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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
8C_28/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 25. April 2016  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Bühler, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 24. November 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, Mutter von fünf Kindern war seit 1. Mai 2003 teilzeitlich als Küchenmitarbeiterin für das Heim B.________ tätig. Seit dem Jahr 2002 ging sie ausserdem bei C.________ einem Nebenverdienst nach. Am 6. Juli 2007 klemmte sie sich in einer Lifttür Zeige-, Mittel- und Ringfinger der rechten Hand ein. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten ein ausgeprägtes Carpaltunnelsyndrom (CTS) rechts. In der Folge wurden am 14. November 2007 eine operative Carpaltunnelspaltung rechts und am 8. September 2008 eine Revision des Carpalkanals rechts durchgeführt. Am 1. Oktober 2008 meldete sich A.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Da sie ihre Tätigkeit als Küchenhilfe seit 2. Oktober 2007 nicht mehr ausüben konnte, löste das Heim B.________ das Arbeitsverhältnis durch Kündigung per 31. Dezember 2008 auf. Sie nahm in der Folge keine neue Erwerbstätigkeit mehr auf, da sich der Gesundheitszustand auch nach dem zweiten operativen Eingriff nicht gebessert hatte. Die IV-Stelle des Kantons Zürich nahm diverse Abklärungen vor. Unter anderem beschaffte sie sich die Gutachten der Gutachterstelle D.________ vom 12. Februar/16. März 2009, des Prof. Dr. med. E.________, Facharzt für Chirurgie FMH, speziell Handchirurgie, vom 21. April 2010 und des Dr. med. F.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 1. Mai 2010, eingeholt von der Basler Versicherungs-Gesellschaft (als zuständige Unfallversicherung). Nach Durchführung mehrerer Vorbescheidverfahren und Veranlassung einer Expertise des Zentrums für Medizinische Begutachtung, Basel (ZMB), vom 12. Juli 2011 sprach sie A.________ mit Verfügungen vom 5. März 2014 - in Anwendung der gemischten Methode der Invaliditätsbemessung mit den Anteilen 50 % Erwerb und 50 % Haushalt - für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Mai 2009 eine Dreiviertelsrente und vom 1. Juni 2009 bis 31. August 2011 eine Viertelsrente zu; ab 1. September 2011 verneinte sie einen Rentenanspruch. 
 
B.   
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 24. November 2015). 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ das Rechtsbegehren stellen, die IV-Stelle sei zu verpflichten, ab 1. September 2011 eine ganze Rente auszurichten. Der Eingabe liegt ein Schreiben der neuen Hausärztin Dr. med. G.________, Fachärztin für Allgemeine Medizin, vom 8. Januar 2016, eine Medikamentenliste, ausgestellt ebenfalls am 8. Januar 2016, und eine Übersicht über die Bezüge in der Apotheke H.________ vom 18. Dezember 2015 bei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Es prüft, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 140 V 136 E. 1.1 S. 138). 
 
2.   
Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 135 V 194). Das Vorbringen von Tatsachen, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten oder entstanden (echte Noven), ist vor Bundesgericht unzulässig (Urteil 8C_690/2011 vom 16. Juli 2012 E. 1.3 mit Hinweis, nicht publ. in: BGE 138 V 286, aber in: SVR 2012 FZ Nr. 3 S. 7). 
 
Beim Schreiben der Dr. med. G.________ vom 8. Januar 2016, bei der Medikamentenliste vom 8. Januar 2016 und der Übersicht über die Medikamentenbezüge in der Apotheke H.________ vom 18. Dezember 2015 handelt es sich um neu erstellte Unterlagen und damit um grundsätzlich unzulässige Noven, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist. 
 
3.  
 
3.1. Im angefochtenen Gerichtsentscheid werden die Bestimmungen und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Rentenanspruch (Art. 28 Abs. 1 und 2 IVG) und zur anwendbaren Invaliditätsbemessungsmethode bei teilerwerbstätigen Versicherten nach der gemischten Methode (Art. 28a Abs. 3 IVG und Art. 27bis IVV in Verbindung mit Art. 28a Abs. 1 und 2 IVG, Art. 16 ATSG und Art. 27 IVV; BGE 130 V 393 E. 3.3 S. 395 f.; 125 V 146 E. 2c S. 150; vgl. ferner BGE 134 V 9; 133 V 477 E. 6.3 S. 486 f. mit Hinweisen, 504 E. 3.3 S. 507 f.; 130 V 97 E. 3. S. 98 ff.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
3.2. Die Vorinstanz erörtert zudem korrekt, dass das Bundesgericht mit BGE 141 V 281 die Überwindbarkeitsvermutung aufgegeben und das bisherige Regel/Ausnahme-Modell durch einen strukturierten normativen Prüfungsraster ersetzt hat. An der Rechtsprechung zu Art. 7 Abs. 2 ATSG - ausschliessliche Berücksichtigung der Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung und objektivierte Zumutbarkeitsprüfung bei materieller Beweislast der rentenansprechenden Person (Art. 7 Abs. 2 ATSG) - ändert sich dadurch nichts (BGE 141 V 281 E. 3.7 S. 295 f.). Die Anerkennung eines rentenbegründenden Invaliditätsgrades ist nur zulässig, wenn die funktionellen Auswirkungen der medizinisch festgestellten gesundheitlichen Anspruchsgrundlage im Einzelfall anhand der Standardindikatoren schlüssig und widerspruchsfrei mit (zumindest) überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sind (BGE 141 V 281 E. 6 i.f. S. 308).  
 
4.   
Die Statusfrage mit den Anteilen 50 % Erwerb und 50 % Haushalt, das Ausmass der Arbeits- und Leistungsfähigkeit im Erwerb sowie der Einschränkung im Haushalt vor Mai 2011 und die daraus abgeleiteten Rentenansprüche waren vorinstanzlich nicht umstritten und werden auch letztinstanzlich nicht thematisiert. Ebenfalls unbestritten ist die ab Mai 2011 unverändert fortbestehende Einschränkung im Haushalt von 36 %, bzw. gewichtet von 18 %. Diesbezügliche Weiterungen erübrigen sich (vgl. E. 1). 
 
4.1. Das kantonale Gericht gelangt zum Schluss, dass die bisherige Tätigkeit als Küchenmitarbeiterin nicht mehr zumutbar sei, jedoch in einer leidensangepassten Beschäftigung ab Mai 2011 (ZMB-Untersuchungsdatum) eine 100%ige Arbeitsfähigkeit bestehe. Der rezidivierenden depressiven, leicht- bis mittelgradigen Störung und der somatoformen Schmerzstörung könne keine invalidisierende Wirkung zuerkannt werden. Auf dieser Grundlage nimmt es die Invaliditätsbemessung vor, woraus im Erwerb ein Invaliditätsgrad von 39,4 % und gewichtet von 19,7% resultiert. Bei einer gesamthaft (Erwerb und Haushalt) 38%igen Invalidität (zu den Rundungsregeln: BGE 130 V 121) bestätigt sie den Wegfall der Invalidenrente per 1. September 2011.  
 
4.2.  
 
4.2.1. Die Beschwerde entspricht weitgehend der Eingabe ans kantonale Gericht. Insoweit kann darauf nicht eingegangen werden (Art. 42 Abs. 1 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.1 und E. 2.3 S. 245 ff.).  
 
4.2.2. Immerhin setzt sich die Versicherte zusätzlich mit den Ausführungen im angefochtenen Entscheid zu BGE 141 V 281 auseinander. Diese Vorbringen sind jedoch nicht geeignet, die vorinstanzliche Beurteilung in Frage zu stellen:  
Das kantonale Gericht hat in einlässlicher Würdigung der medizinischen Akten in bundesrechtlich haltbarer Weise erkannt, dass diese hinreichenden Aufschluss bieten, um eine Beurteilung nach BGE 141 V 281 vornehmen zu können. Das gilt namentlich für das ZMB-Gutachten vom 12. Juli 2011, obwohl im angefochtenen Entscheid - entgegen den Angaben der ZMB-Gutachter, wonach aufgrund der depressiven Symptomatik eine 20%ige Einschränkung bestehe - von einer vollen Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit ausgegangen wird. Denn nach BGE 141 V 281 hat die Invaliditätsbemessung bei psychosomatischen Störungen stärker als bisher den Aspekt der funktionellen Auswirkungen zu berücksichtigen, was sich schon in den diagnostischen Anforderungen niederschlagen muss. Auch nach der Praxisänderung kann somit eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit nur relevant sein, wenn sie Folge einer fachärztlich einwandfrei diagnostizierten Gesundheitsbeeinträchtigung ist (vgl. BGE 130 V 396). Bei somatoformen Störungen (ICD-10: F45) im Besonderen ist dem diagnoseinhärenten Schweregrad vermehrt Rechnung zu tragen (BGE 141 V 281 E. 2.1.1 S. 286; vgl. auch Urteil 9C_125/2015 vom 18. November 2015 E. 5.3). Leichte bis höchstens mittelschwere psychische Störungen aus dem depressiven Formenkreis gelten zudem als therapeutisch angehbar (Urteil 9C_302/2012 vom 13. August 2012 E. 4.3.2, nicht publ. in: BGE 138 V 339; SVR 2012 IV Nr. 18 S. 81, 9C_418/2010 E. 5.3.4; Urteil 8C_759/2013 vom 4. März 2014 E. 3.6.1). Angesichts der materiellen Beweislast der die Invalidenrente beanspruchenden versicherten Person (BGE 141 V 281 E. 3.7.2 S. 295 f. und E. 6 in fine S. 308) fällt die Anerkennung einer rentenbegründenden Invalidität nur in Betracht, wenn die Aktenlage ein stimmiges Gesamtbild zeichnet, das auf eine therapeutisch nicht angehbare erhebliche funktionelle Behinderung schliessen lässt (Konsistenz; BGE 141 V 281 E. 4.4 S. 303). Von einer leistungsrelevanten Erwerbseinbusse ist jedenfalls solange nicht auszugehen, als die zumutbare therapeutische Option einer fachärztlich angeordneten intensiven Psychotherapie nicht konsequent und motiviert verfolgt wurde (vgl. SVR 2011 IV Nr. 26 S. 73, 9C_662/2009 E. 3.2.2). 
 
Zwar hatte die Versicherte vom 23. Oktober 2008 bis Januar 2010 eine psychotherapeutische Behandlung absolviert, wobei ihr damals keine Psychopharmaka verschrieben worden waren. Ab September 2011 konsultierte sie ebenfalls immer wieder psychiatrische Fachpersonen und es wurden ihr verschiedene Medikamente, darunter auch Antidepressiva, verschrieben. Von einer konsequent und motiviert durchgeführten intensiven Psychotherapie kann dabei allerdings nicht gesprochen werden. Daran ändert nichts, dass Dr. med. F.________ im psychiatrischen Gutachten vom 1. Mai 2010 (nicht, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, die Vorinstanz) einen Verdacht auf schädlichen Gebrauch von Benzodiazepinen äusserte. Auch der Hinweis der Versicherten auf die häufigen Besuche bei der Hausärztin und beim Schmerztherapeuten führt nicht zu einem anderen Schluss. Das kantonale Gericht konnte demnach willkürfrei davon ausgehen, dass sich bezüglich der noch offenen psychiatrischen Behandlungsoptionen bis zum Verfügungszeitpunkt (5. März 2014) keine Änderung ergeben hat. 
 
4.2.3. Die vorinstanzliche Beweiswürdigung und die Feststellungen betreffend die Arbeitsfähigkeit sind nach dem Gesagten nicht offensichtlich unrichtig (unhaltbar, willkürlich: BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153; Urteil 9C_607/2012 vom 17. April 2013 E. 5.2; zum Begriff der Willkür: BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f. mit Hinweisen). Sie beruhen auch nicht auf einer Rechtsverletzung, weshalb sie für das Bundesgericht verbindlich sind (E. 1).  
 
4.2.4. Soweit die Versicherte schliesslich im Rahmen der Berechnung des Invalideneinkommens einen maximalen 25%igen Abzug vom Tabellenlohn geltend macht, wiederholt sie bloss ihre Vorbringen in der vorinstanzlich eingereichten Beschwerde, ohne sich mit dem vorliegend angefochtenen Gerichtsentscheid auseinanderzusetzen, weshalb darauf nicht eingegangen werden kann.  
 
5.  
 
5.1. Gemäss nicht endgültigem Urteil der zweiten Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Di Trizio gegen die Schweiz vom 2. Februar 2016 (7186/09) verletzte die Anwendung der gemischten Invaliditätsbemessungsmethode in der Invalidenversicherung bei einer Versicherten, welche ohne gesundheitliche Einschränkungen nach der Geburt ihrer Kindern nur noch teilzeitlich erwerbstätig gewesen wäre und deshalb im Rentenrevisionsverfahren ihren Anspruch auf eine Invalidenrente verlor, Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens).  
 
5.2. Es kann an dieser Stelle offen bleiben, welche Auswirkungen dieses Urteil auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts in Zukunft haben wird. Weiterungen zur Frage nach der Anwendbarkeit der gemischten Methode erübrigen sich schon deshalb, weil diese als solche nicht bemängelt wird (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG). Zudem würde gestützt auf die allgemeine Methode des Einkommensvergleichs, bei einer für den Gesundheitsfall hypothetisch angenommenen 100%igen Erwerbstätigkeit, ebenfalls ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad in der Höhe von 39 % resultieren. Eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Familienlebens durch Anwendung der gemischten Methode ist darum nicht ersichtlich.  
 
6.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Die Gerichtskosten hat die unterliegende Beschwerdeführerin zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. April 2016 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz