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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4A_232/2007 /len 
 
Urteil vom 2. Oktober 2007 
I. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch, 
Bundesrichter Kolly, 
Bundesrichterin Kiss, 
Gerichtsschreiber Luczak. 
 
Parteien 
X.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Fürsprecher Marc Gerber, 
 
gegen 
 
Y.________ AG, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Stefan Schalch 
und Dr. Sabine Kilgus. 
 
Gegenstand 
Rahmenlieferungsvertrag, 
 
Beschwerde in Zivilsachen gegen den Entscheid 
des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, vom 14. Mai 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 21. Januar 2002 schloss die X.________ AG (Beschwerdeführerin) mit der Y.________ AG (Beschwerdegegnerin) einen bis Ende 2006 gültigen Rahmenlieferungsvertrag (nachfolgend RLV) über Schubsicherungen sowie andere Formstücke der Beschwerdegegnerin ab. Die Beschwerdeführerin verpflichtete sich, während der Vertragsdauer die entsprechenden Produkte ausschliesslich von der Beschwerdegegnerin zu beziehen. Im Gegenzug verpflichtete sich diese, während der Dauer des Vertrages auf dem Gebiet der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein weder Dritte mit speziellen Formstücken zu beliefern, noch diese selbst zu vertreiben. Gemäss Art. 18 RLV hatte die Beschwerdegegnerin bis zum 31. März 2002 je eine schriftliche Erklärung zweier Unternehmen beizubringen, wonach diese die Beschwerdeführerin auch dann noch bis zum 31. Dezember 2006 direkt mit Vertragsprodukten beliefern würden, wenn die Vertragsprodukte in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein nicht mehr durch die Beschwerdegegnerin vertreten werden sollten. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2003 stellte sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, die Beschwerdegegnerin habe nicht alle Erklärungen fristgerecht beigebracht, weshalb der Vertrag ohne weiteres per 31. Dezember 2002 dahingefallen sei. Überdies wies die Beschwerdeführerin auf Qualitätsmängel und unerfüllte technische Anforderungen hin und teilte der Beschwerdegegnerin mit, dass sie von einer weiteren Kooperation mit ihr absehe. 
 
B. 
Die Beschwerdegegnerin bestritt, dass der Vertrag dahingefallen oder rechtswirksam gekündigt worden sei. Sie gelangte mit einer Schadenersatzklage an das Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer. Mit Zwischenentscheid vom 23. Januar 2007 kam das Schiedsgericht zum Schluss, der Rahmenvertrag habe nach dem 31. Dezember 2002 noch rechtsgültig weiterbestanden und die von der Beschwerdeführerin ausgesprochene Kündigung sei unwirksam gewesen. Ausserdem entschied das Schiedsgericht, welche Produkte die Beschwerdeführerin gemäss der Vereinbarung ausschliesslich bei der Beschwerdegegnerin zu beziehen hatte und hielt namentlich fest, dass sich die Bezugspflicht entgegen dem Wortlaut des Vertrages nicht auf Formstücke in blauer Farbe beschränke. 
 
C. 
Die gegen diesen Entscheid von der Beschwerdeführerin erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich am 14. Mai 2007 ab. Gegen diesen Beschluss führt die Beschwerdeführerin Beschwerde in Zivilsachen und beantragt dem Bundesgericht im Wesentlichen, die Klage abzuweisen. Dem Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gab das Bundesgericht am 13. Juli 2007 statt, während es das Gesuch der Beschwerdegegnerin um Sicherstellung der allfälligen Parteientschädigung abwies. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Da der angefochtene Entscheid nach dem 1. Januar 2007 erging, richtet sich das Verfahren nach dem Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (SR 173.110; Art. 132 Abs. 1 BGG). 
 
1.1 Der angefochtene Entscheid des Obergerichts behandelt den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts über materielle Vorfragen, nämlich Bestand und Inhalt des abgeschlossenen Vertrages, mit deren Klärung der Streit zwischen den Parteien nicht beendet ist. Der angefochtene Entscheid erweist sich damit seinerseits als Zwischenentscheid (BGE 132 III 785 E. 2 S. 789 f.; Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4332 f.; Berger/Kellerhals, Internationale und interne Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Rz. 1755, S. 616 einschliesslich Fn. 80), der nicht die Zuständigkeit oder ein Ausstandsbegehren betrifft. Daher ist die Beschwerde in Zivilsachen nur zulässig, wenn der Entscheid entweder einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Die Anwendung der zuletzt genannten Bestimmung setzt mithin voraus, dass das Bundesgericht, sollte es der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin folgen, selbst einen Endentscheid fällen könnte und die Angelegenheit nicht an die Vorinstanz oder das Schiedsgericht zurückweisen müsste (Urteil des Bundesgerichts 4A_109/2007 vom 30. Juli 2007 E. 2.4 mit Hinweisen auf die unter der Geltung des OG ergangene Rechtsprechung). Da es sich um ein nationales Schiedsgericht handelt, sind zur Beantwortung dieser Frage neben dem BGG auch die Bestimmungen über das nationale Schiedsverfahren, also des Konkordats vom 27. März 1969 über die Schiedsgerichtsbarkeit (KSG) zu beachten. 
1.1.1 Ein nationales Schiedsgericht ist keine Vorinstanz des Bundesgerichts im Sinne von Art. 75 BGG, wohl aber die gemäss Art. 3 lit. f in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 KSG für Entscheide über Nichtigkeitsbeschwerden zuständige Behörde (Berger/Kellerhals, a.a.O., Rz. 1745, S. 612; vgl. Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4311). Das Bundesgericht überprüft nur den Entscheid der Kassationsinstanz, nicht auch den Schiedsspruch selbst (vgl. Rüede/Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. Aufl. 1993, S. 328). 
1.1.2 Die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 36 ff. KSG ist grundsätzlich kassatorischer Natur (Art. 40 Abs. 1 KSG). Die Beschwerdeinstanz kann den Schiedsspruch lediglich bezüglich der vom Schiedsgericht festgesetzten Entschädigungen der Schiedsrichter reformieren, wenn sie die Entschädigung als offensichtlich übersetzt erachtet (Art. 40 Abs. 3 KSG). Ferner kann sie selbst die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts feststellen (BGE 102 Ia 574 E. 4 S. 576 f.). Einen weiteren Sonderfall bildet die Rückweisung des Entscheides zur Berichtigung oder Ergänzung des Schiedsentscheides (Art. 39 und 40 Abs. 1 KSG). 
1.1.3 Art. 107 Abs. 2 BGG erlaubt dem Bundesgericht an sich, im Rahmen der Beschwerde in Zivilsachen in der Sache selbst zu entscheiden. Im Lichte von Art. 40 KSG kann die Entscheidbefugnis des Bundesgerichts im Zusammenhang mit der Rüge einer Verletzung des Schiedskonkordates aber nicht weiter gehen, als diejenige der Kassationsinstanz selbst (vgl. Hans Peter Walter, Rechtsmittel gegen Entscheide des TAS nach dem neuen Bundesgesetz über das Bundesgericht und dem Entwurf einer Schweizerischen Zivilprozessordnung, in Rigozzi/Bernasconi [Hrsg.], The Proceedings before the Court of Arbitration for Sport, S. 155 ff., S. 168). Sonst käme dem Bundesgericht als Beschwerdeinstanz eine weitere Kognition zu als dem staatlichen kantonalen Gericht, was der Grundkonzeption des BGG widerspräche (vgl. Art. 110 und Art. 111 Abs. 3 BGG, die gewährleisten sollen, dass die Vorinstanz des Bundesgerichts grundsätzlich zumindest die gleiche Prüfungsbefugnis besitzt wie das Bundesgericht; Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4350; vgl. auch Berger/Kellerhals, a.a.O., Rz. 1750, S. 614). Auch aus dem in Art. 99 Abs. 2 BGG enthaltenen Verbot, neue Begehren zu stellen, ergibt sich, dass vor Bundesgericht Begehren, über die sich keine kantonale Instanz aussprechen konnte, unzulässig sind. Von einer Rückweisung an die Vorinstanz oder das Schiedsgericht bei Gutheissung einer Beschwerde in Zivilsachen wegen Verletzung des KSG (vgl. Art. 95 lit. e BGG) kann daher nur bei Unzuständigkeit des Schiedsgerichts oder bezüglich der Entschädigung der Schiedsrichter abgesehen werden (Tappy, Le recours en matière civile, in Urs Portmann [Hrsg.], La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, S. 51 ff., S. 113). Zulässig ist ein reformatorischer Entscheid mit Bezug auf den Entscheid der Kassationsinstanz überdies, sofern dadurch materiell nicht in den Schiedsentscheid eingegriffen wird, namentlich, wenn die Kassationsinstanz den Schiedsentscheid zu Unrecht aufgehoben hat (Tappy, a.a.O., S. 113 Fn. 180). 
 
1.2 Das Schiedsgericht hat in seinem Zwischenentscheid eine materielle Vorfrage entschieden. Da das Bundesgericht nach dem Gesagten bei Gutheissung der Beschwerde materiell nicht selbst entscheiden könnte, sondern die Angelegenheit an die Vorinstanz oder das Schiedsgericht zurückweisen müsste (Tappy, a.a.O., S. 113 Fn. 180), kann die Gutheissung der Beschwerde keinen Endentscheid herbeiführen (vgl. Poudret, Particularismes du recours en matière d'arbitrage international, in Urs Portmann [Hrsg.], La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, S. 121 ff., S. 124). Eine Anfechtung des Zwischenentscheides gestützt auf Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt demnach ausser Betracht. 
 
1.3 Zu prüfen bleibt, ob eine Anfechtung gestützt auf Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG in Betracht fällt, was voraussetzt, dass der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. 
1.3.1 Zur Frage, ob und wenn ja inwieweit Zwischenentscheide mit der Kassationsbeschwerde nach KSG überhaupt angefochten werden können, bestehen in Literatur und der kantonalen Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen (Berger/Kellerhals, a.a.O., Rz. 1706, S. 598 f. mit Hinweisen; vgl. auch Hinderling, Probleme der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, in SJZ 75/1979 S. 321 ff., S. 329 f. einschliesslich Fn. 63). Die Vorinstanz ist auf die Kassationsbeschwerde eingetreten, was von keiner der Parteien beanstandet wird. Mangels rechtsgenüglicher Rüge ist nicht weiter auf die Frage einzugehen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auch um zu klären, ob bei der gegebenen Konstellation die Beschwerde in Zivilsachen offen steht, braucht die Frage nicht behandelt zu werden, da die Vorbringen der Beschwerdeführerin, wie nachfolgend zu zeigen sein wird, für die Annahme der Gefahr eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils nicht genügen. 
1.3.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes muss der mögliche Nachteil rechtlicher Natur sein, also auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Endentscheid des Bundesgerichts nicht mehr behoben werden können (zur Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichts 9C_15/2007 vom 25. Juli 2007, E. 5.2; vgl. auch BGE 126 I 97 E. 1b S. 100 f. mit Hinweisen; Berger/Kellerhals, a.a.O., Rz. 1758, S. 617). Dass der Entscheid der Vorinstanz das Schiedsgericht bindet, genügt dazu entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht, denn diese Bindung kann mit einer Beschwerde gegen den Endentscheid gelöst werden. Zusätzlich führt die Beschwerdeführerin als möglichen Nachteil die Notwendigkeit an, der Beschwerdegegnerin Einsicht in die Marktposition und die Umsatzstruktur zu geben. Auf den zuletzt genannten Nachteil beruft sich die Beschwerdeführerin allerdings nur im Zusammenhang mit ihrem Gesuch um aufschiebende Wirkung. Ob ihre Vorbringen unter diesen Umständen bei der Eintretensfrage zu berücksichtigen sind, kann offen bleiben, da sie sich ohnehin als unzulänglich erweisen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann es zwar zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil führen, wenn im Rahmen von Beweismassnahmen Geschäftsgeheimnisse offen gelegt werden müssen (Urteil des Bundesgerichts 4P.335/2006 vom 27. Februar 2007, E. 1.2.4). Einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil würde die Beschwerdeführerin aber nur erleiden, wenn das Schiedsgericht allenfalls berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Beschwerdeführerin im weiteren Verfahren keine Rechnung tragen könnte. Dass die Natur der Sache und die anwendbaren Verfahrensvorschriften die Berücksichtigung berechtigter Geheimhaltungsinteressen nicht zuliessen (vgl. die entsprechenden Regelungen in § 145 des Gesetzes über die Zivilprozessordnung [Zivilprozessordnung] des Kantons Zürich vom 13. Juni 1976 [LS 271] oder Art. 38 BZP), legt die Beschwerdeführerin nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Es ist aber Sache der Beschwerdeführerin aufzuzeigen, dass ihr ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht (BGE 116 II 80 E. 2c S. 84 mit Hinweis). Die blosse Behauptung, sie müsse im nächsten Verfahrensabschnitt der Beschwerdegegnerin als ihrer Konkurrentin Einsicht in ihre Marktposition und die Umsatzstruktur geben, genügt dazu nicht. 
 
2. 
Damit sind die Voraussetzungen für eine selbständige Anfechtung des Zwischenentscheides nicht gegeben. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 15'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 17'000.-- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 2. Oktober 2007 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: