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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6G_3/2011 
 
Urteil vom 1. Dezember 2011 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Denys, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, vertreten durch Rechtsanwältin Fabienne Kaufmann, 
Gesuchstellerin, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Gesuchsgegnerin. 
 
Gegenstand 
Gesuch um Erläuterung und Berichtigung des bundesgerichtlichen Urteils 6B_1096/2010 vom 7. Juli 2011; Parteientschädigung. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ wurde vom Bezirksgericht Muri am 29. Juni 2010 wegen mehrfacher Verletzung des Tierschutzgesetzes (TSchG; SR 455) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 130.-- (mit bedingtem Vollzug und zweijähriger Probezeit) sowie zu einer Busse von Fr. 1'000.-- verurteilt. 
 
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau formulierte das Obergericht des Kantons Aargau am 28. Oktober 2010 den Schuldspruch im Dispositiv teilweise neu und bestätigte im Ergebnis das bezirksgerichtliche Urteil im Strafpunkt. 
 
B. 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau erhob Beschwerde in Strafsachen und beantragte, X.________ zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten zu verurteilen, eventualiter die Sache zur Neubeurteilung der Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
In der Vernehmlassung verzichtete das Obergericht auf Gegenbemerkungen. X.________ beantragte, die Beschwerde abzuweisen und ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
 
Das Bundesgericht wies am 7. Juli 2011 die Beschwerde ab, erhob keine Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 4 BGG), schrieb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab und verpflichtete den Kanton Aargau in Ziff. 3 des Urteilsdispositivs, "der Beschwerdegegnerin [X.________] eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu zahlen" (Urteil 6B_1096/2010). 
 
C. 
Mit Schreiben vom 17. August 2011 teilte das Obergericht (Obergerichtskasse) des Kantons Aargau X.________s Rechtsvertreterin mit, im bundesgerichtlichen Urteil vom 7. Juli 2011 sei ihrer Mandantin zu Lasten des Kantons Aargau eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zugesprochen worden. "Wir zeigen Ihnen an, dass wir diese Parteientschädigung der Gerichtskasse Muri zur teilweisen Deckung der dortigen Ausstände überweisen werden. Gestützt auf diese Verrechnung wird keine Auszahlung erfolgen." 
 
D. 
X.________ reicht beim Bundesgericht ein "Gesuch um Erläuterung und Berichtigung (Art. 129 BGG)" ein und beantragt, Ziff. 3 des bundesgerichtlichen Dispositivs vom 7. Juli 2011 aufzuheben und wie folgt neu zu fassen: 
 
"Der Kanton Aargau hat der Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten." 
 
Dem Rechtsmittel sei vorsorglich die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Ihr sei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Ihre Rechtsvertreterin sei als unentgeltliche bzw. amtliche Verteidigerin einzusetzen. Allfällige Kosten seien von ihr nicht zurückzufordern. 
 
E. 
Das Bundesgericht verfügte am 14. September 2011 mit Fristansetzung an das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau zur Beantwortung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung zugleich superprovisorisch die aufschiebende Wirkung. 
 
Das Obergericht hält fest, das bundesgerichtliche Urteil sei rechtskräftig geworden und der Vollzug der Verrechnung bereits am 30. August 2011 erfolgt. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung sei daher wegen Gegenstandslosigkeit abzulehnen. Die Oberstaatsanwaltschaft liess sich nicht vernehmen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Mitteilung der Obergerichtskasse vom 17. August 2011 ist kein gerichtlicher Entscheid. Sie entspricht aber der Rechtsauffassung des Obergerichts (oben Bst. E). 
 
2. 
Der Antrag der Gesuchstellerin auf "Neufassung des Dispositivs" kann nicht im Rahmen einer Erläuterung und Berichtigung gemäss Art. 129 BGG beurteilt werden. Das bundesgerichtliche Dispositiv ist weder unklar, unvollständig oder zweideutig noch stehen seine Bestimmungen untereinander oder mit der Begründung im Widerspruch noch enthält es Redaktions- oder Rechnungsfehler. Die Gesuchstellerin beantragt eine inhaltliche Änderung des bundesgerichtlichen Dispositivs. Dazu ist die Erläuterung und Berichtigung gemäss Art. 129 BGG nicht gegeben (vgl. Urteil 5A_860/2010 vom 25. August 2011 E. 2 zur Unzulässigkeit der "inhaltlichen Abänderung des berichtigten Urteils" in einem kantonalen Zivilverfahren). Auf das Gesuch ist nicht einzutreten. 
 
Nicht einzutreten ist auch auf den eventualiter gestellten Antrag, gegebenenfalls die Eingabe als Revisionsgesuch im Sinne von Art. 121 lit. c BGG entgegen zu nehmen. Dieser Revisionsgrund betrifft den Fall, dass "einzelne Anträge unbeurteilt geblieben sind" (vgl. BGE 133 IV 142 zur unentgeltlichen Rechtspflege). Das trifft nicht zu. Im Urteil 6B_1096/2010 E. 5 wurde ausdrücklich festgehalten, mit dem antragsgemässen Ausgang des Verfahrens sei das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos geworden. 
 
3. 
Gemäss Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BGG hat der Anwalt oder die Anwältin Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann. 
 
Das ist infolge der Verrechnung der Fall. Die Rechtsvertreterin ist für das Verfahren 6B_1096/2010 in analoger Anwendung von Art. 64 Abs. 2 BGG aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4. 
Für das Gesuchsverfahren sind keine Kosten zu erheben. Die Rechtsvertreterin ist aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 500.-- zu entschädigen. Damit ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos geworden. 
 
Auf den Antrag der Gesuchstellerin, die Kosten seien von ihr nicht zurückzufordern (ebenso bereits im Verfahren 6B_1096/2010), ist nicht einzutreten. Zum einen werden keine Gerichtskosten erhoben, und zum anderen hat die Partei gemäss Art. 64 Abs. 4 BGG von Gesetzes wegen der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist (vgl. etwa BGE 134 I 166 E. 3). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Gesuche um Erläuterung und Berichtigung sowie Revision wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3. 
Die Rechtsvertreterin der Gesuchstellerin, Rechtsanwältin Fabienne Kaufmann, wird für das Verfahren 6B_1096/2010 aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- entschädigt. 
 
4. 
Die Rechtsvertreterin der Gesuchstellerin, Rechtsanwältin Fabienne Kaufmann, wird für das Gesuchsverfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 500.-- entschädigt. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 1. Dezember 2011 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Der Gerichtsschreiber: Briw