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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_291/2012 
 
Urteil vom 15. August 2012 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichter Marazzi, von Werdt, 
Gerichtsschreiber V. Monn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Anita Meincke, 
Beschwerdeführer, 
 
Stadt A.________, Jugendamt, 
Deutschland, 
Verfahrensbeteiligte, 
 
gegen 
 
Z.________, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Sorgerecht (Vollstreckung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 15. Februar 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ und Z.________ sind die nicht verheirateten Eltern von Y.________ (geb. 2002; deutsche Staatsangehörige). Die Mutter ist alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge; sie hat zwischenzeitlich ihren jetzigen Ehemann Z.________ geheiratet. 
 
B. 
Am 10. März 2011 hatte X.________ beim Amtsgericht Lünen (Deutschland) die Übertragung der elterlichen Sorge beantragt (Verfahren AZ 11 F 86/11). Mit Urteil vom 7. Juni 2011 hob das Amtsgericht Lünen eine im Rahmen des Sorgerechtsprozesses erlassene einstweilige Anordnung vom 27. Mai 2011 auf, mit der es die Obhut über Y.________ dem Jugendamt A.________ übertragen hatte, und wies den Antrag des Jugendamts A.________ auf Entziehung der elterlichen Sorge der Kindesmutter ab. Am 27. Juni 2011 zog Z.________ mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter von A.________ in die Schweiz. Mit einstweiliger Anordnung vom 1. Juli 2011 entzog das Amtsgericht Lünen der Mutter wiederum vorläufig die elterliche Sorge für Y.________ und ordnete "insoweit" die Vormundschaft an; zum Vormund wurde das Jugendamt A.________ bestellt. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, es bestehe Anlass zur Annahme, dass die Mutter ohne Wissen des Vaters und ohne Rücksichtnahme auf die Bindungen des Kindes Y.________ ins Ausland verbracht habe und das Kind auf diese Art und Weise der zu erwartenden Sorgerechtsentscheidung im Verfahren 11 F 86/11 zu entziehen versuche. Auf Antrag des Jugendamts A.________ ergänzte das Amtsgericht am 11. August 2011 diese Anordnung und verpflichtete Z.________, ihre Tochter an das Jugendamt A.________ oder an die zuständigen Behörden in der Schweiz herauszugeben. 
 
C. 
Mit Eingabe vom 18. Juli 2011 gelangte die Stadt A.________ (Jugendamt) über den Rechtshilfeweg an das Bezirksgericht Münchwilen und ersuchte darum, die einstweilige Anordnung des Amtsgerichts Lünen vom 1. Juli und 11. August 2011 betreffend Sorgerechtsentzug und Herausgabe des Kindes (s. Bst. A) anzuerkennen und zu vollstrecken. Nachdem er beim Vormundschaftsamt B.________ einen Bericht über das Wohlergehen bzw. über eine allfällige Gefährdung des Kindes eingeholt, die Mutter zur Stellungnahme eingeladen und Y.________ persönlich angehört hatte, wies der Einzelrichter des Bezirksgerichts Münchwilen das Begehren um Vollstreckung des Urteils des Amtsgerichts Lünen mit Entscheid vom 18. November 2011 ab. 
 
D. 
Am 8. Dezember 2011 erhob der Kindsvater X.________, der im bezirksrichterlichen Verfahren als "Verfahrensbeteiligter" aufgeführt worden war, Beschwerde und beantragte dem Obergericht des Kantons Thurgau, dem Antrag der Stadt A.________ zu entsprechen. Das Obergericht wies die Beschwerde ab; der Entscheid vom 15. Februar 2012 wurde von X.________ am 16. April 2012 in Empfang genommen. 
 
E. 
Mit Beschwerde vom 23. April 2012 gelangt X.________ (fortan Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Er beantragt, den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau aufzuheben und dem Antrag der Stadt A.________ vom 18. Juli 2011 zu entsprechen. 
 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet. Trotzdem reichte Z.________ (fortan Beschwerdegegnerin) nach erfolgter Zustellung der Beschwerde unaufgefordert eine Stellungnahme ein, in welcher sie beantragt, die Beschwerde "abzulehnen". Das Schreiben vom 15. Mai 2012 wurde dem Beschwerdeführer zugestellt. Dieser liess sich mit Eingabe vom 14. Juni 2012 seinerseits vernehmen. Am 23. Juli 2012 erfolgte eine weitere Zuschrift der Beschwerdegegnerin. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Das Bundesgericht überprüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob eine Beschwerde zulässig ist (BGE 135 III 212 E. 1 S. 216; 134 III 115 E. 1 S. 117, je mit Hinweisen). 
 
1.2 Die rechtzeitig (Art. 100 BGG) eingereichte Beschwerde richtet sich gegen den Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 BGG), der die Vollstreckung eines ausländischen Entscheids über den Entzug der elterlichen Sorge und Obhut (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 BGG), also eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit zum Gegenstand hat. 
 
1.3 Zur Beschwerde in Zivilsachen ist nur berechtigt, wer durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG); das Interesse kann rechtlicher oder bloss tatsächlicher Natur sein, vorausgesetzt, es ist schutzwürdig (Urteil 5A_185/ 2011 vom 5. September 2011 E. 1.3). Die einstweilige Anordnung vom 1. Juli und 11. August 2011, mit der die Stadt A.________ der Beschwerdegegnerin die elterliche Sorge über Y.________ vorläufig entzog, das Kind unter die Vormundschaft des Jugendamts A.________ stellte und die Herausgabe des Kindes anordnete, erging im Rahmen des Hauptverfahrens, in welchem der Beschwerdeführer als Kindesvater um die Übertragung der elterlichen Sorge von der Beschwerdegegnerin auf ihn streitet (s. Sachverhalt Bst. B). Unter diesen Umständen ist auch der Beschwerdeführer als Vater und als Partei im Hauptverfahren durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt; er hat ein schutzwürdiges Interesse an der Anerkennung und Vollstreckung des deutschen Urteils. 
 
1.4 Der streitige Entscheid des Amtsgerichts Lünen betrifft eine "einstweilige Anordnungssache" nach deutschem Recht; er erfolgte "wegen der Dringlichkeit ohne vorherige Anhörung". Seiner Natur nach ist der anzuerkennende und zu vollstreckende Entscheid somit eine superprovisorische Massnahme, wie sie auch das schweizerische Zivilprozessrecht in Art. 265 ZPO kennt. Nun tritt das Bundesgericht zwar auf Rechtsmittel gegen Entscheide über superprovisorische Massnahmen grundsätzlich nicht ein, weil es in solchen Fällen an der Beschwerdevoraussetzung der Ausschöpfung des Instanzenzuges mangelt (BGE 137 III 417 E. 1.2 S. 418 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall steht jedoch kein Entscheid über eine superprovisorische Massnahme zur Diskussion. Gegenstand des angefochtenen Entscheides ist vielmehr die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Entscheids. Hierzu hat vor dem zuständigen Schweizer Gericht ein selbständiges Exequaturverfahren stattgefunden. Die Beschwerde in Zivilsachen ist somit auch unter diesem Blickwinkel zulässig. 
 
1.5 Nach der Rechtsprechung ist ein selbständiger Exequaturentscheid keine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG, unabhängig davon, ob der ausländische Entscheid einstweiligen Charakter hat oder nicht (BGE 135 III 670 E. 1.3 S. 672 f.). Gegen den angefochtenen Entscheid sind somit die allgemeinen Beschwerdegründe zuzulassen. Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann also u.a. die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich des Bundesverfassungsrechts sowie von Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG). In diesem Bereich wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft mit freier Kognition, ob der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Dagegen ist es an den festgestellten Sachverhalt grundsätzlich gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann einzig vorgebracht werden, er sei offensichtlich unrichtig festgestellt worden (Art. 97 Abs. 1 BGG), wobei "offensichtlich unrichtig" mit "willkürlich" gleichzusetzen ist (Botschaft, BBl 2001 IV 4338; 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252; 133 III 393 E. 7.1 S. 398), oder er beruhe auf einer anderen Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG (z.B. Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB). In der Beschwerde ist überdies darzutun, inwiefern die Behebung der vorerwähnten Mängel für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 135 I 19 E. 2.2.2 S. 22). 
 
1.6 Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Die Begründung muss in der Beschwerde selbst enthalten sein. Blosse Verweise auf die den Vorinstanzen eingereichten Rechtsschriften genügen den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG nicht (Urteil 5A_512/2007 vom 17. April 2008 E. 1.5 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 134 III 433). Daran ändert sich nichts, wenn der Beschwerdeführer seine Eingabe an das Obergericht vom 8. Dezember 2011 "inhaltlich auch hier zum Vortrag" macht. Die darin enthaltenen verwiesenen Vorbringen bleiben unbeachtlich (vgl. Urteil 5A_386/2008 vom 6. April 2009 E. 1). 
 
2. 
2.1 Die Stadt A.________ stützte ihr Anerkennungs- und Vollstreckungsbegehren primär auf das Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Massnahmen zum Schutz von Kindern (Haager Kindesschutzübereinkommen, HKsÜ; SR 0.211.231.011) und in zweiter Linie auf das Europäische Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts (Europäisches Sorgerechtsübereinkommen, ESÜ; SR 0.211.230.01). Das Obergericht erwog, das HKsÜ sei hinsichtlich der involvierten Länder Deutschland und Schweiz später in Kraft getreten als das ESÜ. Nachdem keiner dieser beiden völkerrechtlichen Verträge die Anwendung einer anderen internationalen Übereinkunft zwischen dem Ursprungsstaat und dem ersuchten Staat ausschliesse, dürfte das jüngere HKsÜ gegenüber dem älteren ESÜ den Vorrang geniessen. Angesichts des Verfahrensausgangs könne die Frage aber offengelassen werden; immerhin drücke das HKsÜ adäquater die heutige Auffassung der Haager Konferenz und der Staatengemeinschaft zum Kindeswohl aus. Entsprechend dem Antrag der Stadt A.________ sei die Anerkennung und Vollstreckung des Beschlusses des Amtsgerichts Lünen vom 1. Juli und 11. August 2011 in Anwendung des HKsÜ und, falls dieses Übereinkommen nicht zum Ziel führe, gestützt auf das ESÜ zu prüfen. 
 
2.2 Richtig ist, dass beide erwähnten Übereinkommen die Anwendung eines anderen Staatsvertrages zulassen: So schliesst das ESÜ nicht aus, dass eine andere internationale Übereinkunft zwischen dem Ursprungsstaat und dem ersuchten Staat oder das nichtvertragliche Recht des ersuchten Staates angewendet wird, um die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung zu erwirken (Art. 19 ESÜ). Und das HKsÜ lässt internationale Übereinkünfte unberührt, denen Vertragsstaaten als Vertragsparteien angehören und die Bestimmungen über die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten enthalten, sofern die durch eine solche Übereinkunft gebundenen Staaten keine gegenteilige Erklärung abgeben (Art. 52 Abs. 1 HKsÜ). Eine solche Erklärung haben zu Lasten des ESÜ weder Deutschland noch die Schweiz abgegeben. Bestimmen aber beide Staatsverträge, dass sie mit einem anderen (später bzw. früher geschlossenen) Vertrag nicht als unvereinbar anzusehen sind, so sind grundsätzlich beide Übereinkommen nebeneinander anwendbar, ohne dass ein Übereinkommen gegenüber dem anderen von sich aus den Vorrang genösse (vgl. KRAH, Das Haager Kinderschutzübereinkommen, Frankfurt a. M. et al. 2004, S. 103; JAMETTI-GREINER, in: Ingeborg Schwenzer [Hrsg.], Familienrechtskommentar Scheidung, 2. A., Bern 2011, N 114 zum Anhang IPR; BUCHER, in: Commentaire Romand, Loi sur le droit international privé - Convention de Lugano, Basel 2011, N 96 zu Art. 85 IPRG). 
 
2.3 Für den Fall, dass nicht alle Vertragsparteien eines früheren Vertrages - hier des ESÜ - zu den Vertragsparteien eines späteren - hier des HKsÜ - gehören, bestimmt Art. 30 Abs. 4 lit. a des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (SR 0.111), dass zwischen den Staaten, die Vertragsparteien beider Verträge sind, Absatz 3 desselben Artikels Anwendung findet. Dieser Vorschrift zufolge ist dann, wenn ein früherer und ein späterer völkerrechtlicher Vertrag zwischen den gleichen Vertragsparteien nebeneinander anwendbar sind, der frühere Vertrag nur insoweit anzuwenden, als er mit dem späteren Vertrag vereinbar ist. Die Norm fusst auf der Überlegung, dass Staaten, die eine bereits staatsvertraglich geregelte Materie mittels einer neuen Übereinkunft anders regeln wollen, damit auch ihre Absicht zum Ausdruck bringen, die Rechte und Pflichten aus dem früheren völkerrechtlichen Vertrag durch die neu geschaffenen Regeln zu ersetzen (s. PAOLILLO, in: CORTEN/KLEIN, Les conventions de Vienne sur le droit des traités, Commentaire article par article, Bd. II, Brüssel 2006, N 41 zu Art. 30 des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens von 1969; vgl. auch Conclusions des travaux du Groupe d'étude de La fragmentation du droit international: difficultés découlant de la diversification et de l'expansion du droit international, angenommen im Jahr 2006 durch die Commission du droit international der Vereinten Nationen, Rz. 24 ff., in: Annuaire de la Commission du droit international, 2006, Bd. II [2]). 
 
Bezogen auf den vorliegenden Fall folgt aus Art. 30 Abs. 3 des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens zunächst, dass der Schweizer Richter einem deutschen Entscheid, den er nach dem Haager Kindesschutzübereinkommen anerkennen und vollstrecken muss, die Anerkennung und Vollstreckung nicht mit der Begründung verweigern darf, das Europäische Sorgerechtsübereinkommen stehe dem entgegen. Diese Beurteilung der Rechtslage steht nicht nur im Einklang mit dem erläuternden Bericht zum ESÜ, dem zufolge dieses Übereinkommen gegenüber anderen staatsvertraglichen oder landesrechtlichen Vorschriften zurücktritt, welche die Anerkennung und Vollstreckung erleichtern (Erläuternder Bericht zum ESÜ, Rz. 75, in: BT-Drs 11/5314, S. 67). Sie harmoniert auch mit der in der Lehre geäusserten Ansicht, die Durchsetzung einer Sorgerechtsentscheidung nach dem Haager Kindesschutzübereinkommen bringe gegenüber einer solchen nach dem ESÜ erhebliche Erleichterungen (KRAH, a.a.O.) bzw. das Europäische Sorgerechtsübereinkommen werde mit dem moderneren HKsÜ "noch weiter zurückgedrängt" (so JAMETTI GREINER, a.a.O.). Gleichermassen folgt aus Art. 30 Abs. 3 des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens aber auch der (Umkehr-)Schluss, dass der Schweizer Richter einen deutschen Entscheid, dem er die Anerkennung und Vollstreckung gestützt auf das HKsÜ aus einem bestimmten Grund versagen muss, jedenfalls nicht mit der Begründung anerkennen und vollstrecken darf, das ESÜ verbiete die Anerkennung und Vollstreckung aus diesem gleichen Grund nicht. Denn dies käme einer Umgehung von Vorgaben des späteren Staatsvertrages gleich, mit denen der frühere Vertrag eben im Sinne von Art. 30 Abs. 3 der Wiener Vertragsrechtskonvention nicht vereinbar ist. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer stellt die Anwendbarkeit des Haager Kindesschutzübereinkommens und des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens nicht in Frage. Er bestreitet aber, dass der Beschluss des Amtsgerichts Lünen vom 1. Juli und 11. August 2011 gestützt darauf nicht vollstreckbar sein soll. 
 
3.1 Mit Bezug auf das Haager Kindesschutzübereinkommen führt das Obergericht aus, gemäss Art. 23 Abs. 2 lit. a HKsÜ könne die Anerkennung und Vollstreckung verweigert werden, wenn die Massnahme von einer Behörde getroffen wurde, die nicht nach Art. 5 ff. HKsÜ zuständig war. Laut Art. 5 Abs. 1 HKsÜ seien die Behörden des Vertragsstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständig, Massnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes zu treffen. Vorbehältlich von Art. 7 HKsÜ seien bei einem Wechsel des persönlichen Aufenthalts des Kindes in einen anderen Vertragsstaat nach Art. 5 Abs. 2 HKsÜ die Behörden des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts zuständig; eine Festsetzung des Gerichtsstands (perpetuatio fori) gebe es im Verhältnis unter den Konventionsstaaten nicht. 
 
Bezüglich des konkreten Falls und unter Hinweis auf den Beschluss des Amtsgerichts Lünen vom 7. Juni 2011 (s. Sachverhalt Bst. B) hält das Obergericht fest, das Amtsgericht Lünen habe seine (erste) einstweilige Anordnung am 7. Juni 2011 aufgehoben und den Antrag des Jugendamts auf Entziehung der elterlichen Sorge abgewiesen gehabt (s. Sachverhalt Bst. B), weshalb die Beschwerdegegnerin als alleinige Sorgerechtsinhaberin grundsätzlich berechtigt gewesen sei, mit Y.________ in die Schweiz zu reisen und in C.________ einen neuen Wohnsitz und damit einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von Art. 5 HKsÜ zu begründen. Dies gelte "umso mehr", als der Beschwerdeführer gemäss einer aktenkundigen "Einverständniserklärung" vom 26. Juni 2011 vom Umzug in Kenntnis gesetzt worden sei, diesbezüglich ausführliche Gespräche geführt habe und damit "im vollsten Umfang" einverstanden gewesen sei. Y.________ und die Beschwerdegegnerin hätten beabsichtigt und würden beabsichtigen, in der Schweiz zu bleiben; sie hätten sich bei den Behörden angemeldet, und Y.________ besuche in C.________ die Schule. All diese Umstände sprächen für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von Art. 5 HKsÜ in der Schweiz. Damit sei das Amtsgericht Lünen nicht mehr zuständig gewesen, allfällige vorsorgliche Massnahmen zum Schutz des Kindes zu verfügen und die Beschlüsse vom 1. Juli und 11. August 2011 zu fällen. Wegen fehlender Zuständigkeit der erlassenden Behörde sei das Begehren deshalb in Anwendung von Art. 26 Abs. 3 i.V.m. Art. 23 Abs. 2 lit. a HKsÜ abzuweisen. 
 
3.2 In diesem Zusammenhang beanstandet der Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe sich im Wesentlichen auf die Einverständniserklärung gestützt, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass er die Echtheit dieser Urkunde bestritten habe. Weil der Inhalt dieser Erklärung unwahr und ein solches Dokument von ihm nie unterzeichnet worden sei, habe er in Deutschland Strafanzeige wegen Urkundenfälschung gestellt. Das Ermittlungsverfahren sei im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens an die Generalstaatsanwaltschaft in D.________ übersandt worden. Soweit der Beschwerdeführer dem Obergericht damit vorwerfen will, es habe den Sachverhalt unvollständig festgestellt oder die Beweise willkürlich gewürdigt, tut er jedenfalls nicht dar, inwiefern die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein könnte, das Obergericht die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in der Schweiz nach Art. 5 HKsÜ also allein deshalb hätte verneinen müssen, weil er die Echtheit der Einverständniserklärung bestritten hatte. Das Gesagte gilt sinngemäss für die Behauptung, die Beschwerdegegnerin habe Y.________ in Deutschland weder an der Schule noch in der Stadt A.________ abgemeldet und es fehle an konkreten Feststellungen darüber, wann Y.________ in der Schule und bei der Einwohnerkontrolle in der Schweiz angemeldet wurde. Inwiefern es für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von Art. 5 HKsÜ auf die Ab- und Anmeldung bei der Einwohnerbehörde bzw. auf den Zeitpunkt dieser Vorgänge ankäme, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf und ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr wurde anlässlich der Arbeiten am Haager Kindesschutzübereinkommen bewusst darauf verzichtet, den gewöhnlichen Aufenthalt des Minderjährigen mit konkreten positiven oder negativen Kriterien zu umschreiben - gerade weil diese Kriterien zwar als Indizien für einen bestimmten Aufenthaltsort in Frage kommen, ihr Vorhandensein oder Fehlen im Einzelfall aber dennoch keine zwingenden Schlüsse auf einen bestimmten gewöhnlichen Aufenthalt zulässt (vgl. LAGARDE, Rapport explicatif, in: Conférence de La Haye de droit international privé, Actes et documents de la Dix-huitième session, Bd. II, S. 552, Rz. 40; SCHWANDER, Das Haager Kindesschutzübereinkommen 1996 [HKsÜ], in: ZVW 2009, S. 12 f.; KRAH, a.a.O., S. 143 ff.). 
 
3.3 Im Ergebnis vermag der Beschwerdeführer mit seinen Vorbringen die Erkenntnis des Obergerichts, dass der Beschluss des Amtsgerichts Lünen vom 1. Juli und 11. August 2011 gestützt auf das Haager Kindesschutzübereinkommen nicht anerkannt und vollstreckt werden kann, nicht ins Wanken zu bringen. 
 
4. 
4.1 Entsprechend dem ursprünglichen Antrag der Stadt A.________ hat das Obergericht das Anerkennungs- und Vollstreckungsbegehren auch unter dem Blickwinkel des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens geprüft. Zur Hauptsache hält es fest, nach Art. 13 Abs. 1 lit. d ESÜ habe der Antragsteller, der nicht nur die Anerkennung, sondern auch die Vollstreckung einer Sorgerechtsentscheidung verlange, ein Schriftstück vorzulegen, aus dem sich ergibt, dass die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaats vollstreckbar ist. Im vorliegenden Fall liege ein solches Schriftstück aber nicht im Recht. Nachdem sich auch den Beschlüssen selbst nicht entnehmen lasse, dass sie rechtskräftig und vollstreckbar sind, komme eine Vollstreckung gemäss ESÜ nicht in Frage. Im Übrigen verweist das Obergericht auch noch auf Art. 10 Abs. 1 lit. b ESÜ, wonach im Falle eines nicht unzulässigen Verbringens des Kindes in den ersuchten Staat die Anerkennung und Vollstreckung versagt werden kann, "wenn aufgrund der Verhältnisse die Wirkungen der ursprünglichen Entscheidung offensichtlich nicht mehr dem Wohl des Kindes entsprächen". Das Obergericht kommt zum Schluss, der Entscheid des Amtsgerichts Lünen entspreche zur Zeit nicht dem Wohl des Kindes. Dies hätten die Abklärungen des Bezirksgerichts und insbesondere die Befragung des Kindes ergeben. Eine Gefährdung des Kindes in der Schweiz habe nicht festgestellt werden können; im Gegenteil fühle sich Y.________ in ihrer neuen Umgebung wohl, habe sich in der Schule und in der Nachbarschaft eingelebt und könne sich eine Rückkehr nach Deutschland nicht vorstellen. Angesichts der Einverständniserklärung des Vaters sei zudem nicht glaubhaft, dass die Mutter und Y.________ Deutschland überstürzt verlassen hätten. 
 
4.2 Wie es sich mit diesen Anerkennungs- und Vollstreckungsvoraussetzungen gemäss ESÜ im Einzelnen verhält, kann grundsätzlich offenbleiben: Selbst wenn ein Schriftstück im Sinne von Art. 13 Abs. 1 lit. d ESÜ tatsächlich im Recht läge und der Versagungsgrund nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ESÜ nicht gegeben wäre, könnte der Beschluss des Amtsgerichts Lünen vom 1. Juli und 11. August 2011 nach dem in Erwägung 2.3 Ausgeführten in der Schweiz jedenfalls nicht mit der Begründung anerkannt werden, der Versagungsgrund nach Art. 10 Abs. 1 lit. c ESÜ sei nicht gegeben, obwohl Y.________ im fraglichen Zeitpunkt keinen Aufenthalt mehr in A.________ hatte, käme dies im Ergebnis doch einer Umgehung des Versagungsgrundes nach Art. 23 Abs. 2 lit. a HKsÜ gleich. 
 
4.3 Lediglich der guten Ordnung halber sei festgehalten, dass das, was der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen vorbringt, den angefochtenen Entscheid ohnehin nicht zu erschüttern vermöchte. 
4.3.1 Unbehelflich ist zunächst der Einwand, aus den anwendbaren deutschen Vorschriften ergebe sich, dass der Beschluss des Amtsgerichts Lünen mit Bekanntgabe an die Beteiligten wirksam geworden sei; mangels eines zulässigen Rechtsmittels sei die Rechtskraft sofort eingetreten. Denn massgeblich und für das Bundesgericht verbindlich (s. E. 1.4) ist die vorinstanzliche tatsächliche Feststellung, dass es an einem Schriftstück im Sinne von Art. 13 Abs. 1 lit. d ESÜ fehlt und der zu vollstreckende Beschluss selbst keinen Aufschluss über seine Rechtskraft und Vollstreckbarkeit gibt. Diese Feststellung lässt sich mit dem erwähnten Einwand nicht als offensichtlich unrichtig oder willkürlich ausweisen. Im Übrigen sei dem Beschwerdeführer in Erinnerung gerufen, dass der Sinn der in Art. 13 Abs. 1 lit. d ESÜ enthaltenen formellen Anforderung gerade darin besteht, der Behörde, die um Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung ersucht wird (Erläuternder Bericht zum ESÜ, Rz. 64, in: BT-Drs 11/5314, S. 66) und mit dem Prozessrecht des Ursprungsstaates nicht vertraut ist, diesbezügliche Nachforschungen zu ersparen. 
4.3.2 Auch gegen die vorinstanzliche Erkenntnis, der Entschied des Amtsgerichts Lünen entspreche im Sinne von Art. 10 Abs. 1 lit. b ESÜ nicht mehr dem Wohl des Kindes, vermag der Beschwerdeführer nichts auszurichten. Mit der vagen, unsubstantiierten Annahme, Y.________ habe in der Schweiz erhebliche, ihrem Wohl entgegenstehende Probleme, kann es nicht gelingen, die erwähnten vorinstanzlichen Feststellungen in Zweifel zu ziehen, ebenso wenig mit der Behauptung, die Beschwerdegegnerin verweigere noch immer den Umgang zwischen Y.________ und dem Beschwerdeführer und habe auf ein anwaltliches Schreiben nicht reagiert. Um mit einer Sachverhaltsrüge vor Bundesgericht durchzudringen, genügt es nicht, vor Bundesgericht einen von der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr kann das Bundesgericht Vorbringen bezüglich eines Sachverhaltes, der von den Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nur berücksichtigen, wenn die rechtssuchende Partei im Einzelnen darlegt, inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255 und E. 1.4). Soweit sich der Beschwerdeführer auch in diesem Kontext daran stört, dass sich das Obergericht auf die (von ihm bestrittene) Einverständniserklärung stützt, kann auf das in Erwägung 3.2 Gesagte verwiesen werden. 
 
5. 
Gestützt auf die vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Es muss also dabei bleiben, dass dem Begehren um Anerkennung und Vollstreckung des Beschlusses des Amtsgerichts Lünen vom 1. Juli und 11. August 2011 kein Erfolg beschieden ist. Angesichts der besonderen Umstände verzichtet das Bundesgericht darauf, Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Der anwaltlich nicht vertretenen Beschwerdegegnerin, die sich unaufgefordert zur Sache geäussert hat (s. Sachverhalt Bst. D), ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Stadt A.________, Jugendamt, und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 15. August 2012 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Hohl 
 
Der Gerichtsschreiber: V. Monn