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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5D_60/2007 /bnm 
 
Urteil vom 9. August 2007 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Schett. 
 
Parteien 
X.________ (Ehefrau), 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Benedikt Landolt, 
 
gegen 
 
Y.________ (Ehemann), 
Beschwerdegegner, 
Kantonsgericht St. Gallen, Präsident der 
II. Zivilkammer, Klosterhof 1, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
vorsorgliche Massnahmen im Ehescheidungsverfahren, 
 
Subsidiäre Verfassungsbeschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Präsident der II. Zivilkammer, vom 8. Mai 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Im Rahmen des Eheschutzverfahrens genehmigte der Gerichtspräsident des Kreisgerichts Rheintal (3. Abteilung) mit Verfügung vom 25. April 2005 eine Teilvereinbarung der Ehegatten X.________ (Ehefrau) und Y.________ (Ehemann), in welcher sich Y.________ ab 1. Mai 2005 verpflichtet hatte, monatlich für die beiden Söhne je Fr. 1'000.-- (zuzüglich Kinderzulagen), für die Ehefrau Fr. 900.-- sowie 2/3 der Fr. 400.-- übersteigenden Provisionen zu bezahlen. 
 
Am 16. August 2006 ersuchte die Ehefrau im Rahmen des in der Zwischenzeit hängigen Scheidungsverfahrens um Abänderung der Massnahmen per 1. August 2006, weil sie zu ihrem Lebenspartner in den Kanton Bern umgezogen war, ihre Arbeitsstelle aufgeben musste und höhere Wohnkosten und Krankenkassenprämien zu bezahlen hatte. Mit Verfügung vom 12. März 2007 setzte der Kreisgerichtspräsident den Unterhaltsbeitrag für jedes Kind ab August 2006 auf Fr. 1'100.-- und jenen für die Ehefrau auf Fr. 1'000.-- fest. 
 
Die von X.________ beim Kantonsgericht St. Gallen eingereichte Rechtsverweigerungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Mit Entscheid vom 8. Mai 2007 wurde das Rechtsmittel abgewiesen. 
B. 
Mit der als subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 ff. BGG bezeichneten Eingabe vom 8. Juni 2007 hat X.________ die Sache an das Bundesgericht weitergezogen und beantragt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Entscheids. 
 
Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Der angefochtene Entscheid ist nach dem 1. Januar 2007 ergangen, so dass das Bundesgesetz über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG, SR 173.110) anwendbar ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). 
1.2 Die Sache betrifft gerichtliche Massnahmen im Sinne der Art. 137 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 172 ff. ZGB und dabei ausschliesslich die Festsetzung der Geldbeiträge, die der eine Ehegatte dem anderen während des Getrenntlebens schuldet (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Es liegt damit eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) und eine vermögensrechtliche Angelegenheit vor, wobei der Streitwert mindestens Fr. 30'000.-- betragen muss (Art. 74 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 und 4 BGG). Entgegen der Vorschrift von Art. 112 Abs. 1 lit. d BGG geht aus dem angefochtenen Urteil kein Streitwert hervor. Auch die Beschwerdeführerin äussert sich hierzu nicht. Entschieden hat das Kantonsgericht als letzte kantonale Instanz (Art. 75 Abs. 1 BGG), welche einen um Fr. 300.-- höheren Unterhaltsbeitrag der Beschwerdeführerin abgelehnt hat. Für wie lange die Unterhaltspflicht im Massnahmeverfahren besteht, ist ungewiss. Wird gestützt darauf der Streitwert nach Art. 51 Abs. 4 BGG berechnet, so ist die Eingabe der Beschwerdeführerin nicht als Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 ff. BGG zu behandeln, sondern als Zivilbeschwerde im Sinne von Art. 72 BGG. An der eingeschränkten Kognition ändert sich dadurch freilich nichts (siehe nachfolgend E. 1.3). 
1.3 Das Bundesgericht hat entschieden, dass Eheschutzmassnahmen nach Art. 172 ff. ZGB wie auch die allenfalls an sie anschliessenden vorsorglichen Massnahmen nach Art. 137 Abs. 2 ZGB grundsätzlich Art. 98 BGG zu unterstellen sind (BGE 133 III 393 E. 5.2). Deshalb kann mit der vorliegenden Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG). Das Bundesgericht wendet dabei das Recht nicht von Amtes wegen an, sondern prüft die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und hinreichend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Es gilt das Rügeprinzip entsprechend der bisherigen Praxis zur staatsrechtlichen Beschwerde. In der Beschwerdeschrift ist deshalb anzuführen, welches verfassungsmässige Recht verletzt sein soll und kurz darzulegen, worin die behauptete Verletzung besteht (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4344/4345). 
2. 
2.1 Beruht der angefochtene Entscheid auf mehreren selbständigen Begründungen, ist auch unter der Herrschaft des BGG, welches die Begründungspflicht an jene des früheren Rechts anlehnt (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4294; BGE 132 I 13 E. 3 S. 17 betreffend die staatsrechtliche Beschwerde und BGE 115 II 300 E. 2a S. 302 betreffend die Berufung), jede Begründung anzufechten. Hält allerdings eine der alternativen Begründungen der Verfassung stand, erübrigt sich die Auseinandersetzung mit den gegen die anderen Begründungen vorgebrachten Rügen. 
2.2 Das Kantonsgericht erwog unter anderem, dass sich die Beschwerdeführerin freiwillig zum Wohnortswechsel entschlossen habe. Es sei keineswegs selbstverständlich, dass der Beschwerdegegner daraus resultierende Mindereinkünfte und Mehrausgaben solidarisch mitzutragen habe. Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile des Umzugs lasse sich nicht sagen, durch den angefochtenen Entscheid sei das Prinzip, dass das Gleichgewicht zwischen den Ehegatten zu wahren sei, verletzt worden. 
2.3 Wer freiwillig auf ein genügendes Einkommen verzichtet, was auch für freiwilliges Eingehen höherer Auslagen gilt, hat sich die Differenz als hypothetisches Einkommen anrechnen zu lassen. So erwog das Bundesgericht, ein Unterhaltsschuldner, der sich freiwillig ins Ausland begebe und dort wesentlich weniger verdiene, habe sich ein hypothetisches Einkommen anrechnen zu lassen. Dabei liess es namentlich das ins Spiel gebrachte Argument der Niederlassungsfreiheit nicht gelten, stehe es doch dem Betreffenden frei, seinen Wohnsitz zu verlegen, doch dürfe die damit verbundene Einkommenseinbusse nicht zu Lasten des Unterhaltsgläubigers gehen (Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. September 1997 [5C.154/1996], E. 3b/cc; vgl. zur freiwilligen Aufgabe der Erwerbstätigkeit auch BGE 119 II 314 E. 3a). Nichts anderes gilt für die freiwillige Entscheidung des Unterhaltsgläubigers, die zu Mindereinnahmen und/oder Auslagensteigerungen führen. 
 
Ob die Beschwerdeführerin durch den Umzug von einem Komfortzuwachs profitiert, wie es das Kantonsgericht angenommen hat, und was die Beschwerdeführerin bestreitet, ist irrelevant, weil es darauf nicht ankommt. Soweit die Beschwerdeführerin der Vorinstanz entgegenhält, dass der Beschwerdegegner in Bezug auf die Wohnkosten erheblich bevorzugt worden sei, übt sie appellatorische Kritik (dazu: BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261f.), die nicht geeignet ist, Willkür darzutun (Art. 98 BGG); abgesehen davon legt sie nicht dar, dies bereits im vorinstanzlichen Verfahren vorgebracht zu haben. Soweit die Beschwerdeführerin versucht, die Freiwilligkeit dadurch in Zweifel zu ziehen, indem sie geltend macht, durch den Umzug hätten sich für die Kinder bessere Ausbildungschancen ergeben, bringt sie neue Tatsachen ins Spiel, was unzulässig ist (Art. 117 in Verbindung mit Art. 99 BGG), so dass darauf nicht einzutreten ist. 
 
Aufgrund des angefochtenen Entscheids hat die Beschwerdeführerin die Ostschweiz verlassen, um zu ihrem neuen Lebenspartner zu ziehen, was sie denn auch nicht in Abrede stellt. Bei dieser Sachlage ist das Kantonsgericht mit der Abweisung der Beschwerde allein schon deshalb nicht in Willkür verfallen, weil es dem unterhaltspflichtigen Ehegatten nicht zuzumuten ist, bei noch formell bestehender Ehe Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen des anderen Ehegatten auszugleichen, die sich daraus ergeben, dass dieser zu einem neuen Partner zieht. 
2.4 Hält diese Begründung vor der Verfassung stand, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der übrigen Kritik am angefochtenen Entscheid. 
3. 
Die Beschwerde ist nach dem Ausgeführten abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegner ist nicht zur Vernehmlassung eingeladen worden, womit ihm kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden ist. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verfassungsbeschwerde wird als Beschwerde in Zivilsachen behandelt. 
2. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Präsident der II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 9. August 2007 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: