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[AZA 7] 
I 28/02 Gb 
 
II. Kammer 
 
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; 
Gerichtsschreiber Schmutz 
 
Urteil vom 21. Juni 2002 
 
in Sachen 
S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten, 
 
gegen 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
A.- Mit Verfügung vom 9. März 2000 sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen dem 1952 geborenen S.________ ab 
1. Juli 1999 eine ganze Invalidenrente samt Zusatzrente für die Ehegattin zu. 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 22. November 2001 ab. 
 
 
C.- S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei ihm eine ganze Invalidenrente spätestens ab 1. Mai 1999 auszurichten; eventualiter sei die Sache zur Vornahme zusätzlicher medizinischer Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG). 
 
2.- Die Invalidität gilt als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat (Art. 4 Abs. 2 IVG). Im Falle einer Rente gilt die Invalidität in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem der Anspruch nach Art. 29 Abs. 1 IVG entsteht, d.h. frühestens wenn der Versicherte mindestens zu 40 % bleibend erwerbsunfähig geworden ist (lit. a) oder während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 % arbeitsunfähig gewesen war (lit. b; BGE 119 V 102 Erw. 4a). 
Wie die Vorinstanz unter Hinweis auf SVR 1998 IV Nr. 7 S. 29 (= AHI 1998 S. 124) zutreffend erwogen hat, eröffnet praxisgemäss bereits ein Arbeitsunfähigkeitsgrad von 20 % den Lauf der 1-jährigen Wartezeit, weil dann eine dafür erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit gegeben ist. 
 
3.- Streitig ist einzig, ab wann dem Beschwerdeführer eine ganze Rente der Invalidenversicherung auszurichten ist. Dieser leidet seit 1998 an psychischen Beschwerden und Somatisierungsstörungen, auf Grund welcher nach Einschätzung der IV-Stelle und der Vorinstanz ab Juli 1998 eine die 1-jährige Wartezeit auslösende Arbeitsunfähigkeit erreicht war. Für den Beschwerdeführer hingegen besteht eine solche Arbeitsunfähigkeit bereits ab März 1998, spätestens jedoch ab Anfang Mai 1998. Er stützt sich dabei auf den Bericht an die Invalidenversicherung der kantonalen psychiatrischen Dienste Klinik X.________ vom 15. Dezember 1999, in welcher Institution er vom 11. August bis 30. Oktober 1998 und ab dem 27. Juli bis über das Datum der Berichterstattung hinaus stationär behandelt wurde. Im kantonalen Entscheid ist dieser Bericht, in dem "der Gesundheitsschaden" (schwere depressive Episode mit rezidivierenden suizidalen Krisen, Somatisierungsstörung) als "seit Mai 1998" bestehend gemeldet wurde, zwar im Sachverhalt wiedergegeben. Er ist aber in den Erwägungen nicht mehr angesprochen worden. Die Gründe dafür sind nicht ersichtlich, sind doch die hinsichtlich des Beweiswertes an einen solchen Arztbericht gestellten Anforderungen erfüllt. Der darin gemeldete ärztliche Befund, wonach der Verlust des Arbeitsplatzes im April 1998 einherging mit einem verstärkten Auftreten von multiplen körperlichen Beschwerden (zervikal, Schulter-, Kopf- und Magenschmerzen), für deren Intensität und Dauer keine organische Ursache gefunden werden konnte, wobei der Beschwerdeführer eine zunehmende depressive Symptomatik (verzweifelte gedrückte Grundstimmung, Schlafstörungen, Gewichtsverlust, Antriebslosigkeit, Perspektivelosigkeit mit einschiessenden suizidalen Impulsen) entwickelt habe, ist auf Grund der gesamten medizinischen Aktenlage schlüssig. Wenn in dem Bericht an die Invalidenversicherung die von der Versicherung ausformulierte Frage "Seit wann besteht der Gesundheitsschaden?" von den Ärzten mit der Angabe "seit Mai 1998" beantwortet wird, ist eine solche Meldung bei der Beantwortung der Frage nach dem Beginn des Laufs der 1-jährigen Wartezeit zweifellos beachtlich. Der Bericht erstattende Arzt kann davon ausgehen, dass im Fragebogen versicherungsrelevante Fragen gestellt werden; er wird deshalb Beeinträchtigungen der Gesundheit, welche die Arbeitsfähigkeit um weniger als 20 % herabsetzen, mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht als "Gesundheitsschaden" melden. Dies kann jedoch vorliegend ungeprüft bleiben, da im Falle des Beschwerdeführers auf Grund der im Formular gemachten und von der IV-Stelle grundsätzlich unbestrittenen medizinischen Angaben mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt ist, dass der ab Mai 1998 ärztlich rapportierte Gesundheitsschaden bereits eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit von 20 % zur Folge hatte, und dass dies nicht erst, wie von der IV-Stelle und der kantonalen Instanz festgelegt, ab Juli 1998 der Fall war. 
Hingegen hat die Vorinstanz den Beweiswert der vom Hausarzt Dr. med. H.________ am 21. Juni 2000 vorgenommenen Schätzung (Arbeitsunfähigkeit von 20 % ab Januar 1998) mit zutreffender Begründung als ungenügend beurteilt. Das Gleiche gilt für die mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingelegte ergänzende Stellungnahme der Klinik X.________ vom 3. Januar 2002. Darin wird dem Beschwerdeführer eine mindestens 20-prozentige Arbeitsunfähigkeit bereits im März 1998 attestiert. Es handelt sich hier allerdings bloss um einen mit grossem zeitlichen Abstand zum beurteilten Sachverhalt erstellten Auszug aus der Krankenakte. Weder wurde die angefügte Schätzung der Arbeitsunfähigkeit begründet, noch war, soweit ersichtlich, der Beschwerdeführer den Bericht erstattenden Ärzten näher bekannt. 
 
 
4.- Im vorliegenden Verfahren geht es um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, weshalb von der Auferlegung von Gerichtskosten abzusehen ist (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend ist dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 OG). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden 
der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons 
St. Gallen vom 22. November 2001 und die Verfügung 
der IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 9. März 
1999 insoweit abgeändert, als dem Beschwerdeführer die 
ganze Invalidenrente samt Zusatzrente für die Ehegattin 
bereits ab dem 1. Mai 1999 auszurichten ist. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
 
 
Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen 
 
 
Prozesses zu befinden haben. 
 
V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht 
des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse des 
Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
zugestellt. 
Luzern, 21. Juni 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: