machen, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft (Art. 94 Abs.1 StPO). 
Die Wiederherstellung kommt nur in Betracht, wenn der säumigen Person kein Vorwurf gemacht werden kann. Unverschuldet ist die Säumnis nur, wenn sie durch einen Umstand eingetreten ist, der nach den Regeln vernünftiger Interessenwahrung auch von einer sorgsamen Person nicht befürchtet werden muss oder dessen Abwendung übermässige Anforderungen gestellt hätte. Allgemein wird vorausgesetzt, dass es in der konkreten Situation unmöglich war, die Frist zu wahren oder jemanden damit zu betrauen (Urteil 6B_125/2011 vom 7. Juli 2011 E. 1 mit Hinweisen). 
Ein Krankheitszustand bildet, wenn und solange er jegliches auf die Fristwahrung gerichtetes Handeln verunmöglicht, ein unverschuldetes, zur Wiederherstellung führendes Hindernis. Die Erkrankung muss derart sein, dass der Rechtsuchende durch sie davon abgehalten wird, selber innert Frist zu handeln oder einen Dritten mit der Vornahme der Prozesshandlung zu betrauen. Dass es sich so verhält, muss mit einschlägigen Arztzeugnissen belegt werden, wobei die blosse Bestätigung eines Krankheitszustandes und regelmässig selbst einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit zur Anerkennung eines Hindernisses im Sinne von Art. 50 Abs. 1 BGG nicht genügt (Urteile 1C_497/2016 vom 27. Oktober 2016 E. 4.2 und 6B_230/2010 vom 15. Juli 2010 E.2.2). Art. 50 BGG und Art. 94 StPO konkretisieren die identische ratio legis (Urteil 6B_1039/2016 vom 21. Dezember 2016 E. 3.2). 
 
3.   
Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin die versäumte Beschwerdefrist in ihrer Eingabe vom 29. März 2017 an das Bundesgericht mit "Krankheit" begründet und auf das beigelegte Attest ihres behandelnden Arztes und ihre Beschwerde vom 9. März 2017 verwiesen. In ihrer Beschwerde vom 9. März 2017 finde sich indessen kein Hinweis, dass es ihr infolge Krankheit nicht möglich gewesen wäre, die am letzten Tag der Frist verfasste Beschwerde nicht auch noch selber zur Post zu bringen oder durch eine Drittperson bringen zu lassen. Das beigelegte Arztattest vermöge diese Säumnis schon deshalb nicht zu entschuldigen, weil der Beschwerdeführerin darin in der massgebenden Zeit eine Arbeitsfähigkeit im Umfang von 50% bescheinigt werde. Aus diesem Grund erübrige es sich, der Beschwerdeführerin eine Nachfrist zur Substantiierung der geltend gemachten Krankheit anzusetzen. Wenn sie während dieser Krankheit gleichwohl zu 50% arbeitsfähig gewesen sei und auch eine Beschwerdeeingabe habe formulieren können, sei nicht ersichtlich, inwieweit die Krankheit sie darin gehindert haben soll, die Rechtsschrift innert der 10-tägigen Beschwerdefrist einzureichen. 
 
4.   
Was an dieser Auffassung gegen das Recht im Sinne von Art. 95 BGG verstossen könnte, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen und ist auch nicht ersichtlich. Namentlich durfte das Obergericht ohne Willkür entgegen der insoweit unbegründeten Auffassung der Beschwerdeführerin aufgrund der bescheinigten Arbeitsfähigkeit von 50% und dem Umstand, dass es jener möglich gewesen war, eine Beschwerdeschrift innert Frist selber auszuarbeiten, darauf verzichten, eine Nachfrist zur Substantiierung ihrer Erkrankung anzusetzen. Diese Beurteilung des Obergerichts ist auch unter Berücksichtigung des von der Beschwerdeführerin vor Bundesgericht ins Recht gelegten Arztzeugnisses vom 20. Juni 2017 nicht zu beanstanden. Denn die ärztlich bescheinigte Erkrankung einer mittelschweren depressiven Episode mit 50%-iger Arbeitsunfähigkeit hat offensichtlich nicht jegliches auf Fristwahrung gerichtetes Handeln verunmöglicht, zumal die Beschwerdeführerin im Stande war, persönlich innert Frist eine mehrere Seiten umfassende Beschwerdeschrift auszuarbeiten. Der Schluss des Obergerichts, es sei nicht ersichtlich, inwiefern die geltend gemachte Krankheit die Beschwerdeführerin daran gehindert haben soll, die fristgerecht verfasste Rechtsschrift auch innert der 10-tägigen Beschwerdefrist einzureichen bzw. zumindest durch eine Drittperson einreichen zu lassen, verletzt folglich weder Verfassungs- noch Bundesrecht. Das zeigt sich ebenfalls daran, dass die Beschwerdeführerin trotz offensichtlich anhaltender Krankheit (vgl. Arztzeugnis vom 20. Juni 2017) auch in der Lage war, rechtzeitig Beschwerde beim Bundesgericht einzureichen. 
 
5.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Ausnahmsweise kann auf eine Kostenauflage verzichtet werden. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. Juli 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill