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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_166/2022  
 
 
Urteil vom 26. Juli 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, Kölz, 
Gerichtsschreiberin Kern. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Weder, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einfache Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtwahren eines ausreichenden Abstandes etc.; Willkür, Unschuldsvermutung etc., 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 21. September 2022 (SK 21 616). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ fuhr am 16. Mai 2019 um ca. 13:20 Uhr mit seinem Lieferwagen auf der B.________strasse in U.________ und musste nach rechts ausweichen, um eine Kollision mit einem am linken Strassenrand parkierten leichten Anhängerzug zu vermeiden. Dabei touchierte er einen korrekt am rechten Strassenrand parkierten Personenwagen. Anschliessend verliess er die Unfallstelle, ohne die Polizei zu avisieren oder mit dem Geschädigten Rücksprache zu nehmen. Dadurch entzog er sich bzw. verhinderte er die unverzügliche Durchführung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, mit denen er unter diesen Umständen hätte rechnen müssen. 
 
B.  
 
B.a. Mit Urteil vom 12. Oktober 2021 sprach das Regionalgericht Berner Jura-Seeland A.________ der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln, des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall und der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit schuldig. Hierfür verurteilte es ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je Fr. 90.-- bei einer Probezeit von 2 Jahren, zu einer Verbindungsbusse von Fr. 800.-- und einer Übertretungsbusse von Fr. 600.--.  
 
B.b. Mit Berufungsurteil vom 21. September 2022 reduzierte das Obergericht des Kantons Bern die Verbindungsbusse auf Fr. 270.-- und bestätigte im Übrigen das regionalgerichtliche Erkenntnis.  
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ dem Bundesgericht, es sei das Berufungsurteil aufzuheben und er sei von sämtlichen Vorwürfen vollumfänglich freizusprechen. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen einer letzten kantonalen Instanz, die als oberes Gericht auf Berufung hin (Art. 80 BGG) geurteilt hat. Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG) und hat die Beschwerdefrist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). Unter Vorbehalt rechtsgenüglicher Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) ist die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG grundsätzlich zulässig. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer kritisiert die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen. 
 
2.1. Das Bundesgericht ist als oberste Recht sprechende Behörde (Art. 1 Abs. 1 BGG) keine strafrechtliche Berufungsinstanz, die eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht vornimmt oder die vorinstanzliche Beweiswürdigung mit freier Kognition überprüft (BGE 145 IV 154 E. 1.1; Urteile 6B_1235/2021 vom 23. Mai 2022 E. 2.4.1; 6B_576/2020 vom 18. März 2022 E. 3.7). Es legt seinem Urteil vielmehr den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann die Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 148 IV 409 E. 2.2; 147 IV 73 E. 4.1.2; 145 IV 154 E. 1.1; 143 IV 241 E. 2.3.1; 141 IV 317 E. 5.4; je mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss nach Art. 106 Abs. 2 BGG explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
Eine Sachverhaltsfeststellung gilt als willkürlich, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 148 I 127 E. 4.3; 144 II 281 E. 3.6.2; 142 II 433 E. 4.4; 140 III 264 E. 2.3). Der blosse Widerspruch zu Erwägungen der Vorinstanz qualifiziert eine Entscheidung noch nicht als willkürlich (BGE 146 IV 297 E. 2.2.5; 141 IV 369 E. 6.3; 140 III 264 E. 2.3). Willkür ist nicht bereits gegeben, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar oder sogar vorzuziehen ("préférable") wäre (BGE 143 I 321 E. 6.1; 143 IV 347 E. 4.4; 141 I 49 E. 3.4, 70 E. 2.2). Auf appellatorische Kritik tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 I 104 E. 1.5; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 1.3.1). 
Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 146 IV 297 E. 2.2.5, 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 E. 1.1; je mit Hinweisen). 
 
2.2. Der Beschwerdeführer schenkt diesen Grundsätzen keine gebührende Beachtung. Im Gegenteil: Bei den Ausführungen unter dem Titel "A) Unrichtige Sachverhaltsfeststellung" seiner Beschwerde (S. 4 - 19) handelt es sich um Ausführungen, die einem Plädoyer vor einer Berufungsinstanz entnommen sein könnten. Obwohl der Beschwerdeführer darin immer wieder "Willkür" anruft, setzt er der Beweiswürdigung der Vorinstanz in der Sache lediglich eine eigene, für ihn günstige Würdigung der erhobenen Beweise entgegen. Die davon abweichende Auffassung der Vorinstanz geisselt er mit markigen Worten etwa wie folgt: "Die Vorinstanz hat hier 'Rosinenpickerei" betrieben und diejenigen Aussagen 'herausgepflückt', die in ihre Argumentation passen. Alle anderen Aussagen hat die Vorinstanz als Schutzbehauptungen bezeichnet (...) "; oder: "Die Vorinstanz handelte frei nach dem Motto 'was nicht passt, wird passend gemacht' und bezeichnete die 'passenden' Aussagen als glaubhaft und die 'nicht passenden' als Schutzbehauptungen". Diese appellatorische Kritik kennzeichnet nun aber vor allem seine eigenen Ausführungen: Statt eine geradezu ins Auge springende Unhaltbarkeit der vorinstanzlichen Erwägungen aufzuzeigen, beruht seine Argumentation auf dem Bemühen, die erhobenen Beweise durch selektives Ausblenden belastender Elemente in einem für ihn möglichst günstigen Licht erscheinen zu lassen. Damit gelingt es ihm aber nicht, Willkür aufzuzeigen, sondern bestenfalls eine alternative Beweiswürdigung. Nichts anderes macht er, wenn er etwa ausführt, aus der Argumentation der Vorinstanz ergebe sich "kein kohärentes, sondern im Gegenteil ein entlastendes Spurenbild für den Beschwerdeführer", oder "die von der Vorinstanz vorgebrachten Argumente sind in Anbetracht der hiervor gemachten Aussagen falsch". Der Beschwerdeführer übersieht, dass das Bundesgericht keine dritte Sachinstanz ist, sondern eine Letztinstanz, die sich grundsätzlich nur mit Rechtsfragen auseinandersetzt.  
Unbegründet, soweit mit Blick auf die Rügeanforderungen nach Art. 106 Abs. 2 BGG überhaupt zulässig, sind schliesslich auch die Ausführungen unter dem Titel "B) Verletzung der Unschuldsvermutung" (S. 19 - 30 der Beschwerde) : Der Beschwerdeführer berücksichtigt dabei nicht, dass dem Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zukommt. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 26. Juli 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kern