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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 1/2} 
1A.306/2005 /gij 
 
Urteil vom 30. Januar 2006 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann, 
Gerichtsschreiberin Schilling. 
 
Parteien 
Stadt Zürich, vertreten durch den Stadtrat von Zürich, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
unique zurich airport Flughafen Zürich AG, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Roland Gfeller, 
Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL), Maulbeerstrasse 9, 3003 Bern, 
Eidgenössische Rekurskommission für 
Infrastruktur und Umwelt, Instruktionsrichterin, Schwarztorstrasse 53, Postfach 336, 3000 Bern 14, 
 
weitere Beteiligte: 
Skyguide, route de Pré-Bois 15-17, Postfach 796, 1215 Genf 15. 
 
Gegenstand 
vorläufiges Betriebsreglement; 
Sistierung des Verfahrens B-2005-44, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung der Eidgenössischen Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt, Instruktionsrichterin, vom 11. November 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Infolge der von der Bundesrepublik Deutschland angeordneten Flugbeschränkungen im süddeutschen Luftraum ist das Betriebsreglement für den Flughafen Zürich vom 31. Mai 2001 verschiedene Male provisorisch geändert worden. Mit der Änderung vom 18. Oktober 2001 wurden anstelle der bisherigen Nordanflüge von 22 bis 6 Uhr regelmässige Landungen von Osten her eingeführt. Diese Ostanflüge auf die Piste 28 sind mit den Änderungen vom 15. Oktober 2002 und vom 16. April 2003 zeitlich ausgedehnt worden. Mit Verfügung vom 23. Juni 2003 genehmigte das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) die Einführung morgendlicher Südanflüge auf die Piste 34 auf Ende Oktober 2003. Den gegen die provisorischen Änderungen des Betriebsreglementes erhobenen Beschwerden ist jeweils die aufschiebende Wirkung entzogen worden. 
Die Flughafen Zürich AG legte am 31. Dezember 2003 ein überarbeitetes Betriebsreglement mit Umweltverträglichkeitsbericht vor. Dieses "vorläufige" Reglement ersetzt die verschiedenen Provisorien und soll gelten, bis nach Abschluss des Sachplan-Verfahrens (Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt, SIL) ein endgültiges Betriebsreglement für den Flughafen Zürich erlassen werden kann. Mit Verfügung vom 29. März 2005 genehmigte das BAZL das vorläufige Betriebsreglement unter Vornahme gewisser Änderungen. Dabei wurde auch ein neues Abflugverfahren ab Piste 16 über Opfikon/Wallisellen bewilligt (wide left turn) und einer Verlängerung der Nachtflugsperre (23 bis 6 Uhr) zugestimmt. Allfälligen Beschwerden gegen die Genehmigungsverfügung ist hinsichtlich der im Luftfahrthandbuch AIP publizierten An- und Abflugverfahren zum und vom Flughafen Zürich sowie hinsichtlich des neuen Abflugverfahrens ab Piste 16 die aufschiebende Wirkung entzogen worden. 
B. 
Gegen die Verfügung des BAZL vom 29. März 2005 erhoben zahlreiche Private, Gemeinwesen und Vereinigungen Verwaltungsbeschwerde bei der Eidgenössischen Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt (Rekurskommission INUM). Über die von den Beschwerdeführern gestellten Gesuche um vollständige oder teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung befand die Rekurskommission mit Entscheid vom 11. Juli 2005. Sie bestätigte den Entzug der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der im AIP publizierten An- und Abflugverfahren, stellte dagegen die Suspensivwirkung der gegen den "wide left turn" gerichteten Beschwerden wieder her. Dieser Entscheid ist unangefochten geblieben. 
Neben den Gesuchen um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragten der Verein "Flugschneise Süd - Nein (VFSN)" und die mitbeteiligten Beschwerdeführer (Beschwerdeführende 42), das Verwaltungsbeschwerdeverfahren betreffend das vorläufige Betriebsreglement vom 29. März 2005 (Verfahren B-2005-44) sei zu sistieren, bis die Rekurskommission INUM über das hängige Beschwerdeverfahren betreffend die Einführung der Südanflüge (Betriebsreglementsänderung vom 23. Juni 2003; Verfahren B-2003-48) entschieden habe. Die Instruktionsrichterin gab mit Verfügung vom 14. Juli 2005 allen Verfahrensbeteiligten Gelegenheit, zum Sistierungsbegehren Stellung zu nehmen. Neben anderen stellte hierauf die Stadt Zürich (Beschwerdeführende 55) den Antrag, dem Sistierungsgesuch der Beschwerdeführenden 42 stattzugeben. Sie wies darauf hin, dass im Falle der Unrechtmässigkeit der Südanflüge der heutige Betrieb des Flughafens ohnehin neu organisiert werden müsse und daher die Frage der Rechtmässigkeit der Südanflüge von präjudizieller Bedeutung für das Verfahren betreffend das vorläufige Betriebsreglement sei. Zudem sei das Beschwerdeverfahren betreffend die Südanflüge weiter fortgeschritten und würde die Einstellung dieses älteren Verfahrens, wie sie die Rekurskommission INUM offenbar in Betracht ziehe, zu einer unzumutbaren Verfahrensverzögerung führen. Eine Sistierung des Verfahrens B-2003-48 und dessen spätere Vereinigung mit dem Verfahren B-2005-44 wäre daher unzulässig. 
C. 
Mit Verfügung vom 11. November 2005 wies die Instruktionsrichterin der Rekurskommission INUM "die Anträge der Beschwerdeführenden 42 sowie der Beschwerdeführenden 24, 26, 55, 61 und 63 bis 66 auf Sistierung des vorliegenden Verfahrens" ab. 
Gegen diese Verfügung hat die Stadt Zürich Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie stellt die Anträge, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die Rekurskommission INUM sei anzuweisen, dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Sistierung des Verfahrens des Verfahrens B-2005-44 bis zur materiellen oder zumindest formellen Erledigung des ebenfalls hängigen Südanflug-Verfahrens stattzugeben. Eventuell sei festzustellen, dass die angefochtene Verfügung keine präjudizierende Wirkung für das Verfahren betreffend die Südanflüge habe. 
Das BAZL und die Rekurskommission INUM stellen Antrag auf Abweisung der Beschwerde. Die Flughafen Zürich AG ersucht um Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit auf diese einzutreten sei. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Angefochten ist eine Zwischenverfügung über ein Gesuch um Sistierung des Verfahrens. Zwischenverfügungen unterstehen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, wenn auch die nachmalige Endverfügung der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegt (Art. 101 lit. a OG e contrario) und wenn die Zwischenverfügung einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 und 45 Abs. 1 VwVG). Ob letzteres hier zutreffe, ist fraglich. Die Beschwerdeführerin sieht einen solchen Nachteil offenbar darin, dass bei einer Fortsetzung des Verfahrens B-2005-44 das früher eingeleitete Verfahren betreffend die Südanflüge (B-2003-48) verzögert oder gegenstandslos werden könnte, obschon die im früheren Verfahren Beschwerdeführenden Anspruch auf einen möglichst raschen (Grundsatz-)Entscheid hätten. Mit der angefochtenen Verfügung ist jedoch in keiner Weise über das Schicksal des Südanflug-Verfahrens entschieden worden. Wohl hat die Instruktionsrichterin in Betracht gezogen, es könnte sich erweisen, dass dieses frühere Verfahren als durch das neuere, den gesamten An- und Abflugverkehr erfassende Verfahren teilweise gegenstandslos geworden sei. Ob und inwieweit das frühere Beschwerdeverfahren abzuschreiben oder weiter zu führen und allenfalls mit dem neuen Verfahren zu vereinigen sei, wird jedoch von der Rekurskommission INUM erst noch zu beurteilen sein. 
Die Frage, ob die hier angefochtene Verfügung tatsächlich einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könnte, kann aber letztlich offen gelassen werden, da es der Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren ohnehin an der formellen Beschwer und damit an der Beschwerdelegitimation fehlt: Zwar hat die Stadt Zürich gegen die Genehmigung des vorläufigen Betriebsreglements bei der Rekurskommission INUM Beschwerde eingereicht, doch hat sie selbst nie in eigenem Namen um Sistierung dieses Verfahrens ersucht. Auch im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens, das auf das Sistierungsbegehren des Vereins "Flugschneise Süd - Nein" (Beschwerdeführende 42) durchgeführt worden ist, hat sie lediglich den Antrag gestellt, dem Sistierungsbegehren der Beschwerdeführenden 42 sei stattzugeben. Insofern erweist sich das Dispositiv der angefochtenen Verfügung, wonach auch der Antrag der Beschwerdeführenden 55 (Stadt Zürich) abgewiesen wird, als unrichtig. Das in diesem Punkte unrichtige bzw. unpräzise Dispositiv vermag aber das Bundesgericht nicht zu binden und der Stadt Zürich nicht zur formellen Beschwer zu verhelfen. Ebenso wenig kann der Stadt Zürich das im bundesgerichtlichen Verfahren formulierte Begehren, es sei "ihrem Antrag" auf Sistierung stattzugeben, die fehlende Beschwerdelegitimation verleihen, da ein solcher Antrag wie gesagt im vorinstanzlichen Verfahren nicht gestellt worden ist. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher nicht einzutreten. 
2. 
Da es der Stadt Zürich jederzeit offen steht, im hängigen Beschwerdeverfahren ein zusätzliches eigenes Sistierungsgesuch zu stellen, rechtfertigt es sich aus prozessökonomischen Gründen, kurz auf die Frage der Bundesrechtmässigkeit der angefochtenen Verfügung einzugehen: 
Im Zwischenentscheid wird dargelegt, das Sistierungsbegehren werde damit begründet, dass das seit einiger Zeit hängige Südanflug-Verfahren beförderlich fortgesetzt und - durch einen grundsätzlichen Entscheid über die Zulässigkeit der Südanflüge - zum Abschluss gebracht werden müsse. Ein schützenswertes Interesse an einem baldigen Entscheid könne aber nur bestehen, wenn das fragliche Verfahren trotz der inzwischen erfolgten Genehmigung des vorläufigen Betriebsreglementes überhaupt noch eigenständig vorangetrieben und abgeschlossen werden könne. Im Rahmen des vorläufigen Betriebsreglementes seien die verschiedenen, seit dem Jahre 2001 erfolgten provisorischen Änderungen des Betriebsreglementes zusammengefasst und der Betrieb insgesamt neu überprüft und geregelt worden. Zwar sei das zeitliche Benützungs-Schema für die verschiedenen Pisten noch nicht in allen Punkten genehmigt worden, doch habe das BAZL dem neuen An- und Abflugregime im Wesentlichen zugestimmt. Da die Gesamtsituation für die Flughafenanwohner - und zwar auch im Süden - mit der Genehmigung des vorläufigen Betriebsreglementes erneut verändert worden sei, sei im Sinne bisheriger bundesgerichtlicher Rechtsprechung von einer zumindest teilweisen Gegenstandslosigkeit des Südanflug-Verfahrens auszugehen. Inwieweit dieses Verfahren noch eigenständig fortzusetzen sei, hange auch von der Frage ab, ob der im jüngsten Betriebsreglementsverfahren erstellte Umweltverträglichkeitsbericht im Südanflug-Verfahren berücksichtigt werden könne oder nicht. Jedenfalls könne nicht gesagt werden, dass das Südanflug-Verfahren für das Beschwerdeverfahren betreffend das vorläufige Betriebsreglement von präjudizieller Bedeutung sei. Im Übrigen übersähen die Gesuchsteller, dass die Beschwerdeführenden im Verfahren B-2005-44, deren Anträge und Rügen nur indirekt oder überhaupt nicht mit den Südanflügen in Verbindung stünden, im Wesentlichen dasselbe Interesse an einer im Sinne von Art. 29 Abs. 1 BV innert angemessener Frist vorgenommenen Beurteilung hätten. Dies gelte im besonderem Masse für die seit dem Jahr 2001 von zusätzlichen Ostanflügen auf die Piste 28 betroffenen Beschwerdeführer. Das Interesse an der Weiterführung des umfassenden, alle Anliegen einbeziehenden Verfahrens betreffend das vorläufige Betriebsreglement sei somit höher einzustufen als das letztlich einzig auf die angeblich präjudizielle Bedeutung des Südanflug-Verfahrens abgestützte Interesse der Gesuchsteller. Selbst wenn im Südanflug-Verfahren noch materielle Entscheide zu fällen wären, müsste davon ausgegangen werden, dass diese im Verfahren B-2005-44 angesichts der neuen Ausgangslage und der notwendigen Gesamtbeurteilung teilweise oder insgesamt wieder überprüft werden müssten. Jedenfalls würde das vorläufige Betriebsreglement infolge solcher Entscheide nicht einfach teilweise gegenstandslos. Dem Sistierungsgesuch stünden somit auch prozessökonomische Überlegungen entgegen. Zusammenfassend sei demnach festzuhalten, dass die für eine Sistierung ins Feld geführten Argumente nicht überzeugten. 
Diese Erwägungen sind jedenfalls mit dem Bundesrecht nicht unvereinbar. Insbesondere ist nicht einzusehen, weshalb sich die Instruktionsrichterin mit der Frage des möglichen Gegenstandsloswerdens des einen oder anderen Verfahrens nicht hätte befassen dürfen, ist doch diese Frage von den Gesuchstellern selbst aufgeworfen worden. Ob und inwieweit letztlich ein hängiges Verfahren abzuschreiben sei, wird wie bereits erwähnt von der (ganzen) Rekurskommission INUM beurteilt werden müssen, welche an die Begründung des hier umstrittenen Zwischenentscheides der Instruktionsrichterin nicht gebunden ist. Von einer unzulässigen Präjudizierung eines Entscheides oder einer Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten kann daher nicht gesprochen werden. 
3. 
Auf die Erhebung einer Gerichtsgebühr ist angesichts von Art. 156 Abs. 2 OG zu verzichten. Die Stadt Zürich ist indes zu verpflichten, der Flughafen Zürich AG für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten (Art. 159 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Die Stadt Zürich hat der unique airport Flughafen Zürich AG eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- für das bundesgerichtliche Verfahren zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) und der Instruktionsrichterin der Eidgenössischen Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt sowie der weiteren Beteiligten schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 30. Januar 2006 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: