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[AZA 7] 
K 123/00 Vr 
 
III. Kammer 
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Urteil vom 8. August 2001 
 
in Sachen 
M.________, 1974, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
Krankenkasse Sanitas, Lagerstrasse 107, 8021 Zürich, Beschwerdegegnerin, 
und 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
A.- M.________, geboren 1974, leidet an Diabetes. Er ist seit 1996 bei der Sanitas obligatorisch krankenpflegeversichert und hat verschiedene Zusatzversicherungen nach VVG abgeschlossen, wobei jedoch ein fünfjähriger Vorbehalt betreffend Diabetes besteht. Im Rahmen der Umstellung auf tierisches Insulin lehnte die Sanitas mit Verfügung vom 18. März 1999, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 19. Mai 1999, die Übernahme der Kosten des tierischen Insulins der Firma X.________ ab, da dieses Medikament weder in der Arzneimittel- noch der Spezialitätenliste aufgeführt sei. 
 
 
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 24. Mai 2000 ab. 
 
C.- M.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides habe die Sanitas die Kosten des tierischen Insulins zu übernehmen. 
Die Sanitas schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung darauf hinweist, dass das entsprechende tierische Insulin auf den 1. Juli 2000 in die Spezialitätenliste aufgenommen worden sei. 
Am 13. Juli 2000 reicht Prof. Dr. med. T.________, Diabeteszentrum Y.________, eine Stellungnahme ein. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Nach Art. 34 Abs. 1 KVG dürfen die Versicherer im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nur die in Art. 25 bis 33 KVG aufgeführten Leistungen übernehmen, was nach Art. 25 Abs. 2 lit. b KVG die ärztlich verordneten Arzneimittel umfasst. Nach Art. 52 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 KVG erlässt das Eidgenössische Departement des Innern u.a. eine Liste der in der Rezeptur verwendeten Präparate (Arzneimittelliste), während das Bundesamt für Sozialversicherung nach Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG eine Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel erstellt (Spezialitätenliste). 
 
2.- a) Ob der Beschwerdeführer aus der abgeschlossenen Zusatzversicherung einen Anspruch auf Kostenübernahme hat, ist hier nicht zu prüfen, weil diese Versicherung dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) unterliegt (Art. 12 Abs. 2 und 3 KVG) und Streitigkeiten daraus vom Zivilrichter zu entscheiden sind (BGE 124 III 232 Erw. 2b mit Hinweis). 
b) Es steht fest, dass das zur Debatte stehende Medikament erst seit dem 1. Juli 2000 in der Spezialitätenliste aufgeführt ist und die entsprechenden Kosten deshalb ab diesem Zeitpunkt im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von den Versicherern übernommen werden müssen. Damit geht es in vorliegender Sache nur um die bis Ende Juni 2000 angefallenen Kosten für das entsprechende Insulin, wobei sich die Leistungspflicht der Sanitas aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtssätze beurteilt. 
 
c) Die Spezialitäten- und Arzneimittelliste enthalten abschliessende Aufzählungen. Ist ein Präparat darin nicht enthalten, schliesst das die Leistungspflicht des Versicherers aus; Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit sind - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht weiter zu prüfen (Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 126 mit Hinweisen). 
 
d) An der abschliessenden Aufzählung in der Spezialitäten- und Arzneimittelliste ändert auch die vom Versicherten angerufene Austauschbefugnis nichts, da diese nach der Rechtsprechung nicht dazu führen darf, dass Pflichtleistungen durch Nichtpflichtleistungen ersetzt werden (zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil P. vom 16. Mai 2001, I 385/99). 
 
 
e) Der Versicherte beruft sich neu auf den Grundsatz von Treu und Glauben, da der Vertrauensarzt des Versicherers der Umstellung auf tierisches Insulin zugestimmt habe. 
 
aa) Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt den Bürger in seinem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten und bedeutet u.a., dass falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des Rechtsuchenden gebieten. Gemäss der aus Art. 4 Abs. 1 aBV abgeleiteten und unter Art. 9 und 5 Abs. 3 BV weiterhin geltenden Rechtsprechung (RKUV 2000 Nr. KV 126 S. 223 f. 
Erw. 2) ist eine falsche Auskunft bindend, 1.wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug 
auf bestimmte Personen gehandelt hat; 2.wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft 
zuständig war oder wenn die rechtsuchende Person die 
Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten 
durfte; 3.wenn die Person die Unrichtigkeit der Auskunft nicht 
ohne weiteres erkennen konnte; 4.wenn sie im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft 
Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil 
rückgängig gemacht werden können; 5.wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunfterteilung 
keine Änderung erfahren hat (BGE 121 V 66 Erw. 2a mit 
Hinweisen; RKUV 2000 Nr. KV 126 S. 223 Erw. 2). 
 
bb) Es steht fest und ist unbestritten, dass die Krankenkasse die Kosten für das tierische Insulin nicht formell übernommen hat. Der Versicherte macht geltend, dass der Vertrauensarzt der Sanitas um den geplanten Medikamentenwechsel wusste und diesen guthiess. 
Nach Art. 57 Abs. 4 KVG berät der Vertrauensarzt den Versicherer in medizinischen Fachfragen sowie in Fragen der Vergütung und der Tarifanwendung; weiter überprüft er die Voraussetzungen der Leistungspflicht des Versicherers. 
Seine Tätigkeit ist damit beratender und kontrollierender Natur (Eugster, a.a.O., Rz 62), jedoch ist er nicht mit der Kompetenz ausgestattet, verbindliche Kostengutsprachen abzugeben. 
Dieser Entscheid ist dem Versicherer vorbehalten, was sich auch aus der weisungsunabhängigen Stellung des Vertrauensarztes ergibt (vgl. 57 Abs. 5 KVG), da dieser andernfalls auch die finanziellen Interessen der Versicherer berücksichtigen müsste. Damit war der Vertrauensarzt für die Erteilung der entsprechenden Auskunft nicht zuständig, was dem Versicherten und seinem Arzt hätte bekannt sein müssen. Die Voraussetzungen für den Gutglaubensschutz des Beschwerdeführers sind daher nicht erfüllt. 
 
f) Der Versicherte wendet sodann ein, dass andere Krankenkassen die Kosten des entsprechenden Medikamentes übernommen hätten. 
 
aa) Nach der Rechtsprechung geht der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung in der Regel der Rücksicht auf die gleichmässige Rechtsanwendung vor. Der Umstand, dass das Gesetz in anderen Fällen nicht oder nicht richtig angewendet worden ist, gibt dem Bürger grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ebenfalls abweichend vom Gesetz behandelt zu werden. Das gilt jedoch nur, wenn lediglich in einem einzigen oder in einigen wenigen Fällen eine abweichende Behandlung dargetan ist. Wenn dagegen die Behörde die Aufgabe der in anderen Fällen geübten gesetzwidrigen Praxis ablehnt, kann der Bürger verlangen, dass die gesetzwidrige Begünstigung, die den Dritten zuteil wird, auch ihm gewährt werde, soweit dies nicht andere legitime Interessen verletzt. 
Die Anwendung der Gleichbehandlung im Unrecht setzt als Vorbedingung voraus, dass die zu beurteilenden Sachverhalte identisch oder zumindest ähnlich sind (BGE 126 V 392 Erw. 6a mit Hinweisen). 
 
bb) Es ist unbestritten, dass die Sanitas die Kosten für das tierische Insulin generell nicht übernommen hat und nicht nur beim Beschwerdeführer die Übernahme der Kosten verweigert. Damit liegt keine abweichende Behandlung des Beschwerdeführers gegenüber anderen Versicherten vor. Was die übrigen Krankenkassen in dieser Hinsicht getan haben, ist irrelevant, da sich die Sanitas deren rechtswidriges Verhalten nicht anrechnen lassen muss - andernfalls würde die vom Gesetzgeber vorgesehene dezentrale Organisation der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (vgl. Art. 11 KVG) illusorisch, und es käme zu einer de facto-Zentralisierung, wobei die einzelnen Versicherer mangels zentralem Ansprechpartner weder eine Mitsprache- noch eine Mitentscheidungsmöglichkeit hätten. Es kann deshalb auch offen bleiben, ob die anderen Versicherer diese Leistungen im Rahmen des Versicherungsobligatoriums oder aufgrund einer privaten Zusatzversicherung erbracht haben. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 8. August 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: