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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_288/2023  
 
 
Urteil vom 13. Juni 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Müller, Kölz, 
Gerichtsschreiberin Dambeck. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Advokat Ozan Polatli, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Verlängerung der Sicherheitshaft bis 
zum 15. Juni 2023, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 25. April 2023 des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht (HB.2023.11, HB.2023.13, HB.2023.17). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führte eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen des Verdachts auf versuchte vorsätzliche Tötung. Am 26. Juni 2022 wurde er festgenommen und mit Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Basel-Stadt vom 29. Juni 2022 in Untersuchungshaft versetzt, die in der Folge mehrmals verlängert wurde. 
Am 14. Dezember 2022 überwies die Staatsanwaltschaft das Verfahren an das Strafgericht und stellte Antrag auf Anordnung einer stationären Massnahme. Gleichzeitig beantragte sie beim Zwangsmassnahmengericht die Anordnung von Sicherheitshaft. Mit Verfügung vom 22. Dezember 2022 ordnete dieses gegenüber A.________ Sicherheitshaft bis zum 8. März 2023 an, die letztinstanzlich mit Urteil des Bundesgerichts 1B_110/2023 vom 6. März 2023 bestätigt wurde. Die vom Zwangsmassnahmengericht mit Verfügung vom 2. März 2023 angeordnete Verlängerung der Sicherheitshaft bis zum 23. März 2023 focht A.________ beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt an. 
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt stellte mit Urteil vom 23. März 2023 fest, dass A.________ schuldlos eine versuchte vorsätzliche Tötung begangen habe, und ordnete eine stationäre psychiatrische Behandlung gemäss Art. 59 StGB an. Mit Beschluss vom gleichen Tag verlängerte es die Sicherheitshaft für die vorläufige Dauer von zwölf Wochen bis zum 15. Juni 2023. Dagegen haben sowohl A.________ als auch sein Rechtsvertreter Beschwerde an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt erhoben. 
Die Verfahren wurden vereinigt und das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, hat mit Entscheid vom 25. April 2023 die gegen die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 2. März 2023 und gegen den Beschluss des Strafgerichts vom 23. März 2023 erhobenen Beschwerden abgewiesen. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 30. Mai 2023 gelangt A.________ an das Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des Entscheids des Appellationsgerichts sowie die unverzügliche Entlassung aus der Sicherheitshaft. Eventualiter sei der appellationsgerichtliche Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht verlangt der Beschwerdeführer die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
Die Vorinstanz verzichtet auf eine Vernehmlassung und beantragt gestützt auf den angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft beantragt unter Verweisung auf den angefochtenen Entscheid ebenfalls, die Beschwerde sei abzuweisen. Der Beschwerdeführer wurde darüber in Kenntnis gesetzt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid betreffend die Verlängerung von Sicherheitshaft. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht gemäss Art. 78 ff. BGG offen. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und befindet sich nach wie vor in Haft. Er hat folglich ein aktuelles rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids und ist somit gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.  
Sicherheitshaft ist gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie durch schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat (Wiederholungsgefahr; lit. c). Haft ist auch zulässig, wenn ernsthaft zu befürchten ist, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen (Ausführungsgefahr; Art. 221 Abs. 2 StPO). Überdies muss die Haft verhältnismässig sein (vgl. Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 3 BV, Art. 197 Abs. 1 lit. c und d sowie Art. 212 Abs. 2 lit. c StPO). Das zuständige Gericht ordnet an Stelle der Sicherheitshaft eine oder mehrere mildere Massnahmen an, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen (Art. 237 Abs. 1 StPO). 
Die Vorinstanz bejahte das Vorliegen des dringenden Tatverdachts sowie der Haftgründe der Ausführungs- und der Wiederholungsgefahr und erachtete die angeordnete Haftverlängerung zudem als verhältnismässig. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer hält zum dringenden Tatverdacht fest, dass dieser nach einer erstinstanzlichen Verurteilung praxisgemäss angenommen werde, von ihm aber bestritten und im Berufungsverfahren Gegenstand des Verfahrens sein werde. 
Weshalb der dringende Tatverdacht aus Sicht des Beschwerdeführers nicht gegeben sein soll, geht daraus nicht hervor. Auch findet keine Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz statt. Auf diese Rüge ist daher mangels Begründung (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG) nicht einzugehen. 
 
4.  
 
4.1. Betreffend die von der Vorinstanz bejahte Wiederholungsgefahr bringt der Beschwerdeführer vor, die Staatsanwaltschaft habe ihn mit einer Täuschung in der Rechtsbelehrung ("Körperverletzung" statt "versuchte schwere Körperverletzung") dazu verleitet, Aussagen zu machen, die er mit einer korrekten Rechtsbelehrung nicht gemacht hätte. Seine erste Einvernahme sei somit nicht verwertbar und daher aus den Akten zu entfernen. Aus den gemachten Aussagen sei abgeleitet worden, dass er an einer psychischen Störung leiden könnte, weshalb ein Gutachten eingeholt worden sei. Das eingeholte Gutachten sei als Folge der Unverwertbarkeit der ersten Einvernahme ebenfalls nicht verwertbar. Auf das ohnehin nicht qualitative Gutachten könne dementsprechend nicht abgestellt werden. Die von der Vorinstanz angenommene Wiederholungsgefahr sei somit nicht belegt.  
 
4.2. Damit zielt der Beschwerdeführer ins Leere. Im Urteil 1B_432/2022 vom 8. September 2022 betreffend Haftanordnung gegenüber dem Beschwerdeführer hielt das Bundesgericht in Erwägung 3.2.4 fest, dass das Appellationsgericht damals aufgrund diverser Indizien gefolgert habe, er könnte psychisch krank sein: "So lasse der von Zeugen geschilderte unvermittelte und massive Angriff mit Hammerschlägen auf den Kopf einer diesem unbekannten Person in aller Öffentlichkeit darauf schliessen, dass der Beschwerdeführer unberechenbar und psychisch auffällig sei. Auch sein Verhalten während der Einvernahmen, als er behauptet habe, seine Aussagen seien falsch protokolliert worden, und das gezeigte Misstrauen gegenüber den Ermittlungsbeamten und seinem eigenen Verteidiger deuteten auf psychische Probleme hin. Die Vorinstanz [das Appellationsgericht] erachtete es sodann als zwingend notwendig, möglichst bald ein psychiatrisches Gutachten über den Beschwerdeführer in Auftrag zu geben, um seine Gefährlichkeit und das Risiko weiterer schwerer Gewaltdelikte fundiert feststellen zu können."  
Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung trifft es demnach nicht zu, dass (allein) aus den im Rahmen der ersten Einvernahme gemachten Aussagen des Beschwerdeführers abgeleitet worden wäre, er könnte an einer psychischen Störung leiden. Der Beschwerdeführer zeigt denn auch nicht auf, weshalb (vor allem) aufgrund dieser Aussagen ein psychiatrisches Gutachten eingeholt worden sein soll. Dass die erste Einvernahme des Beschwerdeführers für das vorliegende Verfahren anderweitig entscheidrelevant wäre, macht er nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. Es erübrigt sich daher, in diesem Verfahren auf die gegen die Verwertbarkeit der ersten Einvernahme geltend gemachten Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen. Andere Gründe, weshalb das wissenschaftliche forensisch-psychiatrische Gutachten nicht verwertbar sein sollte, bringt er ebenfalls nicht vor. Soweit er das Gutachten schliesslich ohne Begründung als "ohnehin nicht qualitativ" bezeichnet, kann auf Erwägung 4.3 des angefochtenen Entscheids sowie auf das bundesgerichtliche Urteil 1B_110/2023 vom 6. März 2023 E. 4 verwiesen werden. 
 
5.  
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da sich die Beschwerde als aussichtslos erweist (Art. 64 BGG). Auf eine Kostenauflage ist ausnahmsweise zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Juni 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dambeck