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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_254/2018  
 
 
Urteil vom 6. Dezember 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Parrino, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Michèle Wehrli Roth, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 15. Februar 2018 (VBE.2017.522). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1972 geborene A.________ bezog gemäss Verfügung der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 19. August 2010 seit 1. März 2009 eine ganze Invalidenrente. Im Rahmen einer Rentenrevision und nach zwei Beschwerdeverfahren beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau, die je mit einer Rückweisung der Sache an die Verwaltung endeten, sowie gestützt auf die in Befolgung der Gerichtsentscheide eingeholten medizinischen Gutachten hob die IV-Stelle die Invalidenrente mit Verfügung vom 18. Mai 2017 rückwirkend ab 1. November 2016 auf. Gleichzeitig hielt sie fest, ab 1. November 2016 liege eine Meldepflichtverletzung vor und stellte der Versicherten eine Rückforderung der Invalidenrenten in einer separaten Verfügung in Aussicht. 
 
B.   
In teilweiser Gutheissung der von A.________ eingereichten Beschwerde änderte das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Verfügung vom 18. Mai 2017 mit Entscheid vom 15. Februar 2018 dahin ab, dass es die bisher gewährte ganze Invalidenrente ab 1. März 2017 auf eine Viertelsrente herabsetzte und ab 1. Juli 2017 aufhob. Die Verfahrenskosten auferlegte es der Versicherten (Dispositiv-Ziffer 2); eine Parteientschädigung wurde nicht zugesprochen (Dispositiv-Ziffer 3). 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die Versicherte beantragen, Dispositiv-Ziffer 2 des vorinstanzlichen Entscheids sei dahin abzuändern, dass die von ihr zu bezahlenden Gerichtskosten entsprechend dem Verfahrensausgang angemessen zu reduzieren sind; eventuell sei die Sache zur Neuverlegung der Verfahrenskosten an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner sei Dispositiv-Ziffer 3 des angefochtenen Entscheids dahin abzuändern, dass die IV-Stelle ihr eine Parteientschädigung auszurichten habe; eventuell sei die Sache zur Neuverlegung der Parteientschädigung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Streitig ist zunächst, ob die Vorinstanz der Beschwerdeführerin zu Recht die gesamten Gerichtskosten auferlegt hat. In einem weiteren Schritt wird zu prüfen sein, ob die Versicherte für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren Anspruch auf eine Parteientschädigung hat. 
 
2.  
 
2.1. Nach Art. 61 Ingress ATSG bestimmt sich das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht unter Vorbehalt von Art. 1 Abs. 3 VwVG nach kantonalem Recht, wobei es den in Art. 61 lit. a-i ATSG umschriebenen Anforderungen zu genügen hat. Abweichend von Art. 61 lit. a ATSG ist das Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten um die Bewilligung oder die Verweigerung von IV-Leistungen vor dem kantonalen Gericht kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.- bis Fr. 1'000.- festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Anders als für die Parteikosten im Prozess vor dem kantonalen Versicherungsgericht (Art. 61 lit. g ATSG) enthält das Bundesrecht für die Verteilung der Gerichtskosten im kantonalen Verfahren keine Regelung. Massgebend für die Kostenverteilung im kantonalen Prozess ist ausschliesslich kantonales Recht (Urteile 8C_393/2008 vom 24. September 2008 E. 4.2, 8C_568/2010 vom 3. Dezember 2010 E. 4.2, 8C_304/2018 vom 6. Juli 2018 E. 4.2). Diesbezüglich bestimmt § 31 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Aargau vom 4. Dezember 2007 (VRPG), dass die Verfahrenskosten im Beschwerdeverfahren in der Regel nach Massgabe des Unterliegens und Obsiegens auf die Parteien verlegt werden. Das Bundesrecht kennt weder in Art. 61 ATSG noch in einer anderen Bestimmung eine gesetzliche Normierung des Erfolgsprinzips. Mit dem kantonalen Recht hat sich das Bundesgericht unter Vorbehalt der in Art. 95 lit. c-e BGG genannten Ausnahmen grundsätzlich nicht zu befassen. Eine Bundesrechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG liegt nur vor, wenn die Anwendung kantonalen Rechts, sei es wegen seiner Ausgestaltung oder aufgrund des Ergebnisses im konkreten Fall, zu einer Verfassungsverletzung führt. Dabei fällt hinsichtlich der vorzunehmenden Verlegung der Gerichtskosten praktisch nur das Willkürverbot (Art. 9 BV) in Betracht (vgl. Urteil 8C_393/2008 vom 24. September 2008 E. 4.3 mit Hinweisen).  
 
2.2. Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls in Betracht zu ziehen oder gar vorzuziehen wäre, sondern nur, wenn der angefochtene Entscheid im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 144 II 281 E. 3.6.2 S. 387; 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f. mit Hinweisen).  
 
2.3. Die Vorinstanz hat die Gerichtskosten in der Höhe von Fr. 800.- der Beschwerdeführerin auferlegt mit der Feststellung, deren Obsiegen müsse gemessen am Antrag auf Weiterausrichtung der ganzen Invalidenrente als marginal bezeichnet werden.  
 
2.4. Die Versicherte wendet hiegegen ein, das kantonale Gericht habe die ganze Invalidenrente per 1. März 2017 auf eine Viertelsrente herabgesetzt und erst auf den 1. Juli 2017 aufgehoben. Im Vergleich zur Aufhebung der Invalidenrente auf den 1. November 2016 gemäss Verfügung der IV-Stelle vom 18. Mai 2017 sei die Rente acht Monate länger ausbezahlt worden. Ins Gewicht falle ferner, dass die Vorinstanz die ihr von der IV-Stelle vorgeworfene Meldepflichtverletzung verneint habe. Damit sei sie auch von den mit diesem Tatbestand einhergehenden Konsequenzen (Rückerstattung der Rentenbetreffnisse) befreit worden. Schliesslich seien nebst der Invalidenrente auch die Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge weiter ausgerichtet worden.  
 
2.5. Angesichts der Tatsache, dass das kantonale Gericht der Beschwerdeführerin zusätzlich zur Verwaltungsverfügung vom 18. Mai 2017 während weiterer vier Monate eine ganze und anschliessend während vier Monaten eine Viertelsinvalidenrente zugesprochen und überdies eine Meldepflichtverletzung verneint hat mit der Folge, dass die von der Verwaltung in Aussicht gestellte Rückforderung der Renten hinfällig werden dürfte, liegt ein wesentlicher Prozesserfolg der Versicherten im kantonalen Verfahren vor, der sich bei pekuniärer Betrachtungsweise und ohne Berücksichtigung der seitens der Verwaltung in Aussicht gestellten Rückforderung auf über Fr. 11'000.- beläuft. Das Obsiegen in dieser Höhe als marginal zu bezeichnen und der Beschwerdeführerin mit dieser nicht näher begründeten Feststellung die gesamten Gerichtskosten aufzuerlegen, ist als haltlos und damit willkürlich (E. 2.2 hievor) zu bezeichnen.  
 
3.   
Zu prüfen bleibt, ob die Vorinstanz der Versicherten zu Recht keine Parteientschädigung zugesprochen hat. 
 
3.1. In Bezug auf diesen Punkt (Dispositiv-Ziffer 3 des vorinstanzlichen Entscheids) sind die bundesrechtlichen Vorgaben des Art. 61 lit. g ATSG einzuhalten. Danach hat die obsiegende Beschwerde führende Person Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen.  
 
3.2. Wie vorstehend (E. 2 hievor) im Zusammenhang mit der Gerichtskostenauflage dargelegt, hat die Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren insoweit obsiegt, als die Invalidenrente entgegen der Verfügung der IV-Stelle vom 18. Mai 2017 nicht bereits ab 1. November 2016 aufgehoben wurde. Vielmehr setzte die Vorinstanz die bisher ausgerichtete ganze Rente ab 1. März 2017 auf eine Viertelsrente herab und hob sie erst ab 1. Juli 2017 ganz auf. Das kantonale Gericht bezeichnete das Obsiegen der Versicherten jedoch als marginal, was es zum Anlass nahm, einen Parteientschädigungsanspruch zu verneinen.  
 
3.3. Damit hat die Vorinstanz Bundesrecht verletzt. Wie das Bundesgericht in einem ähnlichen Fall (Zusprechung einer - verglichen mit der Verwaltungsverfügung - höheren Teilrente für einen längeren Zeitraum durch das kantonale Gericht) erkannt hat, ist bei solchen Gegebenheiten von einem teilweisen Obsiegen und damit nicht bloss von einem marginalen, sondern von einem wesentlichen Prozesserfolg auszugehen, der den Anspruch auf eine (erheblich) reduzierte Parteientschädigung begründet (Urteil 9C_580/2010 vom 16. November 2010 E. 4).  
 
3.4. Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die Gerichtskosten entsprechend dem Prozessausgang (E. 2.5 hievor) aufteile und der Beschwerdeführerin überdies eine zufolge teilweisen Obsiegens reduzierte Parteientschädigung zuspreche, deren Höhe sich an Art. 61 lit. d ATSG orientiert, d.h. die Bedeutung der Streitsache und die Schwierigkeit des Prozesses berücksichtigt (Urteil 8C_568/2010 vom 7. Dezember 2010 E. 4.2).  
 
4.   
Die Gerichtskosten sind entsprechend dem Ausgang des Verfahrens der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Zudem hat die IV-Stelle der Beschwerdeführerin für das letztinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
In Gutheissung der Beschwerde werden Dispositiv-Ziffern 2 und 3 des angefochtenen Entscheids vom 15. Februar 2018 aufgehoben. Die Sache wird an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen, damit es über die Verlegung der Gerichtskosten und den Anspruch auf eine Parteientschädigung neu entscheide. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das letztinstanzliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der pensionskasse pro, Schwyz, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. Dezember 2018 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer