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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_411/2009 
 
Urteil vom 18. August 2009 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys, 
Gerichtsschreiber Stohner. 
 
Parteien 
X.________, vertreten durch Advokat Dr. Christian von Wartburg, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, 4001 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Versuchte Erpressung; Verletzung des Grundsatzes 
in dubio pro reo, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 13. März 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Urteil vom 31. August 2007 sprach der Strafgerichtspräsident Basel-Stadt X.________ der versuchten Erpressung schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à Fr. 150.--, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit von zwei Jahren. 
 
Auf Appellation des Verurteilten hin bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Urteil vom 13. März 2009 den erstinstanzlichen Entscheid. 
 
B. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 13. März 2009 sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der versuchten Erpressung freizusprechen. 
 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Vorinstanz geht von folgendem Sachverhalt aus: 
 
Am 16. Mai 2006 kam es bei der Abnahme einer Wohnung in Basel zwischen dem Beschwerdeführer als Mieter und A.________ als Vermieter zu Meinungsverschiedenheiten betreffend die Bezahlung des Mietzinses in der Höhe von Fr. 840.-- für die erste Hälfte des Monats Mai. Der Beschwerdeführer drohte A.________, er werde gegen ihn Strafanzeige wegen Schwarzarbeit bezüglich einer angeblich von diesem illegal beschäftigten Raumpflegerin erstatten bzw. dafür sorgen, dass er verurteilt und ins Strafregister eingetragen werde, wenn er nicht auf die Bezahlung der Fr. 840.-- verzichte. Weiter erklärte der Beschwerdeführer A.________, es werde sich dann herausstellen, welche Auswirkungen dieser Umstand auf dessen Arbeitsvermittlungsfirma und deren Kunden haben werde. Trotz dieser Äusserungen überwies der Beschwerdeführer schliesslich am 22. Mai 2006 den geforderten Mietzinsbetrag von Fr. 840.-- auf das Konto des Vermieters (angefochtenes Urteil S. 2). 
 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung und als Folge daraus eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung. Im Ergebnis verletze das angefochtene Urteil den aus der Unschuldsvermutung abgeleiteten Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel (Beschwerde S. 7). 
 
Der Beschwerdeführer führt aus, die Aussagen von A.________ seien widersprüchlich, und die Vorinstanz habe es unterlassen, insoweit eine vollständige Glaubhaftigkeitsprüfung anhand konkreter Glaubhaftigkeitsmerkmale vorzunehmen und mögliche Motive für eine Falschanschuldigung zu prüfen. A.________ habe ihm gegenüber noch offene Schadenersatz- und Mietzinsforderungen und folglich ein Interesse daran gehabt, den Druck auf ihn zu erhöhen. Zudem habe er ihn aufgrund des konfliktbeladenen Mietverhältnisses und der verbalen Auseinandersetzung anlässlich der Wohnungsabnahme geradezu gehasst. A.________ sei es deshalb offensichtlich darum gegangen, ihm mit der Veranlassung eines Strafverfahrens wegen Erpressung zu schaden und Rache zu nehmen. Zusammenfassend sei daher das Glaubhaftigkeitsmerkmal der Objektivität nicht gegeben, weshalb auf die Aussagen von A.________ nicht hätte abgestellt werden dürfen (Beschwerde S. 8 ff.). 
 
Der Beschwerdeführer hält weiter fest, es fehle ein Motiv, weshalb er wegen einer halben Monatsmiete hätte versuchen sollen, seinen Vermieter zu erpressen. Wäre dies sein Plan gewesen, so hätte er zudem sicherlich seine Anwältin nicht an die Wohnungsabnahme mitgenommen (Beschwerde S. 15 f.). 
 
2.2 Die Vorinstanz hat den Schuldspruch auf die Aussagen des Vermieters A.________ abgestützt und erwogen, dieser habe einen sachlichen, ruhigen und überzeugenden Eindruck hinterlassen. Seine Schilderungen des Vorfalls seien detailliert und frei von Widersprüchen. Der Beschwerdeführer seinerseits habe ausdrücklich eingeräumt, dass anlässlich der Wohnungsabnahme vom 16. Mai 2006 über die Reinigungskraft gesprochen worden sei, jedoch betont, das Thema sei vom Vermieter angeschnitten worden. Es sei nun aber unerfindlich - so führt die Vorinstanz weiter aus -, welchen Anlass der Vermieter gehabt hätte, von sich aus auf die vor längerer Zeit von ihm beschäftigte Raumpflegerin zu sprechen zu kommen (angefochtenes Urteil S. 4 ff.). 
 
2.3 Art. 9 BV gewährleistet den Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Auf dem Gebiet der Beweiswürdigung ist die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür beschränkt. Willkür in der Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (BGE 134 I 140 E. 5.4). Dass das angefochtene Urteil mit der Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt praxisgemäss für die Begründung von Willkür nicht (BGE 131 IV 100 nicht publ. E. 4.1; 127 I 54 E. 2b). 
 
Gemäss der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verankerten Maxime "in dubio pro reo" ist bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld zu vermuten, dass die einer strafbaren Handlung angeklagte Person unschuldig ist (BGE 129 I 49 E. 4; 127 I 38 E. 2 mit Hinweisen). Als Beweiswürdigungsregel besagt die Maxime, dass sich das Strafgericht nicht von der Existenz eines für die beschuldigte Person ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Inwiefern dieser Grundsatz verletzt sein soll, prüft das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür, das heisst, es greift nur ein, wenn das Sachgericht die beschuldigte Person verurteilte, obgleich bei objektiver Würdigung des Beweisergebnisses offensichtlich erhebliche bzw. schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an deren Schuld fortbestehen (BGE 127 I 38 E. 2a; 120 Ia 31 E. 2; Urteil des Bundesgerichts 6B_923/2008 vom 2. Februar 2009 E. 2). 
 
Wird eine willkürliche Beweiswürdigung gerügt, reicht es nicht aus, wenn der Beschwerdeführer zum Beweisergebnis frei plädiert und darlegt, wie seiner Auffassung nach die vorhandenen Beweise richtigerweise zu würdigen gewesen wären, wie er dies in einem appellatorischen Verfahren mit freier Rechts- und Tatsachenüberprüfung tun könnte. Er muss gemäss ständiger Rechtsprechung vielmehr aufzeigen, inwiefern die angefochtene Beweiswürdigung die Verfassung dadurch verletzen sollte, dass sie im Ergebnis offensichtlich unhaltbar wäre (vgl. BGE 129 I 49 E. 4; 128 I 81 E. 2; 127 I 38 E. 3c). 
 
2.4 Was der Beschwerdeführer gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz vorbringt, ist nicht geeignet, Willkür respektive eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" darzutun. 
 
Soweit sich seine Ausführungen nicht ohnehin in einer appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil erschöpfen oder sich nicht auf den konkreten Vorfall der Wohnungsabnahme beziehen und damit an der Sache vorbeizielen (vgl. insb. Beschwerde S. 13-15), sind sie nicht stichhaltig. Die Vorinstanz hat die Aussagen der beiden Beteiligten eingehend auf ihre Glaubhaftigkeit hin geprüft. Sie konnte vorliegend, ohne in Willkür zu verfallen, folgern, die Schilderungen von A.________ seien widerspruchsfrei und wirkten im Gegensatz zu jenen des Beschwerdeführers stimmig. Der Beschwerdeführer vermag nicht substanziiert aufzuzeigen, weshalb der von der Vorinstanz in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Urteil gezogene Schluss, es bestünden trotz des konfliktbeladenen Mietverhältnisses keine Anhaltspunkte für eine falsche Anschuldigung, unhaltbar sein sollte. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde ist es ferner keineswegs willkürlich anzunehmen, das Interesse des Beschwerdeführers, einen halben Monatsmietzins nicht bezahlen zu müssen, stelle ein Motiv für die (versuchte) Erpressung dar. Weshalb der Beschwerdeführer diesfalls auf den Beizug seiner Anwältin - welche sich im kantonalen Verfahren mit Erfolg auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen und jegliche Aussagen verweigert hat - verzichtet hätte, ist nicht einsichtig. Im Übrigen lastet die Vorinstanz dem Beschwerdeführer nicht an, die Erpressung vorgängig geplant zu haben. 
 
Die Konstellation, dass belastende Aussagen des mutmasslichen Opfers und bestreitende Aussagen der beschuldigten Person sich gegenüberstehen, hat nicht zwingend gestützt auf den Grundsatz in dubio pro reo zu einem Freispruch der beschuldigten Person zu führen. Vielmehr konnte die Vorinstanz vorliegend ohne Verletzung von Bundesrecht folgern, es bestünden bei objektiver Würdigung des Beweisergebnisses keine offensichtlich erheblichen bzw. schlechterdings nicht zu unterdrückenden Zweifel daran, dass sich der Sachverhalt, so wie von A.________ geschildert, ereignet hat. 
 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer rügt eine unrichtige Anwendung von Art. 156 StGB. Da A.________ stets behauptet habe, die Raumpflegerin vorschriftsgemäss beschäftigt zu haben, habe er durch ein allfälliges Strafverfahren nichts zu befürchten gehabt, weshalb das Inaussichtstellen einer Strafanzeige auch nicht geeignet gewesen sei, dessen Willensfreiheit zu beeinträchtigen. Es fehle mithin am Tatbestandsmerkmal der Androhung ernstlicher Nachteile (Beschwerde S. 16 f.). 
 
3.2 Gemäss Art. 156 Ziff. 1 StGB wird wegen Erpressung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selber oder einen andern am Vermögen schädigt. 
 
Der Tatbestand sieht alternativ zwei Nötigungsmittel vor, nämlich Gewalt oder die Androhung ernstlicher Nachteile. Die Formulierung stimmt insoweit wörtlich mit jener des Tatbestands der Nötigung gemäss Art. 181 StGB überein. Bei der Androhung ernstlicher Nachteile im Sinne von Art. 156 StGB und Art. 181 StGB stellt der Täter dem Opfer die Zufügung eines Übels in Aussicht, dessen Eintritt er als von seinem Willen abhängig erscheinen lässt. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Täter die Drohung wirklich wahr machen will, sofern sie nur als ernst gemeint erscheinen soll. Ernstlich sind die Nachteile, wenn ihre Androhung nach einem objektiven Massstab geeignet ist, auch eine besonnene Person in der Lage des Betroffenen gefügig zu machen und so seine freie Willensbildung und -betätigung zu beschränken. Das Gewähren eines Vermögensvorteils, wozu das Opfer im Erfolgsfall bestimmt wird, kann dabei nicht nur in einem Handeln, sondern auch in einem Dulden oder Unterlassen bestehen, etwa wenn die erpresste Person aufgrund der Nötigung dazu veranlasst wird, Ansprüche nicht einzufordern. 
 
Anders als beim Tatbestand der Nötigung nach Art. 181 StGB ergibt sich bei Art. 156 StGB die Rechtswidrigkeit bereits aus dem Zweck der Nötigung, da die erpresserische Handlung darauf gerichtet ist, das Opfer zu einer schädigenden Vermögensdisposition zu motivieren bzw. dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu erlangen. Erweist sich bereits die angestrebte Vermögensverschiebung als unrechtmässig, erübrigt es sich, die nötigende Handlung weiter auf ihre Rechtswidrigkeit zu prüfen. Daraus folgt zugleich, dass eine Erpressung auch bei Drohung mit rechtmässigen Mitteln vorliegen kann. Das trifft etwa zu, wenn der Täter zur Durchsetzung einer Forderung ein an sich erlaubtes, freigestelltes Verhalten androht - wie z. B. Strafanzeige zu erstatten -, der erhobene Anspruch aber überhaupt nicht besteht, rechtlich nicht durchsetzbar oder übersetzt ist (vgl. zum Ganzen die Urteile des Bundesgerichts 6B_402/2008 vom 6. November 2008 E. 2.4.2.3; 6P.5/2006 vom 12. Juni 2006 E. 4.3; 6S.77/2003 vom 6. Januar 2004 E. 3.1, in: JdT 2004 I 515, SJ 2004 I S. 355, recht 2004 S. 119; Philippe Weissenberger, Basler Kommentar StGB II, 2. Aufl. 2007, Art. 156 N. 10 ff.). 
 
3.3 Die Drohung mit einer Strafanzeige stellt grundsätzlich eine Androhung ernstlicher Nachteile dar. Ein Strafverfahren bedeutet für die beschuldigte Person regelmässig eine erhebliche Belastung, selbst wenn das Verfahren schliesslich mit einer Einstellung oder einem Freispruch seinen Abschluss findet. Die beschuldigte Person wird daher geneigt sein, dem Druck, der von der Strafanzeige ausgeht, nachzugeben (Urteil des Bundesgerichts 6S.77/2003 vom 6. Januar 2004 E. 2). Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ist vorliegend das Tatbestandsmerkmal der Androhung ernstlicher Nachteile erfüllt, zumal A.________ beruflich in der Personalvermittlungsbranche tätig ist, und die Ausübung dieses Gewerbes einer kantonalen Bewilligung bedarf, welche nur bei gutem Leumund des Antragsstellers erteilt wird und bei Wegfall der Bewilligungsvoraussetzungen entzogen werden kann (vgl. Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2 lit. c und Art. 5 des Arbeitsvermittlungsgesetzes [AVG]; SR 823.11). Das Inaussichtstellen einer Strafanzeige wegen Schwarzarbeit war daher zweifellos geeignet, A.________ zum Verzicht auf seinen Mietzinsanspruch von Fr. 840.-- zu bewegen. 
 
4. 
Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 18. August 2009 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Favre Stohner