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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1166/2020  
 
 
Urteil vom 5. November 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürich, Rechtsdienst der Amtsleitung, 
Hohlstrasse 552, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Stationäre Massnahme; Entlassung aus dem Massnahmevollzug; Zuständigkeit 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichter, vom 25. September 2020 (VB.2020.00633). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Das Bezirksgericht Zürich bestrafte den Beschwerdeführer am 15. Juni 2016 wegen mehrfacher, teilweise versuchter Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte mit einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe (unter Anrechnung von Sicherheitshaft und vorzeitigem Strafvollzug) und ordnete zudem eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB an. Mit Urteil vom 6. Februar 2017 bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich im Wesentlichen das Urteil des Bezirksgerichts. Zum Vollzug der stationären Massnahme befindet sich der Beschwerdeführer im Zentrum für Stationäre Forensische Therapie Rheinau der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. 
Am 29. Juli 2020 ersuchte der damals anwaltlich vertretene Beschwerdeführer das Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürich (JuWe) um sofortige Entlassung aus dem Massnahmenvollzug. Am 1. September 2020 liess er seine Begehren gemäss Eingabe vom 29. Juli 2020 auch bei der Justizdirektion des Kantons Zürich stellen, welche die Eingabe am 3. September 2020 zuständigkeitshalber zur Erledigung an das JuWe überwies. Im Rahmen eines Telefonats am 10. September 2020 hielt der Beschwerdeführer daran fest, dass die Justizdirektion einen (formellen) Entscheid zu fällen habe. In der Folge trat die Justizdirektion mit Verfügung vom 10. September 2020 auf das Entlassungsgesuch vom 1. September 2020 nicht ein und überwies dieses zuständigkeitshalber und zur beförderlichen Behandlung an das JuWe. 
Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 25. September 2020 ab. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wurde ebenfalls abgewiesen. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt der Beschwerdeführer (sinngemäss) eine Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Entscheids und eine Rückweisung der Angelegenheit zur neuen Beurteilung. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer beanstandet, dass der angefochtene Entscheid im einzelrichterlichen Verfahren gefällt wurde. Aus seiner Sicht hätte das Kollegialgericht über eine derart wichtige Sache entscheiden müssen.  
 
2.2. Das Bundesgericht prüft die Anwendung kantonalen Rechts - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - nur auf Willkür und Vereinbarkeit mit anderen verfassungsmässigen Rechten (vgl. Art. 95 BGG; BGE 145 I 121 E. 2.1; 142 IV 70 E. 3.3.1; je mit Hinweisen). Gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG prüft es die Verletzung von Grundrechten einschliesslich der willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet wird. Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 145 I 26 E. 1.3 mit Hinweisen).  
 
2.3. Das vorinstanzliche Verfahren richtet sich nach dem Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG/ZH; LS 175.2). Nach § 38b Abs. 1 lit. d Ziff. 2 und Abs. 2 VRG/ZH sind Beschwerden im Bereich des Justizvollzugs in der Regel einzelrichterlich zu behandeln, wobei Fälle von grundsätzlicher Bedeutung der Kammer zur Entscheidung übertragen werden können. Dass und inwiefern die Vorinstanz den Begriff der "grundsätzlichen Bedeutung" verkannt und die kantonale Zuständigkeitsregelung willkürlich angewandt haben könnte, ist weder ersichtlich noch hinreichend in der Beschwerde dargetan.  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf eine raschestmögliche richterliche Haftüberprüfung nach Art. 5 Ziff. 4 EMRK, was gestützt auf Art. 13 EMRK festzustellen sei. Allfällige dem Gericht vorgeschaltete Verwaltungsverfahren dürften die im "Menschenrecht" gesetzte Frist nicht beeinträchtigen. Dem angefochtenen Entscheid sei nicht zu entnehmen, weshalb die Vorinstanz die Rechtmässigkeit seines Freiheitsentzugs nicht überprüft habe.  
 
3.2. Der Täter wird gemäss Art. 62 Abs. 1 StGB aus dem stationären Vollzug der Massnahme bedingt entlassen, sobald sein Zustand es rechtfertigt, dass ihm Gelegenheit gegeben wird, sich in der Freiheit zu bewähren. Eine Massnahme, für welche die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind, ist aufzuheben (Art. 56 StGB Abs. 6 StGB). Aufgehoben wird eine Massnahme u.a. dann, wenn deren Durch- oder Fortführung als aussichtslos erscheint (Art. 62c Abs. 1 lit. a StGB). Die zuständige Behörde prüft auf Gesuch hin oder von Amtes wegen, ob und wann der Täter aus dem Vollzug der Massnahme bedingt zu entlassen oder die Massnahme aufzuheben ist. Sie beschliesst darüber mindestens einmal jährlich. Vorher hört sie den Eingewiesenen an und holt einen Bericht der Leitung der Vollzugseinrichtung ein (Art. 62d Abs. 1 StGB).  
 
3.3. Für den Vollzug von Freiheitsstrafen und Massnahmen ist im Kanton Zürich das Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung (JuWe) zuständig. Es ist "die zuständige Behörde" im Sinne des 3. Titels des StGB und damit von Art. 62d Abs. 1 StGB (vgl. § 14 Abs. 1 und 2 des Straf- und Justizvollzugsgesetzes des Kantons Zürich vom 19. Juni 2006 [StJVG/ZH; LS 331] i.V.m. §§ 5 und 8 der Justizvollzugsverordnung des Kantons Zürich vom 6. Dezember 2006 [JVV/ZH; LS 331.1]). Gegen Verfügungen des JuWe kann bei der Justizdirektion des Kantons Zürich Rekurs geführt werden (vgl. § 19 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 19b Abs. 2 lit. b Ziff. 1 VRG/ZH). Gegen deren Entscheide steht die Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich zur Verfügung (§ 41 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 lit. a VRG/ZH; § 29 Abs. 1 StJVG/ZH).  
 
3.4. Nicht einzusehen ist, dass und weshalb dieser Rechts (mittel) weg, der auch für Gesuche um bedingte Entlassung vorgesehen ist, vorliegend nicht zur Anwendung gelangen soll. Zwar kann das Durchlaufen des gesetzlich vorgesehenen vorgeschalteten verwaltungsinternen Verfahrens zu einer gewissen Verzögerung der richterlichen Kontrolle der Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs führen. Dies ist indessen nicht von vornherein zwingend unvereinbar mit Art. 5 Ziff. 4 EMRK. Entscheidend ist vielmehr, dass die Behörden ihren Entscheid innert nützlicher Frist unter Beachtung des Beschleunigungsgebots fällen. Eine Änderung der geltenden Zuständigkeiten unter Einschluss des Rechtsmittelwegs würde dem (kantonalen) Gesetzgeber obliegen. Es ist nicht Sache der kantonalen Behörden bzw. Gerichtsinstanzen oder des Bundesgerichts, entgegen der geltenden gesetzlichen Regelung andere Zuständigkeiten oder Rechtsmittelwege zu schaffen (vgl. Urteil 6B_509/2015 vom 10. Juni 2015 E. 2.4). Entsprechend gehen die Hinweise in der Beschwerde auf die gesetzlichen Vorgaben der fürsorgerischen Unterbringung nach Art. 426 ff. ZGB und des Haftprüfungsverfahrens nach StPO und deren analogen Anwendung fehl. Vorliegend geht es weder um die Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung bzw. von Untersuchungs- und Sicherheitshaft noch um die Aufhebung solcher zivilrechtlicher oder strafprozessualer Massnahmen.  
 
3.5. Die Vorinstanz hat den Nichteintretensentscheid der Justizdirektion, die sich gestützt auf die geltende Rechtslage als nicht zuständig erachtete, erstinstanzlich über das Entlassungsgesuch zu befinden, folglich ohne Rechtsverletzung im Einklang mit geltendem Recht geschützt. Soweit der Beschwerdeführer vor Bundesgericht vorbringt, aus dem angefochtenen Entscheid gehe nicht hervor, weshalb die Vorinstanz die Rechtmässigkeit seines Freiheitsentzugs nicht kontrolliert habe bzw. weshalb darüber nicht im Zeitrahmen vom 29. Juli bis zum 25. September 2020 richterlich habe entschieden werden können, verkennt er den Streitgegenstand: Die Vorinstanz konnte und durfte sich dazu im angefochtenen Entscheid nicht äussern; die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs ist erst im Verfahren in der Sache überprüfbar. Die Vorinstanz hat aber das bisherige Behördenverhalten unter dem Aspekt des Beschleunigungsgebots überprüft und ein rechtsverzögerndes oder rechtsverweigerndes Verhalten sowohl des JuWe, welches das bei ihm gestellte Gesuch um bedingte Entlassung anhand nahm und zeitnah den zur Beurteilung notwendigen Bericht der Vollzugssituation anforderte, als auch der Justizdirektion, die innerhalb von zehn Tagen über die bei ihr anhängig gemachten Begehren befand, mit sachlicher und vertretbarer Begründung verneint. Weiter hat sie darauf hingewiesen, dass das JuWe im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen jährlichen Überprüfung letztmals am 28. November 2019 über die Weiterführung der Massnahme entschieden hat, wogegen offenbar kein Rechtsmittel ergriffen worden sei. Mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht ansatzweise auseinander. Inwiefern sie verfassungs- oder sonst wie bundesrechtswidrig sein könnten, ergibt sich aus der Beschwerde mithin nicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) und ist überdies auch nicht ersichtlich.  
 
4.   
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, Einzelrichter, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. November 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill