Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2A.84/2004 /bmt 
 
Urteil vom 30. April 2004 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Müller, 
Gerichtsschreiberin Müller. 
 
Parteien 
A.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Stephan Schmidli, 
 
gegen 
 
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Beschwerdedienst, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Verweigerung der Zustimmung zur Erteilung der Aufenthaltsbewilligung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 6. Januar 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der mazedonische Staatsangehörige A.________ (geb. 1970) reiste am 26. Juni 1973 zusammen mit seinen Eltern in die Schweiz ein und erhielt die Niederlassungsbewilligung. Am *** 1993 heiratete er in Y.________ die aus der Dominikanischen Republik stammende, 1971 geborene W.________. Die Ehe wurde am 19. April 1999 geschieden. 
B. 
Mit Verfügung vom 20. Oktober 1999 wies die Fremdenpolizei des Kantons Luzern A.________ aus der Schweiz aus. Sie begründete diese Massnahme mit den Freiheitsstrafen von insgesamt einem Jahr und fünf Monaten, zu denen A.________ verurteilt worden war, sowie mit der Tatsache, dass er bis zu diesem Zeitpunkt Fürsorgeleistungen im Betrage von Fr. 169'919.-- verursacht hatte und dass gegen ihn offene Betreibungen mit der Gesamtsumme von Fr. 32'236.-- sowie 48 offene Verlustscheine über den Gesamtbetrag von Fr. 153'173.-- bestanden. 
 
Gegen diesen Entscheid erhob A.________ Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern. Mit Urteil vom 25. Februar 2000 wies dieses die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Dagegen erhob A.________ am 3. April 2000 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
C. 
Am 24. Mai 2000 ersuchte A.________ die Fremdenpolizei des Kantons Luzern darum, die Ausweisungsverfügung in Wiedererwägung zu ziehen. Diese teilte ihm am 6. Juni 2000 mit, dass sie an ihrer Verfügung festhalte. 
Mit Schreiben vom 29. Juni 2000 zog A.________ die beim Bundesgericht hängige Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts zurück, worauf das Bundesgericht das Verfahren mit Verfügung vom 3. Juli 2000 als erledigt abschrieb. 
D. 
Am 2. August 2000 ersuchte A.________ die Fremdenpolizei des Kantons Luzern noch einmal um Wiedererwägung ihrer Ausweisungsverfügung. Mit Verfügung vom 13. September 2000 wies die Fremdenpolizei das Wiedererwägungsgesuch ab. Dagegen erhob A.________ am 5. Oktober 2000 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern. 
E. 
Am 26. April 2002 verurteilte das Kriminalgericht des Kantons Luzern A.________ wegen mehrfacher Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Gefängnisstrafe von zwölf Monaten; es schob den Vollzug dieser Strafe auf und ordnete eine stationäre Massnahme an. 
F. 
Mit Urteil vom 29. Januar 2003 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die Beschwerde gegen die Verfügung der Fremdenpolizei vom 13. September 2000 gut, hob diese auf und wies die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an das Amt für Migration (ehem. Fremdenpolizei) zurück. Es war zum Schluss gekommen, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers zwar im Zeitpunkt des ersten Entscheids vom 25. Februar 2000 verhältnismässig gewesen sei, dass sie sich hingegen mittlerweile angesichts der seitherigen Entwicklung des Beschwerdeführers nicht mehr rechtfertige. 
G. 
Mit Verfügung vom 14. April 2003 verweigerte das Bundesamt für Ausländerfragen die Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an A.________. Am 15. Mai 2003 erhob A.________ beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement Beschwerde gegen diese Verfügung. Er ersuchte unter anderem um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
H. 
Mit Zwischenentscheid vom 23. Juni 2003 wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ab. Auf die gegen diesen Zwischenentscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil vom 16. September 2003 nicht ein (Urteil Nr. 2A.320/2003). Am 6. Januar 2004 entschied das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in der Sache selbst und wies die Beschwerde gegen die Verweigerung der Zustimmung ab. 
I. 
Dagegen hat A.________ am 6. Februar 2004 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Er beantragt, den Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements aufzuheben und dieses anzuweisen, die Zustimmung zur kantonalen Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Er ersucht zudem um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
J. 
Mit Verfügung vom 25. Februar 2004 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
K. 
Am 2. April 2004 heiratete A.________ in X.________ die 1974 geborene Schweizerin B.________. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Art. 100 Abs. 1 lit. b OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der Fremdenpolizei aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Es besteht damit grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, es sei denn, der Ausländer oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen könnten sich auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen (BGE 128 II 145 E. 1.1.1; 127 II 161 E. 1a S. 164, je mit Hinweisen). 
1.2 Der Beschwerdeführer hat sich nach Einreichung seiner Beschwerde beim Bundesgericht mit einer Schweizerin verheiratet. Da das Bundesgericht bei der Zulässigkeitsprüfung im Fremdenpolizeirecht regelmässig auf die aktuellen tatsächlichen und rechtlichen Umstände abstellt (BGE 120 Ib 257 E. 1f S. 262, mit Hinweis), ist diese neue Tatsache für die Beurteilung der Eintretensfrage zu berücksichtigen. 
1.3 Nach Art. 7 Abs. 1 ANAG hat der Beschwerdeführer als Ehegatte einer Schweizer Bürgerin grundsätzlich Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Die Frage, ob die Bewilligung zu verweigern sei, weil einer der in Art. 7 ANAG genannten Ausnahmetatbestände gegeben ist, betrifft nicht das Eintreten, sondern bildet Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 126 II 265 E. 1b S. 266, mit Hinweisen). Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten. 
2. 
2.1 Nach Art. 105 Abs. 2 OG ist das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhalts gebunden, wenn eine richterliche Behörde als Vorinstanz den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensgarantien festgestellt hat. Im vorliegenden Fall hat zwar mit dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern bereits ein Gericht geurteilt; angefochten ist aber nicht dessen Bewilligungsentscheid, sondern die Zustimmungsverweigerung durch die Bundesbehörden, zuletzt durch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement. Bei diesem handelt es sich nicht um eine richterliche Instanz. Deshalb steht nichts entgegen, auch bei der materiellen Prüfung der Beschwerde die tatsächliche Entwicklung zu berücksichtigen, die im Nachgang zum Urteil des Verwaltungsgerichts eingetreten ist (in BGE 127 II 49 nicht veröffentlichte E. 2; Urteil des Bundesgerichts vom 23. September 2002 [2A.260/2002] E. 2.2). 
2.2 Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat einen auf Art. 8 Ziff. 1 EMRK gestützten Anspruch des Beschwerdeführers auf Achtung des Familienlebens verneint, ebenso einen auf dieselbe Konventionsbestimmung gestützten Anspruch auf Achtung des Privatlebens. Es hat festgehalten, dass damit das Ermessen des Bundesamtes für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES) im vorliegenden Fall nicht durch spezielle gesetzliche oder staatsvertragliche Bestimmungen beschränkt gewesen sei und dass bei der Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, ein strengerer Masstab zur Anwendung komme als bei jenen Aufenthaltsbewilligungen, auf welche ein Rechtsanspruch bestehe. 
2.3 Nachdem der Beschwerdeführer aber durch seine Heirat mit einer Schweizerin einen Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung erworben hat, muss die Frage, ob die Zustimmung zu einer solchen Bewilligung durch die Bundesbehörden verweigert werden darf, neu aufgeworfen und im Lichte des aktuellen Sachverhalts beurteilt werden. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben. 
3. 
3.1 Hebt das Bundesgericht die angefochtene Verfügung auf, so entscheidet es selbst in der Sache oder weist diese an die Vorinstanz zurück; hat diese als Beschwerdeinstanz entschieden, so kann es die Sache an die Behörde zurückweisen, die in erster Instanz verfügt hat (Art. 114 Abs. 2 OG). 
 
Im vorliegenden Fall rechtfertigt es sich, nicht in der Sache selbst zu entscheiden, sondern die Sache zu neuer Prüfung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
3.2 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem Gesagten gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement zurückzuweisen. Dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 2 OG). 
3.3 Die Beschwerde musste aufgrund eines nachträglich eingetretenen Umstandes gutheissen werden. Es rechtfertigt sich daher, davon abzusehen, das unterliegende Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement zur Ausrichtung einer Parteientschädigung an den Beschwerdeführer zu verurteilen. 
3.4 Ob die Beschwerde auch ohne die Heirat des Beschwerdeführers mit einer Schweizerin gutgeheissen worden wäre, kann hier offen bleiben; von vornherein aussichtslos war sie jedenfalls nicht. Da auch die Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bejahen ist und die Prozessarmut des Beschwerdeführers als gegeben erscheint (Art. 152 OG), ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gutzuheissen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 6. Januar 2004 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an dieses zurückgewiesen. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen. 
2.1 Es werden keine Kosten erhoben. 
2.2 Fürsprecher Schmidli, Bern, wird aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 1'500.-- ausgerichtet. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, Beschwerdedienst, sowie dem Amt für Migration des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 30. April 2004 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: