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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_223/2018  
 
 
Urteil vom 14. März 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Gerichtsschreiber Kocher. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, Eigerstrasse 65, 3003 Bern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Maître Philippe Mantel. 
 
Gegenstand 
Amtshilfe DBA (CH-NL), 
 
Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 21. Februar 2018 (A-5694/2017). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. A.________ (nachfolgend: die betroffene Person) ist in U.________ (NL) ansässig. Am 13. Mai 2016 ersuchte die niederländische Steuerverwaltung (Belastingdienst; BD/NL) die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV), gestützt auf Art. 26 des Abkommens vom 26. Februar 2010 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA CH-NL; SR 0.672.963.61), um Gewährung von internationaler Amtshilfe in Steuersachen hinsichtlich der betroffenen Person. Mit Schlussverfügung vom 5. September 2017 hiess die ESTV das Gesuch gut, worauf die betroffene Person Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhob. Sie beantragte, die Schlussverfügung sei aufzuheben, eventuell seien alle Dokumente betreffend Drittparteien aus den zu übermittelnden Unterlagen zu weisen.  
 
1.2. Das Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, lud die ESTV zur Vernehmlassung ein und forderte diese auf, falls sie Geheimhaltungsinteressen geltend zu machen wünsche, zwei USB-Sticks einzureichen (ein Exemplar mit den gesamten digitalisierten Verfahrensakten, ein zweites Exemplar durch die ESTV "triagiert" und nur die in ihren Augen geheimhaltungsrechtlich "unproblematischen" digitalisierten Dokumente enthaltend). Die ESTV übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht in der Folge zwei derart aufbereitete Datenträger. Sie beantragte, die Beschwerde sei abzuweisen und der betroffenen Person sei einzig der triagierte USB-Stick ("631-2016-NL-067 qxo B.________") zugänglich zu machen. Die weiteren, nur auf dem ersten Datenträger ("631-2016-NL-067 qxo BVGER") gespeicherten Dokumente seien ihm weder zugänglich zu machen noch auch nur dem Titel nach bekanntzugeben. Am 15. Januar 2018 ersuchte die betroffene Person die ESTV um Einsicht in die gesamten Akten. Die ESTV beantragte am 26. Januar 2018, das Akteneinsichtsgesuch sei abzuweisen.  
 
1.3. Mit Zwischenverfügung vom 21. Februar 2018 hiess das Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, im Verfahren A-5694/2017 das Gesuch der betroffenen Person gut. Der von der ESTV am 4. Dezember 2017 eingereichte erste Datenträger (USB-Stick "631.2016-NL-067 qxo BVGER") werde der betroffenen Person nach Eintritt der Rechtskraft der Zwischenverfügung zugänglich gemacht und sei innerhalb von zehn Tagen nach Zustellung zurückzusenden. Die betroffene Person erhalte Gelegenheit, ebenfalls innerhalb von zehn Tagen eine etwaige Stellungnahme zu unterbreiten. Das Bundesverwaltungsgericht teilte die digitalisierten Akten in 13 Kategorien ein (lit. a-m) und würdigte das Geheimhaltungsinteresse der ESTV bzw. der informationstragenden Drittpersonen (insbesondere C.________ GmbH, V.________/ZG, weitere dieser scheinbar nahestehende Gesellschaften und D.________ AG). Es erkannte hauptsächlich, was die ESTV in das Verfahren einbringe, gehöre "zur Sache". Die Abwägung zwischen dem Gehörsinteresse der betroffenen Person und dem Geheimhaltungsinteresse der informationstragenden Personen und der ESTV bzw. des BD/NL falle zugunsten der betroffenen Person aus. Teils seien die Informationen ohnehin schon bekannt, teils die Bekanntgabe - wenn überhaupt - nur marginal geheimnisverletzend.  
 
1.4. Mit Eingaben vom 5. März bzw. 8. März 2018 (Nachreichung) erhebt die ESTV beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, die angefochtene Zwischenverfügung sei aufzuheben. Die vorinstanzliche Interessenabwägung verletze Bundesrecht. Der betroffenen Person lägen alle für sie wesentlichen Informationen vor. Soweit es um Geschäftsgeheimnisse der informationstragenden Drittpersonen gehe, werde ihr zumindest angedeutet, worum es gehe. Das Verhältnis zwischen der betroffenen Person und der C.________ GmbH sei nicht restlos klar, möglicherweise ständen sie in wirtschaftlicher Konkurrenz, was bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen gewesen wäre. Die Vorinstanz habe die Anforderungen an ein Geschäftsgeheimnis zu hoch angesetzt, weshalb es zu einer ungerechtfertigten Akteneinsicht kommen könne. Die "gelockerte Praxis" könnte dem Steuerstandort Schweiz schaden.  
 
2.  
 
2.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sind unter Voraussetzung des Nachfolgenden gegeben (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a, Art. 89 Abs. 2 lit. a und Art. 100 Abs. 2 lit. b BGG).  
 
2.2.  
 
2.2.1. Das Bundesgericht soll sich der Konzeption nach nur einmal mit derselben Angelegenheit befassen müssen und diese hierbei abschliessend beurteilen können (BGE 142 II 363 E. 1.3 S. 366). Die Beschwerde ist daher grundsätzlich nur zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren ganz oder teilweise abschliessen (End- oder Teilentscheide gemäss Art. 90 und 91 BGG). Gegen Vor- und Zwischenentscheide, die weder zu Ausstandsbegehren noch zur Zuständigkeit ergehen (Art. 92 BGG), ist die Beschwerde lediglich unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG gegeben (BGE 143 IV 462 E. 1 S. 465). Sie ist namentlich zulässig, wenn solche Entscheide einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a; BGE 142 V 26 E. 1.1 S. 28). Dies setzt eine Beeinträchtigung voraus, die rechtlicher Natur ist und zudem auch mit einem für die beschwerdeführende Partei günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behoben werden könnte (BGE 140 V 321 E. 3.6 S. 326 f.). Diese Anforderungen herrschen auch im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ("Einheit des Verfahrens"; BGE 143 II 425 E. 1.3 S. 428 vor E. 1.3.1; Urteil 2C_792/2016 vom 23. August 2017 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 143 II 506).  
 
2.2.2. Streitig und zu prüfen ist vorliegend, ob es der betroffenen Per-son zu ermöglichen sei, in sämtliche auf dem USB-Stick "631.2016-NL-067 qxo BVGER" gespeicherten Daten Einblick zu nehmen. Durch die Akteneinsicht gewinnt die betroffene Person Kenntnisse, die auch durch einen gegenläufigen späteren Entscheid nicht mehr behoben werden könnten. Die ESTV bringt ein Geheimhaltungsinteresse (sowohl ein eigenes als auch ein solches des BD/NL sowie der informationstragenden Drittpersonen) vor. Praxisgemäss begründet die mögliche Verletzung eines rechtlich geschützten Interesses einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (Urteile 1B_394/2017 vom 17. Januar 2018 E. 1; 4A_541/2016 vom 6. November 2017 E. 1.2; 4A_440/2007 E. 1.1.1, nicht publ. in: BGE 134 III 255; NICOLAS VON WERDT, in: Hansjörg Seiler/Nicolas von Werdt/ Andreas Güngerich/Niklaus Oberholzer, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2015 N. 34 zu Art. 93 BGG). Die Beschwerde gegen die angefochtene Zwischenverfügung ist bis dahin zulässig.  
 
2.3.  
 
2.3.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe, mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen (Art. 83 lit. h BGG). Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde aber nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt (Art. 84a BGG; BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410). Die beschwerdeführende Person hat in ihrer Eingabe aufzuzeigen, dass und weshalb diese besondere Sachurteilsvoraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 Satz 2 BGG), es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (auch dazu BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410).  
 
2.3.2. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn deren Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich, wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Damit Fälle als gleichartig angesehen werden können, genügt es nicht, dass sich dieselbe Rechtsfrage in weiteren Verfahren stellen wird. Die zu beurteilende Streitsache muss überdies geeignet sein, die Frage auch mit Bezug auf die anderen Fälle zu klären. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn entscheidrelevante Eigenheiten bestehen, die bei den anderen Fällen in der Regel nicht gegeben sind (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410; 139 II 340 E. 4 S. 342 mit Hinweisen). Vor allem aber muss es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen handeln (vgl. BGE 143 II 120 E. 2.2.2 S. 123; 143 II 425 E. 1.3 S. 427; 137 II 313 E. 1.1.1 S. 316).  
 
2.3.3. Das Akteneinsichtsrecht als Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV [SR 101]; BGE 137 IV 33 E. 9.2 S. 49) wird für das Administrativverfahren vor eidgenössischen Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden durch Art. 26 ff. des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) konkretisiert. Gemäss Art. 26 Abs. 1 lit. b VwVG hat eine Partei Anspruch darauf, in ihrer Sache alle Aktenstücke einzusehen, die als Beweismittel dienen. Zu verlangen ist, dass die Akten massgeblich sind (BGE 137 IV 33 E. 9.2 S. 49; 132 II 485 E. 3.2 S. 494). Für Akten, die der Geheimhaltung unterliegen, kann die Einsicht aber teilweise oder ganz verweigert werden (BGE 141 I 201 E. 4.3 S. 206). Als hinreichende Verweigerungsgründe gelten namentlich wesentliche öffentliche oder wesentliche private Interessen (Art. 29 Abs. 1 lit. a und b VwVG).  
 
2.3.4. Die Vorinstanz hat das private Gehörsinteresse der betroffenen Person mit dem Geheimhaltungsinteresse (von ESTV, BD/NL, informationstragenden Drittpersonen) abgewogen und ist zum Ergebnis gelangt, unter den konkreten Umständen rechtfertige sich ein Eingriff in den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht. Die ESTV macht geltend, die streitige Frage qualifizierte als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Es sei zu klären, ob die Vorinstanz "hinsichtlich der Gewährung von Akteneinsicht in Bezug auf Jahresabschlüsse, Kontoauszüge und Steuererklärungen der Informationsinhaberin richtig entschieden hat". Es stehe zu befürchten, so die ESTV, dass eine "solche vollständige und vorbehaltlose Akteneinsicht nicht verhältnismässig ist und zu stossenden Ergebnissen führen kann". Diese Frage stelle sich in allen künftigen Ersuchen in gleicher Weise.  
 
2.3.5. Die Vorinstanz hat Art. 26 und 27 VwVG angewandt. Die Fragestellung kann sich grundsätzlich in jedem Verwaltungsverfahren, vor allem auch in jedem abgaberechtlichen Verfahren, stellen, bei welchem Dokumente in den Akten sind, welche eine Drittperson betreffen. Welches der entgegenstehenden Interessen im konkreten Einzelfall zu überwiegen hat, ist durch die Verwaltungs- oder die Verwaltungsgerichtsbehörde zu beurteilen. Die einzige Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, dass ein internationaler Kontext vorliegt. Dennoch lässt sich nicht sagen, dass sich eine Rechtsfrage (von möglicherweise grundsätzlicher Bedeutung) im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuersachen stelle. Vom Bestand einer solchen wäre allenfalls auszugehen, wenn nicht die ersuchte (hier: ESTV), sondern die ersuchende Behörde (hier: BD/NL) Geheimhaltungsgründe hinsichtlich gewisser Aktenstücke vorbringt. Sind die Einwände der ersuchenden Behörde glaubhaft, kann die ESTV einer beschwerdeberechtigten Person die Einsicht in die entsprechenden Aktenstücke nach Art. 27 VwVG verweigern (Art. 15 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 28. September 2012 über die internationale Amtshilfe in Steuersachen [StAhiG; SR 651.1]; Urteil 2C_112/2015 vom 27. August 2015 E. 2.2, in: ASA 84 S. 336 und 413). An einer solchen Qualifikation fehlt es hier aber: Es mag zutreffen, dass die streitbetroffene Frage inskünftig in anderem Zusammenhang wieder aufkommen wird, es handelt sich aber letztlich um eine rein nationale Angelegenheit, die höchstens reflexweise auf den Vertragsstaat ausstrahlt. So oder anders ist die Grundbedingung, dass es sich um eine Rechtsfrage aus dem Bereich von Art. 84a BGG (konkret: aus dem materiellen [DBA CH-NL] oder formellen Recht [StAhiG]) handeln muss, nicht erfüllt. Es geht vielmehr um eine Interessenabwägung im Einzelfall ohne spezifische Bedeutung für die Amtshilfe.  
 
2.4. Auf die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 107 Abs. 3 und Art. 109 Abs. 1 BGG nicht einzutreten.  
 
3.  
Der ESTV sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die betroffene Person hatte keine Vernehmlassung einzureichen, weshalb ihr keine Parteientschädigung zusteht (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Es werden keine Kostenerhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. März 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher